Erlösung

lago

Mitglied
Erlösung



Wo Leiber, nackt und seelenlos,
gequält im Tartaros sich winden,
wo kein Gedanke sich kann binden
an Fleisch, das noch im Jammertal
der allergrößten Höllenqual
die Arme flehend hat erhoben,
selbst hier noch einen Gott zu loben,
der längst sein Antlitz abgewandt.


Oh Seele! Noch hält dich das Band
aus Angst und Pein, die du empfunden,
als Mensch du warst und noch gebunden.
Schwer trägst du die Vergänglichkeit.
Erlösung scheint unendlich weit.


Sind träge auch der Hoffnung Schwingen,
die alles Irdische durchdringen
und was noch sein kann offenbaren:
Die Ewigkeit wirst du erfahren,
blickst du in weite, lichte Räume.
Befreie dich, erkenne, träume!
Von jetzt an bis in alle Zeit:
Nie wieder Mensch, nie wieder Leid!
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
selbst hier noch einen Gott zu loben,
der längst sein Antlitz abgewandt.
Ich versuche zu verstehen, welche Religion das ist. Ich vermute, Dantes in der Göttlichen Komödie.
Die Idee eines Gottes, der ein Antlitz hat und dieses auch abwendet, ist mir etwas fremd, da der Allgegenwärtige Allweise sein Gesicht von garnichts abwendet. Aber vielleicht ist das einfach die Sicht des Seelenkranken, die Religion des schlechten Gewissens.
Schwer trägst du die Vergänglichkeit.
Erlösung scheint unendlich weit.
"Vergänglichkeit" ist doch prima, wenn sich der Schmerz aufdrängt: er vergeht, dadurch wird er erträglich. Schwer zu tragen wäre er, wenn er nicht verginge. Oder?
Sind träge auch der Hoffnung Schwingen,
die alles Irdische durchdringen
und was noch sein kann offenbaren:
Die Ewigkeit wirst du erfahren,
blickst du in weite, lichte Räume.
Befreie dich, erkenne, träume!
Von jetzt an bis in alle Zeit:
Nie wieder Mensch, nie wieder Leid!
Das kommt ein bißchen zu schnell für den Deprimierten, dem der Schmerz nicht vergehen will. Und "Träumen" zeigt nur vergängliche Subjektivitäten, nichts vom Ewigen.
Die Grundgedanken scheinen mir nicht konsequent.
In den religiösen Traditionen zeigen sich drei besondere "Erlösungs"-Möglichkeiten:
1. Der mitleidende Gott, dem die Ausweglosigkeit des Verzweifelten nicht fremd ist, der aber mitempfindet, tröstet und aufmuntert. So in den Höllenfahrts-Erzählungen, sei es Christi, sei es Mariens, sei es Chidr (bei Alawiten und Drusen);
2. Avalokiteshvara, der als Boddhisattva das Gelübde ablegt, nicht zum Buddha zu werden, solange er nicht den Seelenkranken in der Hölle Erleichterung gespendet hat.
3. Die gnostische Idee von der "Erkenntnis-Mitteilung" (z.B. im "Perlenlied" der Thomas-Akten), wo es vor allem darum geht, die Seele aus ihrem Alptraum zu aufzuwecken, aus dem Irrtum der Erscheinungswelt; das ist Grundgedanke auch in neuzeitlichen Dramen, z.B. in Wagners Tristan,und auch im Parsifal, zum Teil auch im "Ring".

Aber Du wirst wohl eher an Dante orientiert gewesen sein, der selbst an Vergil (Aeneis VI) orientiert war.
 



 
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