DER WORTSCHATZ
Ein Mönch hatte sich ganz von der Welt zurückgezogen, weil niemand hören wollte, was er zu sagen hatte. Nur einmal in der Woche, wenn der Lärm vom Markt zu ihm herüberschwappte, überkam es ihn, seine Behausung zu verlassen. Er ging dann auf den Marktplatz und amüsierte sich im Stillen über die Marktschreier und das Gekreische der Marktfrauen, wie sie ihre Hosenknöpfe, Töpfe und Pfannen anpriesen, als seien sie aus purem Gold. Und das Volk lief ihnen nach und kaufte körbeweise.
Etwas abseits fiel ihm ein kleiner Stand auf, der nicht von Leuten umlagert war. Er trat näher und sah ein handgemaltes Schild mit der Aufschrift "Tauschbörse für Worte". Die Marktfrau war von schmächtiger Gestalt. Hinter vielen Plakaten fiel sie nur durch ihre lebhaften dunklen Augen auf.
Als er sie ansprach, meinte sie, es sei kein Wunder, dass ihr Stand so wenig besucht sei, und dabei bemerkte er die Blässe in ihrem Gesicht. Sie habe das Schild schnell nebenbei gemalt, und eigentlich wolle sie ein ganz anderes Geschäft tätigen: Worte verkaufen, die noch nicht abgedroschen waren und in Vergessenheit zu geraten drohten. Aber das sei noch schwieriger als Tauschen, und sie habe gehofft, über einen Tausch hinaus vielleicht doch noch den einen oder anderen Verkauf tätigen zu können.
Das alles erstaunte den Mönch sehr, da er aber kein Geld dabei hatte, erzählte er von der großen Kiste mit ungenutzten Worten, die er bei sich aufbewahrte. Die Möglichkeit, Worte zu tauschen, war ihm bis dahin nicht in den Sinn gekommen.
Also schlug er der Marktfrau vor, ihren Stand abzubauen und mit ihm an einem ruhigen Ort Worte zu tauschen. Aber sie zögerte. "Es haben sich zwei oder drei Kunden angemeldet, die das eine oder andere Wort anzubieten haben, und die will ich nicht enttäuschen." Das machte den Mönch ärgerlich. "Nutze deine Chance", rief er, "diese erbärmlichen Kunden kannst du versetzen, du wirst es nicht bereuen". So konnte er sie endlich überreden.
Als sie sich endlich gegenüber saßen und eigentlich außer den Worten nicht viel wahrnahmen, entging ihm nicht, wie die Blässe aus ihrem Gesicht verschwand. Nun kamen ihm Zweifel, ob es richtig war, sich von der Welt zurückgezogen zu haben.
Da ihre Wortschätze groß waren, verabredeten sie sich viele weitere Male, und irgendwann verlor die Frau das Interesse an ihrem Marktstand. Das Spiel mit den Worten gab ihr nunmehr den Schutz, den sie bisher hinter ihrem Stand gesucht hatte.
Für den Mönch hingegen bekam die Frau hinter dem Schleier ihrer Worte Konturen, und das ließ den Boden unter seinen Füßen schwanken. Worte waren für ihn bisher faszinierend, jedoch niemals lebendig gewesen. Es war an der Zeit, etwas zu ändern. Aber er würde nichts übereilen.
Ein Mönch hatte sich ganz von der Welt zurückgezogen, weil niemand hören wollte, was er zu sagen hatte. Nur einmal in der Woche, wenn der Lärm vom Markt zu ihm herüberschwappte, überkam es ihn, seine Behausung zu verlassen. Er ging dann auf den Marktplatz und amüsierte sich im Stillen über die Marktschreier und das Gekreische der Marktfrauen, wie sie ihre Hosenknöpfe, Töpfe und Pfannen anpriesen, als seien sie aus purem Gold. Und das Volk lief ihnen nach und kaufte körbeweise.
Etwas abseits fiel ihm ein kleiner Stand auf, der nicht von Leuten umlagert war. Er trat näher und sah ein handgemaltes Schild mit der Aufschrift "Tauschbörse für Worte". Die Marktfrau war von schmächtiger Gestalt. Hinter vielen Plakaten fiel sie nur durch ihre lebhaften dunklen Augen auf.
Als er sie ansprach, meinte sie, es sei kein Wunder, dass ihr Stand so wenig besucht sei, und dabei bemerkte er die Blässe in ihrem Gesicht. Sie habe das Schild schnell nebenbei gemalt, und eigentlich wolle sie ein ganz anderes Geschäft tätigen: Worte verkaufen, die noch nicht abgedroschen waren und in Vergessenheit zu geraten drohten. Aber das sei noch schwieriger als Tauschen, und sie habe gehofft, über einen Tausch hinaus vielleicht doch noch den einen oder anderen Verkauf tätigen zu können.
Das alles erstaunte den Mönch sehr, da er aber kein Geld dabei hatte, erzählte er von der großen Kiste mit ungenutzten Worten, die er bei sich aufbewahrte. Die Möglichkeit, Worte zu tauschen, war ihm bis dahin nicht in den Sinn gekommen.
Also schlug er der Marktfrau vor, ihren Stand abzubauen und mit ihm an einem ruhigen Ort Worte zu tauschen. Aber sie zögerte. "Es haben sich zwei oder drei Kunden angemeldet, die das eine oder andere Wort anzubieten haben, und die will ich nicht enttäuschen." Das machte den Mönch ärgerlich. "Nutze deine Chance", rief er, "diese erbärmlichen Kunden kannst du versetzen, du wirst es nicht bereuen". So konnte er sie endlich überreden.
Als sie sich endlich gegenüber saßen und eigentlich außer den Worten nicht viel wahrnahmen, entging ihm nicht, wie die Blässe aus ihrem Gesicht verschwand. Nun kamen ihm Zweifel, ob es richtig war, sich von der Welt zurückgezogen zu haben.
Da ihre Wortschätze groß waren, verabredeten sie sich viele weitere Male, und irgendwann verlor die Frau das Interesse an ihrem Marktstand. Das Spiel mit den Worten gab ihr nunmehr den Schutz, den sie bisher hinter ihrem Stand gesucht hatte.
Für den Mönch hingegen bekam die Frau hinter dem Schleier ihrer Worte Konturen, und das ließ den Boden unter seinen Füßen schwanken. Worte waren für ihn bisher faszinierend, jedoch niemals lebendig gewesen. Es war an der Zeit, etwas zu ändern. Aber er würde nichts übereilen.