Ein undurchsichtiger Fall
Bezüglich des rätselhaften Verschwindens meiner Frau auf einer gemeinsamen Kreuzfahrt vor der Küste Martiniques gebe ich folgendes zu Protokoll :
Gewiss, meine Ex hatte ihre Schwächen, keine Frage, aber wer hat die nicht? Es waren ja auch keine gravierenden persönlichen Mängel, keine offensichtlichen eklatanten Charakterschwächen, sie hat nicht zwanghaft geklaut oder bewusst Unwahrheiten verbreitet. In der Beziehung konnte ich mich nie beklagen, da war sie korrekt.
Andererseits, unbewusst, in gutem Glauben zog sie aus harmlosen Kleinigkeiten haarsträubende Schlüsse. Auf dieser Basis reimte sie sich Geschichten zusammen, in denen die Protagonisten denkbar schlecht aussahen. Wir verloren fast unseren ganzen Bekanntenkreis. Mich bezichtigte sie einer Affäre mit der Chefsekretärin, - das berühmte blonde Haar am Anzug. Der Chef hörte von den Gerüchten und eifersüchtig schmiss er mich raus.
Es war nicht immer leicht mit ihr.
In der Folge bauten wir unser eigenes kleines Geschäft auf, sie war die Chefin, hatte die Kontrolle und das tat ihr gut. Ungefähr um diese Zeit begann sie, Füller zu klauen, teure Füller, dilettantisch, sie wurde oft erwischt.
Sie hatte viel zu unterschreiben und ein guter Füllfederhalter war eine Frage des Stils. Wenn eine Frau etwas unterschreibt und dabei ein feines Schreibgerät benutzt, dann kann man davon ausgehen, dass diese Frau auch tadellos mit Messer und Gabel umgehen kann, also kulturell auf einen gewissen Fundus zurückgreift. Das war ihr Credo, old school sozusagen.
Leider war der Schwund in der täglichen Hektik enorm. Die Verweildauer eines Füllers lag bei zwei, höchstens drei Wochen. Dann war er weg. Ich beschwor sie inständig, sich einen Sack voll Kugelschreiber zuzulegen, - vergeblich. Dem ökonomischen Aspekt meiner Argumentation konnte sie sich nicht verschließen, zog daraus allerdings ihre eigenen Konsequenzen.
In dieser Zeit hatten wir häufig mit der Polizei zu tun, die gelegentlich Zeuge unschöner Szenen wurde, wenn ich sie von einer Wache abholen musste. Die betroffenen Geschäfte verzichteten in der Regel auf eine Anzeige, da wir ihnen den Schaden großzügig vergüteten. So wurde ihr Fall nie gerichtsnotorisch.
Weder war sie eine Meisterdiebin noch eine gute Köchin. Kochen war ihre Leidenschaft, doch mir hat es nie geschmeckt. Das werden Sie bei Ihren Recherchen in meinem Umfeld gewiss herausgefunden haben.
Gleichwohl können die hier benannten und allgemein bekannten Widersprüche in unserem Eheleben nie und nimmer für die infame Unterstellung herhalten, ich hätte meine Frau vor der Küste Martiniques kaltblütig über Bord geworfen. Weder entspricht ein derartiger Gewaltakt meiner unbescholtenen Persönlichkeit noch den Verkehrsformen unserer Beziehung. Hätten wir uns trennen wollen, - und Überlegungen in diese Richtung gab es, - wäre nicht Mord, sondern eine gut bürgerliche, einvernehmliche Scheidung das Mittel der Wahl gewesen. In der Hinsicht waren wir uns einig.
Doch gerade auf dieser stressfreien, dem Alltag enthobenen Kreuzfahrt kamen wir einander wieder näher und der Gedanke an Trennung lag fern, blieb quasi in Europa. Das rätselhafte Verschwinden meiner Frau ist vor diesem Hintergrund um so schmerzlicher.
Dessen ungeachtet verlange ich angesichts der ausschließlich auf Vermutungen und Unterstellungen gründenden Anschuldigungen höflich und bestimmt meine sofortige Entlassung aus der Untersuchungshaft.
Bezüglich des rätselhaften Verschwindens meiner Frau auf einer gemeinsamen Kreuzfahrt vor der Küste Martiniques gebe ich folgendes zu Protokoll :
Gewiss, meine Ex hatte ihre Schwächen, keine Frage, aber wer hat die nicht? Es waren ja auch keine gravierenden persönlichen Mängel, keine offensichtlichen eklatanten Charakterschwächen, sie hat nicht zwanghaft geklaut oder bewusst Unwahrheiten verbreitet. In der Beziehung konnte ich mich nie beklagen, da war sie korrekt.
Andererseits, unbewusst, in gutem Glauben zog sie aus harmlosen Kleinigkeiten haarsträubende Schlüsse. Auf dieser Basis reimte sie sich Geschichten zusammen, in denen die Protagonisten denkbar schlecht aussahen. Wir verloren fast unseren ganzen Bekanntenkreis. Mich bezichtigte sie einer Affäre mit der Chefsekretärin, - das berühmte blonde Haar am Anzug. Der Chef hörte von den Gerüchten und eifersüchtig schmiss er mich raus.
Es war nicht immer leicht mit ihr.
In der Folge bauten wir unser eigenes kleines Geschäft auf, sie war die Chefin, hatte die Kontrolle und das tat ihr gut. Ungefähr um diese Zeit begann sie, Füller zu klauen, teure Füller, dilettantisch, sie wurde oft erwischt.
Sie hatte viel zu unterschreiben und ein guter Füllfederhalter war eine Frage des Stils. Wenn eine Frau etwas unterschreibt und dabei ein feines Schreibgerät benutzt, dann kann man davon ausgehen, dass diese Frau auch tadellos mit Messer und Gabel umgehen kann, also kulturell auf einen gewissen Fundus zurückgreift. Das war ihr Credo, old school sozusagen.
Leider war der Schwund in der täglichen Hektik enorm. Die Verweildauer eines Füllers lag bei zwei, höchstens drei Wochen. Dann war er weg. Ich beschwor sie inständig, sich einen Sack voll Kugelschreiber zuzulegen, - vergeblich. Dem ökonomischen Aspekt meiner Argumentation konnte sie sich nicht verschließen, zog daraus allerdings ihre eigenen Konsequenzen.
In dieser Zeit hatten wir häufig mit der Polizei zu tun, die gelegentlich Zeuge unschöner Szenen wurde, wenn ich sie von einer Wache abholen musste. Die betroffenen Geschäfte verzichteten in der Regel auf eine Anzeige, da wir ihnen den Schaden großzügig vergüteten. So wurde ihr Fall nie gerichtsnotorisch.
Weder war sie eine Meisterdiebin noch eine gute Köchin. Kochen war ihre Leidenschaft, doch mir hat es nie geschmeckt. Das werden Sie bei Ihren Recherchen in meinem Umfeld gewiss herausgefunden haben.
Gleichwohl können die hier benannten und allgemein bekannten Widersprüche in unserem Eheleben nie und nimmer für die infame Unterstellung herhalten, ich hätte meine Frau vor der Küste Martiniques kaltblütig über Bord geworfen. Weder entspricht ein derartiger Gewaltakt meiner unbescholtenen Persönlichkeit noch den Verkehrsformen unserer Beziehung. Hätten wir uns trennen wollen, - und Überlegungen in diese Richtung gab es, - wäre nicht Mord, sondern eine gut bürgerliche, einvernehmliche Scheidung das Mittel der Wahl gewesen. In der Hinsicht waren wir uns einig.
Doch gerade auf dieser stressfreien, dem Alltag enthobenen Kreuzfahrt kamen wir einander wieder näher und der Gedanke an Trennung lag fern, blieb quasi in Europa. Das rätselhafte Verschwinden meiner Frau ist vor diesem Hintergrund um so schmerzlicher.
Dessen ungeachtet verlange ich angesichts der ausschließlich auf Vermutungen und Unterstellungen gründenden Anschuldigungen höflich und bestimmt meine sofortige Entlassung aus der Untersuchungshaft.