Die Hausarbeit war ihr völlig verhasst. Der Geruch von Reinigungsmitteln, der Dreck in den Ecken, der Schmutz, der Staub, das Kratzen und Schrubben, diese Unruhe und Ungemütlichkeit und überhaupt einfach alles, was damit zu tun hatte. Wofür machte sie das eigentlich? Dazu war es jedes Mal das Gleiche. Sie kam sich vor wie ein Hamster im Rad, nur, dass das arme Tier wenigstens nicht merkte, dass es ein Rad war. Und im Hintergrund leierte die Waschmaschine ihr dumpfes Klagelied.
Weil es in der Wohnung viel zu sehr nach Sterilität und Gewohnheit roch – eine Mischung, die sie einfach nur widerlich fand –, öffnete sie das Fenster. Von draußen kam eine frische Luft herein. Vögel flogen frei umher und zwitscherten sich unbeschwert etwas zu.
Gerade als sie dabei war, den quietschenden Herd zu schrubben, nahm sie eine Melodie wahr. Einen kurzen Moment hielt sie inne und schaute auf. Ja, irgendwo da draußen spielte jemand Geige. Es klang wunderschön, wie aus einer anderen Welt.
Aber sie besann sich wieder auf die Arbeit und drückte den Schwamm kräftig gegen die Herdplatten. Dann jedoch trug der Wind diese schönen Klänge noch stärker zu ihr. Wer auch immer es spielte, verstand sein Handwerk und musste es mit viel Gefühl und Leidenschaft tun. Die Töne flatterten frei und fröhlich durch die Luft.
Angezogen von diesen Klängen legte sie den nassen Schwamm zur Seite und ging zum Fenster. Da sie im vierten Stock wohnte, konnte sie den Innenhof gut überschauen. Tatsächlich, dort stand ein Mann mit einer Geige und kämpfte mit seiner Musik gegen die graue Wohnblocktristesse an. Was sie hörte, ließ sie den Gestank, die Arbeit, den Alltag vergessen.
Die Melodie kam ihr bekannt vor, ganz sicher, aber sie hatte nach all den Jahren den Namen des Komponisten vergessen. Der lag tief begraben unter einer Schicht aus Langeweile und Wiederholung. Wie gefesselt stand sie einfach nur da und lauschte der Geige.
Sie schloss die Augen und folgte den Tönen. Die Klänge drangen immer tiefer in sie ein und brachten dort längst vergrabene Stimmungen wieder hervor, die in kräftigen Bahnen nach außen strömten und als Fontäne weit in die Luft schossen.
Bald hatte sie das Gefühl, in diesem warmen Meer der Melodie zu schwimmen und eins zu sein mit den Tönen. Sie ließ sich einfach treiben von dieser perfekten Komposition. Ja, das war wirklich große Kunst! Unbewusst schwang sie ihre Hand im Rhythmus, dann summte sie dazu und schließlich fing sie an zu tanzen.
Sie erinnerte sich an früher, als sie noch in einem Orchester spielte. Es war nur ein kleines, unbekanntes Orchester, aber das machte ihr nichts aus. Was sie wirklich liebte, das war das Besondere und Festliche an diesen Konzertabenden. Die hübsch gekleideten Menschen, die großen Werke der Künstler, die Musik und die Leidenschaft. Auch die Aufregung davor und natürlich am Ende der Applaus. Sie hatte es immer sehr genossen und war zu Hause nicht gleich ins Bett gegangen, sondern hatte den freudigen Abend noch lange ausgekostet.
Als sie mal wieder durch die Lande tingelten, bemerkte sie diesen großen schlanken Mann, der an jenem Abend in der vierten Reihe auf Platz 18 saß. Hatte er beim Applaus etwa ihr zugewinkt? Ein Treffen folgte, dann noch eins und dann war er immer dabei. Nun saßen sie nach den Konzerten zu zweit da und gaben sich der gemeinsamen Leidenschaft hin. Das waren glückliche Jahre. Einmal fing sie sogar noch mal an zu spielen, was die Nachbarn riesig aufregte. „Ja, wissen Sie denn etwa Schostakowitsch nicht zu schätzen?“, hatte er zu denen gesagt.
Die Waschmaschine setzte zum großen Finale an und riss sie aus den Träumen. Das Schleudern wurde lauter und fraß sich immer tiefer in die Melodie. Sie ärgerte sich und sehnte sich zurück nach diesen wunderbaren Sekunden. Sie versuchte, das Programm zu unterbrechen, was ihr misslang und schlug sogar gegen die Maschine. Aber der blecherne Störenfried war nicht ruhig zu kriegen und schließlich hatte sein Lärm die Melodie ganz verschluckt.
Als das Schleudern vorbei war, hörte sie keine Musik mehr. Sie sah aus dem Fenster. Der Mann war wirklich gegangen. Enttäuscht putzte sie ihren grauen Alltag weiter. Doch bald wich die Enttäuschung der Freude, es erlebt zu haben.
Die Wohnungstür ging auf und ihr Mann kam mit den Einkäufen zurück.
„Alles gut?“, fragte er. Sie erzählte von dem Musiker und sie beschlossen, wieder mal in ein Konzert zu gehen. Ein bisschen so wie früher.
Weil es in der Wohnung viel zu sehr nach Sterilität und Gewohnheit roch – eine Mischung, die sie einfach nur widerlich fand –, öffnete sie das Fenster. Von draußen kam eine frische Luft herein. Vögel flogen frei umher und zwitscherten sich unbeschwert etwas zu.
Gerade als sie dabei war, den quietschenden Herd zu schrubben, nahm sie eine Melodie wahr. Einen kurzen Moment hielt sie inne und schaute auf. Ja, irgendwo da draußen spielte jemand Geige. Es klang wunderschön, wie aus einer anderen Welt.
Aber sie besann sich wieder auf die Arbeit und drückte den Schwamm kräftig gegen die Herdplatten. Dann jedoch trug der Wind diese schönen Klänge noch stärker zu ihr. Wer auch immer es spielte, verstand sein Handwerk und musste es mit viel Gefühl und Leidenschaft tun. Die Töne flatterten frei und fröhlich durch die Luft.
Angezogen von diesen Klängen legte sie den nassen Schwamm zur Seite und ging zum Fenster. Da sie im vierten Stock wohnte, konnte sie den Innenhof gut überschauen. Tatsächlich, dort stand ein Mann mit einer Geige und kämpfte mit seiner Musik gegen die graue Wohnblocktristesse an. Was sie hörte, ließ sie den Gestank, die Arbeit, den Alltag vergessen.
Die Melodie kam ihr bekannt vor, ganz sicher, aber sie hatte nach all den Jahren den Namen des Komponisten vergessen. Der lag tief begraben unter einer Schicht aus Langeweile und Wiederholung. Wie gefesselt stand sie einfach nur da und lauschte der Geige.
Sie schloss die Augen und folgte den Tönen. Die Klänge drangen immer tiefer in sie ein und brachten dort längst vergrabene Stimmungen wieder hervor, die in kräftigen Bahnen nach außen strömten und als Fontäne weit in die Luft schossen.
Bald hatte sie das Gefühl, in diesem warmen Meer der Melodie zu schwimmen und eins zu sein mit den Tönen. Sie ließ sich einfach treiben von dieser perfekten Komposition. Ja, das war wirklich große Kunst! Unbewusst schwang sie ihre Hand im Rhythmus, dann summte sie dazu und schließlich fing sie an zu tanzen.
Sie erinnerte sich an früher, als sie noch in einem Orchester spielte. Es war nur ein kleines, unbekanntes Orchester, aber das machte ihr nichts aus. Was sie wirklich liebte, das war das Besondere und Festliche an diesen Konzertabenden. Die hübsch gekleideten Menschen, die großen Werke der Künstler, die Musik und die Leidenschaft. Auch die Aufregung davor und natürlich am Ende der Applaus. Sie hatte es immer sehr genossen und war zu Hause nicht gleich ins Bett gegangen, sondern hatte den freudigen Abend noch lange ausgekostet.
Als sie mal wieder durch die Lande tingelten, bemerkte sie diesen großen schlanken Mann, der an jenem Abend in der vierten Reihe auf Platz 18 saß. Hatte er beim Applaus etwa ihr zugewinkt? Ein Treffen folgte, dann noch eins und dann war er immer dabei. Nun saßen sie nach den Konzerten zu zweit da und gaben sich der gemeinsamen Leidenschaft hin. Das waren glückliche Jahre. Einmal fing sie sogar noch mal an zu spielen, was die Nachbarn riesig aufregte. „Ja, wissen Sie denn etwa Schostakowitsch nicht zu schätzen?“, hatte er zu denen gesagt.
Die Waschmaschine setzte zum großen Finale an und riss sie aus den Träumen. Das Schleudern wurde lauter und fraß sich immer tiefer in die Melodie. Sie ärgerte sich und sehnte sich zurück nach diesen wunderbaren Sekunden. Sie versuchte, das Programm zu unterbrechen, was ihr misslang und schlug sogar gegen die Maschine. Aber der blecherne Störenfried war nicht ruhig zu kriegen und schließlich hatte sein Lärm die Melodie ganz verschluckt.
Als das Schleudern vorbei war, hörte sie keine Musik mehr. Sie sah aus dem Fenster. Der Mann war wirklich gegangen. Enttäuscht putzte sie ihren grauen Alltag weiter. Doch bald wich die Enttäuschung der Freude, es erlebt zu haben.
Die Wohnungstür ging auf und ihr Mann kam mit den Einkäufen zurück.
„Alles gut?“, fragte er. Sie erzählte von dem Musiker und sie beschlossen, wieder mal in ein Konzert zu gehen. Ein bisschen so wie früher.