Der Wassermann

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Folgende Geschichte trug sich vor langer Zeit im Königreich hinter den Wolken zu:

Der König des Landes hatte einen Sohn, Max. Er war bekannt für seine Freundlichkeit zu jedermann und führte nie etwas Böses im Schilde. Eines Tages saß er mit seinem Vater am wärmenden Kaminfeuer des Rittersaales. Der König erzählte von den Abenteuern, die er als junger Prinz in der Fremde erlebt hatte, von wilden Tieren die er bei der Jagd erlegte und gefährlichen Begegnungen mit Drachen und Einhörnern. „Vater, lass mich auch in die Welt hinaus ziehen und solche Abenteuer erleben,“ bat Max. Der König, erschrocken über diese Idee, versuchte seinen Sohn davon abzubringen, aber der war bereits fest entschlossen. Am nächsten Morgen stand Max mit Sack und Pack auf dem Schlosshof, bereit für den Auszug in die Fremde. Ohne einen Beschützer wollte der König seinen geliebten Sohn nicht ziehen lassen. Bodo, der Stiefsohn des Königs, sollte ihn begleiten und auf sein Wohlergehen achten. „In einem Jahr bin ich zurück,“ versprach Max seinem Vater. „ Sobald du zurück bist überlasse ich dir unser Königreich und setze mich zur Ruhe,“ sagte der König. Er hatte die Lust am regieren verloren und freute sich darauf etwas mehr Zeit für sein Lieblingsspiel zu haben. Es war nicht Schach , dass Spiel der Könige, nein, er liebte es im Schlosshof mit Murmeln zu spielen.
Zum Abschied nahmen sich Vater und Sohn in die Arme und ein paar dicke Tränen kullerten über ihre traurigen Gesichter.

Zunächst war alles ein wirkliches Abenteuer und beide Prinzen verstanden sich auf das Beste. Sie begegneten, auf ihrer Reise durch die Welt, so manchem Unhold, besiegten eine ganze Räuberbande im tiefen Wald und konnten das Leben einer Prinzessin retten, die von einem feuerspeienden Drachen bedroht wurde.
Bei all diesen Abenteuern stellte sich bald heraus, dass Max der klügere, stärkere und mutigere der beiden Prinzen war. Bodo wurde mit jedem Tag eifersüchtiger auf ihn. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, dass nach ihrer Rückkehr in das Königreich hinter den Wolken, Max der König des Landes werden sollte. Er dachte sich viele Gemeinheiten aus um ihn loszuwerden. Beim Sieg über den Drachen sorgte er sogar dafür, das Max ohne Rüstung den Kampf bestritt. Max bewies jedoch soviel Mut und Geschick, dass er es trotzdem schaffte den Sieg davon zu tragen.
In einer tiefschwarzen Nacht mussten sie in einem finsteren Wald übernachten. Sie entzündeten ein Feuer, dass ein wenig Licht ins Dunkel brachte und am dem man sich aufwärmen konnte. Nachdem sie eine Kleinigkeit gegessen hatten, legten sie sich zum schlafen nieder. Max schlief so fest, dass er nicht bemerkte wie Bodo sich auf den Weg machte um die Hexe Hilda aufzusuchen. Die war dafür bekannt, dass sie kleine und große Schurken gerne mal mit einem Zauber unterstützte.

Sie wohnte mitten im Wald, in einer geräumigen Erdhöhle. Von weitem konnte man nicht erkennen, dass es sich um eine Behausung handelte. Jeder Wanderer, der zufällig den Wald durchstreifte, hielt es für einen gewöhnlichen Erdhügel, kletterte hinauf und nutzte ihn um die Gegend aus einer höheren Warte zu betrachten. Hilda konnte aber gar nicht leiden, wenn jemand auf ihrem Dach herumtanzte und belegte die vorwitzigen Wanderer mit bösen Verwünschungen. Manche bekamen Warzen, so groß wie dicke Murmeln, mitten auf der Nase, oder auch so zahlreiche Blasen an den Füßen, dass sie nur noch auf ihren Händen gehend den Wald verlassen konnten.

Bodo und Hilda verstanden sich vom ersten Augenblick an auf das Beste. Sie unterhielten sich lange über Bodos Problem. Max los zu werden war gar nicht so einfach. Nach ein paar Gläschen Hexengebräu und einem Teller gemeinem Wunschsalat hatten beide einen heimtückischen Plan. Max, der Ahnungslose sollte tief in den Wald gelockt werden, bis zum grünen Tümpel. Am Ufer wollte Hilda auf ihn warten, ihn in einen hässlichen Wassermann verwandeln und so dafür sorgen, dass er für immer im See leben müsste. Bodo war mit dem Plan sehr zufrieden. Er versprach Hilda als Lohn Max treues, edles Pferd und einen Beutel voller Goldstücke. Handelseinig mit Hilda, machte sich Bodo wieder auf den Weg zu Max, legte sich ans Lagerfeuer und schlief.

Am nächsten Morgen, erzählte Bodo, er habe vom grünen See im Wald geträumt .Von einem Schatz auf dem Grund des Sees, der nur darauf wartete entdeckt zu werden. Max war gleich Feuer und Flamme . Er wollte nichts lieber als einen Schatz vom Grund eines Sees bergen. Das war ein Abenteuer ganz nach seinem Geschmack. Beide machten sich sofort auf den Weg in den dunklen Wald . Woher sollte Max auch wissen, dass ihn Bodo in eine Falle locken wollte. Völlig unbeschwert kam er am grünen Tümpel an, sprang von seinem Pferd und trat an das Ufer. Die Oberfläche des Tümpels glich einem Spiegel, glatt, grün und glänzend lag er zu seinen Füßen. Fast konnte man glauben, dass man den Schatz am Grunde des Sees erblicken könne, würde man sich nur weit genug nach vorne beugen. Max zog seine Kleider aus und ging auf das Ufer zu. Plötzlich sprang Hilda aus dem Schilf und spie wilde Verwünschungen aus. Max spürte ein merkwürdiges Kribbeln im ganzen Körper und sah bunte Kreise vor seinen Augen. Als er an sich heruntersah konnte er Schwimmhäute zwischen den Fingern und Zehen erkennen und seine Haut verfärbte sich grün.........dann verlor er das Bewusstsein und taumelte auf den Grund des Tümpels.

Hilda, über den Erfolg der Verwünschungen hoch erfreut, forderte nun die vereinbarte Bezahlung von Bodo. Der aber hatte sich schon überlegt, wie er Hilda um ihren Lohn bringen könnte, denn er war ein weithin bekannter Geizhals. Er gab Hilda statt des edlen Rosses von Max, seinen alten Klepper, der schon nicht mehr richtig laufen konnte und statt dem prall gefüllten Beutel Goldes nur ein Säckchen Silberlinge. „Da, das ist der Lohn den ihr für eure Tat verdient!“ sagte er, warf Hilda den Beutel zu, schwang sich sogleich auf sein Pferd und ritt so schnell er konnte aus dem dunklen Wald . Hilda, die natürlich sofort den Betrug bemerkte rief hinter ihm her: „Das habt ihr nicht umsonst getan, Prinz Bodo. Sollte sich eine Prinzessin zum Tümpel verirren, so kann sie den Prinz Max durch ihre Liebe erretten und dafür sorgen dass er zu seinem Recht kommt. Euch aber sollen bei jeder Lüge Frösche aus dem Mund hüpfen!“ Nachdem sie ihre Verwünschungen ausgesprochen hatte ging sie zurück zu ihrem Erdhügel im dunklen Wald und ward fortan nicht mehr gesehen.

Bodo machte sich zufrieden auf den Weg zum Königreich hinter den Wolken und klopfte an des Königs Tür. Der war hocherfreut als er Bodo sah, fragte aber gleich nach seinem geliebten Sohn Max. Der König wünschte sich nichts sehnlicher, als seinen Thronfolger in die Arme zu schließen. Bodo erzählte ihm eine traurige Geschichte von einem Kampf mit einem gefährlichen Drachen bei dem Max sein Leben verlor. Dem König liefen ohne Unterlass, dicke Tränen aus den Augen, so dass er nicht bemerkte das Bodo bei jedem zweiten Wort eine grüne Kröte aus dem Mund hüpfte. Bodo wurde ganz schlecht von den vielen ausgespuckten Kröten, aber er ließ sich nichts anmerken. Der alte König gab in seiner Not Bodo die Krone, das Zepter und das Königreich und verbrachte von nun an seine Tage weinend um seinen Sohn.
Max erwachte auf dem Grund des Tümpels und konnte gar nicht glauben was ihm geschehen war. So eine Gemeinheit! Er hatte Bodo geliebt wie einen Bruder! So ein gemeiner Schuft! Was konnte er nur machen? Wie konnte er wieder nach Hause kommen? Wie sollte er die Schwimmhäute loswerden.... ? Fragen über Fragen auf die er keine Antwort hatte. In seiner Verzweiflung setzte er sich auf einen Stein und fing an zu weinen. In diesem Augenblick hörte er plötzlich eine Stimme : „ He, Wassermann hör auf zu weinen, oder willst du das der Tümpel überläuft und den ganzen Wald überschwemmt?“ Er blickte sich neugierig um und entdeckte einen alten Karpfen der um ihn herumschwamm und ihn freundlich anschaute „ Ich bin Kuno Karpfen und habe mitangesehen was dir geschehen ist,“ der Karpfen drehte eine weitere Runde „ mich hat es vor Jahren aus dem Schnabel eines Reihers in den See gespült. Ist aber gar nicht so schlecht hier im Tümpel, gibt jeden Tag genug zu essen! Schlammschnecken, Blutegel, Libellenlarven, Wasserspinnen und andere kleine Leckereien. Man braucht sich nicht hinter den Ohren zu waschen und niemand versucht seine Angel hier auszuwerfen. Menschen trauen sich nicht zum Tümpel, sie denken es ist ein verwunschener Ort und haben Angst. Also alles bestens, oder!?“ Max war völlig verwirrt . Ein Karpfen redete mit ihm und er konnte jedes Wort verstehen, aber das war völlig normal .Er war ja jetzt ein Wassermann und die verstehen die Sprache aller Wasserlebewesen. Als seine Verwirrung etwas nachließ und ihm die Unausweichlichkeit seiner Lage bewusst wurde, schmiedete er mit dem Karpfen Pläne um sich seinen Aufenthalt im Tümpel so angenehm wie möglich zu gestalten. Er baute sich mit Treibholz eine Hütte am Grund des Sees und flocht sich aus Seegras und anderen Wasserpflanzen ein paar Stühle und ein sehr bequemes Bett. Aus den Resten eines gesunkenen Kahns wurde im Handumdrehn ein langer Tisch. Der Karpfen sorgte, durch seine guten Beziehungen zu den Schlammschnecken, für das nötige Geschirr. Muschelschalen und Schneckenhäuser die von ihren Bewohnern nicht mehr gebraucht wurden, dienten fortan als Trinkhörner und Teller. Ein Kochclub wurde gegründet und die beiden Freunde trafen sich täglich zum gemeinsamen Mittagessen. Der Wassermann aß meistens eine leckere Froschlöffelsuppe mit Wasserlinseneinlage und mit Wasserminze verfeinert. Der Karpfen bevorzugte jedoch Wasserschnecken auf Blutegelsalat. Er hatte für die vegetarische Küche nichts übrig.

Der Wassermann war ein Musikliebhaber, einer gedrehten Muschel konnte er die lieblichsten Töne entlocken. In lauen Vollmondnächten schwamm er an die Oberfläche, legte sich auf die herabhängenden Äste einer Trauerweide und spielte wunderschöne Weisen auf seiner selbst gebauten Muschelflöte. In einer solchen Nacht begab es sich, dass die liebliche Prinzessin Lea den Wald durchstreifte und sich in der Nähe des Tümpels niederließ. Sie hörte die Musik und fühlte ihren Zauber. Ihr Herz flog dem unbekannten Musiker zu und sie wollte ihn unbedingt kennen lernen. Sie begab sich, im Schutz der Dunkelheit, an das Ufer des Tümpels und sah den Musikant . Ein Wassermann, ein grüner hässlicher Wassermann, so hatte sie sich den Herzallerliebsten nicht vorgestellt. Er hatte eine blassgrüne Haut, dunkelgrüne Haare und dunkelblaue Lippen, als wäre er schon viel zu lange im Wasser. Sie beobachtete ihn aus der Ferne, hörte der wunderbaren Musik zu, als Max seinen Blick erhob, sah sie in seine wunderschönen, wasserblauen Augen, die einem klaren Bergsee glichen und in denen sie auf der Stelle zu versinken drohte. Es war Liebe auf den ersten Blick. Sie glitt in den See um dem Geliebten nahe zu sein. Max sah erschrocken, dass ein wunderschönes Mädchen einfach in den Tümpel sprang und versuchte zu ihm zu schwimmen. Ihre Kleider wurden nass und schwer, sie wurde bewusstlos und lief in Gefahr zu ertrinken. Schnell schwamm Max ihr entgegen, hielt sie fest und brachte sie an den Rand des Tümpels. Er legte sie auf dem weichen Gras am Ufer ab, küsste sie sanft und verschwand, sobald sie wieder Lebenszeichen von sich gab, in der Tiefe des Sees.
Zwei Tage und zwei Nächte ließ er sich nicht an der Wasseroberfläche blicken aus Angst sie könnte ihn entdecken. Prinzessin Lea ging jeden Tag zum Tümpel in der Hoffnung den geliebten Wassermann wieder zu sehen. Es war ihr völlig egal dass er ein Wasserwesen war und sie ein Mensch, sie würde alles für ihn tun, ihr Herz gehörte Max. Der zierte sich noch ein wenig, aber er dachte ständig an Lea. Er vertraute sich seinem Freund dem Karpfen an, der ihm gut zuredete und schließlich tauchte er an die Oberfläche des Tümpels um die Geliebte wiederzusehen. Sie erwartete ihn schon voller Sehnsucht und als er vor ihren Augen aus dem Tümpel auftauchte, nahm sie ihn in ihre Arme und ließ ihn nicht mehr los. Sie schaute ihm tief in seine wasserblauen Augen und sagte: „Ich habe dich lieb!“ In diesem Moment kräuselte sich das Wasser des grünen Tümpels und der Wind schüttelte die Zweige der Bäume. Der böse Zauber verschwand so schnell er gekommen war. Max stand wieder als Mensch am Ufer und hielt die liebliche Prinzessin Lea in seinen Armen. Jetzt ging alles sehr schnell. Er verabschiedete sich vom Karpfen Kuno, überließ ihm Haus und Hof und machte sich mit der Prinzessin auf den Weg in das Königreich hinter den Wolken. Unterwegs erzählte er ihr seine Geschichte von Bodo, Hilda und von seinem Freund Kuno, dem Karpfen. Nach genau einem Jahr, einem Tag und einer Stunde erreichten sie den Eingang des Schlosses und traten ein. Im Hof saß der König und weinte so viele Tränen, dass der Schlossbrunnen stets mit Wasser gefüllt war. Er erkannte seinen geliebten Max sofort und sein altes Herz hüpfte vor Freude. Sofort rief er seine Wachleute und ließ Bodo, den Lügner, aus dem Schloss werfen. Der war sehr unbeliebt bei seinen Untertanen und wurde auch von den benachbarten Königen nie eingeladen, denn sein „Krötenproblem“ hatte sich überall herumgesprochen. Niemand wollte ihn um sich haben, alle nannten ihn nur abfällig den“ Froschkönig“ Er wurde aus dem Königreich hinter den Wolken für immer verbannt. Wie ich hörte, soll er sich in der Nähe eines alten Brunnens aufhalten .... Lea und Max feierten ein großes Hochzeitsfest mit all ihren Untertanen Sie regierten weise das Königreich hinter den Wolken und wenn sie nicht gestorben sind,....
dann lieben sie sich noch immer.....
 



 
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