Entscheidung

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I

Ivor Joseph

Gast
Hallo »Anderer«, »Haremsdame«.
Ich möchte hier nur kurz erläutern, dass meine Meinung von der Deinen stark
abweicht. Korrekturen dieser Art würden die Wirkung des Textes zerstören.
Das sollte sich die Autorin gut überlegen und gegebenfalls von einige Passagen
zwei Ausführungen machen und die Wirkung vergleichen.

Nur als Beispiel:
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>> Was wird sich die Künstlerin beim Malen gedacht haben?
>> Das Bild an sich war düster.

Beides sind perfekte Sätze. Natürlich ist der zweite eine Wertung. Aber nicht
der Autor wertet, sondern seine Figur in einer inneren Rede (beide Sätze).
Genau das würde sie in Wirklichkeit tun; es macht sie glaubwürdig.
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>> Sie streckte ihre extrem langen Beine
Das Wort "extrem" stört mir etwas die Stimmung:
Das Bild war düster. Sie streckte ihre {über}langen Beine ...
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>> die vielen adjektive darin, würde ausmisten
Das Anprangern der vielen Adjektive ist eine der drei oder fünf beliebtesten
Kritikpunkte. Man schaue sich aber gute Autoren an, wieviele Adjektive die
verwenden! Sie machen einen wesentlichen Teil der Stimmung aus. Nach meiner
Ansicht sind sie hier ausgewogen verwendet worden.

> Jorge Luis Borges:
>
> Nach einem drückend schwülen Tag hatte ein ungeheueres, schieferfarbenes
> Unwetter den Himmel verdeckt. Der Südwind trieb es voran - schon begannen
> die Bäume toll zu werden ... ich hob die Augen und sah einen Jungen, der
> auf dem schmalen brüchigen Weg dahinlief wie auf einer
> schmalen brüchigen Mauer ...
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>> der klang der beiden sätze zusammen stimmt nicht, ich würde heir nach einem
>> bindeglied suchen, denn ansonstemn klingt es nach einer schulischen
>> beschreibung eines bilds

Sätze dieser Art haben ihre eigen Wirkung. Die kann beabsichtigt sein wenn man
eine bestimmte Art von ruhigen Ernstes (Leere) vermitteln will.

> Carlos Fuentes (die Absätze sind wie im Original):

> Automatisch sah er in den Spiegel.
> Da war kein Spiegel mehr.
> Er war abgehängt worden.
> Der Schatten des Spiegels war noch da, ...

Ich finde, dass hier mit den Sätzen eine eine Art Leere erzeugt wird,
welche durch die Bindungen zerstört würde.
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>> diese gedanken sind so erklärend, dass man dich dahinter sieht ...
Sehe ich nicht so. Das »mystisch würde ich allerdings auch entfernen«.
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Die Version von »Ralf Langer« ist gut, aber es ist ein anderer Text. Diese Dynamik passt nicht zur Stimmung der Frau.
Es ist je kein Kurzprosa (nichtmal ein Kapitel) für sich, sondern ein
Romanausschnitt :)
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usw.
Liebe Grüße, Ivor
 

Der Andere

Mitglied
hach, ivor, das amüsiert mich. zum thema glaubwürdigkeit: innere gedanken sind nicht unbedingt gleichbedeutend mit authentizität. bei dieser frage und feststellung fehlt mir der mehrwert. die frage ist schon vorher suggeriert worden, schließlich tritt die figur immer wieder vor und zurück. die festetllung über den charakter des bilds sollte durch die einfache beschreibung des bilds hervorgerufen werden.
zum thema adjektive: ja, ein beliebter nkritikpunkt, und nicht immer richtig. aber mkan sollte sich bei jedem fragen, ob es vonnöte ist. der meinung bin ich beid iesem text nicht. und dass "gute" autoren immer viele adjektive verwenden, wage ich auch stark zu bezweifeln, das hängt vom stil ab, hier halte ich es für unangebracht. es ist auch eine kunst, stimmung ohne die hilfe von adjektiven zu erzeugen.
zum thema klang: ich anerkenne deinen punkt, finde aber wiederum, dass es hier nicht wirkt. das kann man auch anders machen. muss man aber nicht.
so viel dazu. mich verwirrt es nur, dass du gute autoren in eine schublade steckst...
 

Haremsdame

Mitglied
Hallo Ihr,

bitte kriegt euch doch wegen dieses Textchens nicht in die Haare!

Ich freu mich über die vielen Anregungen, die ich versuchen werde, für mich passend umzusetzen.

Interessant sind für mich die verschiedenen Herangehensweisen. Das zeigt mal wieder die Vielfalt, die das Schreiben in sich birgt. Ich bin sicher, dass es noch weitere Umsetzungsarten gibt. Deshalb lasse ich mir mit der Überarbeitung auch Zeit. Werde zuerst versuchen, ein neues "Werkchen" zu kreieren.

Bis dann
die Haremsdame
 
I

Ivor Joseph

Gast
Hallo »Anderer.«
Nun, wir sind verschiedener Meinung - ist ja vollkommen in Ordnung. Ich freue mich über andere Standpunkte.
Nach meiner Sichtweise wäre mit Deinen Vorschlägen auch die Stimmung des Textes eine andere.
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>> innere gedanken sind nicht unbedingt gleichbedeutend mit ...

Gut, gut. Maßstäbe eines Meisterwerkes der Literatur habe ich nicht angesetzt
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>> es ist auch eine kunst, stimmung ohne die hilfe von adjektiven

Warum eigentlich? Wie wär’s ohne Adverbien oder Personalpronomen?
Ich kenne jemanden, der hat ein Buch geschrieben, in dem nur der
Vokal »e« vorkommt.
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>> mich verwirrt es nur, dass du gute autoren in eine schublade steckst

Gute Autoren schreiben plastisch und bildhaft, - vielleicht irre ich mich - was ohne Adjektive kaum möglich ist. In der Regel werden die Adjektive auf mehrere Sätze sorgfältig verteilt. Insgesamt sind deren aber viele da und die Treffsicherheit in ihrer Verwendung ist ein wesentliches Merkmal guter Texte.
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LG, Ivor
 

Der Andere

Mitglied
ja, ivor, ganz richtig, adjektive braucht man, das bestreite ich gar nicht und hab ich so auch nie bestritten. ich bin nur dafür sie sparsam einzusetzen. den leser nicht zu sehr in eine richtung zu hieven. adjektive in hülle und fülle verlieren ihren wert, ist ne ganz einfache gleichung: je weniger etwas vorhanden ist, desto besonderer wird es. aber egal. lassen wir das.
ein buch ausschließlich mit e-vokalen stell ich mir schwierig bis unmöglich vor, ein gedicht schon eher, wobei man nie die wirkung von vokalen vergessen sollte...
sei es wie es ist. harmesdame wird schon alles mithilfe von ihrem verständnis überarbeiten. es bleibt auch bei meinen vorschlägen dabei: es sind nur vorschläge, der autor macht damit, was er will.

ps: achja, plastisches schreiben, ohne adjektive durchaus möglich, vielleicht nicht ganz, man braucht dafür aber nicht viele, schließlich kann man sich auf die assoziationsfähigkeit des lesers verlassen
 

Haremsdame

Mitglied
Zum dritten Mal war sie zurückgegangen. Dieses Aquarell ließ sie nicht los.
Das Bild an sich war düster. Eine schwarze Katze sprang von rechts nach links; aus der Dunkelheit ins Licht. Sie streckte ihre extrem langen Beine weit von sich. Den Hintergrund bildete eine schwarz-weiß gemusterte Tapete. Drei braune Farbflecke sahen aus wie Lampenschirme, über die die Katze hinwegsetzte. Das Ganze wirkte sehr mystisch, schön war jedoch etwas anderes. Trotzdem konnte sie ihren Blick vom „Sprung ins Ungewisse“ nicht abwenden.
Seit Tagen rang sie um eine Entscheidung. Schon lange fühlte sie sich nicht mehr wohl in ihrer Ehe. Nach zwanzig Jahren wusste ihr Mann ebenso wie sie, wie der jeweils andere in diversen Situationen reagiert. Sie stritten nicht mehr, sprachen aber auch nicht über das, was sie bewegte. Die innere Leere zog sie in ein bodenloses Nichts.
Es gab einen Ort auf dieser Welt, wo sie Gutes tun konnte. Wo sie gebraucht wurde. Sie hatte es ihrem Mann erzählt. Der meinte dazu: "Wenn du gehst, brauchst Du nicht mehr wiederkommen". Es fiel ihr schwer, die gewohnte Sicherheit aufzugeben.
Des Nachts erwachte sie aus schweren Träumen. Sie hörte die Katze maunzen. Laut und deutlich. Als wollte sie ihr sagen: "Komm mit! Hab keine Angst!". Der Mann neben ihr atmete ruhig und gleichmäßig. Er ahnte nichts von ihren Seelenqualen. Sie aber lag in ihrem Schweiß und fand keine Ruhe.
Am nächsten Tag besuchte sie erneut die Ausstellung.
„Gefällt Ihnen mein Bild?“ Erschrocken drehte sie sich um. Hinter ihr stand eine Frau; etwa so alt wie sie selbst. Sie war ihr schon mehrmals begegnet. Doch heute wirkte sie anders als früher: ihre Augen strahlten eine tiefe Zufriedenheit aus.
„Sie haben das gemalt?“
„Ja, vor ungefähr einem Jahr. Damals ging es mir gar nicht gut. Ich stand an einem Wendepunkt in meinem Leben."
„Und, sind Sie ins Ungewisse gesprungen?"
„Ja. Nach langem Ringen…“
„Sie haben es nicht bereut?“
„Nein, niemals. Ich würde es jederzeit wieder tun."
„Danke, Sie machen mir Mut. - Entschuldigung, ich muss jetzt gehen."
Aufgewühlt, wie sie war, wollte sie allein sein. Auch wenn sie es selbst noch nicht wahr haben wollte, war in diesem Moment ihr Entschluss gefasst. Sie würde ihren Mann verlassen und ohne ihn ein neues Leben beginnen.
 



 
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