Die Einladung

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herziblatti

Mitglied
Die Einladung

„Guten Morgen, Herr Dr. Zicklinger.“ Seine Sekretärin war aufgestanden, auf ihn zugestöckelt. „Guten Morgen“, er hielt ihr Mantel und Schal entgegen. Musterte sie kurz. Sie sah so üppig und gesund aus. Doch wer konnte das schon so genau wissen bei diesen jungen Dingern. Die sahen ja immer so gesund und prall aus, als würden sie im nächsten Moment irgendwo aufplatzen wie überreife Pflaumen. „Herr Dr. Taffner will Sie sprechen. Er wartet in Ihrem Büro.“ Der Taffner. Was wollte dieser Aufsteiger so früh von ihm?

Fräulein Rieschel hatte seine Gaderobe verstaut. „Um halb neun erwartet Sie Herr Direktor Bankhammer.“ Das war zu erwarten gewesen, früher oder später, das da war kam. Dass die, na, wie hieß sie doch gleich, dass die das nicht auf sich beruhen lassen würde. So sind sie eben. Erst wollen sie unbedingt die rentabelsten Anlagen, Hinweise auf Risiko ignorieren sie, und wenn es dann abwärts geht, geht das Geschrei los. Er kräuselte seine Lippen. Er hatte auf alle Möglichkeiten, rauf und runter, hingewiesen, sich das quittieren lassen – und im Fondmanagement war er nicht. Noch nicht.

Er öffnete die Tür zu seinem Büro. „Mir bringen Sie bitte das Übliche und für Dr. Taffner …?“ Der Kollege vom Kredit war mit dem Rücken zum Fenster gestanden, kam jetzt auf ihn zu. „Kaffee, schwarz, zwei Stück Süßstoff. Guten Morgen, Herr Kollege. Ich hoffe, Sie haben zehn Minuten für mich“, ließ seine Jackettkronen im braungebrannten Gesicht blitzen. Ja, richtig, da war doch was gewesen? Dr. Taffner, der große Sieger. Bei einer Quizshow, und nicht zu knapp abgeräumt, tagelang Kantinengespräch. Im dreistelligen Tausenderbereich, und dann vier Wochen Karibik, wie der aussah. War da ein leichter Gelbstich in der Bräune? Fernreisen, Hepatitis und weiß der Kuckuck, was sonst noch einschließlich Vogelgrippe und Aids, diese Länder sind doch in jeder Hinsicht schwerverträglich und virenverseucht.

Dr. Taffner kam mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. Es ließ sich wohl nicht vermeiden. Zicklinger fasste flüchtig mit zwei Fingern zu, wobei ihm Howard Hughes einfiel, der seine letzten Lebensjahre völlig isoliert in einem Hotel verbracht hatte, dessen Besucher durch eine Desinfektionsschleuse geführt wurden, ehe er sie empfing. Soweit würde es mit ihm nie kommen, das hatte er sich geschworen. Obwohl, wenn er reich genug wäre - ? „Grüß Sie, guten Morgen“, er wies auf die Stühle vor seinem Schreibtisch, „was kann ich für Sie tun?“
Fräulein Rieschel brachte das Tablett, Kaffee und seinen Powerdrink, heißes Wasser mit drei Scheiben frischem Ingwer. Er wischte sich die Finger an einem Taschentuch ab, steckte es in die linke Rocktasche, damit er sich nicht aus Versehen in diese Bakterienstämme hineinschnäuzte.

Achtzigtausend wollte Dr. Taffner anlegen. Er startete seinen Computer. Aktien? Festverzinsliche? Hausfond? – Hausfond. Mündelsicher. Was sonst. Das macht einen ruhigen Schlaf und einen schlanken Fuß, nicht nur bei der Innenrevision. Wird gern gesehen bei der Turmspitze. Billiges Geld für die Bank, signalisiert außerdem Zuverlässigkeit, brauchbares Personal für die mittlere Ebene.
Nach zehn Minuten war die Transaktion abgewickelt und der Kollege raus, so dass Dr. Zicklinger noch genug Zeit fand, alle Stellen, die Dr. Taffner angefasst haben könnte, mit Desinfektionstüchern abzureiben.

Das Direktionsvorzimmer war erkältet. Rote Nasen, Triefaugen, raue Stimmbänder. Er schlüpfte so weit entfernt wie möglich an der Assistentin vorbei ins Allerheiligste. "Kommen Sie, kommen Sie, Herr Kollege, und entschuldigen Sie …“, Herr Direktor Bankhammer nieste zweimal herzhaft, wies mit der linken Hand auf die Stühle vor sich, wischte sich die Nase mit rechts, „Schmittchen, zwei Kaffee“, erhob sich keinen Zentimeter, schob das Schnäuztüchel in die Sakkotasche und streckte ihm die Hand entgegen. Fest erwiderte Zicklinger den Händedruck des Herrn Direktor und unterdrückte den Impuls, die Hand heimlich abzuwischen.
Er hasste Kaffee, er bekam immer Sodbrennen davon. Voller Unbehagen rutschte er unauffällig auf dem Stuhl hin und her, und wie immer, wenn er zum Vorstand zitiert wurde, brannten und juckten seine Hämorrhoiden. Direktor Bankhammer watschte ihn kurz und lautstark ab, noch ehe der Kaffee vor ihnen stand.

„Weiß Gott ja“, stimmte Zicklinger den Anwürfen zu, das einzig Vernünftige in der Situation. Jedes Wort der Verteidigung oder gar ein Hinweis auf die Maximierungsvorgaben seitens der Bank hätte eine Verlängerung des Rüffels zur Folge gehabt. Er schluckte. „Eine leidige Sache, aber man wird Regelungen finden“, die Tasse war vor ihm abgestellt worden, „danke, drei Stück Zucker und Milch bitte. Die Bank ist aus dem Schneider, alles dokumentiert, die übliche Vorgehensweise.“

Dr. Zicklinger schlug vor, der Kundin, die sich mit seiner Hilfe gründlich verspekuliert hatte und nunmehr mit einem Vermögensrest von zehn Prozent dastand, die Depotgebühren auf ein Jahr zu erlassen, und, wenn es gar nicht anders ginge, ein Paket Hausaktien als Ausgleich anzubieten, falls sie drohte, einen Prozess anzustrengen.
„Das kostet die Bank Geld, das ist UNERWÜNSCHT. Schaun Sie, dass Sie das umgehend vom Tisch kriegen, UMGEHEND! UNERWÜNSCHT!“ Der Direktor stand abrupt auf und wandte ihm den Rücken zu. Das war die Verabschiedung.

Zurück in seinem Bereich verfügte er, die nächsten zwanzig Minuten unter keinen Umständen gestört werden zu dürfen, verarztete sich mit Hämorrhoidensalbe, wischte über alle unbedeckten Hautflächen mit antibakteriellen Tüchern, tropfte Lavendel und Myrrhe in die Duftlampe, das eine zur Beruhigung, das andere zur inneren und äußeren Reinigung, nahm seine Globuli und atmete tief in den Rücken mit abwechselnd zugehaltenen Nasenlöchern. Danach fühlte er sich wieder wie ein Mensch.
Im Stehen checkte er seine Nachrichten. Eine E-Mail, Absender unbekannt, Betreff „I love you“. Sehr witzig. Wer erlaubte sich einen solchen Scherz mit ihm? Er klickte die Botschaft an – und das Unheil nahm seinen Lauf. Das Computer-Virus breitete sich aus und, nicht genug damit, dass es in den wohlgeordneten Dateien und formschönen Statistiken keine Ziffer auf der anderen ließ, bahnte es sich seinen Weg über das Kabel in die Maus und sprang von dort direkt auf Dr. Zicklinger über.
Er spürte einen schmerzhaften Stich in Daumen und Zeigefinger, ein ungewohnt sülziges Gefühl in Brust und Oberbauch, seine Beine wurden weich und unzuverlässig.

Als er die Augen wieder aufschlug, sah er in die Sternenaugen von Fräulein Rieschel, die, über ihn gebeugt, viele Worte zu ihm sprach, die er nicht verstand, die ihn aber auch nicht interessierten. So nah waren sie einander noch nie gekommen. Er sah nur noch ihren Mund, die perlweißen Zähne, das rosafarbene Zahnfleisch, die unbedeckte pralle Haut von Hals und Dekollete. „I love you“, sagte er, „haben Sie heute abend Zeit? Ich möchte Sie gerne desinfizieren.“
 

rothsten

Mitglied
Hallo Herziblatti,

ein wenig wundert mich das scheinbare Desinteresse an diesem Text schon. Vielleicht wird er auch einfach nur gelesen. Vielleicht meint man, einen gut gemachten Text müsse man nicht kommentieren, er stünde für sich selbst. Vielleicht ist das der Grund, warum dagegen meine bisherigen Werke so reich kommentiert wurden. :D

Dein Text gewährt uns einen ziemlich gut gemachten Einblick in die Kälte der heutigen, vom Kapitalsimus geprägten Gesellschaft; hier aus der Perspektive eines Bankangestellten. Dessen berufliches Wohl hängt daran, dass er für die Bank Geld verdient. Nun, das muss er. Die Kälte wird aber deutlich anhand des Gesprächs mit seinem Vorgesetzten Bankhammer.

Übrigens Bankhammer. Nicht nur, dass Du die Materie gründlich recherchierst, Du machst Dir auch Gedanken über die Wahl der Namen. Das ist auch einer der Unterschiede zwischen einem guten Text und einem dahingeklatschten - einer hier leider sehr verbreiteten Art.
Taffner kommt von tough, schätze ich. Rieschel und Schmittchen können auch nur so heißen, wie sie heißen. Lediglich der Zickige passt nicht ganz soo, finde ich.

Was mir am besten gefällt, ist die subtile Weise Deiner Veranschaulichung. Es gibt keine plakativen Sätze oder gar Belehrungen, alles ist ganz fein in die -ausnehmend gut beobachteten- Handlungen der Figuren gesponnen. Das ist Literatur, meine Liebe!

Ich halte den Text für eine gelungene Satire. Vielleicht sollte er dorthin verschoben werden, vielleicht gewönne er dort die Aufmerksamkeit, die er verdient. Meine hat er jedenfalls. ;)

Kleinigkeiten, die mich "stören":

Zur besseren Lesbarkeit machte ich beim Rednerwechsel einen Absatz, z.B. hier:

Er öffnete die Tür zu seinem Büro. „Mir bringen Sie bitte das Übliche und für Dr. Taffner …?“ Der Kollege vom Kredit war mit dem Rücken zum Fenster gestanden, kam jetzt auf ihn zu. [blue](Absatz)[/blue]„Kaffee, schwarz, zwei Stück Süßstoff. Guten Morgen, Herr Kollege. Ich hoffe, Sie haben zehn Minuten für mich“, ließ seine Jackettkronen im braungebrannten Gesicht blitzen.
"Er" ist Zicklinger. Vor allem beim Gespräch mit Taffner wünschte ich mir hin und wieder seinen Namen. Ich musste deswegen einige Sätze zumindest verschleppt lesen, um zu wissen, wer spricht. Sie heben sich nämlich auch nicht besonders vom Ton ab, der eine bessere Zuordnung ermöglichte (beides Doktoren, beide mit Bankgeschäften erfahren - Abwicklung 80k nach zehn Minuten-, ungefähr selben Wissens- und Erfahrungshorizont etc).

Anders hingegen bei Bankhammer, den hört man sofort: "Schmittchen, zwei Kaffee ..." ;)

Du verstehst?

lg
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Herziblatti,

einige Anmerkungen zu Deinem Text:

Die Einladung

„Guten Morgen, Herr Dr. Zicklinger.“ Seine Sekretärin war aufgestanden, [blue]kam[/blue] auf ihn zugestöckelt. „Guten Morgen“, [blue]antwortete er und hielt ihr[/blue] [strike]er hielt ihr[/strike] Mantel und Schal entgegen. Musterte sie kurz. Sie sah so üppig und gesund aus. Doch wer konnte das schon so genau wissen bei diesen jungen Dingern. Die sahen ja immer so gesund und prall aus, als würden sie im nächsten Moment irgendwo aufplatzen wie überreife Pflaumen. „Herr Dr. Taffner will Sie sprechen. Er wartet in Ihrem Büro.“ Der Taffner. Was wollte dieser Aufsteiger so früh von ihm?

Fräulein Rieschel hatte seine Gaderobe verstaut. „Um halb neun erwartet Sie Herr Direktor Bankhammer.“ Das war zu erwarten gewesen, früher oder später, das[blue]s[/blue] da [blue]etwas [/blue][strike]war[/strike] kam . Dass die, na, wie hieß sie doch gleich, dass die das nicht auf sich beruhen lassen würde. So sind sie eben.[blue] Du bist hier in den Plural gewechselt. Wer ist sie? Oder wer sind sie? [/blue]Erst wollen sie unbedingt die rentabelsten Anlagen, Hinweise auf [strike]Risiko[/strike] [blue]Risiken [/blue]ignorieren sie, und wenn es dann abwärts geht, geht das Geschrei los. Er kräuselte seine Lippen. Er hatte auf alle Möglichkeiten, rauf und runter, hingewiesen, sich das quittieren lassen – und im Fondmanagement war er nicht. Noch nicht.

Er öffnete die Tür zu seinem Büro. „Mir bringen Sie bitte das Übliche und für Dr. Taffner …?“ Der Kollege vom Kredit [strike]war[/strike][blue]hatte [/blue] mit dem Rücken zum Fenster gestanden, kam jetzt auf ihn zu. „Kaffee, schwarz, zwei Stück Süßstoff. Guten Morgen, Herr Kollege. Ich hoffe, Sie haben zehn Minuten für mich“, [blue]sagte er und [/blue]ließ seine Jackettkronen im braungebrannten Gesicht blitzen. Ja, richtig, da war doch [blue]et[/blue]was gewesen? Dr. Taffner, der große Sieger. Bei einer Quizshow, [blue]hatte er [/blue] nicht zu knapp abgeräumt, tagelang Kantinengespräch. Im dreistelligen Tausenderbereich, und dann vier Wochen Karibik, wie der aussah. War da ein leichter Gelbstich in der Bräune? Fernreisen, Hepatitis und weiß der Kuckuck, was sonst noch einschließlich Vogelgrippe und Aids, diese Länder sind doch in jeder Hinsicht schwerverträglich und virenverseucht.

Dr. Taffner kam mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. Es ließ sich wohl nicht vermeiden. Zicklinger fasste flüchtig mit zwei Fingern zu, wobei ihm Howard Hughes einfiel, der seine letzten Lebensjahre völlig isoliert in einem Hotel verbracht hatte, dessen Besucher durch eine Desinfektionsschleuse geführt wurden, ehe er sie empfing. Soweit würde es mit ihm nie kommen, das hatte er sich geschworen. Obwohl, wenn er reich genug wäre - ? „Grüß Sie, guten Morgen“, er wies auf die Stühle vor seinem Schreibtisch, „was kann ich für Sie tun?“
Fräulein Rieschel brachte das Tablett, Kaffee und seinen Powerdrink, heißes Wasser mit drei Scheiben frischem Ingwer. Er wischte sich die Finger an einem Taschentuch ab, steckte es in die linke Rocktasche, damit er sich nicht aus Versehen in diese Bakterienstämme hineinschnäuzte.

Achtzigtausend wollte Dr. Taffner anlegen. Er startete seinen Computer. Aktien? Festverzin[strike]s[/strike][blue]z[/blue]liche? Hausfonds? – Hausfond. Mündelsicher. Was sonst. Das macht einen ruhigen Schlaf und einen schlanken Fuß, nicht nur bei der Innenrevision. Wird gern gesehen bei der Turmspitze. Billiges Geld für die Bank, signalisiert außerdem Zuverlässigkeit, brauchbares Personal für die mittlere Ebene.
Nach zehn Minuten war die Transaktion abgewickelt und der Kollege raus, so dass Dr. Zicklinger noch genug Zeit fand, alle Stellen, die Dr. Taffner angefasst haben könnte, mit Desinfektionstüchern abzureiben.

Das Direktionsvorzimmer war erkältet. Rote Nasen, Triefaugen, raue Stimmbänder. Er schlüpfte so weit entfernt wie möglich an der Assistentin vorbei ins Allerheiligste. "Kommen Sie, kommen Sie, Herr Kollege, und entschuldigen Sie …“, Herr Direktor Bankhammer nieste zweimal herzhaft, wies mit der linken Hand auf die Stühle vor sich, wischte sich die Nase mit rechts, „Schmittchen, zwei Kaffee“, erhob sich keinen Zentimeter, schob das Schnäuztüchel in die Sakkotasche und streckte ihm die Hand entgegen. Fest erwiderte Zicklinger den Händedruck des Herrn Direktor und unterdrückte den Impuls, die Hand heimlich abzuwischen.
Er hasste Kaffee, er bekam immer Sodbrennen davon. Voller Unbehagen rutschte er unauffällig auf dem Stuhl hin und her, und wie immer, wenn er zum Vorstand zitiert wurde, brannten und juckten seine Hämorrhoiden. Direktor Bankhammer watschte ihn kurz und lautstark ab, noch ehe der Kaffee vor ihnen stand.

„Weiß Gott ja“, stimmte Zicklinger den Anwürfen zu, das einzig Vernünftige in der Situation. Jedes Wort der Verteidigung oder gar ein Hinweis auf die Maximierungsvorgaben seitens der Bank hätte eine Verlängerung des Rüffels zur Folge gehabt. Er schluckte. „Eine leidige Sache, aber man wird Regelungen finden“, die Tasse war vor ihm abgestellt worden, „danke, drei Stück Zucker und Milch bitte. Die Bank ist aus dem Schneider, alles dokumentiert, die übliche Vorgehensweise.“

Dr. Zicklinger schlug vor, der Kundin, die sich mit seiner Hilfe gründlich verspekuliert hatte und nunmehr mit einem Vermögensrest von zehn Prozent dastand, die Depotgebühren auf ein Jahr zu erlassen, und, wenn es gar nicht anders ginge, ein Paket Hausaktien als Ausgleich anzubieten, falls sie drohte, einen Prozess anzustrengen.
„Das kostet die Bank Geld, das ist UNERWÜNSCHT. Schaun Sie, dass Sie das umgehend vom Tisch kriegen, UMGEHEND! UNERWÜNSCHT!“ Der Direktor stand abrupt auf und wandte ihm den Rücken zu. Das war die Verabschiedung.

Zurück in seinem Bereich verfügte er, die nächsten zwanzig Minuten unter keinen Umständen gestört werden zu dürfen, verarztete sich mit Hämorrhoidensalbe, wischte über alle unbedeckten Hautflächen mit antibakteriellen Tüchern, tropfte Lavendel und Myrrhe in die Duftlampe, das eine zur Beruhigung, das andere zur inneren und äußeren Reinigung, nahm seine Globuli und atmete tief in den Rücken mit abwechselnd zugehaltenen Nasenlöchern. Danach fühlte er sich wieder wie ein Mensch.
Im Stehen checkte er seine Nachrichten. Eine E-Mail, Absender unbekannt, Betreff „I love you“. Sehr witzig. Wer erlaubte sich einen solchen Scherz mit ihm? Er klickte die Botschaft an – und das Unheil nahm seinen Lauf. Das Computer-Virus breitete sich aus und, nicht genug damit, dass es in den wohlgeordneten Dateien und formschönen Statistiken keine Ziffer auf der anderen ließ, bahnte es sich seinen Weg über das Kabel in die Maus und sprang von dort direkt auf Dr. Zicklinger über.
Er spürte einen schmerzhaften Stich in Daumen und Zeigefinger, ein ungewohnt sülziges Gefühl in Brust und Oberbauch, seine Beine wurden weich und unzuverlässig.

Als er die Augen wieder aufschlug, sah er in die Sternenaugen von Fräulein Rieschel, die, über ihn gebeugt, viele Worte zu ihm sprach, die er nicht verstand, die ihn aber auch nicht interessierten. So nah waren sie einander noch nie gekommen. Er sah nur noch ihren Mund, die perlweißen Zähne, das rosafarbene Zahnfleisch, die unbedeckte pralle Haut von Hals und Dekollete. „I love you“, sagte er, „haben Sie heute abend Zeit? Ich möchte Sie gerne desinfizieren.“



Ich hoffe, Du kannst mit den Anmerkungen etwas anfangen. Die letzten zwei Absätze gefallen mir am besten, weil sie rein satirisch gelungen sind, während es vorher etwas altbacken zugeht. Eine komplette Satire wäre toll!

LG Doc
 

herziblatti

Mitglied
Die Einladung

„Guten Morgen, Herr Dr. Zicklinger.“ Seine Sekretärin war aufgestanden, auf ihn zugestöckelt. „Guten Morgen“, er hielt ihr Mantel und Schal entgegen. Musterte sie kurz. Sie sah so üppig und gesund aus. Doch wer konnte das schon so genau wissen bei diesen jungen Dingern. Die sahen ja immer so gesund und prall aus, als würden sie im nächsten Moment irgendwo aufplatzen wie überreife Pflaumen. „Herr Dr. Taffner will Sie sprechen. Er wartet in Ihrem Büro.“ Der Taffner. Was wollte dieser Aufsteiger so früh von ihm?

Fräulein Rieschel hatte seine Gaderobe verstaut. „Um halb neun erwartet Sie Herr Direktor Bankhammer.“ Das war zu erwarten gewesen, früher oder später, das da was käme. Dass die, na, wie hieß sie doch gleich, dass die das nicht auf sich beruhen lassen würde. So sind sie eben, die Anleger. Erst wollen sie unbedingt die rentabelsten Anlagen, Hinweise auf Risiko ignorieren sie, und wenn es dann abwärts geht, geht das Geschrei los. Er kräuselte seine Lippen. Er hatte auf alle Möglichkeiten, rauf und runter, hingewiesen, sich das quittieren lassen – und im Fondmanagement war er nicht. Noch nicht.
Er öffnete die Tür zu seinem Büro. „Mir bringen Sie bitte das Übliche und für Dr. Taffner …?“
Der Kollege vom Kredit war mit dem Rücken zum Fenster gestanden, kam jetzt auf ihn zu. „Kaffee, schwarz, zwei Stück Süßstoff. Guten Morgen, Herr Kollege. Ich hoffe, Sie haben zehn Minuten für mich“, ließ seine Jackettkronen im braungebrannten Gesicht blitzen.
Ja, richtig, da war doch was gewesen? Dr. Taffner, der große Sieger. Bei einer Quizshow, und nicht zu knapp abgeräumt, tagelang Kantinengespräch. Im dreistelligen Tausenderbereich, und dann vier Wochen Karibik, wie der aussah. War da ein leichter Gelbstich in der Bräune? Fernreisen, Hepatitis und weiß der Kuckuck, was sonst noch einschließlich Vogelgrippe und Aids, diese Länder sind doch in jeder Hinsicht schwerverträglich und virenverseucht.

Dr. Taffner kam mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. Es ließ sich wohl nicht vermeiden. Zicklinger fasste flüchtig mit zwei Fingern zu, wobei ihm Howard Hughes einfiel, der seine letzten Lebensjahre völlig isoliert in einem Hotel verbracht hatte, dessen Besucher durch eine Desinfektionsschleuse geführt wurden, ehe er sie empfing. Soweit würde es mit ihm nie kommen, das hatte er sich geschworen. Obwohl, wenn er reich genug wäre - ? „Grüß Sie, guten Morgen“, er wies auf die Stühle vor seinem Schreibtisch, „was kann ich für Sie tun?“
Fräulein Rieschel brachte das Tablett, Kaffee und seinen Powerdrink, heißes Wasser mit drei Scheiben frischem Ingwer. Er wischte sich die Finger an einem Taschentuch ab, steckte es in die linke Rocktasche, damit er sich nicht aus Versehen in diese Bakterienstämme hineinschnäuzte.

Achtzigtausend wollte Dr. Taffner anlegen. Er startete seinen Computer. Aktien? Festverzinsliche? Hausfond? – Hausfond. Mündelsicher. Was sonst. Das macht einen ruhigen Schlaf und einen schlanken Fuß, nicht nur bei der Innenrevision. Wird gern gesehen bei der Turmspitze. Billiges Geld für die Bank, signalisiert außerdem Zuverlässigkeit, brauchbares Personal für die mittlere Ebene.
Nach zehn Minuten war die Transaktion abgewickelt und der Kollege raus, so dass Dr. Zicklinger noch genug Zeit fand, alle Stellen, die Dr. Taffner angefasst haben könnte, mit Desinfektionstüchern abzureiben.

Das Direktionsvorzimmer war erkältet. Rote Nasen, Triefaugen, raue Stimmbänder. Er schlüpfte so weit entfernt wie möglich an der Assistentin vorbei ins Allerheiligste. "Kommen Sie, kommen Sie, Herr Kollege, und entschuldigen Sie …“, Herr Direktor Bankhammer nieste zweimal herzhaft, wies mit der linken Hand auf die Stühle vor sich, wischte sich die Nase mit rechts, „Schmittchen, zwei Kaffee“, erhob sich keinen Zentimeter, schob das Schnäuztüchel in die Sakkotasche und streckte ihm die Hand entgegen. Fest erwiderte Zicklinger den Händedruck des Herrn Direktor und unterdrückte den Impuls, die Hand heimlich abzuwischen.
Er hasste Kaffee, er bekam immer Sodbrennen davon. Voller Unbehagen rutschte er unauffällig auf dem Stuhl hin und her, und wie immer, wenn er zum Vorstand zitiert wurde, brannten und juckten seine Hämorrhoiden. Direktor Bankhammer watschte ihn kurz und lautstark ab, noch ehe der Kaffee vor ihnen stand.

„Weiß Gott ja“, stimmte Zicklinger den Anwürfen zu, das einzig Vernünftige in der Situation. Jedes Wort der Verteidigung oder gar ein Hinweis auf die Maximierungsvorgaben seitens der Bank hätte eine Verlängerung des Rüffels zur Folge gehabt. Er schluckte. „Eine leidige Sache, aber man wird Regelungen finden“, die Tasse war vor ihm abgestellt worden, „danke, drei Stück Zucker und Milch bitte. Die Bank ist aus dem Schneider, alles dokumentiert, die übliche Vorgehensweise.“

Dr. Zicklinger schlug vor, der Kundin, die sich mit seiner Hilfe gründlich verspekuliert hatte und nunmehr mit einem Vermögensrest von zehn Prozent dastand, die Depotgebühren auf ein Jahr zu erlassen, und, wenn es gar nicht anders ginge, ein Paket Hausaktien als Ausgleich anzubieten, falls sie drohte, einen Prozess anzustrengen.
„Das kostet die Bank Geld, das ist UNERWÜNSCHT. Schaun Sie, dass Sie das umgehend vom Tisch kriegen, UMGEHEND! UNERWÜNSCHT!“ Der Direktor stand abrupt auf und wandte ihm den Rücken zu. Das war die Verabschiedung.

Zurück in seinem Bereich verfügte er, die nächsten zwanzig Minuten unter keinen Umständen gestört werden zu dürfen, verarztete sich mit Hämorrhoidensalbe, wischte über alle unbedeckten Hautflächen mit antibakteriellen Tüchern, tropfte Lavendel und Myrrhe in die Duftlampe, das eine zur Beruhigung, das andere zur inneren und äußeren Reinigung, nahm seine Globuli und atmete tief in den Rücken mit abwechselnd zugehaltenen Nasenlöchern. Danach fühlte er sich wieder wie ein Mensch.
Im Stehen checkte er seine Nachrichten. Eine E-Mail, Absender unbekannt, Betreff „I love you“. Sehr witzig. Wer erlaubte sich einen solchen Scherz mit ihm? Er klickte die Botschaft an – und das Unheil nahm seinen Lauf. Das Computer-Virus breitete sich aus und, nicht genug damit, dass es in den wohlgeordneten Dateien und formschönen Statistiken keine Ziffer auf der anderen ließ, bahnte es sich seinen Weg über das Kabel in die Maus und sprang von dort direkt auf Dr. Zicklinger über.
Er spürte einen schmerzhaften Stich in Daumen und Zeigefinger, ein ungewohnt sülziges Gefühl in Brust und Oberbauch, seine Beine wurden weich und unzuverlässig.

Als er die Augen wieder aufschlug, sah er in die Sternenaugen von Fräulein Rieschel, die, über ihn gebeugt, viele Worte zu ihm sprach, die er nicht verstand, die ihn aber auch nicht interessierten. So nah waren sie einander noch nie gekommen. Er sah nur noch ihren Mund, die perlweißen Zähne, das rosafarbene Zahnfleisch, die unbedeckte pralle Haut von Hals und Dekollete. „I love you“, sagte er, „haben Sie heute abend Zeit? Ich möchte Sie gerne desinfizieren.“
 

herziblatti

Mitglied
Die Einladung

„Guten Morgen, Herr Dr. Zicklinger.“ Seine Sekretärin war aufgestanden, auf ihn zugestöckelt. „Guten Morgen“, er hielt ihr Mantel und Schal entgegen. Musterte sie kurz. Sie sah so üppig und gesund aus. Doch wer konnte das schon so genau wissen bei diesen jungen Dingern. Die sahen ja immer so gesund und prall aus, als würden sie im nächsten Moment irgendwo aufplatzen wie überreife Pflaumen. „Herr Dr. Taffner will Sie sprechen. Er wartet in Ihrem Büro.“ Der Taffner. Was wollte dieser Aufsteiger so früh von ihm?

Fräulein Rieschel hatte seine Gaderobe verstaut. „Um halb neun erwartet Sie Herr Direktor Bankhammer.“ Das war zu erwarten gewesen, früher oder später, das da was käme. Dass die, na, wie hieß sie doch gleich, dass die das nicht auf sich beruhen lassen würde. So sind sie eben, die Anleger. Erst wollen sie unbedingt die rentabelsten Anlagen, Hinweise auf Risiko ignorieren sie, und wenn es dann abwärts geht, geht das Geschrei los. Er kräuselte seine Lippen. Er hatte auf alle Möglichkeiten, rauf und runter, hingewiesen, sich das quittieren lassen – und im Fondmanagement war er nicht. Noch nicht.
Er öffnete die Tür zu seinem Büro. „Mir bringen Sie bitte das Übliche und für Dr. Taffner …?“
Der Kollege vom Kredit war mit dem Rücken zum Fenster gestanden, kam jetzt auf ihn zu. „Kaffee, schwarz, zwei Stück Süßstoff. Guten Morgen, Herr Kollege. Ich hoffe, Sie haben zehn Minuten für mich“, ließ seine Jackettkronen im braungebrannten Gesicht blitzen.
Ja, richtig, da war doch was gewesen? Taffner, der große Sieger. Bei einer Quizshow, und nicht zu knapp abgeräumt, tagelang Kantinengespräch. Im dreistelligen Tausenderbereich, und dann vier Wochen Karibik, wie der aussah. War da ein leichter Gelbstich in der Bräune? Fernreisen, Hepatitis und weiß der Kuckuck, was sonst noch einschließlich Vogelgrippe und Aids, diese Länder sind doch in jeder Hinsicht schwerverträglich und virenverseucht.

Dr. Taffner kam mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. Es ließ sich wohl nicht vermeiden. Zicklinger fasste flüchtig mit zwei Fingern zu, wobei ihm Howard Hughes einfiel, der seine letzten Lebensjahre völlig isoliert in einem Hotel verbracht hatte, dessen Besucher durch eine Desinfektionsschleuse geführt wurden, ehe er sie empfing. Soweit würde es mit ihm nie kommen, das hatte er sich geschworen. Obwohl, wenn er reich genug wäre - ? „Grüß Sie, guten Morgen“, er wies auf die Stühle vor seinem Schreibtisch, „was kann ich für Sie tun?“
Fräulein Rieschel brachte das Tablett, Kaffee und seinen Powerdrink, heißes Wasser mit drei Scheiben frischem Ingwer. Er wischte sich die Finger an einem Taschentuch ab, steckte es in die linke Rocktasche, damit er sich nicht aus Versehen in diese Bakterienstämme hineinschnäuzte.

Achtzigtausend wollte Dr. Taffner anlegen. Er startete seinen Computer. Aktien? Festverzinsliche? Hausfond? – Hausfond. Mündelsicher. Was sonst. Das macht einen ruhigen Schlaf und einen schlanken Fuß, nicht nur bei der Innenrevision. Wird gern gesehen bei der Turmspitze. Billiges Geld für die Bank, signalisiert außerdem Zuverlässigkeit, brauchbares Personal für die mittlere Ebene.
Nach zehn Minuten war die Transaktion abgewickelt und der Kollege raus, so dass Dr. Zicklinger noch genug Zeit fand, alle Stellen, die Dr. Taffner angefasst haben könnte, mit Desinfektionstüchern abzureiben.

Das Direktionsvorzimmer war erkältet. Rote Nasen, Triefaugen, raue Stimmbänder. Er schlüpfte so weit entfernt wie möglich an der Assistentin vorbei ins Allerheiligste. "Kommen Sie, kommen Sie, Herr Kollege, und entschuldigen Sie …“, Herr Direktor Bankhammer nieste zweimal herzhaft, wies mit der linken Hand auf die Stühle vor sich, wischte sich die Nase mit rechts, „Schmittchen, zwei Kaffee“, erhob sich keinen Zentimeter, schob das Schnäuztüchel in die Sakkotasche und streckte ihm die Hand entgegen. Fest erwiderte Zicklinger den Händedruck des Herrn Direktor und unterdrückte den Impuls, die Hand heimlich abzuwischen.
Er hasste Kaffee, er bekam immer Sodbrennen davon. Voller Unbehagen rutschte er unauffällig auf dem Stuhl hin und her, und wie immer, wenn er zum Vorstand zitiert wurde, brannten und juckten seine Hämorrhoiden. Direktor Bankhammer watschte ihn kurz und lautstark ab, noch ehe der Kaffee vor ihnen stand.

„Weiß Gott ja“, stimmte Zicklinger den Anwürfen zu, das einzig Vernünftige in der Situation. Jedes Wort der Verteidigung oder gar ein Hinweis auf die Maximierungsvorgaben seitens der Bank hätte eine Verlängerung des Rüffels zur Folge gehabt. Er schluckte. „Eine leidige Sache, aber man wird Regelungen finden“, die Tasse war vor ihm abgestellt worden, „danke, drei Stück Zucker und Milch bitte. Die Bank ist aus dem Schneider, alles dokumentiert, die übliche Vorgehensweise.“

Dr. Zicklinger schlug vor, der Kundin, die sich mit seiner Hilfe gründlich verspekuliert hatte und nunmehr mit einem Vermögensrest von zehn Prozent dastand, die Depotgebühren auf ein Jahr zu erlassen, und, wenn es gar nicht anders ginge, ein Paket Hausaktien als Ausgleich anzubieten, falls sie drohte, einen Prozess anzustrengen.
„Das kostet die Bank Geld, das ist UNERWÜNSCHT. Schaun Sie, dass Sie das umgehend vom Tisch kriegen, UMGEHEND! UNERWÜNSCHT!“ Der Direktor stand abrupt auf und wandte ihm den Rücken zu. Das war die Verabschiedung.

Zurück in seinem Bereich verfügte er, die nächsten zwanzig Minuten unter keinen Umständen gestört werden zu dürfen, verarztete sich mit Hämorrhoidensalbe, wischte über alle unbedeckten Hautflächen mit antibakteriellen Tüchern, tropfte Lavendel und Myrrhe in die Duftlampe, das eine zur Beruhigung, das andere zur inneren und äußeren Reinigung, nahm seine Globuli und atmete tief in den Rücken mit abwechselnd zugehaltenen Nasenlöchern. Danach fühlte er sich wieder wie ein Mensch.
Im Stehen checkte er seine Nachrichten. Eine E-Mail, Absender unbekannt, Betreff „I love you“. Sehr witzig. Wer erlaubte sich einen solchen Scherz mit ihm? Er klickte die Botschaft an – und das Unheil nahm seinen Lauf. Das Computer-Virus breitete sich aus und, nicht genug damit, dass es in den wohlgeordneten Dateien und formschönen Statistiken keine Ziffer auf der anderen ließ, bahnte es sich seinen Weg über das Kabel in die Maus und sprang von dort direkt auf Dr. Zicklinger über.
Er spürte einen schmerzhaften Stich in Daumen und Zeigefinger, ein ungewohnt sülziges Gefühl in Brust und Oberbauch, seine Beine wurden weich und unzuverlässig.

Als er die Augen wieder aufschlug, sah er in die Sternenaugen von Fräulein Rieschel, die, über ihn gebeugt, viele Worte zu ihm sprach, die er nicht verstand, die ihn aber auch nicht interessierten. So nah waren sie einander noch nie gekommen. Er sah nur noch ihren Mund, die perlweißen Zähne, das rosafarbene Zahnfleisch, die unbedeckte pralle Haut von Hals und Dekollete. „I love you“, sagte er, „haben Sie heute abend Zeit? Ich möchte Sie gerne desinfizieren.“
 

herziblatti

Mitglied
Hallo rothsten, danke fürs genaue Lesen, Kommentieren und für die Verbesserungsvorschläge - bereits umgesetzt.
Ich freue mich sehr über Dein Feedback, vor allem darüber, dass Dir der Text gefällt und Du auch meine Intention mitgelesen hast: Kritik an den bestehenden Räderwerken, die so reibungslos funktionieren und alles zermalmen. Leicht satirische Brösel sind bei mir unvermeidlich, um die Situationen zu retten oder den Abend oder die Welt :) LG - herziblatti
 

herziblatti

Mitglied
Hallo Doc, danke für die Korrekturen und Anmerkungen. Ich habe einiges davon übernommen. Die Verkürzungen sind von mir bewusst so gesetzt, ich bin u.a. auch ein Fan von Wolf Haas :) LG - herziblatti
 

molly

Mitglied
Hallo herziblatti,

Deine Geschichte habe ich mit großem Interesse gelesen.:)
Mir scheint, Du kennst Dich gut aus.

Dieser Zwang, alles und alle zu desinfizieren, kommt sicher nicht allein von der Bakterienstamm- Angst. Das kann ich aus Deiner Geschichte heraus lesen.

Liebe Grüße
Monika
 

herziblatti

Mitglied
Liebe Monika, nicht wirklich besser wie jeder durchschnittlich begabte Hypochonder, aber üben hilft ja bekanntlich :) herzlichst - herziblatti
 

Vagant

Mitglied
hallo herziblatti, ich hab's gern gelesen. mal wieder eine gelungene geschichte.

ach übrigens; es ist wieder was passiert – "das ewige leben" läuft momentan in den kinos – musst du sehen, weil hader wieder prima brenner, quasi idealbesetzung.

lg vagant.
 

herziblatti

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Hallo Vagant, danke fürs Lesen & Mögen :) Kino schon passiert und quasi hinterher Rotkäppchen gezogen vorm Wolf und dem Hader-Brenner :D LG vom herziblatti
 

herziblatti

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Die Einladung

„Guten Morgen, Herr Dr. Zicklinger.“ Seine Sekretärin war aufgestanden, auf ihn zugestöckelt. „Guten Morgen“, er hielt ihr Mantel und Schal entgegen. Musterte sie kurz. Sie sah so üppig und gesund aus. Doch wer konnte das schon so genau wissen bei diesen jungen Dingern. Die sahen ja immer so gesund und prall aus, als würden sie im nächsten Moment irgendwo aufplatzen wie überreife Pflaumen. „Herr Dr. Taffner will Sie sprechen. Er wartet in Ihrem Büro.“ Der Taffner. Was wollte dieser Aufsteiger so früh von ihm?

Fräulein Rieschel hatte seine Gaderobe verstaut. „Um halb neun erwartet Sie Herr Direktor Bankhammer.“ Das war zu erwarten gewesen, früher oder später, das da was käme. Dass die, na, wie hieß sie doch gleich, dass die das nicht auf sich beruhen lassen würde. So sind sie eben, die Anleger. Erst wollen sie unbedingt die rentabelsten Anlagen, Hinweise auf Risiko ignorieren sie, und wenn es dann abwärts geht, geht das Geschrei los. Er kräuselte seine Lippen. Er hatte auf alle Möglichkeiten, rauf und runter, hingewiesen, sich das quittieren lassen – und im Fondmanagement war er nicht. Noch nicht.
Er öffnete die Tür zu seinem Büro. „Mir bringen Sie bitte das Übliche und für Dr. Taffner …?“
Der Kollege vom Kredit war mit dem Rücken zum Fenster gestanden, kam jetzt auf ihn zu. „Kaffee, schwarz, zwei Stück Süßstoff. Guten Morgen, Herr Kollege. Ich hoffe, Sie haben zehn Minuten für mich“, ließ seine Jackettkronen im braungebrannten Gesicht blitzen.
Ja, richtig, da war doch was gewesen? Taffner, der große Sieger. Bei einer Quizshow, und nicht zu knapp abgeräumt, tagelang Kantinengespräch. Im dreistelligen Tausenderbereich, und dann vier Wochen Karibik, wie der aussah. War da ein leichter Gelbstich in der Bräune? Fernreisen, Hepatitis und weiß der Kuckuck, was sonst noch einschließlich Vogelgrippe und Aids, diese Länder sind doch in jeder Hinsicht schwerverträglich und virenverseucht.

Dr. Taffner kam mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. Es ließ sich wohl nicht vermeiden. Zicklinger fasste flüchtig mit zwei Fingern zu, wobei ihm Howard Hughes einfiel, der seine letzten Lebensjahre völlig isoliert in einem Hotel verbracht hatte, dessen Besucher durch eine Desinfektionsschleuse geführt wurden, ehe er sie empfing. Soweit würde es mit ihm nie kommen, das hatte er sich geschworen. Obwohl, wenn er reich genug wäre - ? „Grüß Sie, guten Morgen“, er wies auf die Stühle vor seinem Schreibtisch, „was kann ich für Sie tun?“
Fräulein Rieschel brachte das Tablett, Kaffee und seinen Powerdrink, heißes Wasser mit drei Scheiben frischem Ingwer. Er wischte sich die Finger an einem Taschentuch ab, steckte es in die linke Rocktasche, damit er sich nicht aus Versehen in diese Bakterienstämme hineinschnäuzte.

Achtzigtausend wollte Dr. Taffner anlegen. Er startete seinen Computer. Aktien? Festverzinsliche? Hausfond? – Hausfond. Mündelsicher. Was sonst. Das macht einen ruhigen Schlaf und einen schlanken Fuß, nicht nur bei der Innenrevision. Wird gern gesehen bei der Turmspitze. Billiges Geld für die Bank, signalisiert außerdem Zuverlässigkeit, brauchbares Personal für die mittlere Ebene.
Nach zehn Minuten war die Transaktion abgewickelt und der Kollege raus, so dass Dr. Zicklinger noch genug Zeit fand, alle Stellen, die Dr. Taffner angefasst haben könnte, mit Desinfektionstüchern abzureiben.

Das Direktionsvorzimmer war erkältet. Rote Nasen, Triefaugen, raue Stimmbänder. Er schlüpfte so weit entfernt wie möglich an der Assistentin vorbei ins Allerheiligste. "Kommen Sie, kommen Sie, Herr Kollege, und entschuldigen Sie …“, Herr Direktor Bankhammer nieste zweimal herzhaft, wies mit der linken Hand auf die Stühle vor sich, wischte sich die Nase mit rechts, „Schmittchen, zwei Kaffee“, erhob sich keinen Zentimeter, schob das Schnäuztüchel in die Sakkotasche und streckte ihm die Hand entgegen. Fest erwiderte Zicklinger den Händedruck des Herrn Direktor und unterdrückte den Impuls, die Hand heimlich abzuwischen.
Er hasste Kaffee, er bekam immer Sodbrennen davon. Voller Unbehagen rutschte er unauffällig auf dem Stuhl hin und her, und wie immer, wenn er zum Vorstand zitiert wurde, brannten und juckten seine Hämorrhoiden. Direktor Bankhammer watschte ihn kurz und lautstark ab, noch ehe der Kaffee vor ihnen stand.

„Weiß Gott ja“, stimmte Zicklinger den Anwürfen zu, das einzig Vernünftige in der Situation. Jedes Wort der Verteidigung oder gar ein Hinweis auf die Maximierungsvorgaben seitens der Bank hätte eine Verlängerung des Rüffels zur Folge gehabt. Er schluckte. „Eine leidige Sache, aber man wird Regelungen finden“, die Tasse war vor ihm abgestellt worden, „danke, drei Stück Zucker und Milch bitte. Die Bank ist aus dem Schneider, alles dokumentiert, die übliche Vorgehensweise.“

Dr. Zicklinger schlug vor, der Kundin, die sich mit seiner Hilfe gründlich verspekuliert hatte und nunmehr mit einem Vermögensrest von zehn Prozent dastand, die Depotgebühren auf ein Jahr zu erlassen, und, wenn es gar nicht anders ginge, ein Paket Hausaktien als Ausgleich anzubieten, falls sie drohte, einen Prozess anzustrengen.
„Das kostet die Bank Geld, das ist UNERWÜNSCHT. Schaun Sie, dass Sie das umgehend vom Tisch kriegen, UMGEHEND! UNERWÜNSCHT!“ Der Direktor stand abrupt auf und wandte ihm den Rücken zu. Das war die Verabschiedung.

Zurück in seinem Bereich, "die nächsten zwanzig Minuten bin ich für niemanden zu sprechen", verarztete er sich mit Hämorrhoidensalbe, wischte über alle unbedeckten Hautflächen mit antibakteriellen Tüchern, tropfte Lavendel und Myrrhe in die Duftlampe, das eine zur Beruhigung, das andere zur inneren und äußeren Reinigung, nahm seine Globuli und atmete tief in den Rücken mit abwechselnd zugehaltenen Nasenlöchern. Danach fühlte er sich wieder wie ein Mensch.
Im Stehen checkte er seine Nachrichten. Eine E-Mail, Absender unbekannt, Betreff „I love you“. Sehr witzig. Wer erlaubte sich einen solchen Scherz mit ihm? Er klickte die Botschaft an – und das Unheil nahm seinen Lauf. Das Computer-Virus breitete sich aus und, nicht genug damit, dass es in den wohlgeordneten Dateien und formschönen Statistiken keine Ziffer auf der anderen ließ, bahnte es sich seinen Weg über das Kabel in die Maus und sprang von dort direkt auf Dr. Zicklinger über.
Er spürte einen schmerzhaften Stich in Daumen und Zeigefinger, ein ungewohnt sülziges Gefühl in Brust und Oberbauch, seine Beine wurden weich und unzuverlässig.

Als er die Augen wieder aufschlug, sah er in die Sternenaugen von Fräulein Rieschel, die, über ihn gebeugt, viele Worte zu ihm sprach, die er nicht verstand, die ihn aber auch nicht interessierten. So nah waren sie einander noch nie gekommen. Er sah nur noch ihren Mund, die perlweißen Zähne, das rosafarbene Zahnfleisch, die unbedeckte pralle Haut von Hals und Dekollete. „I love you“, sagte er, „haben Sie heute abend Zeit? Ich möchte Sie gerne desinfizieren.“

© Heidi Merkel
 



 
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