Einmal

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sekers

Mitglied
Prolog

Einmal kam ein Baby auf die Welt. Es verhielt sich ganz ruhig und schrie nicht wie andere Kinder nach der Geburt. Dafür war es umso gescheiter. Noch im Kreissaal hatte es eine erste Integralrechnung - korrekt, versteht sich - gelöst. Es verstand einfach alles. Nur nicht, warum der Kreissaal gar so viele Ecken hatte. Da wurde es ganz böse und hub an zu schreien. "Na seht ihr", sagte die Hebamme, "das Kind ist doch ganz normal."

Monolog

Einmal gab ein Junge einem Mädchen einen Kuss. "Muss das sein?", fragte das Mädchen. Und es fuhr fort: "Ich hab doch eh schon so viele. Zu viele eigentlich, ich kann sie gar nicht alle aufheben." Und es warf den Kuss auf den Boden. Da musste der Junge lachen, denn er hatte ihn eh nicht ernst gemeint.

"Einmal ist Kain Mal", sagte Abel, und erschlug sich mit Kains Prügel. Kains Unschuldsbeteuerungen wurden ihm jedoch von niemandem abgenommen.

Einmal ging ich zum Schuster und wollte ihm meine Schuhe zum Richten geben. "Was gibt’s denn für einen Streit?", fragte er.

Einmal fingen die Beine und die Platte eines Tischs an zu streiten. Die Beine moserten, wie wichtig sie doch wären, müssten sie doch das Gewicht der Platte noch zusätzlich zu dem, was auf den Tisch gestellt wurde, auf sich nehmen. Und trotzdem würden sich die Leute, wenn sie sie denn wahr nähmen, nur immer beschweren, weil sie sich ihre eigenen Beine anhauten. Und die Platte würde immer geputzt, und manchmal sogar mit einer Tischdecke beschützt, aber gab es Tischbeindecken? Das ständige Stänkern machte die Platte wütend, und sie machte sich ganz schwer. Die Beine ächzten, aber die Platte war unerbittlich. Schließlich knickten die Beine ein. Euch mach ich platt, meinte die Platte, als sie nach langer Zeit wieder festen Boden unter sich verspürte.

Einmal bog der Zug bei einem unbeschrankten Bahnübergang von den Schienen ab, hinaus auf die Landstraße. "Warum soll ich mich eigentlich auf der Straße halten", fragte er sich nach kurzer Zeit, "jetzt treibe ich es ganz wild." Und er fuhr quer durch die Felder, schlug seine Spuren in Gemüsegärten und Hauswiesen. "Irgendwie", schnaufte er, "ist es auf den Schienen doch ein bisschen gemütlicher." Aber da hatte er schon keine Kohlen mehr.

"Einmal, nur einmal", bettelte der Liebhaber. "Ich befriedige Dich doch die ganze Zeit schon. Warum darf ich nicht zum Höhepunkt kommen?" "Wenn Du wirklich darauf bestehst", sagte die Spinne und biss ihm den Kopf ab.

Einmal hob die Zeitung den Boden auf. "Bist ja ein Mordsstemmer", meinte dieser. Als sie aber dann dem Schäferhund, der sie seinem Herrchen bringen wollte, noch einen Zahn zog, war das Maß voll. Sie wurde zwar noch gelesen, aber gleich darauf weggeworfen.

Einmal krachte es ordentlich, dann war Stille. Eine Schildkröte hob huldvoll den Kopf, während die zwei Giraffen ihren nur ungläubig schüttelten. Die Salamander zogen ihn, quasi statt des Schwanzes, ein. Der Löwe wiegte ihn in einer Bewegungsabfolge wie man sie eigentlich nur von der Bezaubernden Jeannie kennt. Nur der Bayer blieb unbeeindruckt. "Wird’s wo eingschlagn haben", meinte er, und hob nicht einmal den Blick von der Zeitung.

Einmal gab ein Sitz seinem Besitzer einen Stoß in den Hintern. "Bist Du wahnsinnig?", fragte dieser. "Nein, aber Du", antwortete der Sitz. "Wer glaubt Dir schon, dass Du von mir eine Tachtel bekommen hast."

Einmal werden die Leute verstehen, dass sie sich zerreißen, wenn sie fernsehen, und Chips essen. Die Chips und das Fernsehen halten sie vielleicht auf dem Platz, aber gleichzeitig sind ganz weit weg von sich.

Einmal möchte ich in den Himmel fliegen, mit einer Rakete. Die müsste ganz leise sein, denn ich will die Sterne singen hören, und den Monde mit der Erde tratschen. Außerdem müsste eine Bäckerei an Bord sein, weil ich nicht auf mein Kipferl zum Frühstück verzichten möchte. Und Platz für einen Piloten muss es auch noch geben. Für den Fall, dass ich mich verfliege.


Epilog

Einmal tat mir der Hals weh. Da entschied ich mich, lieb zu ihm zu sein. Ich streichelte ihn, liebkoste ihn, gurgelte mit Salbeitee. Und dann drückte ich ihn ganz, ganz fest. Leider bekam ich Probleme mit der Luft und verstarb eines grässlichen Todes.
 

wirena

Mitglied
Hallo sekers

...da servierst Du ja ein Wechselbad der Gefühle! von Lachen zu uujnei bis jeächters habe ich alles durchlebt - und der Schluss, so schön wurde alles aufgefangen, liebkost bis eben... wieder - aberau
- grandios - trotzallem oder trotzdem :) Danke -

lg wirena
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo

" Einmal ist Kain Mal" ...
vortreffliche idee hiuer mit versatzstücken und
wiederkehrenden mustern zu arbeiten.

ein fraktales stück, das wie durch ein kaleidoskop
den blick auf den menschen und seine einmaligkeiten
erhellt.

hat mir gut gefallen

ralf
 

sekers

Mitglied
Danke wirena, Danke Ralf Langer,

für Eure Kommentare.

verstehe den Text jetzt ein bisschen mehr.

und wie er wirkt.

Liebe Grüße

G.
 

Ofterdingen

Mitglied
Einige hübsche Mini-Szenen mit trocken-überraschendem Schluss. Mir gefallen jedoch nicht alle gleich gut. Gleich die erste hat zwar etwas, funktioniert aber nur, wenn der Leser ein Rechtschreibproblem hat, natürlich dasselbe wie das superintelligente Baby: Der Krei[blue]ß[/blue]saal hat mit dem Kreis nichts zu tun, sondern mit [blue]kreißen[/blue], "in Geburtswehen liegen".

>>"Einmal ist Kain Mal", sagte Abel, und erschlug sich mit Kains Prügel. Kains Unschuldsbeteuerungen wurden ihm jedoch von niemandem abgenommen.<<
Anders als Ralf finde ich den Gag hier nicht genial, sondern eher asthmatisch: Er kommt allzu bemüht daher.

>>Einmal hob die Zeitung den Boden auf. "Bist ja ein Mordsstemmer", meinte dieser. Als sie aber dann dem Schäferhund, der sie seinem Herrchen bringen wollte, noch einen Zahn zog, war das Maß voll. Sie wurde zwar noch gelesen, aber gleich darauf weggeworfen.<<
Dies hat mich leider auch nicht gerade begeistert.

>>Einmal werden die Leute verstehen, dass sie sich zerreißen, wenn sie fernsehen, und Chips essen. Die Chips und das Fernsehen halten sie vielleicht auf dem Platz, aber gleichzeitig sind ganz weit weg von sich.<<
Dies ist zu sehr Sonntagspredigt, könnte VIEL flockiger daherkommen.

>>Einmal tat mir der Hals weh. Da entschied ich mich, lieb zu ihm zu sein. Ich streichelte ihn, liebkoste ihn, gurgelte mit Salbeitee. Und dann drückte ich ihn ganz, ganz fest. Leider bekam ich Probleme mit der Luft und verstarb eines grässlichen Todes.<<
Dies könntest du vermutlich auch besser, oder?

Sonst aber war ich ganz angetan. Du hast Phantasie.

Gruß,
Ofterdingen
 

sekers

Mitglied
Danke Mäuschen und Ofterdingen für die assoziativen Kommentare.

Hallo Mauserl,

einmal kam ein Mäuschen in den Keller. es war auf der Suche nach einem Stück Käse (, denn es war eine Stadtmäuschen, als Feldebensolchiges hätte es nach Roggen oder Weizen, als bayrische Ebenebensolchiges wahrscheinlich nach Hopfen und Malz Ausschau gehalten).

da sah es vor sich eine Mausefalle und, sich umdrehend, einen Kater auftauchen.

was den Hunger betraf hätte es es locker mit ihm aufnehmen können.

sonst eher nicht.

verzweifelt war da das Mäuschen.

doch da kam sekems herbei, und sagte: hey Kater, lass Mäuschen in Ruhe, die ist eine ganz Liebe.

und der Kater schlich sich von dannen.

und wir wollen hoffen, inständig, dass es nicht in die Falle tappte.


Hallo Ofterdingen,

Deine Kritik ist berechtigt, und natürlich hat nicht der Leser ein Rechtschreibproblem, sondern der Schreiber.
q.e.d.

ich muss Dir auch in Deinen anderen Kommentaren größtenteils mehr recht geben, als mir lieb ist. und arbeite an einer Umarbeitung. aber habe da so meine Probleme.

Dein Satz "Dies könntest du vermutlich auch besser, oder?" beweist, dass jedenfalls Du (oder: Du jedenfalls) über jede Menge Phantasie verfügst.

Liebe Grüße

G.
 

Mäuschen

Mitglied
Hopfen und Malz... hahaha, ich krieg mich nicht mehr ein :D

Liab von dir, mich so lange zu erwähnen *gg*

PS: Das vegetarische Mauserl ist froh, dass es nicht von Speck angelockt wurde ;-)
 



 
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