Die Wäschespinne des Verderbens

HollywoodOni

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„Ich geh mal die Wäsche aufhängen, Liebling“, rief sie mir entgegen. Das waren die letzte Worte, die ich aus ihrem Mund hörte. Es sollte etwas Schreckliches geschehen. Als es draußen bereits dunkel wurde, lief mir ein entsetzlicher Schauer über den Rücken. Irgendetwas stimme nicht. Als ich schließlich in den Garten ging, um nachzusehen, erblickte ich ihren leblosen Körper am Fuße der Wäschespinne. Ihre Kehle wurde durchgeschnitten. Als ich die blutverschmierte Wäscheleine erblickte, war mir sofort klar, dass ich nicht nach einem menschlichen Mörder suchen musste.

Ich ließ etwas Zeit verstreichen, damit ich wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Mein Verdacht änderte sich aber nicht. Stattdessen wurde der Hass immer größer. Um mich mal richtig darüber auszusprechen, bat ich meinen besten Freund Eddy vorbeizukommen.
„Was? Du weißt, wer sie umgebracht hat?“, fragte er überrascht.
„Ja ...“, entgegnete ich mit selbstbewusster Stimme. „Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass es die Wäschespinne war ...“
„Würdest du das bitte noch einmal wiederholen …?“
„Du hast mich schon verstanden, Eddy …!“, meinte ich. „Meine Frau hatte schon immer eigenartige Dinge an der Wäschespinne bemerkt, die einfach nicht normal waren. Es hört sich verrückt an, aber es besteht kein Zweifel daran, dass ...“
„Steve … ich kann mir in etwa ausmalen, was du die letzten Wochen durchgemacht hast. Ich habe meine Frau auch auf tragische Weise verloren … aber die Wäschespinne für den Tod deiner Frau verantwortlich zu machen ...“
„Willst du gar nicht wissen, wie ich darauf komme?“
„Weißt du eigentlich, was du da behauptest?“
„Das weiß ich. Und ich weiß auch, dass mit dieser Wäschespinne etwas nicht stimmt! Hab ich dir schon erzählt, was mir meine Frau ein paar Wochen kurz vor ihrem Tod erzählt hat?“
„Nein, hast du nicht ...“
„Fast jede Nacht ist sie schweißgebadet aufgewacht ... Sie träumte immer von brutal verstümmelten Leichen, die an unserer Wäschespinne hingen! … Überall sah sie blutverschmierte Wäscheklammern herumliegen, die ihr die Eingeweide herausgerissen haben … Diese Träume müssen doch etwas bedeuten, oder nicht?“
Nach diesen Aussagen wunderte es mich nicht im Geringsten, dass mich mein Freund für verrückt erklärte. Dass er allerdings ohne mit der Wimper zu zucken einfach mein Haus verließ, hatte ich nicht erwartet. Ich versuchte mich darüber nicht zu ärgern und akzeptierte einfach, so schwer es mir auch fiel, dass er mich reif für die Klapsmühle hielt. Anscheinend musste ich die Sache selbst in die Hand nehmen … und das tat ich auch.

Ich ging in den Garten, lief auf die Wäschespinne zu und trat wie ein Wahnsinniger auf sie ein.
„Ruhig Blut, Süßer“, kicherte sie. „Willst du nicht die feuchte Muschi deiner Frau an mir aufhängen, damit sie wieder schön trocken wird?“
„Du verfluchtes Drecksstück! Jetzt zeigst du also dein wahres Gesicht! Ich bringe dich in die Hölle!“, kreischte ich wie am Spieß.
„Unglücklicherweise ist in der Hölle kein Platz mehr für mich. Schade, nicht? Die Kleidung trocknet dort von ganz allein. Deswegen hat mich doch Satan höchst persönlich in eure Dimension gebracht.“
„Ganz schlechter Schachzug von ihm!“, meinte ich. „Jetzt werde ich dich nämlich ganz schön dumm aus der Wäsche schauen lassen!“
Diese Worte schienen der Wäschespinne gar nicht zu passen. Urplötzlich griff ihre Wäscheleine nach mir. Sie umschlang mit ungeheurer Kraft meinen Hals und ließ mich wie einen verzweifelten Fisch in der Luft zappeln. Langsam, aber sicher drohte ich zu ersticken. Wenigstens hatte ich die Gewissheit, dass ich nicht verrückt war.
Aus heiterem Himmel kam Eddy wie aus dem Nichts hervorgesprungen und durchtrennte die Wäscheleine mit einem Messer.
„Dieses Ding hat ja wirklich einen totalen Schaden!“, rief er.
Leider war die Wiedersehensfreude nur von kurzer Dauer. Ehe sich Eddy der Wäschespinne richtig zuwenden konnte, durchdrang bereits ihre Wäscheleine seinen Rücken und kam blutverschmiert vorne am Bauch wieder heraus. Ich verlor vor Schock beinahe das Bewusstsein. Der Anblick, wie eine zweite Wäscheleine mit nur einem Ruck seinen vollständigen Kopf vom Körper abtrennte, brachte mich an die Grenze meines Durchhaltevermögens. Als ich bereits mit dem Leben abschließen wollte, bemerkte ich, dass die Aufmerksamkeit der Wäschespinne immer noch auf Eddys Körper gelenkt war.
„Jetzt … oder nie …!“ Mit letzter Kraft rannte ich auf die Wäschespinne zu und schaffte es doch tatsächlich, den Kopf an ihr zu drücken, der sie sofort wieder zusammenklappen ließ.
„Ich werde dich an der tiefsten Stelle des Ozeans versenken, du verfluchtes Biest!“, brüllte ich. „Dafür sorge ich!“
„Falls du dazu kommst ...“, kicherte sie siegessicher.
Ehe ich auf ihre Äußerung reagieren konnte, wurde ich bereits von zehn Polizisten umstellt.
„Hände über den Kopf! Na los!“
„Was … was soll das?“, stotterte ich, während mir Handschellen angelegt wurden. „Ich hab doch gar nichts getan ...“
Natürlich glaubte mir niemand meine Geschichte. Ich wurde für schuldig befunden, Eddy mithilfe der Wäscheleine ermordet zu haben. Während ich nun hinter schwedischen Gardinen saß, wurde mir mitgeteilt, dass mein gefühlloser Stiefvater, der mich im Kindesalter immer wieder erbarmungslos misshandelte, die Wäschespinne an sich nahm. Vielleicht gab es ja doch ein bisschen Gerechtigkeit auf dieser Welt.
 



 
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