Ihr wisst, was ein Webstuhl ist und habt schon einen in Echt gesehen? Viele Leute glauben ja, das wäre dieses hölzerne Ding, mit dem man Kinder im Handarbeitsunterricht quält und das dann am Dachboden in einer rotgelben Schachtel vor sich hinstaubt, zusammen mit etwas Wollenem, Unfertigem, Hässlichem, mit dem auf der ganzen Welt noch kein Mensch je etwas anfangen konnte, dafür aber die Motten.
Das, was ich da gerade beschrieb, ist jedoch kein Webstuhl, Irrtum, sondern ein primitiver Webrahmen, der keinen Menschen interessiert, aber davon ist im Folgenden auch gar nicht die Rede.
Ein Webstuhl ist ein durchdachtes, raumfüllendes Teil, ein Möbelstück, obwohl es gar keinen Stuhl mit Lehne und so gibt, im besten Fall einen Hocker, und selbst wenn der fehlt, bleibt es ein Webstuhl. Bei einem Beichtstuhl trifft der Name ja schon eher zu, obwohl da einer von zweien immer kniet, was beim Webstuhl wiederum nicht notwendig ist.
Ich liebe meinen Webstuhl mit seiner wuchtigen Erscheinung und seinen dicken Balken. Die meisten dieser Balken sind ja vierkantig, mindestens zwei aber sind rund und heißen auch nicht Balken sondern Baum, aber das kommt später. Ausserdem gibt es viele Stäbe, die frei zwischen den Balken schweben und paarweise übereinander und insgesamt hintereinander hängend nicht mehr Stäbe heißen sondern Schäfte. Dazu genügt es aber nicht, dass sich je zwei von den besagten Stäben einfach zusammentun und einer oben - einer unten spielen, nein weit gefehlt. Hier muß der Mensch eingreifen und die Verbindung mit Litzen herstellen, wieder ein neues Wort. Man muß sich das so vorstellen: hundert oder von mir aus tausend Salami hängen in einer Metzgerei zum Trocknen an einer langen Stange und weil wir es mit einem sorgfältigen Metzger zu tun haben, er hätte genauso gut auch Weber werden können, hat er nicht nur an einem sondern an beiden Enden der Salami eine Schlaufe gebunden. So kann er auch unten quer durch alle eine lange Stange stecken, sicher ist sicher. Wollten die Salamis sich bewegen, könnten sie es nur mehr alle gemeinsam tun oder keine, einzeln baumeln wäre passé. Genau so ist das mit den Litzen auf den Schäften, aber ein wesentliches Detail, außer dass sie natürlich viel, viel dünner als Salamis sind, ist anders. Litzen haben im Gegensatz zu Salamis ein Loch in der Mitte, sowas wie einen Bauchschuss, aber das ist Absicht. Durch dieses Loch laufen die Längsfäden, pro Salami – äh Litze – einer, von vorne nach hinten. So ein Längsfaden, von denen es übrigens mehr als tausend nebeneinander braucht, ist endlos lang, genau so lang nämlich, wie dann die Stoffbahn sein soll, die der Weber weben möchte und sie heißen – wie könnte es anders sein – nicht Längsfaden sondern Kette. Warum, weiß ich bis heute nicht. Fragt mich jetzt nicht, wie ich es schaffe, die alle so hübsch nebeneinander durch die Bauchschüsse zu ziehen, ohne einen fürchterlichen Knoten, der niemals mehr im Leben aufgeht, in das Kettfadenbündel zu bekommen, ihr wollt das gar nicht wissen. Eins kann ich euch versichern, wenn ich die Kette einfädle, sorge ich dafür, dass ich allein bin, sonst gibt’s Tote.
Und jetzt kommen endlich die Bäume ins Spiel, die ich oben schon erwähnt habe. Die Kette will ja nicht eingefädelt sein, um dann mit ihren tausend losen Enden wie eine Trauerweide auf den Boden zu hängen, nein, sie will gespannt sein, aufgebäumt, wenn ihr es genau wissen wollt und das ist so eine Sache, wo man dann doch besser wieder zu zweit ist. Der zweite, von dem hier die Rede ist, hat auch wieder einen eigenen Namen. Ganz egal wie er wirklich heißt, er – es darf auch eine sie sein - ist der Bäumknecht. Der muß schlau sein und darauf achten, dass er den Raum mit dem Webstuhl am besten erst betritt, wenn das Einfädeln vorbei und das Gefluche abgeklungen ist, tote Bäumknechte sind schwer zu ersetzen.
Wie das mit dem Aufbäumen genau geht, will ich euch ersparen, es dauert Stunden, nur so viel: zum Schluss ist die Kette in ihrer ganzen Länge auf dem hinteren Baum aufgewickelt, ein Faden fein säuberlich neben dem anderen, dafür sorgt das Fadenkreuz und das wiederum ist eine der intellgentesten Erfindungen, die mir je untergekommen ist. Wenn jetzt einer an das Fadenkreuz im Visier eines Gewehrs denkt, liegt er falsch. Das heißt zwar auch Fadenkreuz, aber zu unrecht, denn da kreuzen sich keine Fäden, sondern bloß Striche. Aber so ganz abwegig ist das mit dem Gewehr auch wieder nicht, denn quer zur Kette „schießt“ der Weber dann später einen Faden und der heißt – omen est nomen – Schussfaden, aber ich greife vor. Was ein Fadenkreuz für einen Weber ist, weißt du, wenn du einen Pfahl von beiden Seiten mit den Händen umfasst und deine gestreckten Finger hinter dem Pfahl kreuzt und dir dann noch vorstellst, es wären tausend Finger und nicht bloß acht, die Daumen darfst du hier nicht mitrechnen, die sind zu kurz zum Kreuzen. Genauso machst du es mit den tausend Fäden, die am Anfang noch gar keine tausend sind sondern nur ein einziger, viele Kilometer langer, tausendmal zwischen Pfählen hin und her gekreuzter, der erst jetzt mit einer Schere am Pfahl entlang in Stücke geschnitten wird, aber um Gottes Willen nicht dort wo bei dem Beispiel mit den acht Fingern deine Handgelenke sind, sonst ist das Fadenkreuz beim Teufel. Und das ist überhaupt das erste, was passiert, bevor du in die Nähe des Webstuhls gehst, du „scherst“ die Kette. Wenn ihr jetzt meint, aha, das heißt scheren wegen der Schere, mit der man die Fäden auseinanderschneidet, dann irrt ihr euch gewaltig, es bezieht sich auf das Fadenkreuz, das aussieht wie viele, viele offene Scheren hintereinander, seht ihr, wieder was gelernt.
Wir kehren zurück zum Webstuhl: es ist aufgebäumt, in der Mitte des Webstuhls ist die Kette durch alle Litzen gefädelt und davor dann noch durch den Kamm, den hätte ich fast vergessen. Das ist jener Teil, der wirklich wie ein Kamm aussieht, allerdings mit zusammengebissenen Zähnen, geschlossenen Kiefern sozusagen, und der später die Breite deines Gewebes garantiert, nicht so wie beim Schulwebrahmen aus dem ersten Absatz, wo das Gewebe nach zehn Zentimetern nur mehr halb so breit ist wie am Anfang, ein echter Motivationskiller. Schließlich werden die vorderen Enden der Kette noch an den vorderen Baum, der zur Abwechslung Warenbaum heißt, gebunden und los geht’s mit dem Schießen. Nach und nach wird das entstehende Gewebe am Warenbaum aufgewickelt, was sich je nach Fleiß des Webers über Monate hinziehen kann, während hinten am Kettbaum natürlich abgewickelt wird, die Bäume lassen sich nämlich drehen, raffiniert, gelt? Und wehe, du hast zuvor auf dem langen Weg der Kette durch alle Stationen des Webstuhls zwei Fäden vertauscht, das merkst du nämlich erst jetzt, dann holt dich beim Weben der Teufel oder du landest in der Psychiatrie.
Was, während der Weber den Schussfaden hin- und hersausen lässt, mit den Schäften und ihren Litzen geschieht, ist unbeschreiblich und es muß euch genügen, dass sie sich auf und ab bewegen und für das Muster sorgen und dass der Weber dabei seine Füße im Spiel hat wie ein Organist in der Kirche. Wer von euch mir bis hierher folgen konnte und sich immer noch auskennt und weiß, wovon ich rede, ist sowieso entweder ein Genie an Vorstellungskraft oder Weber, in beiden Fällen Hut ab bzw. „chapeau“, falls einer davon Franzose ist.
Wie dann Weben im Detail vonstatten geht, mit dem Hin und Her des Schiffchens, das der Weber im Gegensatz zu einem Jäger oder Scharfschützen zum Schießen benutzt, dem Vor und Zurück des Kamms, dem Auf und Ab der Schäfte und der Tritte - letztere werden, ich vergaß es zu erwähnen, auf höchst diffizile Weise an vorletztere gebunden, was nicht ohne erhebliche Kreuzschmerzen zu bewerkstelligen ist, denn du mußt dazu im Webstuhl herumkriechen, ohne dass du dich mit den Händen abstützen darfst, die brauchst du ja zum Anbinden - das seht euch am besten, wen’s interessiert, auf youtube an. Ich für meinen Teil fahre jetzt jedenfalls meine Laptop runter und geh weben, scheren, fädeln, schießen oder meine Katze töten, die die ganze Zeit, während ich hier schrieb, im Webzimmer war und in diesem Moment an mir vorbei flitzt, verfolgt von einem gigantischen Knäuel aus Litzen und Fäden. Sucht euch was aus.
Das, was ich da gerade beschrieb, ist jedoch kein Webstuhl, Irrtum, sondern ein primitiver Webrahmen, der keinen Menschen interessiert, aber davon ist im Folgenden auch gar nicht die Rede.
Ein Webstuhl ist ein durchdachtes, raumfüllendes Teil, ein Möbelstück, obwohl es gar keinen Stuhl mit Lehne und so gibt, im besten Fall einen Hocker, und selbst wenn der fehlt, bleibt es ein Webstuhl. Bei einem Beichtstuhl trifft der Name ja schon eher zu, obwohl da einer von zweien immer kniet, was beim Webstuhl wiederum nicht notwendig ist.
Ich liebe meinen Webstuhl mit seiner wuchtigen Erscheinung und seinen dicken Balken. Die meisten dieser Balken sind ja vierkantig, mindestens zwei aber sind rund und heißen auch nicht Balken sondern Baum, aber das kommt später. Ausserdem gibt es viele Stäbe, die frei zwischen den Balken schweben und paarweise übereinander und insgesamt hintereinander hängend nicht mehr Stäbe heißen sondern Schäfte. Dazu genügt es aber nicht, dass sich je zwei von den besagten Stäben einfach zusammentun und einer oben - einer unten spielen, nein weit gefehlt. Hier muß der Mensch eingreifen und die Verbindung mit Litzen herstellen, wieder ein neues Wort. Man muß sich das so vorstellen: hundert oder von mir aus tausend Salami hängen in einer Metzgerei zum Trocknen an einer langen Stange und weil wir es mit einem sorgfältigen Metzger zu tun haben, er hätte genauso gut auch Weber werden können, hat er nicht nur an einem sondern an beiden Enden der Salami eine Schlaufe gebunden. So kann er auch unten quer durch alle eine lange Stange stecken, sicher ist sicher. Wollten die Salamis sich bewegen, könnten sie es nur mehr alle gemeinsam tun oder keine, einzeln baumeln wäre passé. Genau so ist das mit den Litzen auf den Schäften, aber ein wesentliches Detail, außer dass sie natürlich viel, viel dünner als Salamis sind, ist anders. Litzen haben im Gegensatz zu Salamis ein Loch in der Mitte, sowas wie einen Bauchschuss, aber das ist Absicht. Durch dieses Loch laufen die Längsfäden, pro Salami – äh Litze – einer, von vorne nach hinten. So ein Längsfaden, von denen es übrigens mehr als tausend nebeneinander braucht, ist endlos lang, genau so lang nämlich, wie dann die Stoffbahn sein soll, die der Weber weben möchte und sie heißen – wie könnte es anders sein – nicht Längsfaden sondern Kette. Warum, weiß ich bis heute nicht. Fragt mich jetzt nicht, wie ich es schaffe, die alle so hübsch nebeneinander durch die Bauchschüsse zu ziehen, ohne einen fürchterlichen Knoten, der niemals mehr im Leben aufgeht, in das Kettfadenbündel zu bekommen, ihr wollt das gar nicht wissen. Eins kann ich euch versichern, wenn ich die Kette einfädle, sorge ich dafür, dass ich allein bin, sonst gibt’s Tote.
Und jetzt kommen endlich die Bäume ins Spiel, die ich oben schon erwähnt habe. Die Kette will ja nicht eingefädelt sein, um dann mit ihren tausend losen Enden wie eine Trauerweide auf den Boden zu hängen, nein, sie will gespannt sein, aufgebäumt, wenn ihr es genau wissen wollt und das ist so eine Sache, wo man dann doch besser wieder zu zweit ist. Der zweite, von dem hier die Rede ist, hat auch wieder einen eigenen Namen. Ganz egal wie er wirklich heißt, er – es darf auch eine sie sein - ist der Bäumknecht. Der muß schlau sein und darauf achten, dass er den Raum mit dem Webstuhl am besten erst betritt, wenn das Einfädeln vorbei und das Gefluche abgeklungen ist, tote Bäumknechte sind schwer zu ersetzen.
Wie das mit dem Aufbäumen genau geht, will ich euch ersparen, es dauert Stunden, nur so viel: zum Schluss ist die Kette in ihrer ganzen Länge auf dem hinteren Baum aufgewickelt, ein Faden fein säuberlich neben dem anderen, dafür sorgt das Fadenkreuz und das wiederum ist eine der intellgentesten Erfindungen, die mir je untergekommen ist. Wenn jetzt einer an das Fadenkreuz im Visier eines Gewehrs denkt, liegt er falsch. Das heißt zwar auch Fadenkreuz, aber zu unrecht, denn da kreuzen sich keine Fäden, sondern bloß Striche. Aber so ganz abwegig ist das mit dem Gewehr auch wieder nicht, denn quer zur Kette „schießt“ der Weber dann später einen Faden und der heißt – omen est nomen – Schussfaden, aber ich greife vor. Was ein Fadenkreuz für einen Weber ist, weißt du, wenn du einen Pfahl von beiden Seiten mit den Händen umfasst und deine gestreckten Finger hinter dem Pfahl kreuzt und dir dann noch vorstellst, es wären tausend Finger und nicht bloß acht, die Daumen darfst du hier nicht mitrechnen, die sind zu kurz zum Kreuzen. Genauso machst du es mit den tausend Fäden, die am Anfang noch gar keine tausend sind sondern nur ein einziger, viele Kilometer langer, tausendmal zwischen Pfählen hin und her gekreuzter, der erst jetzt mit einer Schere am Pfahl entlang in Stücke geschnitten wird, aber um Gottes Willen nicht dort wo bei dem Beispiel mit den acht Fingern deine Handgelenke sind, sonst ist das Fadenkreuz beim Teufel. Und das ist überhaupt das erste, was passiert, bevor du in die Nähe des Webstuhls gehst, du „scherst“ die Kette. Wenn ihr jetzt meint, aha, das heißt scheren wegen der Schere, mit der man die Fäden auseinanderschneidet, dann irrt ihr euch gewaltig, es bezieht sich auf das Fadenkreuz, das aussieht wie viele, viele offene Scheren hintereinander, seht ihr, wieder was gelernt.
Wir kehren zurück zum Webstuhl: es ist aufgebäumt, in der Mitte des Webstuhls ist die Kette durch alle Litzen gefädelt und davor dann noch durch den Kamm, den hätte ich fast vergessen. Das ist jener Teil, der wirklich wie ein Kamm aussieht, allerdings mit zusammengebissenen Zähnen, geschlossenen Kiefern sozusagen, und der später die Breite deines Gewebes garantiert, nicht so wie beim Schulwebrahmen aus dem ersten Absatz, wo das Gewebe nach zehn Zentimetern nur mehr halb so breit ist wie am Anfang, ein echter Motivationskiller. Schließlich werden die vorderen Enden der Kette noch an den vorderen Baum, der zur Abwechslung Warenbaum heißt, gebunden und los geht’s mit dem Schießen. Nach und nach wird das entstehende Gewebe am Warenbaum aufgewickelt, was sich je nach Fleiß des Webers über Monate hinziehen kann, während hinten am Kettbaum natürlich abgewickelt wird, die Bäume lassen sich nämlich drehen, raffiniert, gelt? Und wehe, du hast zuvor auf dem langen Weg der Kette durch alle Stationen des Webstuhls zwei Fäden vertauscht, das merkst du nämlich erst jetzt, dann holt dich beim Weben der Teufel oder du landest in der Psychiatrie.
Was, während der Weber den Schussfaden hin- und hersausen lässt, mit den Schäften und ihren Litzen geschieht, ist unbeschreiblich und es muß euch genügen, dass sie sich auf und ab bewegen und für das Muster sorgen und dass der Weber dabei seine Füße im Spiel hat wie ein Organist in der Kirche. Wer von euch mir bis hierher folgen konnte und sich immer noch auskennt und weiß, wovon ich rede, ist sowieso entweder ein Genie an Vorstellungskraft oder Weber, in beiden Fällen Hut ab bzw. „chapeau“, falls einer davon Franzose ist.
Wie dann Weben im Detail vonstatten geht, mit dem Hin und Her des Schiffchens, das der Weber im Gegensatz zu einem Jäger oder Scharfschützen zum Schießen benutzt, dem Vor und Zurück des Kamms, dem Auf und Ab der Schäfte und der Tritte - letztere werden, ich vergaß es zu erwähnen, auf höchst diffizile Weise an vorletztere gebunden, was nicht ohne erhebliche Kreuzschmerzen zu bewerkstelligen ist, denn du mußt dazu im Webstuhl herumkriechen, ohne dass du dich mit den Händen abstützen darfst, die brauchst du ja zum Anbinden - das seht euch am besten, wen’s interessiert, auf youtube an. Ich für meinen Teil fahre jetzt jedenfalls meine Laptop runter und geh weben, scheren, fädeln, schießen oder meine Katze töten, die die ganze Zeit, während ich hier schrieb, im Webzimmer war und in diesem Moment an mir vorbei flitzt, verfolgt von einem gigantischen Knäuel aus Litzen und Fäden. Sucht euch was aus.