Doppelkopf (ab 9 Jahre)

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Inga

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Am Morgen

Wie immer war es für mich noch viel zu früh zum Aufstehen. Eigentlich war es immer zu früh, wenn ich in die Schule musste. Mama rief schon zum zweiten Mal.
Ich verkroch mich unter meiner warmen Bettdecke. Langsam öffnete ich meine Augen.
Wieso schaute ich mir selbst ins Gesicht ? Ich schloss die Augen wieder, anscheinend träumte ich noch.
Als ich sie wieder öffnete, sah ich noch immer mein Gesicht, das mich anstarrte. Das konnte einfach nicht sein.
Ich drehte mich im Bett um und es drehte sich ebenfalls um und schaute mich wieder an. Ich gähnte und es gähnte auch.
,,Wer bist du?" Es antwortete mir mit meiner eigenen vertrauten Stimme: ,,Ich bin dein Doppelgänger."
,,Aber mich gibt es doch nur einmal," antwortete ich. ,,Jetzt nicht mehr!"
Ich stand auf und sah mich im Spiegel an, dieses etwas, das auch ich sein sollte, stand neben mir, spiegelte sich aber nicht.
Ich ging ins Bad, machte mich frisch und zog mich an. Es folgte mir auf Schritt und Tritt und tat genau das gleiche.
,,Was willst du von mir?" Es schaute mich an und fragte:,,Was willst du von mir?"
,,Ich will nichts von dir, außer, dass du wieder verschwindest!"

Ein schnelles Frühstück

,,Finn mit wem redest Du?" rief meine Mutter aus der Küche. ,,Mit niemandem, nur mit mir selbst."
,,Bist du für Selbstgespräche nicht noch ein bisschen zu jung?" lachte Mama.
Ich eilte in die Küche, ohne mich umzudrehen, setzte mich an den Tisch und blickte in das Gesicht meines Doppelgängers.
Ich versuchte es zu ignorieren und löffelte meine Cornflakes.
Nach dem Frühstück zog ich meine Jacke an, nahm meine Schultasche und stürmte aus dem Haus, da ich schon sehr spät dran war.

Auf dem Weg zur Schule

An meine Fersen hatte sich mein Doppelgänger geheftet. ,,Du kannst nicht mit in die Schule kommen, hörst du!"
,,Das wollen wir doch mal sehen," antwortete es mir. Unterwegs traf ich meinen besten Freund Leon.
,,Hi Finn, du schaust so wütend aus. Was ist los?"
,,Ich habe seit heute Morgen einen Doppelgänger, der mir auf Schritt und Tritt folgt und das nervt."
Leon fing an zu lachen, ,,das ist wirklich ein guter Witz, einen Doppelgänger, krass. Und wo soll der sein? Dreh dich um, ich sehe keinen."
Er umkreiste mich mehrmals und amüsierte sich köstlich.
Ich schwieg, noch nichtmal mein bester Freund glaubte mir.

Im Klassenzimmer

Im Klassenzimmer setzte ich mich neben Leon. Mein Doppelgänger saß unter dem Tisch und starrte mich an. Ich versuchte ihn zu ignorieren,
was aber nicht leichtfiel. Leon flüsterte mir zu: ,,ist er immer noch da?" ,,Ja," flüsterte ich zurück.
Das bekam unsere Lehrerin Frau Achenbach mit und fragte, was wir denn so Interessantes zu besprechen hätten?
,,Nichts," antwortete ich kleinlaut. ,,So Finn, dann nenne mir doch mal die Hauptstadt von Peru."
Ich wusste es nicht und schaute zu meinem Doppelgänger, der leise: ,,Lima," flüsterte.
,,Lima," sagte ich laut, woraufhin ich ein Lob von Frau Achenbach bekam.

Ein Schatten zeichnet sich ab

Endlich Pause. Die Sonne schien und die Schüler rannten ausgelassen über den Schulhof. Ich versuchte mehrmals auf meinen Doppelgänger zu springen,
der aber jedes Mal geschickt entwich.
Zum Ende der Pause stellten wir uns auf, da wir im Anschluss Turnen hatten. Lisa baute sich vor mir auf und fragte: ,,Kann das sein, dass du einen zweiten Schatten hast?"
Ich zuckte zusammen und antwortete mit: ,,Nein."
In der Turnhalle schien zum Glück keine Sonne, so dass niemand einen zweiten Schatten bemerken konnte. Was passiert da, wird der Doppelgänger nun doch sichtbar werden und versuchen meinen Platz einzunehmen?
Dieser Gedanke ließ mich nicht mehr los.

Der Spiegel zeigt die Wahrheit

Nach dem Turnen bat ich Leon genau zu schauen, ob tatsächlich ein zweiter Schatten zu sehen war. Leon sah zu meiner Verzweiflung auch einen schwachen Schatten, kaum wahrnehmbar, aber vorhanden. Ich sah in das grinsende Gesicht meines Doppelgängers.
,,Komm, lass uns in den Spiegel schauen, ob er auch dort sichtbar ist," schlug Leon vor. Im Spiegel auf der Jungen Toilette konnten wir ganz schwach eine Kontur neben mir
erkennen. Mein Doppelgänger flüsterte mir ins Ohr: ,,Bald bin ich du und dann bist du mein Doppelgänger."
,,Nein, nein, das darf nicht sein!" rief ich vor Entsetzen.
,,Finn beruhige dich, es gibt bestimmt eine Lösung." Versuchte mich mein Freund zu besänftigen.

Auf dem Heimweg

Endlich war die Schule aus. Leon, ich und mein Doppelgänger traten den Heimweg an. Ich fühlte mich müde und erschöpft, als würde mir meine Kraft
entzogen werden. Leon sagte: ,,Wir treffen uns heute 15 Uhr in der alten Bibliothek Casimir."
Zuerst verstand ich nicht, doch als er mir zuzwinkerte, stellte ich keine Fragen.
Zuhause angekommen fragte mich Mama, warum ich so blass sei und ob es mir nicht gut gehe.
Ich erzählte nichts von meinem Doppelgänger, sie hätte es mir bestimmt nicht geglaubt.
Ich ignorierte ihn, er versuchte mir bei den Hausaufgaben zu helfen, was ich nicht zuließ. Ich hatte den Verdacht, je mehr Beachtung ich ihm schenkte, desto sichtbarer wurde er.

In der Bibliothek Casimir

Pünktlich um15 Uhr fand ich mich in der Bibliothek ein, mein Doppelgänger hielt die ganze Zeit mit mir Schritt. Leon hatte bereits dem alten Casimir alles erzählt.
Er war ein alter weiser Mann, er wusste auf alle Fragen eine Antwort.
Es gab nichts, was er nicht wusste. Als er mich sah, nickte er mir mit ernster Miene zu. Er bot uns einen Platz an und stellte einen dritten Stuhl für meinen Doppelgänger dazu.
Casimir schob seine Brille zurecht, dass tat er immer, wenn er nachdachte.
,,Was habt ihr am Abend zuvor gemacht?" fragte er.
,,Wir haben Doppelkopf gespielt," antwortete Leon. Mein Doppelgänger starrte mich an und rückte näher an mich heran.
,,So,so," sagte er ernst. ,,Ja und Finn hatte sich so über das Spiel geärgert, weil er immer verloren hat. Er sagte, das nächste Mal schickt er seinen Doppelgänger, der kann bestimmt besser Doppelkopf spielen als er," erklärte Leon.
Ich sah im Augenwinkel, wie mein Doppelgänger nickte.

Alles auf Anfang

,,Hört zu Kinder, was passiert ist, ist ein schwerwiegendes Problem mit sehr ernsten Folgen für dich Finn. Dein Doppelgänger versucht dich zu verdrängen, um deinen Platz
einzunehmen. Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, ihn wieder loszuwerden und zwar einen Reset."
Die Kinder schauten ihn fragend an. ,,Was ist das?" fragte ich.
,,Ihr setzt alles auf Anfang. Der Abend muss sich ganz genauso abspielen. Überlegt euch ganz genau, was ihr getrunken und gegessen habt, lasst kein Detail aus!
Die Karten werden neu gemischt. Eine einzige Sache lasst ihr weg und zwar, dass dein Doppelgänger für dich weiterspielen soll.
Und jetzt beeilt euch, bevor es zu spät ist!"

Die Vorbereitung

Uns blieb nicht mehr viel Zeit. Schnell kauften wir eine Tüte Chips und Getränke im Laden um die Ecke. Wir zogen die Hosen und das T-Shirt von gestern an.
Ich ging nachhause und genau um 18 Uhr klingelte Leon bei mir.
Ich machte überrascht die Tür auf und Leon fragte:,,Hast du schon mal Doppelkopf gespielt?"
,,Nein," antwortete ich.
Wir setzten uns in mein Zimmer und unterhielten uns über genau die selben Dinge wie gestern. Leon erklärte mir die Spielregeln und verteilte die Karten.
Mein Doppelgänger saß kleinlaut neben mir.

Ein neuer Morgen

Die Sonne schien in mein Zimmer, als ich am nächsten Morgen erwachte.
Vorsichtig öffnete ich die Augen und sah meinen Schreibtisch. Ich drehte mich um und sah gegen die Wand.
Mein Doppelgänger war verschwunden.
Ich atmete tief durch und hüpfte aus dem Bett. Ein wenig unsicher schaute ich in jede Ecke, er blieb verschwunden.

Ich habe in meinem Leben nie wieder Doppelkopf gespielt.
 
Zuletzt bearbeitet:

molly

Mitglied
Hallo Inga,

eine interessante Geschichte für größere Kinder: Doppelkopf und Doppelgänger, passt sehr gut.
Kleiner Fehler im letzten Satz: Wieder

Herzlich willkommen und liebe Grüße
molly
 

Inga

Mitglied
Danke, freue mich, dass dir die Geschichte gefallen hat.
Das ist mir auch aufgefallen, nur nachträglich konnte ich es nicht mehr korrigieren.
Grüße Inga
 

Inga

Mitglied
Danke,
Bei mir steht nur: melden oder zitieren, aber nicht bearbeiten.
Ich habe die Geschichte jetzt versehentlich noch einmal darunter gesetzt, aber diesmal mit kleinem w.
Liebe Grüße
Inga
 

hera

Foren-Redakteur
Teammitglied
Schau doch bitte nochmals nach, Inga. Mir ist kein Fehler bekannt. Sollte das Feld tatsächlich nicht vorhanden sein, schreib mich bitte an!

Viele Grüße
hera
 

Inga

Mitglied
Danke für die Info, da steht tatsächlich in grüner Schtrift: bearbeiten. Ich habe es jetzt geändert.
Liebe Grüße Inge
 



 
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