anbas
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Empfohlener Beitrag
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Die Frau im Rahmen
An der Wand gegenüber hing in einem großen grauen Holzrahmen die kolorierte Zeichnung einer jungen Frau. Sie saß lächelnd vor einer Tasse Kaffee. Der rechte Arm war aufgestützt und das Kinn ruhte in einer etwas gekünstelten Pose auf dem Handrücken. Ein Sommerhut mit einer breiten Krempe bedeckte ihren Kopf. Bunte Farbflecken an dem Hutband deuteten eine Verzierung an. Je länger Markus auf das Bild schaute, umso mehr schien das zarte Rouge auf den Wangen der Unbekannten zu leuchten.
'So, als würde sie erröten', dachte er.
Scheiße, heute war wieder einer dieser Tage. Markus wusste nie, ob er diese Tage, die manchmal auch nur Momente sein konnten, hassen oder lieben sollte. Tage, an denen ihn sein Singledasein nervte und er sich nach Nähe und Zweisamkeit sehnte. Andererseits versetzten sie ihn in eine Melancholie, die er liebte, und durch die er seine Umwelt mit ganz anderen Augen erlebte.
Sein Blick glitt hinüber zu Silvia, seiner Lieblingsbedienung. Sie war etwa zwanzig Jahre jünger als er. Bei ihrem Anblick geriet er stets ins Träumen, wie es wäre, jetzt noch einmal Mitte Zwanzig zu sein. Keine Frage, damals wäre er voll auf sie abgefahren. Ihr Lächeln und die Art, wie sie nachfragte, ob er mit seinem
Cappuccino oder dem, was er gerade gegessen hatte, zufrieden gewesen wäre, verzauberten ihn stets aufs Neue.
Aber was sollte er mit so einem Küken anfangen? Den Ersatzpapa wollte er weiß Gott nicht spielen, und das Bedürfnis, mit Hilfe einer wesentlich jüngeren Freundin einen Teil seiner eigenen Jugend noch einmal aufleben zu lassen, hatte er auch nicht. Außerdem war er sich sicher, dass sie mit einem so alten Sack wie ihm nichts zu tun haben wollte. An diesen Tagen aber meinte Markus, hinter Silvias professioneller Freundlichkeit mehr zu entdecken. Ein echtes Interesse an ihm, unabhängig vom Alter.
'Kommt ja immer mal wieder vor, dass Menschen trotz großem Altersunterschied zu einander finden und glücklich sind', sagte er sich dann.
Markus starrte auf das flackernde Teelicht, das vor ihm auf dem Tisch stand. In seinen Gedanken malte er sich aus, wie es wäre, wenn er jetzt nicht alleine dort sitzen würde. Er spürte den starken Wunsch, sich mit einer vertrauten Person zu unterhalten, zu lachen und gemeinsam zu schweigen. Doch da war noch viel mehr, was langsam in ihm aufstieg: Die Sehnsucht nach liebevollen Umarmungen, nach Zärtlichkeit und Nähe. Er vermisste es, für jemanden da sein zu können, und ihm fehlte das beruhigende Gefühl, dass auch jemand für ihn da war. Wider aller Vernunft ertappte er sich bei der Vorstellung, dass Silvia dieser Jemand wäre.
Es gab durchaus auch andere Frauen, auf die er diese Sehnsucht hin und wieder projizierte. Doch in letzter Zeit war es vor allem Silvia. Verstohlen beobachtete er sie bei ihrer Arbeit. Es war ihm wichtig, dass sie sich durch seine Blicke nicht belästigt fühlte. Auch wollte er auf gar keinen Fall mit den Männern in einen Topf geworfen werden, die jede Bedienung anbaggerten, um ihnen dann den eigenen Weltschmerz vorjammern zu können, oder aber um sich so noch einmal als toller Hecht vorzukommen.
Wieder starrte Markus in die Kerze und hing seinen Gedanken nach. Dabei stellte er leicht verunsichert fest, dass er in den letzten Monaten häufiger solche Gedanken gehabt hatte. Eigentlich war er überzeugter Einzelgänger. Die Vorstellung, sich mit jemandem über Vorhaben absprechen zu müssen, Vereinbarungen zu treffen und diese dann auch noch selber einhalten zu müssen, fand er unerträglich. Seine Unabhängigkeit war für ihn ein sehr hohes Gut. Andererseits ertrug er es kaum, wenn andere Menschen ihm gegenüber unzuverlässig und unverbindlich waren. Allein schon wegen dieses Widerspruchs hielt er sich selber für beziehungsunfähig. Doch er hatte keine Probleme damit, war wirklich gerne allein, und genoss es, wenn er tagelang kein Wort reden musste. - Nur eben an diesen Tagen nicht. Da ließen verliebte Pärchen in ihm Neidgefühle aufkommen, romantische Musik verursachte einen immer stärker anwachsenden Kloß in seinem Hals, und die ruhige Ecke in seinem Stammcafé wurde plötzlich zu einem Ort schlimmster Einsamkeit.
Markus sah auf. Die junge Frau in dem Holzrahmen lächelte unbeeindruckt von seiner inneren Zerrissenheit zu ihm herüber. Ihre Wangen leuchteten herausfordernd. Nachdem er das Bild eine Zeitlang betrachtet hatte, zog ein leichtes Grinsen durch sein Gesicht. Dann stand er auf, bezahlte bei der Kollegin von Silvia und verließ das Café ohne sich weiter umzusehen.
Er bemerkte nicht, dass Silvias Blick ihm folgte, bis er an der großen Fensterfront vorbeigegangen und im Gewühl der Menschen auf der Straße verschwunden war.
An der Wand gegenüber hing in einem großen grauen Holzrahmen die kolorierte Zeichnung einer jungen Frau. Sie saß lächelnd vor einer Tasse Kaffee. Der rechte Arm war aufgestützt und das Kinn ruhte in einer etwas gekünstelten Pose auf dem Handrücken. Ein Sommerhut mit einer breiten Krempe bedeckte ihren Kopf. Bunte Farbflecken an dem Hutband deuteten eine Verzierung an. Je länger Markus auf das Bild schaute, umso mehr schien das zarte Rouge auf den Wangen der Unbekannten zu leuchten.
'So, als würde sie erröten', dachte er.
Scheiße, heute war wieder einer dieser Tage. Markus wusste nie, ob er diese Tage, die manchmal auch nur Momente sein konnten, hassen oder lieben sollte. Tage, an denen ihn sein Singledasein nervte und er sich nach Nähe und Zweisamkeit sehnte. Andererseits versetzten sie ihn in eine Melancholie, die er liebte, und durch die er seine Umwelt mit ganz anderen Augen erlebte.
Sein Blick glitt hinüber zu Silvia, seiner Lieblingsbedienung. Sie war etwa zwanzig Jahre jünger als er. Bei ihrem Anblick geriet er stets ins Träumen, wie es wäre, jetzt noch einmal Mitte Zwanzig zu sein. Keine Frage, damals wäre er voll auf sie abgefahren. Ihr Lächeln und die Art, wie sie nachfragte, ob er mit seinem
Cappuccino oder dem, was er gerade gegessen hatte, zufrieden gewesen wäre, verzauberten ihn stets aufs Neue.
Aber was sollte er mit so einem Küken anfangen? Den Ersatzpapa wollte er weiß Gott nicht spielen, und das Bedürfnis, mit Hilfe einer wesentlich jüngeren Freundin einen Teil seiner eigenen Jugend noch einmal aufleben zu lassen, hatte er auch nicht. Außerdem war er sich sicher, dass sie mit einem so alten Sack wie ihm nichts zu tun haben wollte. An diesen Tagen aber meinte Markus, hinter Silvias professioneller Freundlichkeit mehr zu entdecken. Ein echtes Interesse an ihm, unabhängig vom Alter.
'Kommt ja immer mal wieder vor, dass Menschen trotz großem Altersunterschied zu einander finden und glücklich sind', sagte er sich dann.
Markus starrte auf das flackernde Teelicht, das vor ihm auf dem Tisch stand. In seinen Gedanken malte er sich aus, wie es wäre, wenn er jetzt nicht alleine dort sitzen würde. Er spürte den starken Wunsch, sich mit einer vertrauten Person zu unterhalten, zu lachen und gemeinsam zu schweigen. Doch da war noch viel mehr, was langsam in ihm aufstieg: Die Sehnsucht nach liebevollen Umarmungen, nach Zärtlichkeit und Nähe. Er vermisste es, für jemanden da sein zu können, und ihm fehlte das beruhigende Gefühl, dass auch jemand für ihn da war. Wider aller Vernunft ertappte er sich bei der Vorstellung, dass Silvia dieser Jemand wäre.
Es gab durchaus auch andere Frauen, auf die er diese Sehnsucht hin und wieder projizierte. Doch in letzter Zeit war es vor allem Silvia. Verstohlen beobachtete er sie bei ihrer Arbeit. Es war ihm wichtig, dass sie sich durch seine Blicke nicht belästigt fühlte. Auch wollte er auf gar keinen Fall mit den Männern in einen Topf geworfen werden, die jede Bedienung anbaggerten, um ihnen dann den eigenen Weltschmerz vorjammern zu können, oder aber um sich so noch einmal als toller Hecht vorzukommen.
Wieder starrte Markus in die Kerze und hing seinen Gedanken nach. Dabei stellte er leicht verunsichert fest, dass er in den letzten Monaten häufiger solche Gedanken gehabt hatte. Eigentlich war er überzeugter Einzelgänger. Die Vorstellung, sich mit jemandem über Vorhaben absprechen zu müssen, Vereinbarungen zu treffen und diese dann auch noch selber einhalten zu müssen, fand er unerträglich. Seine Unabhängigkeit war für ihn ein sehr hohes Gut. Andererseits ertrug er es kaum, wenn andere Menschen ihm gegenüber unzuverlässig und unverbindlich waren. Allein schon wegen dieses Widerspruchs hielt er sich selber für beziehungsunfähig. Doch er hatte keine Probleme damit, war wirklich gerne allein, und genoss es, wenn er tagelang kein Wort reden musste. - Nur eben an diesen Tagen nicht. Da ließen verliebte Pärchen in ihm Neidgefühle aufkommen, romantische Musik verursachte einen immer stärker anwachsenden Kloß in seinem Hals, und die ruhige Ecke in seinem Stammcafé wurde plötzlich zu einem Ort schlimmster Einsamkeit.
Markus sah auf. Die junge Frau in dem Holzrahmen lächelte unbeeindruckt von seiner inneren Zerrissenheit zu ihm herüber. Ihre Wangen leuchteten herausfordernd. Nachdem er das Bild eine Zeitlang betrachtet hatte, zog ein leichtes Grinsen durch sein Gesicht. Dann stand er auf, bezahlte bei der Kollegin von Silvia und verließ das Café ohne sich weiter umzusehen.
Er bemerkte nicht, dass Silvias Blick ihm folgte, bis er an der großen Fensterfront vorbeigegangen und im Gewühl der Menschen auf der Straße verschwunden war.