Ilona B
Mitglied
Der Seitensprung
„Liebling! Aufstehen! Es ist zwar Samstag und erst kurz nach 10.00 Uhr, aber du wolltest doch noch ins Büro.“
„Mein Gott, warum schreist du so?“ erklingt ein dumpfes Stöhnen. Wenn nicht alles täuscht, ist das Pierre Latour, der Sonnyboy vom Dienst und Schwarm aller lebenden Frauen. Am Bettende schiebt sich langsam ein schwarzhaariger Lockenkopf unter der Decke hervor. „Wo bin ich? Und vor allem, was bin ich?“
Unerbittlich erhellen die Sonnenstrahlen, die sich durch die Jalousien mogeln, ein blasses Katergesicht.
„Na, du siehst aus wie eine zerrupfte Vogelscheuche, die mit einem Kopfsprung in unserem kuscheligen Bett gelandet ist. Übrigens, unsere Wohnung ist in Paris, falls du das auch nicht mehr weist. Paris in Frankreich.“
Nadine schnappt sich mit einem Ruck die Bettdecke. „Ach Pierre! Konntest du die Klamotten nicht ausziehen.“
Pierre setzt seinen treuherzigen Dackelblick ein. „Aber meine Schuhe habe ich ordentlich vors Bett gestellt.“
„Soll ich dich dafür noch loben? - Wahrscheinlich!“
Nadine versucht ernst zu bleiben, aber sie kann ihm einfach nicht lange böse sein. „Komm geh duschen, ich mache uns inzwischen Frühstück.“
„Du bist ein Schatz!“ Pierre richtet sich vorsichtig auf. Was ist nur los? Jeder einzelne Knochen tut ihm weh. Der Vergleich mit der Vogelscheuche ist gar nicht so verkehrt, denn im Moment fühlt er sich deutlich älter als neununddreißig Jahre. Steifbeinig stelzt er ins Bad. Eine Dusche wird ihn schon wieder auf Vordermann bringen. Als er das Hemd über den Kopf zieht, fällt sein Blick in den Spiegel und er stockt mitten in der Bewegung. „Um Himmels Willen, was ist das?“ Er starrt auf ein paar leuchtend rote Kratzer, die quer über seine Brust verlaufen. Tastend fährt er mit den Fingern darüber.
Nein, das ist keine Halluzination. Ein flüchtiger Gedanke an einen verführerischen Rotschopf schießt im durch den Kopf. Ich glaube, ich muss dringend mit Raoul reden. Hoffentlich weiß er, was das zu bedeuten hat. Der Duft von frischem Kaffee treibt Pierre endlich unter die Dusche, und fünfzehn Minuten später betritt er die Küche. Nadine sitzt am Tisch, hat die Ellbogen aufgestützt und umfasst mit beiden Händen ihren großen Kaffeebecher. Zufrieden lächelt sie ihn an. „Da bist du ja. Komm setzt dich noch ein bisschen zu mir.“ Pierre entspannt sich etwas und gießt sich einen Kaffee ein. Was will man mehr an einem Samstagmorgen. Er verdrängt alle üblen Gedanken, drückt Nadine ein Küsschen auf die Nasenspitze und macht es sich neben ihr gemütlich. „Na, nun erzähl doch mal. War es gestern Abend nett?“ Sofort wieder unruhig, rutscht Pierre auf der Eckbank herum. „Och ja, so wie immer. Wir haben in dem neuen Restaurant „Chez Louis“ gegessen und ein paar Flaschen Wein geköpft. Wie üblich sind anschließend die meisten verschwunden und der Rest ist in irgendeiner Bar gelandet. Ich glaube wir haben sogar getanzt.“
Nadine spöttelt. „Du glaubst? Kann es sein, dass du ein klein wenig zuviel Rotwein getrunken hast?“ Eigentlich braucht Nadine nicht zu fragen, denn Pierre tanzt nur, wenn er stark angeheitert ist. „Übrigens, ist die neue rothaarige Sekretärin mit dabei gewesen?“
Pierre verschluckt sich und muss husten. „Möglich. So genau kann ich mich nicht daran erinnern.“ Ein Blick zur Küchenuhr und Pierre springt auf. „Ich geh jetzt. Raoul wartet sicher schon.“ Er schnappt sich seine Autoschlüssel und sitzt fünf Minuten später im schwarzen Mercedes-Kabriolett. Beinahe wäre er noch über die Katze von nebenan gestolpert, die plötzlich um seine Beine schlich.
Blödes Vieh. Sonst ignorierte sie ihn doch auch immer.
Die Stille im Büro ist wohltuend und hilft Pierre seinen leichten Anfall von Panik zu bekämpfen. Schwungvoll öffnet sich die Tür und Raoul steht im Rahmen. „Morgen mein Freund! Wie geht’s?“
„Frag nicht!“ Pierre richtet sich auf und hebt langsam die Augenlider. „Mein Schädel brummt, und der restliche Körper kann nicht mir gehören.“
„Verständlich, so wie du gestern gezecht hast. Wie in alten Tagen. Soll ich dir vielleicht einen kalten Lappen besorgen oder hättest du lieber eine süße Krankenschwester?“
„Danke! Danke! Nicht nötig. Sag mir nur was ich gestern angestellt habe und es geht mir sofort besser.“
„Das weiß ich doch nicht“, entgegnet Raoul erstaunt.
„Was soll das heißen. Waren wir nicht den ganzen Abend zusammen?“ Pierre runzelt die Augenbrauen.
„Schon, aber nur bis zu dem Zeitpunkt, als mich unser Neuzugang bat, mit dir allein bleiben zu können.“
„Und da gehst du einfach. Schöner Freund!“
„Na hör mal, ich bin nicht dein Aufpasser, und außerdem behauptest du immer, keine Frau könnte dich mehr rumkriegen, seit du mit Nadine liiert bist.“
„Richtig! Recht hast du! Es ist bestimmt nichts passiert. - Aber sieh dir das mal an.“ Mit bedrücktem Gesicht knöpft Pierre sein Hemd auf und beeindruckt stößt Raoul einen lauten Pfiff aus.
„Donnerwetter! Hat Nadine die schon gesehen?“
„Bist du verrückt! Ich kann sie ihr nicht zeigen, ohne eine plausible Erklärung parat zu haben. Aber ich kann mich einfach nicht erinnern.“ Pierre schließt erneut die Augen und konzentriert sich. Also da war das Restaurant, und alle Angestellten der Anwaltskanzlei saßen im Kerzenschein um einen runden Tisch herum. Nach ein paar Gläsern Wein herrschte eine ausgelassene Stimmung. Die Neue saß neben ihm, in einem grünen Kleid mit einem sündhaft tiefen Dekolleté. Bei jeder Gelegenheit beugte sie sich weit zu ihm, so dass ihr Parfüme seine Nase kitzelte. Früher hätte er keine Minute gezögert und ihre offensichtliche Einladung angenommen. Doch jetzt. Es wunderte ihn selbst. Bei jedem Tanz schmiegte sie sich eng an ihn, so dass er die Üppigkeit ihres Körpers nicht nur zu erahnen brauchte, und dann ... .
Verdammt, was passierte dann?
Entmutigt schüttelt Pierre den Kopf. „Ich kann mich nicht mehr entsinnen, als ob ich einen Schlag auf den Kopf bekommen hätte. - Das ist es! Ich behaupte einfach, ich bin überfallen worden.“
„Mach keinen Blödsinn. Nadine ist nicht dumm. Dein Hemd war nicht zerrissen, wie soll der Gangster das wohl angestellt haben.“
„Mmmh! - Dann bin ich eben gefoltert worden oder weiß der Henker.“ Raoul klopft seinem Freund beruhigend auf die Schulter. „Was hältst du davon Nadine die Wahrheit zu erzählen. Sie liebt dich und vertraut dir.“ Pierre stutzt. Raoul hat recht. Das ist die Lösung. Nadine würde ihm glauben, dass er nichts Unrechtes getan hatte, auch wenn er sich leider nicht an die gestrige Nacht erinnern konnte. „Am besten, ich sage es ihr gleich, bevor mich der Mut verlässt. Arbeiten kann ich sowieso nicht mehr.“ Er springt auf und eilt zur Tür. Raoul sieht seinem Freund hinterher. „Armer Pierre, hoffentlich geht das gut.“
Pierre kramt nach seinem Haustürschlüssel, als Nadine auch schon die Tür aufreißt. „Hallo, ich wollte gerade in die Küche, da hab ich dich gehört. Was machst du denn schon wieder hier. Bist du fertig für heute? Ach egal! Es ist gut, dass du kommst. Du hast nämlich Besuch.“
„Ich? Ich habe Besuch!? Wer sollte das wohl sein?“
„Stell dir vor, eine hübsche junge Dame.“ Nadines Stimme zittert. Pierre gefriert das Blut in den Adern, und zögernd hebt er den Kopf. Ihre Augen schwimmen in Tränen. „Ich kann dir alles erklären!“ stammelt Pierre. „Hör mir bitte erst zu, bevor sie dir etwas Falsches erzählt.“
„Ich finde, es hört sich sehr realistisch an, und man kann sich alles lebhaft vorstellen. Schade, dass ich das nicht miterlebt habe.“
Oh mein Gott! Jetzt wird sie hysterisch. „Nadine, meine Süße, so schlimm ist es nicht gewesen. Sie hat bestimmt sehr viel erfunden und dazugedichtet. Vertrau mir.“
„Wahrscheinlich hast du recht. Kinder übertreiben gern, aber so bist du für sie ein richtiger Held, und wann hat man dazu schon einmal die Möglichkeit.“
„Kinder!? Held!!? - Wovon sprichst du?“
„Na, von gestern Abend. Die Katze von Lucille, du weißt das kleine, blonde Mädchen von nebenan, ist auf die riesige Eiche vor unserem Haus geklettert und kam nicht mehr herunter. Trotzdem steckten Lucilles Eltern das Kind ins Bett, und natürlich ist die Kleine dann später ans Fenster geschlichen, um von dort auf Sammy aufzupassen. Da hat sie dich gesehen, wie du torkelnd unter dem tiefsten Ast stehen geblieben bist, und dann ... und dann ...“
Nadine holt tief Luft und wischt sich die Lachtränen von den Wangen. „Tja, dann hast du deine Sachen ausgezogen und bist auf den Baum geklettert, um die Katze zu retten.“
Sprachlos öffnet Pierre den Mund. Jetzt dämmert ihm etwas. Er erinnert sich an ein fauchendes Bündel Fell, mit langen scharfen Krallen, das sich wie wild gewehrt hat. Ihm fällt eine Last von den Schultern und mit vor Stolz geschwellter Brust richtet er sich um einige Zentimeter auf. Ich wusste doch gleich, dass ich treu bin.
„Liebling! Aufstehen! Es ist zwar Samstag und erst kurz nach 10.00 Uhr, aber du wolltest doch noch ins Büro.“
„Mein Gott, warum schreist du so?“ erklingt ein dumpfes Stöhnen. Wenn nicht alles täuscht, ist das Pierre Latour, der Sonnyboy vom Dienst und Schwarm aller lebenden Frauen. Am Bettende schiebt sich langsam ein schwarzhaariger Lockenkopf unter der Decke hervor. „Wo bin ich? Und vor allem, was bin ich?“
Unerbittlich erhellen die Sonnenstrahlen, die sich durch die Jalousien mogeln, ein blasses Katergesicht.
„Na, du siehst aus wie eine zerrupfte Vogelscheuche, die mit einem Kopfsprung in unserem kuscheligen Bett gelandet ist. Übrigens, unsere Wohnung ist in Paris, falls du das auch nicht mehr weist. Paris in Frankreich.“
Nadine schnappt sich mit einem Ruck die Bettdecke. „Ach Pierre! Konntest du die Klamotten nicht ausziehen.“
Pierre setzt seinen treuherzigen Dackelblick ein. „Aber meine Schuhe habe ich ordentlich vors Bett gestellt.“
„Soll ich dich dafür noch loben? - Wahrscheinlich!“
Nadine versucht ernst zu bleiben, aber sie kann ihm einfach nicht lange böse sein. „Komm geh duschen, ich mache uns inzwischen Frühstück.“
„Du bist ein Schatz!“ Pierre richtet sich vorsichtig auf. Was ist nur los? Jeder einzelne Knochen tut ihm weh. Der Vergleich mit der Vogelscheuche ist gar nicht so verkehrt, denn im Moment fühlt er sich deutlich älter als neununddreißig Jahre. Steifbeinig stelzt er ins Bad. Eine Dusche wird ihn schon wieder auf Vordermann bringen. Als er das Hemd über den Kopf zieht, fällt sein Blick in den Spiegel und er stockt mitten in der Bewegung. „Um Himmels Willen, was ist das?“ Er starrt auf ein paar leuchtend rote Kratzer, die quer über seine Brust verlaufen. Tastend fährt er mit den Fingern darüber.
Nein, das ist keine Halluzination. Ein flüchtiger Gedanke an einen verführerischen Rotschopf schießt im durch den Kopf. Ich glaube, ich muss dringend mit Raoul reden. Hoffentlich weiß er, was das zu bedeuten hat. Der Duft von frischem Kaffee treibt Pierre endlich unter die Dusche, und fünfzehn Minuten später betritt er die Küche. Nadine sitzt am Tisch, hat die Ellbogen aufgestützt und umfasst mit beiden Händen ihren großen Kaffeebecher. Zufrieden lächelt sie ihn an. „Da bist du ja. Komm setzt dich noch ein bisschen zu mir.“ Pierre entspannt sich etwas und gießt sich einen Kaffee ein. Was will man mehr an einem Samstagmorgen. Er verdrängt alle üblen Gedanken, drückt Nadine ein Küsschen auf die Nasenspitze und macht es sich neben ihr gemütlich. „Na, nun erzähl doch mal. War es gestern Abend nett?“ Sofort wieder unruhig, rutscht Pierre auf der Eckbank herum. „Och ja, so wie immer. Wir haben in dem neuen Restaurant „Chez Louis“ gegessen und ein paar Flaschen Wein geköpft. Wie üblich sind anschließend die meisten verschwunden und der Rest ist in irgendeiner Bar gelandet. Ich glaube wir haben sogar getanzt.“
Nadine spöttelt. „Du glaubst? Kann es sein, dass du ein klein wenig zuviel Rotwein getrunken hast?“ Eigentlich braucht Nadine nicht zu fragen, denn Pierre tanzt nur, wenn er stark angeheitert ist. „Übrigens, ist die neue rothaarige Sekretärin mit dabei gewesen?“
Pierre verschluckt sich und muss husten. „Möglich. So genau kann ich mich nicht daran erinnern.“ Ein Blick zur Küchenuhr und Pierre springt auf. „Ich geh jetzt. Raoul wartet sicher schon.“ Er schnappt sich seine Autoschlüssel und sitzt fünf Minuten später im schwarzen Mercedes-Kabriolett. Beinahe wäre er noch über die Katze von nebenan gestolpert, die plötzlich um seine Beine schlich.
Blödes Vieh. Sonst ignorierte sie ihn doch auch immer.
Die Stille im Büro ist wohltuend und hilft Pierre seinen leichten Anfall von Panik zu bekämpfen. Schwungvoll öffnet sich die Tür und Raoul steht im Rahmen. „Morgen mein Freund! Wie geht’s?“
„Frag nicht!“ Pierre richtet sich auf und hebt langsam die Augenlider. „Mein Schädel brummt, und der restliche Körper kann nicht mir gehören.“
„Verständlich, so wie du gestern gezecht hast. Wie in alten Tagen. Soll ich dir vielleicht einen kalten Lappen besorgen oder hättest du lieber eine süße Krankenschwester?“
„Danke! Danke! Nicht nötig. Sag mir nur was ich gestern angestellt habe und es geht mir sofort besser.“
„Das weiß ich doch nicht“, entgegnet Raoul erstaunt.
„Was soll das heißen. Waren wir nicht den ganzen Abend zusammen?“ Pierre runzelt die Augenbrauen.
„Schon, aber nur bis zu dem Zeitpunkt, als mich unser Neuzugang bat, mit dir allein bleiben zu können.“
„Und da gehst du einfach. Schöner Freund!“
„Na hör mal, ich bin nicht dein Aufpasser, und außerdem behauptest du immer, keine Frau könnte dich mehr rumkriegen, seit du mit Nadine liiert bist.“
„Richtig! Recht hast du! Es ist bestimmt nichts passiert. - Aber sieh dir das mal an.“ Mit bedrücktem Gesicht knöpft Pierre sein Hemd auf und beeindruckt stößt Raoul einen lauten Pfiff aus.
„Donnerwetter! Hat Nadine die schon gesehen?“
„Bist du verrückt! Ich kann sie ihr nicht zeigen, ohne eine plausible Erklärung parat zu haben. Aber ich kann mich einfach nicht erinnern.“ Pierre schließt erneut die Augen und konzentriert sich. Also da war das Restaurant, und alle Angestellten der Anwaltskanzlei saßen im Kerzenschein um einen runden Tisch herum. Nach ein paar Gläsern Wein herrschte eine ausgelassene Stimmung. Die Neue saß neben ihm, in einem grünen Kleid mit einem sündhaft tiefen Dekolleté. Bei jeder Gelegenheit beugte sie sich weit zu ihm, so dass ihr Parfüme seine Nase kitzelte. Früher hätte er keine Minute gezögert und ihre offensichtliche Einladung angenommen. Doch jetzt. Es wunderte ihn selbst. Bei jedem Tanz schmiegte sie sich eng an ihn, so dass er die Üppigkeit ihres Körpers nicht nur zu erahnen brauchte, und dann ... .
Verdammt, was passierte dann?
Entmutigt schüttelt Pierre den Kopf. „Ich kann mich nicht mehr entsinnen, als ob ich einen Schlag auf den Kopf bekommen hätte. - Das ist es! Ich behaupte einfach, ich bin überfallen worden.“
„Mach keinen Blödsinn. Nadine ist nicht dumm. Dein Hemd war nicht zerrissen, wie soll der Gangster das wohl angestellt haben.“
„Mmmh! - Dann bin ich eben gefoltert worden oder weiß der Henker.“ Raoul klopft seinem Freund beruhigend auf die Schulter. „Was hältst du davon Nadine die Wahrheit zu erzählen. Sie liebt dich und vertraut dir.“ Pierre stutzt. Raoul hat recht. Das ist die Lösung. Nadine würde ihm glauben, dass er nichts Unrechtes getan hatte, auch wenn er sich leider nicht an die gestrige Nacht erinnern konnte. „Am besten, ich sage es ihr gleich, bevor mich der Mut verlässt. Arbeiten kann ich sowieso nicht mehr.“ Er springt auf und eilt zur Tür. Raoul sieht seinem Freund hinterher. „Armer Pierre, hoffentlich geht das gut.“
Pierre kramt nach seinem Haustürschlüssel, als Nadine auch schon die Tür aufreißt. „Hallo, ich wollte gerade in die Küche, da hab ich dich gehört. Was machst du denn schon wieder hier. Bist du fertig für heute? Ach egal! Es ist gut, dass du kommst. Du hast nämlich Besuch.“
„Ich? Ich habe Besuch!? Wer sollte das wohl sein?“
„Stell dir vor, eine hübsche junge Dame.“ Nadines Stimme zittert. Pierre gefriert das Blut in den Adern, und zögernd hebt er den Kopf. Ihre Augen schwimmen in Tränen. „Ich kann dir alles erklären!“ stammelt Pierre. „Hör mir bitte erst zu, bevor sie dir etwas Falsches erzählt.“
„Ich finde, es hört sich sehr realistisch an, und man kann sich alles lebhaft vorstellen. Schade, dass ich das nicht miterlebt habe.“
Oh mein Gott! Jetzt wird sie hysterisch. „Nadine, meine Süße, so schlimm ist es nicht gewesen. Sie hat bestimmt sehr viel erfunden und dazugedichtet. Vertrau mir.“
„Wahrscheinlich hast du recht. Kinder übertreiben gern, aber so bist du für sie ein richtiger Held, und wann hat man dazu schon einmal die Möglichkeit.“
„Kinder!? Held!!? - Wovon sprichst du?“
„Na, von gestern Abend. Die Katze von Lucille, du weißt das kleine, blonde Mädchen von nebenan, ist auf die riesige Eiche vor unserem Haus geklettert und kam nicht mehr herunter. Trotzdem steckten Lucilles Eltern das Kind ins Bett, und natürlich ist die Kleine dann später ans Fenster geschlichen, um von dort auf Sammy aufzupassen. Da hat sie dich gesehen, wie du torkelnd unter dem tiefsten Ast stehen geblieben bist, und dann ... und dann ...“
Nadine holt tief Luft und wischt sich die Lachtränen von den Wangen. „Tja, dann hast du deine Sachen ausgezogen und bist auf den Baum geklettert, um die Katze zu retten.“
Sprachlos öffnet Pierre den Mund. Jetzt dämmert ihm etwas. Er erinnert sich an ein fauchendes Bündel Fell, mit langen scharfen Krallen, das sich wie wild gewehrt hat. Ihm fällt eine Last von den Schultern und mit vor Stolz geschwellter Brust richtet er sich um einige Zentimeter auf. Ich wusste doch gleich, dass ich treu bin.