Langsam läuft sie durch den Park. Die Tristesse des Herbsttages hält sie fest in ihrem Bann. Die Kälte dringt in ihre Knochen und lässt sie schaudern. Sie hat das Gefühl, als würde ihr Blut aus einem eisigen Rinnsal bestehen, das langsam durch ihren Körper kriecht und ihr jeglichen wärmenden Funken entzieht.
Die Arme eng an den Körper gedrückt, die Hände in den Taschen vergraben geht sie durch den Nebel. Der hochgeschlagene Kragen hält die vielen Tropfen vom Himmel nicht ab, in ihren Nacken zu fallen und sie wie Nadelspitzen zu stechen. Dies ist kein Wetter für einen Spaziergang. Aber das ist ihr egal, sie wollte nur hinaus, einen klaren Kopf bekommen in der Kälte des Tages.
Der dichte Nebel lässt sie den Weg vor ihr kaum erkennen. Ohne zu wissen, wohin es geht, bringen sie ihre Füße immer weiter fort von zu Hause.
Ein Baum steht einsam am Wegesrand. Er wirkt verloren, die Äste recken sich zum Rand des Waldes, als wolle er dazu gehören und nicht länger einsam sein. Lang betrachtet sie ihn und Tränen steigen ihr in die Augen.
Er hat „Nein“ gesagt. Er hat tatsächliche ihre Frage verneint. Wie lang hatte sie darauf gewartet, das er vor ihr niederkniet mit einem Ring in der Hand. Es hätte auch kitschig sein können, das wäre egal gewesen. Da er aber nach so vielen Jahren immer noch nichts unternommen hatte, entschied sie sich für den ersten Schritt.
Und was hatte er dazu gesagt? Zuerst nichts, dann hatte er gestammelt.
„Nein.“
Ein Wort, das alles zerstörte. Ein Wort, das Jahre der Beziehung zu Nichte machte und sie in eine ungewisse Zukunft stürzte.
„Ich weiß doch noch nicht einmal, ob wir nächstes Jahr noch zusammen sind“, begründete er seine Ablehnung. Diese Worte hätte er sich sparen können, denn sie verschlimmerten ihre Qual noch mehr.
„Das bedeutet aber jetzt nichts, Schatz. Wir müssen nur nachdenken“, versuchte er seine Worte zu mildern, als ihr die Tränen in die Augen geschossen sind.
Sie dachte damals, dies ist der Mann ihres Lebens. Sie war sich so sicher gewesen, dass es nie einen Zweifel gab. Darum traf sie seine Antwort wie ein Schwert, das ihr das Herz aus der Brust holte und es in einen dunklen tiefen See warf.
Dort liegt es noch immer. Jegliches Vertrauen ist verloren und sie fragt sich während ihrer Wanderung, was das jetzt nur für ein leeres, hoffnungsloses Gefühl in ihr ist.
Jetzt, im Dunst des Nebels, ärgert sie sich, diese Frage gestellt zu haben. Hätte sie es gelassen, wäre alles beim alten geblieben.
Dann bleibt sie abrupt stehen und schaut auf. Direkt vor ihr ist eine kleine Ansammlung entwurzelter Bäume. Dies hatte der Sturm vor ein paar Monaten verursacht. Da versteht sie das Gefühl tief in ihrer Brust.
Sie fühlt sich entwurzelt wie diese Bäume und ihre Seele beginnt langsam zu erkalten.
Schleichend läuft sie weiter und ihre Spur verliert sich im Nichts, der Nebel verschluckt alles, bis auch sie verschwunden ist.