Nach etwa 20 Minuten begann die Beruhigungstablette zu wirken.
"Mann, dieses Valium ist schon geil, davon sollten wir uns was für zu Hause anschaffen", sagte Stefan lächelnd zu seiner Frau Tanja.
"Na, dir scheints ja gut zu gehen", antwortete sie sanft.
Der Eingriff war für 18:20 Uhr vorgesehen, sollte also in einer halben Stunde beginnen. Stefan sollte einen Bypass ins Herz eingesetzt werden, eine Routineoperation wie die Ärzte ihm beruhigend versichert hatten.
Jetzt nahm Tanja seine Hand in die Ihre und drückte sie aufmunternd.
"Mein Held", flüsterte sie sanft. Sie war die letzten drei Stunden nicht ein Mal von seiner Seite gewichen, außer um kurz auf die Toilette zu gehen.
"Ich hab so ein Glück mit ihr", dachte Stefan glücklich. "Aber ob sie auch noch hier sitzen würde, wenn sie von Yvonne wüsste. Oder von Susanne."
Beide Male hatte er der Versuchung einfach nicht widerstehen können. Sie waren so jung gewesen und so hübsch. Und beide hatten sie ihn wirklich gemocht. Dabei liebte er seine Frau aufrichtig und nach jedem Treffen mit einer Anderen plagten ihn die widerlichsten Schuldgefühle. Er hatte sogar Gott um Vergebung gebeten, auch wenn er eigentlich überzeugter Atheist war.
Jetzt betrat der Arzt das Zimmer. "Na, wie siehts aus, bereit für ihren großen Tag?", fragte er fröhlich.
Stefan nickte. Tanja drückte erneut seine Hand und dann wurde sein Bett durch die Gänge in den Fahrstuhl geschoben. Es ging bergab.
Der Operationsaal wirkte sauber und steril. Die Wände waren weiß gekachelt. Stefan wurde auf die Bare gehoben.
"Wir leiten jetzt die Narkose ein", gab ihm ein Mann mit grünem Mundschutz zu verstehen.
Stefan spürte einen kurzen Einstich. Wenige Sekunden später wurde alles um ihn schwarz.
Er erwachte auf einem Acker. Er schaute sich um. Felder und kahle Bäume umgaben ihn. Die Landschaft wirkte unendlich trostlos, ohne dass er genau hätte sagen können, wodurch dieser Eindruck hervorgerufen wurde. Ihm viel auf, wie still es war, absolut still. Eine solch vollkommene Stille hatte er erst einmal erlebt, als er als Kind bei Neuschnee mit seinen Eltern in den Schwarzwald gefahren war.
Er lief auf einen nahegelegenen Feldweg, der in geschwungenen Bahnen leicht aufwärts führte. Das Gehen viel ihm unglaublich schwer, sein Körper fühlte sich an wie eine Last und sofort begannen seine Füße zu schmerzen.
Ein Gefühl der absoluten Trostlosigkeit übermannte ihn.
Da bemerkte er erleichtert, dass ihm eine Frau auf dem Weg entgegenkam.
Als sie sich auf gleicher Höhe trafen fragte er: "Entschuldigen Sie, ich habe mich wohl irgendwie verirrt, können Sie mir sagen, wo wir hier sind?"
Da verzog die Frau ihr Gesicht zu einer grotesken Grimasse und fing auf eine ganz grässliche Weise an zu lachen.
Er ließ die Frau weiterziehen. Nach einer Weile erreichte er etwas, das wie ein Bauernhof aussah. Als er sich dem Gatter näherte, bellte ein Hund.
Doch das war kein normales Bellen, es war das markerschütterndste Geräusch, dass er in seinem Leben je gehört hatte. Nun konnte er den Hund auch durch das Gatter sehen. Er war riesengroß und unbeschreiblich hässlich. Jetzt hechelte er. Stefan gefror das Blut in den Adern.
Statt einer Zunge wand sich eine Schlange aus dem Rachen des Viehs. Die Schlange hatte drei Köpfe. Auf einmal sprang der Hund in einem Satz über das Gatter und warf sich auf ihn. Stefan fiel zu Boden. Der Hund beugte sich über ihn und die drei Schlangen begannen mit festen Bissen große Stücke Fleisch aus seinem Brustkorb zu reißen. Nachdem sie den Brustkorb komplett geöffnet hatten, schlängelten sie sich in das Innere seine Körpers und fraßen ihn von Innen heraus auf. Er verlor das Bewusstsein.
Das Nächste, was er wahrnahm waren unangenehm grelle Lichter, die auf sein Gesicht gerichtet waren. Er wusste nicht, wo er war oder wer er war. Es war ihm im Moment aber auch egal.. Hauptsache er war dem schlangenzüngigen Hund entkommen. Nach einer ganzen Weile realisierte er, dass er eine Operation gehabt hatte und nun wohl aufgewacht war.
Später wurde er aus dem OP zurück in sein Krankenzimmer gerollt. Dort warteten bereits einige Ärzte auf ihn, wie auch seine Frau, die aussah, als hätte sie geweint. Bei seinem Anblick schluchzte sie los. "Was machst du nur für Sachen?"
Stefan blickte zu den Ärzten.
"Was ist denn passiert?"
Der Arzt druckste ein wenig herum. "Nun ja, es gab eine schwere Komplikation während ihrer OP. Wir haben uns bei der Menge des Anästhethikums geirrt. Manche Menschen reagieren viel stärker darauf als andere. So etwas passiert extrem selten, aber in ihrem Fall ist es passiert."
"Und weiter?", drängte Stefan.
Der Arzt nahm seine Brille ab. "Sie haben aufgehört zu atmen. Dann setzte der Herzschlag aus. Für einige Minuten waren sie hirntot. Einem unserer Anästhesisten ist im aller letzten Moment die rettende Idee gekommen und wir konnten sie zurückholen."
"Gott, ich danke dir!", schluchzte seine Frau.
Zwei Monate später saß Stefan mit seiner Frau auf der Terrasse.
"Japanische Stadt mit acht Buchstaben?", fragte Tanja.
Stefan reagierte nicht.
Tanja legte das Kreuzworträtsel weg. "Schatz, es ist jetzt zwei Monate her. Es ist ja natürlich, dass einen sowas erstmal schockiert. Immerhin wärst du fast gestorben. Aber du bist seitdem kaum noch ansprechbar. Du starrst ständig ins Leere und wirkst dabei, als ob du Todesangst hättest"
Stefan schwieg.
"Ich mein ja nur. Vielleicht solltest du mal mit einem Therapeuten darüber reden. Meine Schwester hat da ja einige Erfahrung, die kennt ganz hervorragende Leute, die können dir bestimmt helfen"
Stefan starrte an ihr vorbei.
"Mir kann niemand helfen", flüsterte er.
"Mann, dieses Valium ist schon geil, davon sollten wir uns was für zu Hause anschaffen", sagte Stefan lächelnd zu seiner Frau Tanja.
"Na, dir scheints ja gut zu gehen", antwortete sie sanft.
Der Eingriff war für 18:20 Uhr vorgesehen, sollte also in einer halben Stunde beginnen. Stefan sollte einen Bypass ins Herz eingesetzt werden, eine Routineoperation wie die Ärzte ihm beruhigend versichert hatten.
Jetzt nahm Tanja seine Hand in die Ihre und drückte sie aufmunternd.
"Mein Held", flüsterte sie sanft. Sie war die letzten drei Stunden nicht ein Mal von seiner Seite gewichen, außer um kurz auf die Toilette zu gehen.
"Ich hab so ein Glück mit ihr", dachte Stefan glücklich. "Aber ob sie auch noch hier sitzen würde, wenn sie von Yvonne wüsste. Oder von Susanne."
Beide Male hatte er der Versuchung einfach nicht widerstehen können. Sie waren so jung gewesen und so hübsch. Und beide hatten sie ihn wirklich gemocht. Dabei liebte er seine Frau aufrichtig und nach jedem Treffen mit einer Anderen plagten ihn die widerlichsten Schuldgefühle. Er hatte sogar Gott um Vergebung gebeten, auch wenn er eigentlich überzeugter Atheist war.
Jetzt betrat der Arzt das Zimmer. "Na, wie siehts aus, bereit für ihren großen Tag?", fragte er fröhlich.
Stefan nickte. Tanja drückte erneut seine Hand und dann wurde sein Bett durch die Gänge in den Fahrstuhl geschoben. Es ging bergab.
Der Operationsaal wirkte sauber und steril. Die Wände waren weiß gekachelt. Stefan wurde auf die Bare gehoben.
"Wir leiten jetzt die Narkose ein", gab ihm ein Mann mit grünem Mundschutz zu verstehen.
Stefan spürte einen kurzen Einstich. Wenige Sekunden später wurde alles um ihn schwarz.
Er erwachte auf einem Acker. Er schaute sich um. Felder und kahle Bäume umgaben ihn. Die Landschaft wirkte unendlich trostlos, ohne dass er genau hätte sagen können, wodurch dieser Eindruck hervorgerufen wurde. Ihm viel auf, wie still es war, absolut still. Eine solch vollkommene Stille hatte er erst einmal erlebt, als er als Kind bei Neuschnee mit seinen Eltern in den Schwarzwald gefahren war.
Er lief auf einen nahegelegenen Feldweg, der in geschwungenen Bahnen leicht aufwärts führte. Das Gehen viel ihm unglaublich schwer, sein Körper fühlte sich an wie eine Last und sofort begannen seine Füße zu schmerzen.
Ein Gefühl der absoluten Trostlosigkeit übermannte ihn.
Da bemerkte er erleichtert, dass ihm eine Frau auf dem Weg entgegenkam.
Als sie sich auf gleicher Höhe trafen fragte er: "Entschuldigen Sie, ich habe mich wohl irgendwie verirrt, können Sie mir sagen, wo wir hier sind?"
Da verzog die Frau ihr Gesicht zu einer grotesken Grimasse und fing auf eine ganz grässliche Weise an zu lachen.
Er ließ die Frau weiterziehen. Nach einer Weile erreichte er etwas, das wie ein Bauernhof aussah. Als er sich dem Gatter näherte, bellte ein Hund.
Doch das war kein normales Bellen, es war das markerschütterndste Geräusch, dass er in seinem Leben je gehört hatte. Nun konnte er den Hund auch durch das Gatter sehen. Er war riesengroß und unbeschreiblich hässlich. Jetzt hechelte er. Stefan gefror das Blut in den Adern.
Statt einer Zunge wand sich eine Schlange aus dem Rachen des Viehs. Die Schlange hatte drei Köpfe. Auf einmal sprang der Hund in einem Satz über das Gatter und warf sich auf ihn. Stefan fiel zu Boden. Der Hund beugte sich über ihn und die drei Schlangen begannen mit festen Bissen große Stücke Fleisch aus seinem Brustkorb zu reißen. Nachdem sie den Brustkorb komplett geöffnet hatten, schlängelten sie sich in das Innere seine Körpers und fraßen ihn von Innen heraus auf. Er verlor das Bewusstsein.
Das Nächste, was er wahrnahm waren unangenehm grelle Lichter, die auf sein Gesicht gerichtet waren. Er wusste nicht, wo er war oder wer er war. Es war ihm im Moment aber auch egal.. Hauptsache er war dem schlangenzüngigen Hund entkommen. Nach einer ganzen Weile realisierte er, dass er eine Operation gehabt hatte und nun wohl aufgewacht war.
Später wurde er aus dem OP zurück in sein Krankenzimmer gerollt. Dort warteten bereits einige Ärzte auf ihn, wie auch seine Frau, die aussah, als hätte sie geweint. Bei seinem Anblick schluchzte sie los. "Was machst du nur für Sachen?"
Stefan blickte zu den Ärzten.
"Was ist denn passiert?"
Der Arzt druckste ein wenig herum. "Nun ja, es gab eine schwere Komplikation während ihrer OP. Wir haben uns bei der Menge des Anästhethikums geirrt. Manche Menschen reagieren viel stärker darauf als andere. So etwas passiert extrem selten, aber in ihrem Fall ist es passiert."
"Und weiter?", drängte Stefan.
Der Arzt nahm seine Brille ab. "Sie haben aufgehört zu atmen. Dann setzte der Herzschlag aus. Für einige Minuten waren sie hirntot. Einem unserer Anästhesisten ist im aller letzten Moment die rettende Idee gekommen und wir konnten sie zurückholen."
"Gott, ich danke dir!", schluchzte seine Frau.
Zwei Monate später saß Stefan mit seiner Frau auf der Terrasse.
"Japanische Stadt mit acht Buchstaben?", fragte Tanja.
Stefan reagierte nicht.
Tanja legte das Kreuzworträtsel weg. "Schatz, es ist jetzt zwei Monate her. Es ist ja natürlich, dass einen sowas erstmal schockiert. Immerhin wärst du fast gestorben. Aber du bist seitdem kaum noch ansprechbar. Du starrst ständig ins Leere und wirkst dabei, als ob du Todesangst hättest"
Stefan schwieg.
"Ich mein ja nur. Vielleicht solltest du mal mit einem Therapeuten darüber reden. Meine Schwester hat da ja einige Erfahrung, die kennt ganz hervorragende Leute, die können dir bestimmt helfen"
Stefan starrte an ihr vorbei.
"Mir kann niemand helfen", flüsterte er.
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