Der Beitrag wurde bereits unter Kurzgeschichten mit dem Namen "Der Krüppel" veröffentlicht. Nach einiger Überlegung nahm ich diesen aus KG heraus, möchte aber trotzdem die Story noch ein Mal anbieten.
Er war ein Krüppel. Er kauerte in einer dunklen Ecke hinter den abgestellten Lasten des Alltags und verbarg sein entstelltes Gesicht. Die Menschen hasteten an ihm vorbei, zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Sie hatten ihre kleine Kummer und kleine Freuden, sie schauten besorgt auf die Uhr und eilten weiter. Er beobachtete das vorbeiziehende Leben, bis ihm dieses Schwirren des Raums und der Zeit wehtat.
Er war anders, das wusste er und hatte sich damit abgefunden. Aber diese Erkenntnis kam zu spät. Viel zu spät. Der Krüppel schüttelte den Kopf und sah zum Himmel. Die Wolken durchquerten verwegen die grenzenlose blaue Wüste. Das Licht, das vom Himmel herabfiel, blendete ihn, er wandte sich ab und richtete seinen Blick auf den Boden. Die winzige Birke durchbrach den Asphalt, gierig nach dem Leben, nichts wissend von ihrem nahen qualvollen Tod. Alles, was er sah, war stechend scharf. Der Krüppel schloss die Augen.
Vor vielen Jahren, bitteres Lächeln streifte sein Gesicht, als er an diese Zeit zurückdachte, vor vielen Jahren hatte er versucht, seinen Platz unter den Menschen zu finden. Aber sie sahen nicht, was er sah, und das machte ihm Angst. Damals wagte er jung und voller Hoffnung seinen ersten Schritt in diese Welt. Millionen Farben loderten vor ihm auf, Lichter und Schatten explodierten in einem höllischen Feuerwerk, die gewaltigen Bilder brachen in ihn herein. Die Schönheit offenbarte sich in allen ihren Facetten, aber auch die Hässlichkeit. Doch niemand außer ihm schien das zu bemerken.
Der Krüppel drückte sich noch tiefer in die Ecke, die kalten Wände stießen ihn jedoch zurück. Er stöhnte auf. Er wollte sich an nichts mehr erinnern. Aber die Zeit und die Welt, die er einmal verlassen und nie wieder betreten hatte, bäumte sich vor ihm zu einem grausamen Berg, umklammerte ihn und drang in seine Seele hinein.
Ihre Geräusche strömten in seine Ohren. Er wusste noch, damals war es eine wundervolle Symphonie. Er konnte hören, wie der Wind kam und der Regen fiel, wie der Schnee sich auf die Erde legte und wie die erste Knospe des Frühlings aufsprang. Er vernahm Lachen und Weinen, Schreien und Flüstern, und konnte genau unterscheiden, ob das die Klänge der Freude oder der Sehnsucht waren. Für die anderen war es nur Lärm.
Der Krüppel streckte seine Hand und berührte das zarte Bäumchen auf dem Asphalt. Seine runzlige Hand zitterte und plötzlich merkte er, dass er weinte.
Alle diese Jahre versuchte er verzweifelt zu erklären. Was? Das wusste er nicht. Er griff nach den Bildern, die er sah, und hielt sie fest, er malte und schrieb, und drückte seine Werke den vorbeieilenden Menschen, keiner verstand, was er wollte. Mit der Zeit entglitt auch ihm der Sinn des Gesehenen und hinterließ nur den ziehenden Schmerz in seinem Geist.
Die Melodien stiegen in seinen Kopf, zersprangen in tausende Töne, und ihre Scherben schnitten in sein Gehör. Er versuchte die Saiten zu ertasten, die unter dieser Musik erzitterten. Er spielte alles den Menschen vor, aber sie zuckten nur mit den Achseln. Irgendwann kam auch für ihn der Augenblick, da konnte er nur jeden einzelnen Laut dieser Musik verstehen, aber nie wieder das Ganze.
An dem Tag, an welchem er aufgab und in diese dunkle Ecke floh, stand er noch auf der Straße und schrie. Seine Hilflosigkeit, seine Verzweiflung, sein Leid legte er in diesen Schrei, doch niemand hörte ihn. Er lauschte noch eine Weile, ob es vielleicht doch eine Antwort käme, tritt von einem Fuß auf den anderen und ging dann. Er fühlte sich alt und leer.
Der Krüppel runzelte die Stirn und versuchte sich ins Gedächtnis zu rufen, wie alt er eigentlich war und wie lange er schon in dieser Dunkelheit lebte. Bald wurde er müde. Er rollte sich zusammen und wartete auf die Nacht. Jedes Mal, als er einschlief, betete er, dass ihm eines Tages der Zutritt ins Reich der Finsternis und der Stille gewährt würde, dass er von dieser eisigen verlassenen Welt erlöst und begnadet würde.
Und diese Nacht kam und stieß die Pforten in eine andere Welt auf. Plötzlich fanden die Lichter und die Schatten ihren Platz, Akkorde vereinten die Töne der Freude und der Sehnsucht, Bilder und Klänge legten sich in eine Harmonie. Der Krüppel schritt durch das Tor und betrat sehend und hörend und alles umfassend das Universum, das vor ihm lag.
Am nächsten Tag fand jemand ein blasses ausgehungertes Wesen, der zusammengerollt in einer Ecke lag, umschlossen von kahlen Wänden und losem Müll. Dieses Wesen war tot. Niemand wusste nachher, wie lange es diese Ecke bewohnte und wann es starb. Niemand kannte auch seinen Namen. Nur einer aus der Menge, die sich schnell um den gekrümmten Körper zusammenfand, erinnerte sich, dass ihn alle ´Talent´ nannten. Als er noch lebte.
Er war ein Krüppel. Er kauerte in einer dunklen Ecke hinter den abgestellten Lasten des Alltags und verbarg sein entstelltes Gesicht. Die Menschen hasteten an ihm vorbei, zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Sie hatten ihre kleine Kummer und kleine Freuden, sie schauten besorgt auf die Uhr und eilten weiter. Er beobachtete das vorbeiziehende Leben, bis ihm dieses Schwirren des Raums und der Zeit wehtat.
Er war anders, das wusste er und hatte sich damit abgefunden. Aber diese Erkenntnis kam zu spät. Viel zu spät. Der Krüppel schüttelte den Kopf und sah zum Himmel. Die Wolken durchquerten verwegen die grenzenlose blaue Wüste. Das Licht, das vom Himmel herabfiel, blendete ihn, er wandte sich ab und richtete seinen Blick auf den Boden. Die winzige Birke durchbrach den Asphalt, gierig nach dem Leben, nichts wissend von ihrem nahen qualvollen Tod. Alles, was er sah, war stechend scharf. Der Krüppel schloss die Augen.
Vor vielen Jahren, bitteres Lächeln streifte sein Gesicht, als er an diese Zeit zurückdachte, vor vielen Jahren hatte er versucht, seinen Platz unter den Menschen zu finden. Aber sie sahen nicht, was er sah, und das machte ihm Angst. Damals wagte er jung und voller Hoffnung seinen ersten Schritt in diese Welt. Millionen Farben loderten vor ihm auf, Lichter und Schatten explodierten in einem höllischen Feuerwerk, die gewaltigen Bilder brachen in ihn herein. Die Schönheit offenbarte sich in allen ihren Facetten, aber auch die Hässlichkeit. Doch niemand außer ihm schien das zu bemerken.
Der Krüppel drückte sich noch tiefer in die Ecke, die kalten Wände stießen ihn jedoch zurück. Er stöhnte auf. Er wollte sich an nichts mehr erinnern. Aber die Zeit und die Welt, die er einmal verlassen und nie wieder betreten hatte, bäumte sich vor ihm zu einem grausamen Berg, umklammerte ihn und drang in seine Seele hinein.
Ihre Geräusche strömten in seine Ohren. Er wusste noch, damals war es eine wundervolle Symphonie. Er konnte hören, wie der Wind kam und der Regen fiel, wie der Schnee sich auf die Erde legte und wie die erste Knospe des Frühlings aufsprang. Er vernahm Lachen und Weinen, Schreien und Flüstern, und konnte genau unterscheiden, ob das die Klänge der Freude oder der Sehnsucht waren. Für die anderen war es nur Lärm.
Der Krüppel streckte seine Hand und berührte das zarte Bäumchen auf dem Asphalt. Seine runzlige Hand zitterte und plötzlich merkte er, dass er weinte.
Alle diese Jahre versuchte er verzweifelt zu erklären. Was? Das wusste er nicht. Er griff nach den Bildern, die er sah, und hielt sie fest, er malte und schrieb, und drückte seine Werke den vorbeieilenden Menschen, keiner verstand, was er wollte. Mit der Zeit entglitt auch ihm der Sinn des Gesehenen und hinterließ nur den ziehenden Schmerz in seinem Geist.
Die Melodien stiegen in seinen Kopf, zersprangen in tausende Töne, und ihre Scherben schnitten in sein Gehör. Er versuchte die Saiten zu ertasten, die unter dieser Musik erzitterten. Er spielte alles den Menschen vor, aber sie zuckten nur mit den Achseln. Irgendwann kam auch für ihn der Augenblick, da konnte er nur jeden einzelnen Laut dieser Musik verstehen, aber nie wieder das Ganze.
An dem Tag, an welchem er aufgab und in diese dunkle Ecke floh, stand er noch auf der Straße und schrie. Seine Hilflosigkeit, seine Verzweiflung, sein Leid legte er in diesen Schrei, doch niemand hörte ihn. Er lauschte noch eine Weile, ob es vielleicht doch eine Antwort käme, tritt von einem Fuß auf den anderen und ging dann. Er fühlte sich alt und leer.
Der Krüppel runzelte die Stirn und versuchte sich ins Gedächtnis zu rufen, wie alt er eigentlich war und wie lange er schon in dieser Dunkelheit lebte. Bald wurde er müde. Er rollte sich zusammen und wartete auf die Nacht. Jedes Mal, als er einschlief, betete er, dass ihm eines Tages der Zutritt ins Reich der Finsternis und der Stille gewährt würde, dass er von dieser eisigen verlassenen Welt erlöst und begnadet würde.
Und diese Nacht kam und stieß die Pforten in eine andere Welt auf. Plötzlich fanden die Lichter und die Schatten ihren Platz, Akkorde vereinten die Töne der Freude und der Sehnsucht, Bilder und Klänge legten sich in eine Harmonie. Der Krüppel schritt durch das Tor und betrat sehend und hörend und alles umfassend das Universum, das vor ihm lag.
Am nächsten Tag fand jemand ein blasses ausgehungertes Wesen, der zusammengerollt in einer Ecke lag, umschlossen von kahlen Wänden und losem Müll. Dieses Wesen war tot. Niemand wusste nachher, wie lange es diese Ecke bewohnte und wann es starb. Niemand kannte auch seinen Namen. Nur einer aus der Menge, die sich schnell um den gekrümmten Körper zusammenfand, erinnerte sich, dass ihn alle ´Talent´ nannten. Als er noch lebte.