Ein Traum.
Die Inschriften
Als ich immer weiter auf der Straße wandere, finde ich mich im Gebirge wieder. Vor mir ragen steile Gipfel, in deren Mitte tief unten ein blauer See liegen muss ... so steht es in den Büchern.
Seltsam... da ist die Mauer zwischen mir und dem See, eine hoch ragende Wand aus Stein. Ich luge über sie hinaus und sehe ... Gletscher in der Ferne.
Ich lehne mich an die Mauer. Da ist auf einmal eine eiserne Tür. Und eine Gartenpforte steht offen. Es sind dies die Eingänge zu Obstgärten, Weinbergen. Zu Shangri-La, dem Paradies, von ewigem Eis umgeben.
Mein Bruder ist plötzlich auch hier. Und Mara, meine Schwester.
"Was bedeutet das alles?", fragt mein Bruder.
Es tauchen nämlich an der Mauer Inschriften auf. Wie von Schattenhand geschriebene. Dann sind sie verschwunden. Als ich so starre, kommen die Inschriften wieder, Zahlen, Buchstaben ... Man könnte sie lesen, wenn man näher heran ginge. Ich tue es nicht.
Ich fürchte mich vor ihrem Sinn.
Die Inschriften verschwinden, kommen, verschwinden, zucken auf wie Leuchtschrift, verschwinden. Nun ist keine mehr da.
Ich laufe ein Stück weiter. Ich muss hier weg. Etwas ist in der Atmosphäre. Irgend etwas stimmt hier nicht!
Mein Bruder ist heimlich verschwunden. Meine Schwester eilt eine Weile hinter mir her, winkt einen Abschiedsgruß, kehrt um.
Jetzt bin ich allein.
Auf einmal ist da ein Kind, mein Baby. Es liegt bei der Mauer aus weißem Stein. Der Junge. Nackt.
Ich nehme ihn auf:
"Komm, ich zeige dir die Welt. Schau die blühenden Bäume. Die neuen Triebe, die aus alten Knospen brechen. Es kommt jetzt der Frühling. Bald wird die Welt heil."
Ich sehe zu meinem Sohn hinunter. Er ist eingeschlafen. Da lege ich ihn in ein Bettchen aus Moos und will ihn schnell zudecken.
Eine Frau kommt daher, sagt:
"Du kannst ihn doch nicht einfach so zudecken. Du musst ihn vorher stillen. Da nehme ich mein Baby, lege es an meine Brust. Es lächelt.
Das Wichtigste aber ... das, was in den Inschriften stand ... ich werde es wohl nie erfahren.
*
Copyright Irmgard Schöndorf Welch
Die Inschriften
Als ich immer weiter auf der Straße wandere, finde ich mich im Gebirge wieder. Vor mir ragen steile Gipfel, in deren Mitte tief unten ein blauer See liegen muss ... so steht es in den Büchern.
Seltsam... da ist die Mauer zwischen mir und dem See, eine hoch ragende Wand aus Stein. Ich luge über sie hinaus und sehe ... Gletscher in der Ferne.
Ich lehne mich an die Mauer. Da ist auf einmal eine eiserne Tür. Und eine Gartenpforte steht offen. Es sind dies die Eingänge zu Obstgärten, Weinbergen. Zu Shangri-La, dem Paradies, von ewigem Eis umgeben.
Mein Bruder ist plötzlich auch hier. Und Mara, meine Schwester.
"Was bedeutet das alles?", fragt mein Bruder.
Es tauchen nämlich an der Mauer Inschriften auf. Wie von Schattenhand geschriebene. Dann sind sie verschwunden. Als ich so starre, kommen die Inschriften wieder, Zahlen, Buchstaben ... Man könnte sie lesen, wenn man näher heran ginge. Ich tue es nicht.
Ich fürchte mich vor ihrem Sinn.
Die Inschriften verschwinden, kommen, verschwinden, zucken auf wie Leuchtschrift, verschwinden. Nun ist keine mehr da.
Ich laufe ein Stück weiter. Ich muss hier weg. Etwas ist in der Atmosphäre. Irgend etwas stimmt hier nicht!
Mein Bruder ist heimlich verschwunden. Meine Schwester eilt eine Weile hinter mir her, winkt einen Abschiedsgruß, kehrt um.
Jetzt bin ich allein.
Auf einmal ist da ein Kind, mein Baby. Es liegt bei der Mauer aus weißem Stein. Der Junge. Nackt.
Ich nehme ihn auf:
"Komm, ich zeige dir die Welt. Schau die blühenden Bäume. Die neuen Triebe, die aus alten Knospen brechen. Es kommt jetzt der Frühling. Bald wird die Welt heil."
Ich sehe zu meinem Sohn hinunter. Er ist eingeschlafen. Da lege ich ihn in ein Bettchen aus Moos und will ihn schnell zudecken.
Eine Frau kommt daher, sagt:
"Du kannst ihn doch nicht einfach so zudecken. Du musst ihn vorher stillen. Da nehme ich mein Baby, lege es an meine Brust. Es lächelt.
Das Wichtigste aber ... das, was in den Inschriften stand ... ich werde es wohl nie erfahren.
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Copyright Irmgard Schöndorf Welch