Mößner Bernhard
Mitglied
Elsternkrieg und Rechtsdrall
"Junge", sagte mein Großvater oft zu mir, "Land ist das einzige, was ewig bleibt". Damals habe ich ihn oft besucht. Er hatte ein paar kleine Äcker hinter dem Dorf und pflanzte darauf seine Kartoffeln und sein Gemüse selbst an. Lange glaubte ich sogar, dass er den Knaster, den er immer in seine klobige Pfeife stopfte, auch selber anbaute und erntete. Am Morgen kletterte er auf seinen uralten Lanz-Bulldog, um seinen Feldern wieder einen "guten Tag" zu wünschen. "Die Pflanzen wollen ihren Bauern täglich sehen", behauptete er steif und fest, auch wenn manche ihn dafür einen Narren hießen! Später wurden meine Besuche bei ihm seltener. Ich ging zur Schule, wuchs, wie alle Buben, aus den Knabenhosen heraus, lernte später meinen Beruf und heiratete früh und setzte zwei Kinder in die Welt. Eines Tages war der Großvater tot und hinterließ uns ein kleines Stück Land. Ich schwärmte meiner Frau vor: "Ich werde uns eine Hütte bauen und wir werden unsere Wochenenden dort zubringen". "Man darf nicht einfach Hütten bauen, wohin man will", sagte meine praktisch veranlagte Frau, "dazu braucht man eine Genehmigung". Sie schlug mir vor, dort Kartoffeln anzubauen. Gegen den Kartoffelanbau auf unserem Acker hat keine Behörde etwas einzuwenden. Ich ging zu "Aldi" und kaufte fünf Kilogramm Kartoffeln. "Wie muss man sie setzen?"
So fragte ich einen Bauern. Der Ackerboden müsse tief gelockert werden und frei sein von Unkraut, erfuhr ich von ihm. Dies erklärte ich meiner Frau, aber sie meinte, wenn ich ein paar Tage auf meinen abendlichen Stammtisch verzichte und mich dem Acker widme, wäre das auch ohne ihre Mithilfe zu schaffen. Sie hatte, wie fast immer, wieder einmal Recht! Nach einer Woche hatte ich es geschafft. Als ich nach gut zwei Monaten nach meinen Kartoffeln sehen wollte, hatte ich ein Problem: Ich konnte die Kartoffelpflanzen im Gras nicht finden und musste meinen Bauern wieder um Rat fragen. Er meinte gönnerhaft: "Hacken sie einfach alles ab und was danach wieder ausschlägt, das ist das Unkraut". Ich bedankte mich und ging nach Hause. Im Spätjahr verpflichtete ich meine ganze Familie zur Mithilfe bei unserer Kartoffelernte: "Ich werde die Knollen mit der Hacke aus dem Boden herausholen und ihr nehmt sie vom Boden auf und sortiert sie in große und kleine Exemplare", so ordnete ich an. Zwei neue Körbe hatte ich dafür gekauft und einige Säcke. Dazu einen Anhänger mit Auflaufbremse an unser Auto. Früh am Morgen fuhren wir los. Unseren Acker fanden wir leicht. Am Unkraut! Dieses stand inzwischen nicht mehr so hoch, sondern lag mehr auf dem Boden. Zudem hatte es sich herbstlich braun verfärbt. "Du hättest das Zeug abmähen müssen", meinte meine praktisch veranlagte Gattin. Auf dem Nachbargrundstück stand Mais. Ohne Unkraut, wie meine Gattin feststellte. Dazwischen befindet sich ein tiefer Wassergraben. Von dort her hörten wir fast pausenlos ein wütendes Vogel-Gekreisch: "Das sind Stare, die sitzen im Maisfeld und suchen heruntergefallene Körner und schädliche Insekten", erklärte ich meiner Familie. Die Kinder bewunderten mich ob meiner botanischen Kenntnisse. Auch im Boden unseres Ackers konnten sie reichlich botanische Erkenntnisse sammeln: Wir fanden selten eine Kartoffel, dafür aber jede Menge fetter Engerlinge und Regenwürmer. Der Boden unter dem Unkrautteppich war relativ locker. Die Wühlmäuse hatten ganze Arbeit geleistet! Es war schon Mittag und wir hatten kaum fünf Pfund winzig kleine Kartoffeln in den Körben aufgesammelt. Das Vogelgekreisch wurde immer heiserer und wütender. "Das sind keine Stare", behauptete meine Frau, womit sie wieder einmal Recht hatte. Meine Kinder riefen mich zum Wassergraben. Was wir sahen, ließ uns verstummen. Selbst meine Gattin war sprachlos! Zwei Elstern hingen im hohen, jetzt im Spätherbst schon halb dürren Gras, die eine davon mit dem Kopf nach unten. Beide müssen heftig gestritten haben. Und beide bewiesen einen deutlichen "Rechtsdrall". Wie die sichtbaren Kampfspuren zeigten, waren sie immer rechts herum um sich selbst geflattert, verwickelten sich dabei mit ihren gespornten Beinen im Gras und hingen nun nebeneinander, allerdings nicht einträchtig, sondern eifrig bemüht, immer nocht rechts herum, ihren Kampf fortzusetzen. Die eine, die mit dem Kopf nach unten, hätte den Kampf zweifellos bald verloren, wie die ausgerupften Federn und die Wunden an ihrem fast nackten Bauch bewiesen. Dessen ungeachtet musste ich mir erst Handschuhe anziehen, um beide aus ihrer misslichen Lage befreien zu können. Auch mit gefesselten Beinen weiß sich eine Elster zu wehren, wenn sie sich in Gefahr glaubt.
"Wenn doch alle, die mit einem Rechtsdrall herumlaufen, hier hängen würden"! So der knappe Kommentar meiner praktisch veranlagten Frau, der ich diesmal aus vollem Herzen beipflichtete. Mit der Rettung würde ich mir dann etwas mehr Zeit lassen!
"Junge", sagte mein Großvater oft zu mir, "Land ist das einzige, was ewig bleibt". Damals habe ich ihn oft besucht. Er hatte ein paar kleine Äcker hinter dem Dorf und pflanzte darauf seine Kartoffeln und sein Gemüse selbst an. Lange glaubte ich sogar, dass er den Knaster, den er immer in seine klobige Pfeife stopfte, auch selber anbaute und erntete. Am Morgen kletterte er auf seinen uralten Lanz-Bulldog, um seinen Feldern wieder einen "guten Tag" zu wünschen. "Die Pflanzen wollen ihren Bauern täglich sehen", behauptete er steif und fest, auch wenn manche ihn dafür einen Narren hießen! Später wurden meine Besuche bei ihm seltener. Ich ging zur Schule, wuchs, wie alle Buben, aus den Knabenhosen heraus, lernte später meinen Beruf und heiratete früh und setzte zwei Kinder in die Welt. Eines Tages war der Großvater tot und hinterließ uns ein kleines Stück Land. Ich schwärmte meiner Frau vor: "Ich werde uns eine Hütte bauen und wir werden unsere Wochenenden dort zubringen". "Man darf nicht einfach Hütten bauen, wohin man will", sagte meine praktisch veranlagte Frau, "dazu braucht man eine Genehmigung". Sie schlug mir vor, dort Kartoffeln anzubauen. Gegen den Kartoffelanbau auf unserem Acker hat keine Behörde etwas einzuwenden. Ich ging zu "Aldi" und kaufte fünf Kilogramm Kartoffeln. "Wie muss man sie setzen?"
So fragte ich einen Bauern. Der Ackerboden müsse tief gelockert werden und frei sein von Unkraut, erfuhr ich von ihm. Dies erklärte ich meiner Frau, aber sie meinte, wenn ich ein paar Tage auf meinen abendlichen Stammtisch verzichte und mich dem Acker widme, wäre das auch ohne ihre Mithilfe zu schaffen. Sie hatte, wie fast immer, wieder einmal Recht! Nach einer Woche hatte ich es geschafft. Als ich nach gut zwei Monaten nach meinen Kartoffeln sehen wollte, hatte ich ein Problem: Ich konnte die Kartoffelpflanzen im Gras nicht finden und musste meinen Bauern wieder um Rat fragen. Er meinte gönnerhaft: "Hacken sie einfach alles ab und was danach wieder ausschlägt, das ist das Unkraut". Ich bedankte mich und ging nach Hause. Im Spätjahr verpflichtete ich meine ganze Familie zur Mithilfe bei unserer Kartoffelernte: "Ich werde die Knollen mit der Hacke aus dem Boden herausholen und ihr nehmt sie vom Boden auf und sortiert sie in große und kleine Exemplare", so ordnete ich an. Zwei neue Körbe hatte ich dafür gekauft und einige Säcke. Dazu einen Anhänger mit Auflaufbremse an unser Auto. Früh am Morgen fuhren wir los. Unseren Acker fanden wir leicht. Am Unkraut! Dieses stand inzwischen nicht mehr so hoch, sondern lag mehr auf dem Boden. Zudem hatte es sich herbstlich braun verfärbt. "Du hättest das Zeug abmähen müssen", meinte meine praktisch veranlagte Gattin. Auf dem Nachbargrundstück stand Mais. Ohne Unkraut, wie meine Gattin feststellte. Dazwischen befindet sich ein tiefer Wassergraben. Von dort her hörten wir fast pausenlos ein wütendes Vogel-Gekreisch: "Das sind Stare, die sitzen im Maisfeld und suchen heruntergefallene Körner und schädliche Insekten", erklärte ich meiner Familie. Die Kinder bewunderten mich ob meiner botanischen Kenntnisse. Auch im Boden unseres Ackers konnten sie reichlich botanische Erkenntnisse sammeln: Wir fanden selten eine Kartoffel, dafür aber jede Menge fetter Engerlinge und Regenwürmer. Der Boden unter dem Unkrautteppich war relativ locker. Die Wühlmäuse hatten ganze Arbeit geleistet! Es war schon Mittag und wir hatten kaum fünf Pfund winzig kleine Kartoffeln in den Körben aufgesammelt. Das Vogelgekreisch wurde immer heiserer und wütender. "Das sind keine Stare", behauptete meine Frau, womit sie wieder einmal Recht hatte. Meine Kinder riefen mich zum Wassergraben. Was wir sahen, ließ uns verstummen. Selbst meine Gattin war sprachlos! Zwei Elstern hingen im hohen, jetzt im Spätherbst schon halb dürren Gras, die eine davon mit dem Kopf nach unten. Beide müssen heftig gestritten haben. Und beide bewiesen einen deutlichen "Rechtsdrall". Wie die sichtbaren Kampfspuren zeigten, waren sie immer rechts herum um sich selbst geflattert, verwickelten sich dabei mit ihren gespornten Beinen im Gras und hingen nun nebeneinander, allerdings nicht einträchtig, sondern eifrig bemüht, immer nocht rechts herum, ihren Kampf fortzusetzen. Die eine, die mit dem Kopf nach unten, hätte den Kampf zweifellos bald verloren, wie die ausgerupften Federn und die Wunden an ihrem fast nackten Bauch bewiesen. Dessen ungeachtet musste ich mir erst Handschuhe anziehen, um beide aus ihrer misslichen Lage befreien zu können. Auch mit gefesselten Beinen weiß sich eine Elster zu wehren, wenn sie sich in Gefahr glaubt.
"Wenn doch alle, die mit einem Rechtsdrall herumlaufen, hier hängen würden"! So der knappe Kommentar meiner praktisch veranlagten Frau, der ich diesmal aus vollem Herzen beipflichtete. Mit der Rettung würde ich mir dann etwas mehr Zeit lassen!