Der Prozess

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Ralf Langer

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Hallo zusammen,

ich möchte eines noch einmal darstellen.
Und das steht nicht im direkten Zusammenhang damit,
wie ich diese Geschichte geschrieben habe.

In fast allen Kommentaren wird auf das - von heutiger Sicht - absurde dieser Prozesse hingewiesen.

Ich möchte - nachdem ich recherchiert und mit einem befreundeten Richter darüber gesprochen habe - nochmals darauf hinweisen.

Die Rechtsprechung hat sich geändert.

Das absurde aus der Sicht der Menschen des ausgehenden Mittelalters auf unsere heutigen Prozesse wäre, das das Sühnen
einer Tat nicht höchste Priorität hätte - gleichgültig ob von Mensch oder Tier begangen.

Nichtsdestotrotz erkenne ich, dank der vielen Hinweise, eine Möglichkeit, wie ich durch Umarbeitung des Textes, die vielen interessanten Gedanken aufnehmen könnte.

Dank an alle
Ralf
 

Ralf Langer

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Der Prozess


Der ehrenwerte Richter Aloisius Blomkolb schaute ein letztes Mal eindringlich auf den Angeklagten.
Er kniff ein Auge zusammen und wirkte mürrisch.
„ Angeklagter, sie haben das Recht noch etwas zusagen, bevor ich mich zur Urteilsfindung zurückziehe!“
Schweigen.
Nur dieser animalische Blick. Wenn etwas darin verborgen lag, dann war es Unverständnis.
Aber es gab ein Verbrechen und Aloisius hatte zu richten.
Gerade hatten sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung ihre Plädoyers gehalten.
Poenae capitis.
Die Worte des Staatsanwaltes klangen Aloisius noch im Ohr.
Die Höchststrafe. Was auch sonst!
Wegen der Schwere des Verbrechens in aller Öffentlichkeit. Vierteilung und Verbrennung.
Die Asche des Täters wäre hiernach in alle vier Winde zu verstreuen.
Es ginge nicht um Schuld, es ginge um Sühne. Die Zurückgebliebenen des Opfers, einer Bäuerin mit Namens Peternell, hatten Recht auf Sühne.
Es ginge letztlich um den Seelenfrieden!
Es geht darum, daß jemand bezahlen müsse, für diese abscheuliche Tat. Der hinterhältige Stoß, hinab von der Seiser Klippe. Der Sturz in die Tiefe. Der zerschundene Leichnam von Felsen zerschmettert.
Sühne war das Gebot!
Aloisius Blomkolb nickte.
Er warf einen Blick auf den Strafverteidiger.
Kein Mord! Mindere Schuldfähigkeit. Wenn schon kein Freispruch, dann doch höchstens lebenslanges Gewahrsam.
Schuldig könne nur der gesprochen, wer der Schuld fähig sei.
Sein Mandant sei es nicht. Ganz und gar nicht.
Eine Tat nur aus dem Affekt, getrieben von Begierden. Außerdem noch so jung. So unerfahren.
Die ganze Schärfe des Gesetzes könne hier nicht zur Anwendung kommen.

Aloisius warf einen suchenden Blick durch den Gerichtssaal.
Viel hing von seinem Urteil ab. Seine Zukunft zu allererst. Irgendwo, unerkannt unter den Zuschauern, saß ein Administrat aus Wien.
Wenn alles gut ging, winkte bald ein Posten am kaiserlichen Gerichtshof.
Die Welt ist im Wandel, dachte er, und ich bin mittendrin.
In Rotterdam schrieb ein gewisser Erasmus von der Freiheit der menschlichen Seele.
Ein Wittenberger Professsorius bezweifelte die Unfehlbarkeit der päpstlichen Konzilien.
Dann dieser neue Kontinent an den westlichen Enden der Welt.
Alles war kleiner geworden, rückte zusammen. Alles war mit allem in Verbindung.
Durch die Erfindung des Buchdrucks waren es schnelle Zeiten geworden.
In Windeseile bahnten sich neue Ideen ihren Weg über den Kontinent.
„ Seltsame Zeiten sind das“, murmelte Aloisius.
Er gab dem Gerichtsdiener ein Zeichen.
„ Bitte erheben sie sich. Das hohe Gericht zieht sich bis zur Urteilsverkündung zurück!“
Aloisius hatte sich umgedreht und war schon fast an der Tür zum Beratungsraum.
Er musste nicht zurückblicken.
Er wusste der junge Ziegenbock lag auf seinem Stroh.
 

Ralf Langer

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Der Prozess


Der ehrenwerte Richter Aloisius Blomkolb schaute ein letztes Mal eindringlich auf den Angeklagten.
Er kniff ein Auge zusammen und wirkte mürrisch.
„ Angeklagter, sie haben das Recht noch etwas zusagen, bevor ich mich zur Urteilsfindung zurückziehe!“
Schweigen.
Nur dieser animalische Blick. Wenn etwas darin verborgen lag, dann war es Unverständnis.
Aber es gab ein Verbrechen und Aloisius hatte zu richten.
Gerade hatten sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung ihre Plädoyers gehalten.
Poenae capitis.
Die Worte des Staatsanwaltes klangen Aloisius noch im Ohr.
Die Höchststrafe. Was auch sonst!
Wegen der Schwere des Verbrechens in aller Öffentlichkeit. Vierteilung und Verbrennung.
Die Asche des Täters wäre hiernach in alle vier Winde zu verstreuen.
Es ginge nicht um Schuld, es ginge um Sühne. Die Zurückgebliebenen des Opfers, einer Bäuerin mit Namens Peternell, hatten Recht auf Sühne.
Es ginge letztlich um den Seelenfrieden!
Es geht darum, daß jemand bezahlen müsse, für diese abscheuliche Tat. Der hinterhältige Stoß, hinab von der Seiser Klippe. Der Sturz in die Tiefe. Der zerschundene Leichnam von Felsen zerschmettert.
Sühne war das Gebot!
Aloisius Blomkolb nickte.
Er warf einen Blick auf den Strafverteidiger.
Kein Mord! Mindere Schuldfähigkeit. Wenn schon kein Freispruch, dann doch höchstens lebenslanges Gewahrsam.
Schuldig könne nur der gesprochen, wer der Schuld fähig sei.
Sein Mandant sei es nicht. Ganz und gar nicht.
Eine Tat nur aus dem Affekt, getrieben von Begierden. Außerdem noch so jung. So unerfahren.
Die ganze Schärfe des Gesetzes könne hier nicht zur Anwendung kommen.

Aloisius warf einen suchenden Blick durch den Gerichtssaal.
Viel hing von seinem Urteil ab. Seine Zukunft zu allererst. Irgendwo, unerkannt unter den Zuschauern, saß ein Administrat aus Wien.
Wenn alles gut ging, winkte bald ein Posten am kaiserlichen Gerichtshof.
Die Welt ist im Wandel, dachte er, und ich bin mittendrin.
In Rotterdam schrieb ein gewisser Erasmus von der Freiheit der menschlichen Seele.
Ein Wittenberger Professsorius bezweifelte die Unfehlbarkeit der päpstlichen Konzilien.
Dann dieser neue Kontinent an den westlichen Enden der Welt.
Alles war kleiner geworden, rückte zusammen. Alles war mit allem in Verbindung.
Die neue Technik des Buchdrucks beschleunigte die Welt
In Windeseile bahnten sich nun neue Ideen ihren Weg über den Kontinent.
„ Seltsame Zeiten sind das“, murmelte Aloisius.
Er gab dem Gerichtsdiener ein Zeichen.
„ Bitte erheben sie sich. Das hohe Gericht zieht sich bis zur Urteilsverkündung zurück!“
Aloisius hatte sich umgedreht und war schon fast an der Tür zum Beratungsraum.
Er musste nicht zurückblicken.
Er wusste der junge Ziegenbock lag auf seinem Stroh.
 



 
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