Traurig hob er den Kopf, sah sich kurz um, und leckte sich die Pfoten. Sie schmeckten nach duftendem Sommergras und frisch versengter Erde. Besonders die Stellen zwischen den Ballen taten ihm noch weh von der schlimmen Hitze, welche Saphira gerade heraufbeschworen hatte, um ihn zu verwandeln. Wo war sie nur?
Verwirrt blickte er an sich herunter, betrachtete seinen buschigen langen Schwanz mit dem weißen Punkt an der Spitze, sein strubbeliges mausgraues Fell und seinen dicken Hängebauch. Aber was war das nur in seinem Gesicht? Seine Pfoten bekamen es einfach nicht zu fassen….Hatschi!
„Schnurrhaare, Saphira hat mir Schnurrhaare gezaubert“, dachte Peter. Verzweifelt hüpfte er schnell hinter einen schützenden Busch auf der Wiese. Sie hatte ihre Drohung also ernst gemacht. Peter hatte seine Mutter noch nie gemocht, aber in diesem Moment hasste er sie abgrundtief. Wie konnte eine Mutter ihrem Kind nur so etwas Abscheuliches antun? Und das alles nur, weil er Peter war, und keine Petra. Nur Mädchen können Hexen werden. Jungs werden niemals zaubern können. Was sollte Saphira also mit einem Jungen anfangen?
„Du bist mir nur ein oller Klotz am Bein! Ein Angsthase mit einem weichen Herz! Welcher Mäusegeierfluch hat mich getroffen, daß ich DICH geboren habe? Verschwinde! Ein streunender Straßenkater bist du, und das sollst du für den Rest deines Lebens bleiben! Also hau ab, du olle Kröte!
Es folgte in gesummter Zauberspruch, den Peter nicht verstanden hatte. Der riesige, tränenförmige Rubin, den sie immer an einer goldenen Kette um ihren Hals trug, überstrahlte alles mit seinem roten Glühen. Er fühlte eine große Hitze, die ihm weh tat. Und zack fand der sich hier auf der Wiese als Kater wieder und leckte sich die schmerzenden Pfoten.
Lange saß er so da, und blickte über die Wiese. Irgendwann hielt er es einfach nicht mehr aus, und fing an zu laufen, wohin ihn seine kurzen Katzenbeinchen gerade lenkten. „Mohnblumen“ dachte er. Nichts als Mohnblumen und noch mal Mohnblumen. Fast wie in diesem Bild von Claude Monet, das seine Mutti in der Hexenküche hängen hatte…wie hieß es noch gleich? Peter hatte es früher oft bewundert und sich gewünscht, einmal die Frau mit dem Schirm auf der Wiese zu treffen, und ein Picknick mit ihr zu machen.
Doch hier stach ihm die Sonne ins Fell, die Schnaken surrten um seinen Ohren und seinen Schwanz, ihm war übel vom Duft der Blumen und sein Magen knurrte auch allmählich.
Der kleine, lästige Schmetterling, der ihm seit einiger Zeit folgte, landete jetzt frech zwischen seinen Ohren und ließ ein leises Klingeln hören. Peter bleib so abrupt stehen, dass sie fast von seinem Kopf gepurzelt wäre. „Heeeeeey, Grautatze, was soll das? Benimmt man sich so gegenüber einer Dame? Also bei uns im Elfenland wird noch Wert auf Höflichkeit gelegt!! Und wo kommst du her?“ fragte sie Peter.
„Entschuldige, sagte Peter. „Die Hexe Saphira ist meine Mutter. Sie hasst mich, weil ich ein Junge bin und sie war es auch, die mich in eine Katze verwandelt hat. Wie ich hierher komme, weiß ich nicht, Wo bin ich denn hier? Gibt’s hier noch was anders als Mohnblumen?“
Erschrocken schüttelte sich die Elfe und begann aufgeregt vor Peters Schnauze zu flattern.
„Die böse alte Saphira? Die konnte ich noch nie leiden! Sie war es, die uns Elfen in dieses Bild gesperrt hat!“
Peter wurde schwindlig. „Du meinst, wir sind ihn diesem Bild von Monet mit den Mohnblumen? Das kann doch nicht sein! Aber wo ist dann die Frau mit dem Regenschirm?“
Die Elfe deutete nur mit dem Kopf nach rechts. Und wirklich, ganz in der Ferne, am Horizont, das sah er sie als kleinen, roten Punkt.
Tränen liefen über Peters Katzengesicht und mit einem Seufzer ließ er sich mit einem lauten „Plums“ ins Gras fallen. Jetzt ist alles aus, ging es ihm durch den Kopf. „Hier komme ich also nie mehr raus, oder?“ fragte er schluchzend die Elfe.
Statt einer Antwort, fing die Elfe an, sehr laut und glockenhell zu klingeln.
Plötzlich zogen dunkle Gewitterwolken auf. Und schon spürte Peter den ersten Regentropfen auf der Haut! „Ihhhhhhhhh, ich hasse Wasser!“ rief er. „Was soll das, willst du mich umbringen?“
Die Elfe beachtete ihn kein bisschen, sondern klingelte mit angestrengtem Gesicht einfach weiter. Und schon waren es viele Tropfen, und dann ganze Ströme. Peter war klitschnaß, das graue Fell hing in Fetzen an ihm herunter und er fror erbärmlich. Da kam die Elfe zu ihm herübergeschwirrt, und streute ihren Elfenstaub über ihm aus. Gerade wollte Peter ihr gründlich die Meinung geigen, als er merkte, wie an seinen Pfoten kleine Finger zu sehen waren. Auch sein Schwanz war auf einmal verschwunden. Stück für Stück kam unter der Katze sein menschlicher Körper wieder zum Vorschein. Vor Freude und Glück tanzte Peter im Regen über die Wiese. Aber was war das? Irgendwas stimmte nicht mit seinem Kopf! Peter hatte lange, blonde Haare und er trug auch nicht seine bequemen Hipp-Hopper-Jeans, sondern ein Sommerkleid! „Ein Mädchen??? Du hast ein Mädchen aus mir gemacht? Ja spinnst du denn jetzt völlig? Was soll denn das? Du….“
Die Elfe kommentierte sein Geschimpfe nur mit einem müden Lächeln.
„Halt den Mund, denn der Regen wird dich gleich aus dem Bild spülen. Wenn du jetzt gut zuhörst, kannst du nicht nur dich selbst, sondern auch uns befreien. Geh als Saphiras Tochter zu ihr- sie wird dich akzeptieren. Entreiße ihr den Rubin, den sie am Hals trägt. Du weißt schon, den, der aussieht wie eine rote Träne. Nur mit ihm kann sie zaubern, ohne ihn ist sie nichts. Früher war der Stein einmal rund. Aber all das Leid, das Saphira damit angerichtet hat, hat ihm die Form einer Träne gegeben.
Aber hüte dich, wenn es schief geht, sind wir alle verloren!“
Den letzten Satz hörte Peter nicht mehr, denn die Strömung riss ihn aus dem Bild. Er fühlte, wie er in den Abgrund fiel. Es war, als ob er ins Nichts fiel, als ob er in die nackte Angst stürzte, die wie eine kalte Hand unten auf ihn wartete. Zuerst bekam er keine Luft mehr, und dann war er wie betäubt von dem Geruch nach tausend verbotenen Kräutern und Mixturen aus der Hexenküche. Er erinnerte sich, dass er hier eigentlich nicht sein durfte- Saphira hatte ihn immer aus der verbotenen Küche herausgejagt und geschlagen- er hatte den Geschmack von Blut noch heute auf der Zunge. Der Aufprall tat weh, und seine Knie waren aufgerissen. Noch mehr fürchtete er sich aber vor der Frau, die ihn auf so grausame Art und Weise verstoßen hatte: seine Mutter.
Die Tür der Hexenküche ging auf, als Peter sich gerade hochrappeln und ein Versteck suchen wollte. Saphira erblickte ihn sofort und ging schnurstracks auf ihn zu. Einen Zentimeter vor seiner Nase machte sie halt. Er fühlte ihren Atem, sie schnüffelte und befühlte sein langes Haar, strich über seinen Arm und drückte ihn an sich. “Peetttraaaaaaaaa, mein liebes Kind, endlich bist du hier!“ schluchzte sie. Peter traute seinen Ohren kaum. Wie konnte sie ihn nur als ihre Tochter erkennen? Klappte der Elfenzauber wirklich?
Er bekam das schönste Zimmer im Hexenhaus, ein großes warmes Bett und ein üppiges Abendmahl. Danach bestand Saphira darauf, dass er ein heißes Bad nahm und frische Kleider anlegte. Aber Peter hasste auch als Petra Wasser wie die Pest. Es nutze ihm nicht viel, denn Saphira steckte ihn eigenhändig in die Wanne. Wie er so dalag, war es dann doch recht entspannend nach all der Aufregung. „Wie kann ich ihr nur den Rubin entreißen?“ fragte er sich. Als Petra musste das doch ganz leicht gehen, oder?
Peter stieg aus der Wanne und wurde kreidebleich vor Schreck. Das blonde lange Haar war verschwunden und auch sonst sah er wieder aus wie ein Junge! Was war nur geschehen? Natürlich, er musste sich den Feenstaub versehentlich abgewaschen haben, als er gebadet hatte!!! Mist, was jetzt?
Schritte näherten sich der Badezimmertür. „Petraaaaaaaaaa, bist du fertig? Es ist Zeit, schlafen zu gehen!“ rief die Hexe. Er versicherte lautstark, dass alles ok sei und er allein zurecht käme. Als die Schritte sich leise wieder entfernten, atmete er erleichtert auf.
Fieberhaft trocknete er sich ab, schlüpfte in den Schlafanzug und zermarterte sich das Gehirn, wie er die Hexe weiter glauben machen sollte, er sei Petra. Sein Zimmer durchsuchte er nach irgend etwas, das er als blonde Perücke verwenden konnte. Er fand nichts. Dann fielen ihm Omas alte Sachen auf dem Dachboden ein. Sofort schlich er sich über den dunklen Gang nach oben. Doch vor der Treppe befand sich das Schlafzimmer von Saphira, die bekannter Weise einen sehr leichten Schlaf hatte. Sie durfte auf keinen Fall etwas merken und ihn nicht sehen. Auf Zehenspitzen schlich er sich an der Tür vorbei und Stufe für Stufe nach oben. Er bekam einen ordentlichen Schreck, als die letzte Stufe plötzlich laut quietschte. Doch unten rührte sich nichts und er betrat erleichtert den dunklen Dachboden. In den rechten hinteren Ecke, in der es besonders finster war, stand die Kiste seiner Oma. Er öffnete sie leise und staunte nicht schlecht, welche Schätze sich dort fanden: alte Federkiele, goldener Schmuck, Ehrenpokale der Hexeninnung, ihre kostbaren schwarzen Seidenumhänge und ihre Glaskugel. Nur ihre Perücke konnte er nirgends finden. Unten quietsche eine Tür. Peter zuckte vor Schreck zusammen und begann erneut, die Kiste zu durchwühlen. Auf einmal fand er sie ganz unten in der Kiste. Hastig setze er sich die Perücke auf den Kopf.
Er ordnete gerade noch die langen Haarsträhnen, als er Saphiras Stimme rufen hörte:“ Hallloooo? Wer da? Petraaaaa bist du das?“
Peter nahm all seinen Mut zusammen, obwohl er vor Angst am ganzen Körper zitterte. „ Jaja, Mutti, ich bin hier. Ich konnte nicht schlafen, und da…..öhm bin ich ein wenig herumgewandert.“
Schon stand Saphira in der Tür. Es war so dunkel, dass sie einander nur als Schatten erkennen konnten. Mutig ging Peter auf sie zu. Kaum war er in ihrer Nähe, griff Saphira zu und drückte ihn erfreut an ihr Hexenherz. „Jetzt oder nie“ schoss es Peter durch den Kopf. Entschlossen griff er nach dem Rubin und mit einem Ruck hatte er ihn in der Hand. Die Hexe löste sich auf der Stelle in Luft auf und aus der Dunkelheit wurde Licht. Unten hörte Peter plötzlich Stimmen. Auf dem Weg nach unten kam ihm die Elfe aus dem Bild entgegen geflogen.
„Du hast es geschafft! Wir sind alle frei! Sieh dir nur den Rubin an! Aus der Träne ist ein Kreis geworden, alle die mit dem Rubin verwandelt wurden, sind jetzt wieder frei! Ist das nicht wunderbar?
Und solange du ihn einsetzt, um Gutes zu tun, solange du reinen Herzens bist, solange wird der Rubin seine runde Form behalten wie ein lachender Kreis und keine Träne soll jemals mehr fließen in unseren Welten. Damit setzte sich die Elfe auf Peters Schulter, der die Perücke inzwischen abgeworfen hatte, und sie gingen nach unten zu den anderen, in ein neues, gutes Leben.
Verwirrt blickte er an sich herunter, betrachtete seinen buschigen langen Schwanz mit dem weißen Punkt an der Spitze, sein strubbeliges mausgraues Fell und seinen dicken Hängebauch. Aber was war das nur in seinem Gesicht? Seine Pfoten bekamen es einfach nicht zu fassen….Hatschi!
„Schnurrhaare, Saphira hat mir Schnurrhaare gezaubert“, dachte Peter. Verzweifelt hüpfte er schnell hinter einen schützenden Busch auf der Wiese. Sie hatte ihre Drohung also ernst gemacht. Peter hatte seine Mutter noch nie gemocht, aber in diesem Moment hasste er sie abgrundtief. Wie konnte eine Mutter ihrem Kind nur so etwas Abscheuliches antun? Und das alles nur, weil er Peter war, und keine Petra. Nur Mädchen können Hexen werden. Jungs werden niemals zaubern können. Was sollte Saphira also mit einem Jungen anfangen?
„Du bist mir nur ein oller Klotz am Bein! Ein Angsthase mit einem weichen Herz! Welcher Mäusegeierfluch hat mich getroffen, daß ich DICH geboren habe? Verschwinde! Ein streunender Straßenkater bist du, und das sollst du für den Rest deines Lebens bleiben! Also hau ab, du olle Kröte!
Es folgte in gesummter Zauberspruch, den Peter nicht verstanden hatte. Der riesige, tränenförmige Rubin, den sie immer an einer goldenen Kette um ihren Hals trug, überstrahlte alles mit seinem roten Glühen. Er fühlte eine große Hitze, die ihm weh tat. Und zack fand der sich hier auf der Wiese als Kater wieder und leckte sich die schmerzenden Pfoten.
Lange saß er so da, und blickte über die Wiese. Irgendwann hielt er es einfach nicht mehr aus, und fing an zu laufen, wohin ihn seine kurzen Katzenbeinchen gerade lenkten. „Mohnblumen“ dachte er. Nichts als Mohnblumen und noch mal Mohnblumen. Fast wie in diesem Bild von Claude Monet, das seine Mutti in der Hexenküche hängen hatte…wie hieß es noch gleich? Peter hatte es früher oft bewundert und sich gewünscht, einmal die Frau mit dem Schirm auf der Wiese zu treffen, und ein Picknick mit ihr zu machen.
Doch hier stach ihm die Sonne ins Fell, die Schnaken surrten um seinen Ohren und seinen Schwanz, ihm war übel vom Duft der Blumen und sein Magen knurrte auch allmählich.
Der kleine, lästige Schmetterling, der ihm seit einiger Zeit folgte, landete jetzt frech zwischen seinen Ohren und ließ ein leises Klingeln hören. Peter bleib so abrupt stehen, dass sie fast von seinem Kopf gepurzelt wäre. „Heeeeeey, Grautatze, was soll das? Benimmt man sich so gegenüber einer Dame? Also bei uns im Elfenland wird noch Wert auf Höflichkeit gelegt!! Und wo kommst du her?“ fragte sie Peter.
„Entschuldige, sagte Peter. „Die Hexe Saphira ist meine Mutter. Sie hasst mich, weil ich ein Junge bin und sie war es auch, die mich in eine Katze verwandelt hat. Wie ich hierher komme, weiß ich nicht, Wo bin ich denn hier? Gibt’s hier noch was anders als Mohnblumen?“
Erschrocken schüttelte sich die Elfe und begann aufgeregt vor Peters Schnauze zu flattern.
„Die böse alte Saphira? Die konnte ich noch nie leiden! Sie war es, die uns Elfen in dieses Bild gesperrt hat!“
Peter wurde schwindlig. „Du meinst, wir sind ihn diesem Bild von Monet mit den Mohnblumen? Das kann doch nicht sein! Aber wo ist dann die Frau mit dem Regenschirm?“
Die Elfe deutete nur mit dem Kopf nach rechts. Und wirklich, ganz in der Ferne, am Horizont, das sah er sie als kleinen, roten Punkt.
Tränen liefen über Peters Katzengesicht und mit einem Seufzer ließ er sich mit einem lauten „Plums“ ins Gras fallen. Jetzt ist alles aus, ging es ihm durch den Kopf. „Hier komme ich also nie mehr raus, oder?“ fragte er schluchzend die Elfe.
Statt einer Antwort, fing die Elfe an, sehr laut und glockenhell zu klingeln.
Plötzlich zogen dunkle Gewitterwolken auf. Und schon spürte Peter den ersten Regentropfen auf der Haut! „Ihhhhhhhhh, ich hasse Wasser!“ rief er. „Was soll das, willst du mich umbringen?“
Die Elfe beachtete ihn kein bisschen, sondern klingelte mit angestrengtem Gesicht einfach weiter. Und schon waren es viele Tropfen, und dann ganze Ströme. Peter war klitschnaß, das graue Fell hing in Fetzen an ihm herunter und er fror erbärmlich. Da kam die Elfe zu ihm herübergeschwirrt, und streute ihren Elfenstaub über ihm aus. Gerade wollte Peter ihr gründlich die Meinung geigen, als er merkte, wie an seinen Pfoten kleine Finger zu sehen waren. Auch sein Schwanz war auf einmal verschwunden. Stück für Stück kam unter der Katze sein menschlicher Körper wieder zum Vorschein. Vor Freude und Glück tanzte Peter im Regen über die Wiese. Aber was war das? Irgendwas stimmte nicht mit seinem Kopf! Peter hatte lange, blonde Haare und er trug auch nicht seine bequemen Hipp-Hopper-Jeans, sondern ein Sommerkleid! „Ein Mädchen??? Du hast ein Mädchen aus mir gemacht? Ja spinnst du denn jetzt völlig? Was soll denn das? Du….“
Die Elfe kommentierte sein Geschimpfe nur mit einem müden Lächeln.
„Halt den Mund, denn der Regen wird dich gleich aus dem Bild spülen. Wenn du jetzt gut zuhörst, kannst du nicht nur dich selbst, sondern auch uns befreien. Geh als Saphiras Tochter zu ihr- sie wird dich akzeptieren. Entreiße ihr den Rubin, den sie am Hals trägt. Du weißt schon, den, der aussieht wie eine rote Träne. Nur mit ihm kann sie zaubern, ohne ihn ist sie nichts. Früher war der Stein einmal rund. Aber all das Leid, das Saphira damit angerichtet hat, hat ihm die Form einer Träne gegeben.
Aber hüte dich, wenn es schief geht, sind wir alle verloren!“
Den letzten Satz hörte Peter nicht mehr, denn die Strömung riss ihn aus dem Bild. Er fühlte, wie er in den Abgrund fiel. Es war, als ob er ins Nichts fiel, als ob er in die nackte Angst stürzte, die wie eine kalte Hand unten auf ihn wartete. Zuerst bekam er keine Luft mehr, und dann war er wie betäubt von dem Geruch nach tausend verbotenen Kräutern und Mixturen aus der Hexenküche. Er erinnerte sich, dass er hier eigentlich nicht sein durfte- Saphira hatte ihn immer aus der verbotenen Küche herausgejagt und geschlagen- er hatte den Geschmack von Blut noch heute auf der Zunge. Der Aufprall tat weh, und seine Knie waren aufgerissen. Noch mehr fürchtete er sich aber vor der Frau, die ihn auf so grausame Art und Weise verstoßen hatte: seine Mutter.
Die Tür der Hexenküche ging auf, als Peter sich gerade hochrappeln und ein Versteck suchen wollte. Saphira erblickte ihn sofort und ging schnurstracks auf ihn zu. Einen Zentimeter vor seiner Nase machte sie halt. Er fühlte ihren Atem, sie schnüffelte und befühlte sein langes Haar, strich über seinen Arm und drückte ihn an sich. “Peetttraaaaaaaaa, mein liebes Kind, endlich bist du hier!“ schluchzte sie. Peter traute seinen Ohren kaum. Wie konnte sie ihn nur als ihre Tochter erkennen? Klappte der Elfenzauber wirklich?
Er bekam das schönste Zimmer im Hexenhaus, ein großes warmes Bett und ein üppiges Abendmahl. Danach bestand Saphira darauf, dass er ein heißes Bad nahm und frische Kleider anlegte. Aber Peter hasste auch als Petra Wasser wie die Pest. Es nutze ihm nicht viel, denn Saphira steckte ihn eigenhändig in die Wanne. Wie er so dalag, war es dann doch recht entspannend nach all der Aufregung. „Wie kann ich ihr nur den Rubin entreißen?“ fragte er sich. Als Petra musste das doch ganz leicht gehen, oder?
Peter stieg aus der Wanne und wurde kreidebleich vor Schreck. Das blonde lange Haar war verschwunden und auch sonst sah er wieder aus wie ein Junge! Was war nur geschehen? Natürlich, er musste sich den Feenstaub versehentlich abgewaschen haben, als er gebadet hatte!!! Mist, was jetzt?
Schritte näherten sich der Badezimmertür. „Petraaaaaaaaaa, bist du fertig? Es ist Zeit, schlafen zu gehen!“ rief die Hexe. Er versicherte lautstark, dass alles ok sei und er allein zurecht käme. Als die Schritte sich leise wieder entfernten, atmete er erleichtert auf.
Fieberhaft trocknete er sich ab, schlüpfte in den Schlafanzug und zermarterte sich das Gehirn, wie er die Hexe weiter glauben machen sollte, er sei Petra. Sein Zimmer durchsuchte er nach irgend etwas, das er als blonde Perücke verwenden konnte. Er fand nichts. Dann fielen ihm Omas alte Sachen auf dem Dachboden ein. Sofort schlich er sich über den dunklen Gang nach oben. Doch vor der Treppe befand sich das Schlafzimmer von Saphira, die bekannter Weise einen sehr leichten Schlaf hatte. Sie durfte auf keinen Fall etwas merken und ihn nicht sehen. Auf Zehenspitzen schlich er sich an der Tür vorbei und Stufe für Stufe nach oben. Er bekam einen ordentlichen Schreck, als die letzte Stufe plötzlich laut quietschte. Doch unten rührte sich nichts und er betrat erleichtert den dunklen Dachboden. In den rechten hinteren Ecke, in der es besonders finster war, stand die Kiste seiner Oma. Er öffnete sie leise und staunte nicht schlecht, welche Schätze sich dort fanden: alte Federkiele, goldener Schmuck, Ehrenpokale der Hexeninnung, ihre kostbaren schwarzen Seidenumhänge und ihre Glaskugel. Nur ihre Perücke konnte er nirgends finden. Unten quietsche eine Tür. Peter zuckte vor Schreck zusammen und begann erneut, die Kiste zu durchwühlen. Auf einmal fand er sie ganz unten in der Kiste. Hastig setze er sich die Perücke auf den Kopf.
Er ordnete gerade noch die langen Haarsträhnen, als er Saphiras Stimme rufen hörte:“ Hallloooo? Wer da? Petraaaaa bist du das?“
Peter nahm all seinen Mut zusammen, obwohl er vor Angst am ganzen Körper zitterte. „ Jaja, Mutti, ich bin hier. Ich konnte nicht schlafen, und da…..öhm bin ich ein wenig herumgewandert.“
Schon stand Saphira in der Tür. Es war so dunkel, dass sie einander nur als Schatten erkennen konnten. Mutig ging Peter auf sie zu. Kaum war er in ihrer Nähe, griff Saphira zu und drückte ihn erfreut an ihr Hexenherz. „Jetzt oder nie“ schoss es Peter durch den Kopf. Entschlossen griff er nach dem Rubin und mit einem Ruck hatte er ihn in der Hand. Die Hexe löste sich auf der Stelle in Luft auf und aus der Dunkelheit wurde Licht. Unten hörte Peter plötzlich Stimmen. Auf dem Weg nach unten kam ihm die Elfe aus dem Bild entgegen geflogen.
„Du hast es geschafft! Wir sind alle frei! Sieh dir nur den Rubin an! Aus der Träne ist ein Kreis geworden, alle die mit dem Rubin verwandelt wurden, sind jetzt wieder frei! Ist das nicht wunderbar?
Und solange du ihn einsetzt, um Gutes zu tun, solange du reinen Herzens bist, solange wird der Rubin seine runde Form behalten wie ein lachender Kreis und keine Träne soll jemals mehr fließen in unseren Welten. Damit setzte sich die Elfe auf Peters Schulter, der die Perücke inzwischen abgeworfen hatte, und sie gingen nach unten zu den anderen, in ein neues, gutes Leben.