Genug mit den Eitelkeiten
... noch etwas zum Text:
1 eine sekunde nach der revolution
2 werde ich
3 nicht mehr
4 deine hand nehmen
5 dein haar streicheln
6 deinen atem küssen
7 wirst du mich vermissen
8 kind.
9 du mensch.
10 eine sekunde nach der revolution
11 werde ich
12 dich nicht mehr
13 innen berühren
14 eine sekunde nach der revolution
15 wirst du weinen
16 mit
17 messer gabel schere licht
18 spielen kleine kinder nicht
19 eine sekunde nach der revolution
20 wird das blut langsam braun
21 eine sekunde nach der revolution
22 bist du waise(r)
Ich habe mir nach Deiner Rückfrage einmal etwas zeit genommen für diesen anspruchsvollen Text.
Ich möchte eigentlich gar nicht darüber diskutieren, was er mir sagt, ob im Gesellschaftlichen oder im Privaten.
Ich möchte mehr meine Meinung zur Struktur und zur Technik sagen.
So habe ich das Gefühl, dass Du für den Text nicht unbedingt viel Zeit benötigt hast. Du hast hier und da etwas gefeilt, aber nicht mehr im Großen und Ganzen. Das ist auch gar nicht schlecht. Beneidenswert, wem es so zufliegt. Ich habe für mich die Erfahrung gemacht, das Gedichte reifen.
Oftmals lasse ich einen Text Wochen liegen. Manchmal habe ich dann genug Abstand, dass ich dann noch einmal daran arbeiten kann.
In Deinem Fall, Ingwer, haben wir es mit zwei lyrischen Personen zu tun (ich und du, also das „Kind“)
Dieses „du“ steht auch im Schlussvers und ist also der Punkt, zu dem Du willst.
In Deinem Text springst Du aber zwischen dem Ich und dem Du hin und her. Das zerpflückt mir meinen Eindruck etwas, weil die Linie nicht erhalten bleibt. Die Zeilen 1-6 und 10-13 kann ich mir gut in einem Zusammenhang vorstellen, wobei im zweiten Teil die Zeilen 7, 8 und 14-22 zusammen gehören könnten. Mit 16-18 habe ich für mich etwas Bauchschmerzen, weil eben anderweitig abgegriffen. Du spielst hier plötzlich mit Versmass und Reim, was im übrigen Text keine Rolle spielt.
Damit Du das aber erreichst, lässt Du das Wörtchen „mit“ allein für sich in einer Zeile liegen. Man denkt, Du möchtest ihm eine gewisse Bedeutung zukommen lassen, die es aber weder hat noch braucht.
Mir ging bei diesen Zeilen aber etwas anderes durch den Kopf:
Zum Einen, dass die Revolution (welche auch immer) ihre Kinder frisst, also dass der, der sie voranbringt und auslöst doch der Verlierer sein wird.
Zum Anderen; Nach der Revolution ist vor der Revolution:
Eine Sekunde nach der Revolution
mein Kind, wirfst Du
den ersten Stein.
Beste Grüße
Holger