Eine Handvoll Hoffnung
Liebe Heike,
gegen meine Gewohnheit gehe ich noch mal rein. Was du schreibst, finde ich nicht nur unfair. An keiner Stelle meiner Reaktion auf deinen Text habe ich dich als Person angegriffen, sondern ich habe mich ganz auf deinen Text konzentriert, und ich habe auch nicht angegriffen, sondern nüchtern konstatiert, dass hier ein Text danebengegangen ist. Um den geht es hier, nicht um deine oder meine Person. Ich verstehe es, dass dich meine Meinung getroffen hat, das hatte ich auch beabsichtigt, damit du über deinen eigenen Text besser nachdenkst, ehe du ihn schreibst und in die Leselupe stellst. Ich glaube, das ist eine ehrliche Haltung und verdient nicht solche Unterstellungen, wie ich sei arrogant, Richard spricht von Ignoranz. Gleichzeitig bürstest du mich ab, weil ich nicht nur in deinem Fall, sondern auch in anderen Fällen ohne langes Herumdrucksen sage, wo es meiner Ansicht nach hakt. Du findest meine Art und meine Kommentare "unverschämt". Ich weiß, dass es dir (auch in deinen Texten) nicht immer ganz leicht fällt, das treffende Wort zu finden, aber ich glaube, hiermit ist klargestellt, wer hier wen angreift.
Ich gehe erst einmal auf deine Antwort ein: Ich habe dir nicht "untersagt", dass du nicht in der Lage bist, Anteil am Geschehen zu nehmen. Sondern ich habe das geschlussfolgert, weil du meiner Ansicht nach sentimental an dieses Thema herangegangen bist. Es ist ein sehr kleiner Schritt von der Sentimentalität zur Brutalität. Man nennt diese Art Sentimentalität auch Larmoyanz. Aber, nun bin ich doch verwundert - ich hatte ein solches Wort (das du vielleicht als anstößig empfindest) gar nicht benutzt, sondern das tue ich erst hier, auf die Gefahr hin, dass du mich wieder als "unverschämt" bezeichnest.
Ich hatte es beim erstenmal nicht getan, darum will ich es jetzt tun: genauer auf deinen Text eingehen.
"Das Universum reicht die Hand
zur Verbrüderung der Völker":
Dies ist eine sehr allgemeine Aussage, eine Phrase. Die zudem mit dem nachfolgenden Text überhaupt nichts zu tun hat, sondern direkt im Widerspruch steht. Aber von der Abhandlung eines Widerspruchs ist in diesem Text nun wirklich nichts zu spüren.
"Für unsere "möchte gerne heile Welt"
Medien übertragen, doch erschreckend nah."
Hier habe ich mich gefragt, was will sie eigentlich sagen?
Dass ihr die Bilder des Fernsehens zu nah sind (erschreckend)?
Hätte sie es also gern, wenn sie diese Bilder nicht dauernd im Fernsehen sähe? Und was ist gemeint mit "möchte gerne heile Welt"? Unsere, die westliche Welt, heil? Und was ist das eigentlich für ein Konstrukt "möchte gerne heile Welt"?
Danach gehst du auf die Bilder ein, die du im Fernsehen siehst. Ungewollt komisch schon mal in diesem Zusammenhang die "Knopfaugen, angstgeweitet", zumal sich beides zumindest widerspricht.
Dass es sich um Kindern handeln muss, die du ein paar Zeilen zuvor so seltsam beschreibst, darauf komme ich, weil du ein paar Zeilen später von Eltern sprichst. Jetzt wird es aber kryptisch: "sich bald per Todesstrafe in Ahnentafeln festritzen". Selbstverständlich, Armut und Hunger begünstigen frühes Sterben. Oder meinst du das Kastenwesen in Indien? Bitte erklär mir, was damit inhaltlich gemeint ist, bitte in schlichten, nicht so gestelzten Worten. Hier tauchen auch die Rückräder auf. Die Antwort bist du mir auch noch schuldig, worum es sich dabei handelt.
Nichts sagen will ich zur nächsten Strophe. Das LI spricht offenbar eines der Kinder an, so wie man als Weißer, der nach Afrika kommt und sich höchlichst wundert, wovon dort die Leute eigentlich leben, mit einem schwarzen Kind sprechen würde, genau wissend, das kleine Dummchen versteht einen sowieso nicht, und man streichelt ihm das Köpfchen - wehe, wehe, du Ärmstes.
Deine Schlussfolgerung aus dem Gesehenen: Es ist die Erbsünde!
Heike, so viel Arroganz und Ignoranz ist mir selten begegnet. Heute hört und liest man in den Medien ja allerhand, was schwer zu verkraften ist - aber das ist mir nun wirklich zuviel, auch im Zeitalter der Rechristianisierung. Es war schon immer so, es gab ein Oben und ein Unten, und das war gut so, und so soll es bleiben, es ist eben die Erbsünde (mit Himmel und Hölle und ewiger Verdammnis) - das ist die Aussage. Deshalb mein Hinweis auf die Sozialwissenschaften. Das Bild entsteht in mir: Klein-Erna in Afrika, huch Gott, hier will sie aber nicht leben. Huch Gott, und die armen Kinderchen. Aber was soll man machen, sind eben keine Deutschen, und na ja, die kennen es ja auch nicht anders und stinken tun sie auch, aber sind so kleine Hände usw.
In der nächsten Strophe empfiehlst (?) du (die Aussage ist unklar), was den Leuten helfen würde: ein warmes Herz, ein Dach über dem Kopf, ein Becher frisches Wasser und eine Handvoll Reis. Deiner Ansicht nach haben also die Menschen in der Dritten Welt nicht das Recht auf ein menschenwürdiges Leben mit allem, was dazugehört? Eine Handvoll Reis und einen Becher Wasser empfiehlst du! Einmal arm, immer arm? Die Welt ist nicht veränderbar? Selbstverständlich würde ihnen eine Handvoll Reis als allererstes helfen. Aber brauchen diese Menschen nicht doch ein wenig mehr? Meine Empfehlung: Versuch mal, damit hinzukommen, nur ein paar Wochen lang. Dein warmes Herz macht leider nicht satt, außerdem haben sie es selbst und brauchen deins nicht.
Der letzte Vers ist es, die mich am meisten empört hat an deinem Gedicht, weil in ihm (sicher ungewollt, du gehst eben larmoyant an das Problem heran) die andere Seite der weißen Herrenmenschenideologie durchscheint. Wir waren schon mal weiter. Ich vermute, dir ist das gar nicht aufgefallen und du hast das auch gar nicht beabsichtigt, sondern tiefes Mitleid durchflutet dich, und du beugst dich herab "zu denen da unten" und vergehst vor Mitleid. Das ist das Bild, das ich von deinem Gedicht habe. War das deine Absicht? Ich glaube, nicht. Was du beabsichtigt hattest, war wohl, deinen Leser auf die Zustände in der Dritten Welt aufmerksam zu machen und ihn zur privaten Hilfe zu animieren. Aber, Heike, die Sache ist festgefahren, private Hilfe kann hier nichts mehr ausrichten. Sprich mal mit jemanden von Hilfsorganisationen, die können auch nur das Alleallernotwendigste tun, und im Grunde stabilisieren sie das System und ermöglichen diese Zustände erst, auch wenn sie fürs erste Menschenleben retten. Die Leute wissen es, auch wenn sich viele von ihnen immer noch etwas vormachen. Gäbe es diese Hilfsorganisationen nämlich nicht, gäbe es dort sicher fürchterliche Revolutionen und die Welt sähe anders aus und man brauchte dort unsere Erste Hilfe nicht mehr.
Ich habe mir die Mühe gemacht und bin auf dein Gedicht trotz deiner Ausfälle ziemlich genau eingegangen und Richards Vorwurf, ich hätte deine Verse nicht verstanden, trifft meiner Ansicht nach ziemlich daneben. Eben, weil ich sie verstanden habe, kritisiere ich sie, so wird ein Schuh draus.
Hanna
Hanna