Chocos_Ramabotti
Mitglied
Diese Geschichte schrieb ich einmal für einen Wettbewerb. Sie spiegelt meine eigenen Erlebnisse wieder, mit ein paar Abänderungen. Viel Spass beim Lesen
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Vor einem netten, kleinen Gebäude mit vielen Fenstern, das von reichlich Gebüsch umringt war, tummelte sich eine recht große Schar von Kindern, von denen keines älter als sieben sein mochte. Jedes Kind hatte aber auch Papa oder Mama und einige auch beide Eltern mitgebracht. Vor der Eingangtür dieses Gebäudes stand eine Frau in mittleren Jahren, eine Lehrerin, und rief Namen auf, worauf sich immer ein Kind meldete. Eine gespannte Atmosphäre herrschte. Die Kinder waren ein wenig ängstlich, denn sie wußten ja nicht, was sie in der Schule erwarten würde. Die Schule war einerseits ein drohender Schatten, der sich nun auf ihr Leben warf, andererseits eine verlockende neue Erfahrung.
„Sandra Mayer!“, rief die Lehrerin. Kein Kind meldete sich. Alle spähten umher. „Sandra, du mußt dich melden!“, rief Herr Mayer seiner Tochter zu. Diese nickte und reckte zaghaft die Hand nach oben. „Hier.“, sagte ihr zartes Stimmchen. Alle andern Kinder drehten sich nach ihr um, und Sandra konnte fühlen, wie ihre fragenden Blicke sie durchbohrten. Verlegen sah sie zu Boden. „Du bist in der Klasse 1B.“
Etwas später saßen sämtliche neuen Schulkinder in ihrem Klassenzimmer. Die Kinder der Klasse 1B hatten sich nun alle irgendeinen Platz geschnappt und horchten nun aufmerksam ihrer recht jungen Lehrerin zu. An einem Tisch nahe der Fensterreihe saß Sandra zwischen einem großen Jungen und einem recht kräftigen Mädchen. Alle Kinder beäugten einander neugierig. Schüchtern und scheu streifte Sandras Blick umher, mied direkten Augenkontakt mit anderen, denn ihr kamen sie feindselig und übermächtig vor. Gegenüber anderen hatte Sandra sich schon immer sofort unterlegen gefühlt.
Zuerst spielten sie ein Spiel, in dem es galt, sich einander vorzustellen. Dabei warf man sich ein Wollknäuel gegenseitig zu, und wer es erhielt, sollte etwas über sich sagen und das Knäuel dann weitergeben. „Ich heiße Fabian. Ich bin sieben Jahre alt. Ich mag gern Fußball spielen und...ja, das war’s.“ „Ich bin Kevin. Ich spiele gern Gameboy und ich fahre gern Skateboard.“ „Und wie alt bist du?“, fragte die Lehrerin. „Sieben.“, ergänzte Kevin rasch. Und so ging es weiter, bis auf einmal das Wollknäuel auf Sandras Schoß landete. Sie hatte gedankenversunken ins Leere gestarrt, und war mächtig erschrocken, als sie da auf einmal von dem knallroten Wollknäuel getroffen wurde. Es kullerte von ihrem Schoß, und sie hob es wieder auf. Nervös stammelte sie: „Ich, ich bin Sandra. Ich bi-bin sechs Jahre alt. Ich zeichne gerne...und schaue gern Fernsehen und gehe gern raus.“ Hastig sah sie sich um, fragte „Wer war noch nicht?“, und warf das Wollknäuel einem Mädchen zu, das sich gemeldet hatte.
Insgesamt waren es dreiundzwanzig Kinder in der Klasse. Das waren viel. Sandra kam sich klein vor in dieser großen Menge.
Bald klingelte die Pausenglocke, und alle Kinder gingen über die kleinen Balkone auf den Hof hinaus. Überall bildeten sich kleine Grüppchen, und alle Kinder hatten ihren Spaß. Neidisch sah Sandra alledem zu. Da, Melanie schien ein paar aus einer anderen Klasse zu kennen. Die lebhafte Melanie hatte einen netten Eindruck auf Sandra gemacht, und sie wollte gern ihre Freundin sein. ‚Über was redet ihr denn gerade?’ Ja, so will ich sie ansprechen, ganz locker und lässig, dachte Sandra bei sich. All ihren Mut zusammennehmend ging sie langsam auf die kleine Gruppe um Melanie zu, atmete tief durch – und blieb stumm. Die Worte wollten einfach nicht aus ihrem Mund heraus. Sandras Schüchternheit raubte ihr die Stimme. Hilflos trippelte sie um das vergnügte Grüppchen herum, hoffte verzweifelt, von ihnen bemerkt zu werden, aber sie schien wie Luft für die anderen zu sein. So ging das die ganze Pause lang. Mal ging Sandra verzweifelt in ein einsames Eck des Hofes, dann schlich sie wieder um die Gruppen der anderen Kinder herum, und als die Glocke schellte, ging sie verzweifelt wieder ins Klassenzimmer, wo der Unterricht weiterging.
Tag für Tag wiederholte sich dieses stumme Schauspiel, und Sandra war oft den Tränen nahe, wenn die Glocke schellte und der Chance, mit den anderen zusammen zu sein, ein Ende setzte. Pah, dachte sie dann. Fein, wenn die sich nicht um mich kümmern, brauch ich mich ja auch nicht um sie zu kümmern. Aber eigentlich fühlte sie sich einsam, hilflos und war schrecklich eifersüchtig auf ihre Schulkameraden. Doch schmerzte diese Wahrheit zu sehr, und so wollte Sandra sie sich gar nicht eingestehen.
Die Schulglocke schellte abermals und signalisierte das Ende des Schultages. Nur ein paar Minuten vergingen, bis schrilles Lachen den Hof erfüllte. Und alsbald tummelten sich Scharen von Kindern auf dem Hof, und mitten darin lief Sandra. Sie achtete nicht auf die umstehenden Altersgenossen, betrachtete statt dessen das Grün der Baumkronen, der Sträucher und des Grases, die von der Sonne beleuchtet wurden. Sandra hatte das schon immer gemocht, die Natur beruhigte sie, brachte ihrer jungen Seele einen Frieden, den sie in der Schule verloren hatte.
Nun gingen alle nach Hause, und Sandra tat das auch. Daheim gab es Mittagessen, wobei sie plötzlich äußerst gesprächig wurde, und danach hockte sie sich vor den Fernseher. Stumpfsinnig sass sie davor während die Sonne über den Himmel wanderte. Irgendwann ödete die Flimmerkiste sie an, und sie ging ein wenig auf die Terrasse hinaus, tapste dort ein wenig hin und her, lief in den Garten, kletterte auf einen Baum. Die Vertrautheit des Gartens, die seltsam angenehme Einsamkeit und die romantische Stimmung, die die anbrechende Dämmerung über dem Land verbreitete, taten ihr wohl und sie fühlte sich erfrischend befreit von den Sorgen und Qualen des Alltags, die sie in der ersten Klasse bereits plagten.
Der Wind fuhr durch ihr Haar, die Geräusche des Abends drangen an ihr Ohr, das Rauschen des Windes im Blattwerk der Bäume und Büsche, das Lied der Grillen, und...Kinderstimmen. Sie drangen über einige Gärten von der selten befahrenen Strasse entgegen, wo die Kinder aus den Häuserblocks spielten. Schwermut legte sich über Sandras Gemüt. Sie beneidete die fernen Kinderspiele, sie sehnte sich nach dem Kontakt zu anderen Menschen ihrer Altersgruppe. Doch sie traute sich nicht. Sie kannte dort nur ein paar der Kinder flüchtig, und ginge sie hin, so würde sie doch nur wieder um die spielende Gruppe herumschleichen und ihnen eifersüchtige Blicke zuwerfen. Das wußte sie. Schon oft hatte ein kleiner Ausflug die Strasse hinunter so geendet. Sandra war oft genug von ihrer eigenen Unfähigkeit zum Zusammensein mit anderen Menschen enttäuscht worden. Trotzdem hatte sie weiter Sehnsucht nach dem fröhlichen Treiben.
Die menschliche Seele kann ohne Kontakt zu anderen Menschen nicht funktionieren, oder tut sich zumindest schwer dabei. Denn Einsamkeit macht traurig, Traurigkeit lenkt ab, dank der Ablenkung verschlechtern sich eventuell die Leistungen, und schlußendlich ist alles ein Teufelskreis, aus dem man nur schwer wieder ausbrechen kann.
Hach, seufzte Sandra noch einmal in Gedanken. Könnte ich nur dort bei ihnen sein. Doch möglich war es nicht...noch nicht...
Sie bemerkte erst, wie schnell die Zeit vergangen war, als sie die rotglühende Sonne erblickte, die sich schon anschickte, hinter dem Horizont zu verschwinden. Und morgen wieder zu kommen.
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Vor einem netten, kleinen Gebäude mit vielen Fenstern, das von reichlich Gebüsch umringt war, tummelte sich eine recht große Schar von Kindern, von denen keines älter als sieben sein mochte. Jedes Kind hatte aber auch Papa oder Mama und einige auch beide Eltern mitgebracht. Vor der Eingangtür dieses Gebäudes stand eine Frau in mittleren Jahren, eine Lehrerin, und rief Namen auf, worauf sich immer ein Kind meldete. Eine gespannte Atmosphäre herrschte. Die Kinder waren ein wenig ängstlich, denn sie wußten ja nicht, was sie in der Schule erwarten würde. Die Schule war einerseits ein drohender Schatten, der sich nun auf ihr Leben warf, andererseits eine verlockende neue Erfahrung.
„Sandra Mayer!“, rief die Lehrerin. Kein Kind meldete sich. Alle spähten umher. „Sandra, du mußt dich melden!“, rief Herr Mayer seiner Tochter zu. Diese nickte und reckte zaghaft die Hand nach oben. „Hier.“, sagte ihr zartes Stimmchen. Alle andern Kinder drehten sich nach ihr um, und Sandra konnte fühlen, wie ihre fragenden Blicke sie durchbohrten. Verlegen sah sie zu Boden. „Du bist in der Klasse 1B.“
Etwas später saßen sämtliche neuen Schulkinder in ihrem Klassenzimmer. Die Kinder der Klasse 1B hatten sich nun alle irgendeinen Platz geschnappt und horchten nun aufmerksam ihrer recht jungen Lehrerin zu. An einem Tisch nahe der Fensterreihe saß Sandra zwischen einem großen Jungen und einem recht kräftigen Mädchen. Alle Kinder beäugten einander neugierig. Schüchtern und scheu streifte Sandras Blick umher, mied direkten Augenkontakt mit anderen, denn ihr kamen sie feindselig und übermächtig vor. Gegenüber anderen hatte Sandra sich schon immer sofort unterlegen gefühlt.
Zuerst spielten sie ein Spiel, in dem es galt, sich einander vorzustellen. Dabei warf man sich ein Wollknäuel gegenseitig zu, und wer es erhielt, sollte etwas über sich sagen und das Knäuel dann weitergeben. „Ich heiße Fabian. Ich bin sieben Jahre alt. Ich mag gern Fußball spielen und...ja, das war’s.“ „Ich bin Kevin. Ich spiele gern Gameboy und ich fahre gern Skateboard.“ „Und wie alt bist du?“, fragte die Lehrerin. „Sieben.“, ergänzte Kevin rasch. Und so ging es weiter, bis auf einmal das Wollknäuel auf Sandras Schoß landete. Sie hatte gedankenversunken ins Leere gestarrt, und war mächtig erschrocken, als sie da auf einmal von dem knallroten Wollknäuel getroffen wurde. Es kullerte von ihrem Schoß, und sie hob es wieder auf. Nervös stammelte sie: „Ich, ich bin Sandra. Ich bi-bin sechs Jahre alt. Ich zeichne gerne...und schaue gern Fernsehen und gehe gern raus.“ Hastig sah sie sich um, fragte „Wer war noch nicht?“, und warf das Wollknäuel einem Mädchen zu, das sich gemeldet hatte.
Insgesamt waren es dreiundzwanzig Kinder in der Klasse. Das waren viel. Sandra kam sich klein vor in dieser großen Menge.
Bald klingelte die Pausenglocke, und alle Kinder gingen über die kleinen Balkone auf den Hof hinaus. Überall bildeten sich kleine Grüppchen, und alle Kinder hatten ihren Spaß. Neidisch sah Sandra alledem zu. Da, Melanie schien ein paar aus einer anderen Klasse zu kennen. Die lebhafte Melanie hatte einen netten Eindruck auf Sandra gemacht, und sie wollte gern ihre Freundin sein. ‚Über was redet ihr denn gerade?’ Ja, so will ich sie ansprechen, ganz locker und lässig, dachte Sandra bei sich. All ihren Mut zusammennehmend ging sie langsam auf die kleine Gruppe um Melanie zu, atmete tief durch – und blieb stumm. Die Worte wollten einfach nicht aus ihrem Mund heraus. Sandras Schüchternheit raubte ihr die Stimme. Hilflos trippelte sie um das vergnügte Grüppchen herum, hoffte verzweifelt, von ihnen bemerkt zu werden, aber sie schien wie Luft für die anderen zu sein. So ging das die ganze Pause lang. Mal ging Sandra verzweifelt in ein einsames Eck des Hofes, dann schlich sie wieder um die Gruppen der anderen Kinder herum, und als die Glocke schellte, ging sie verzweifelt wieder ins Klassenzimmer, wo der Unterricht weiterging.
Tag für Tag wiederholte sich dieses stumme Schauspiel, und Sandra war oft den Tränen nahe, wenn die Glocke schellte und der Chance, mit den anderen zusammen zu sein, ein Ende setzte. Pah, dachte sie dann. Fein, wenn die sich nicht um mich kümmern, brauch ich mich ja auch nicht um sie zu kümmern. Aber eigentlich fühlte sie sich einsam, hilflos und war schrecklich eifersüchtig auf ihre Schulkameraden. Doch schmerzte diese Wahrheit zu sehr, und so wollte Sandra sie sich gar nicht eingestehen.
Die Schulglocke schellte abermals und signalisierte das Ende des Schultages. Nur ein paar Minuten vergingen, bis schrilles Lachen den Hof erfüllte. Und alsbald tummelten sich Scharen von Kindern auf dem Hof, und mitten darin lief Sandra. Sie achtete nicht auf die umstehenden Altersgenossen, betrachtete statt dessen das Grün der Baumkronen, der Sträucher und des Grases, die von der Sonne beleuchtet wurden. Sandra hatte das schon immer gemocht, die Natur beruhigte sie, brachte ihrer jungen Seele einen Frieden, den sie in der Schule verloren hatte.
Nun gingen alle nach Hause, und Sandra tat das auch. Daheim gab es Mittagessen, wobei sie plötzlich äußerst gesprächig wurde, und danach hockte sie sich vor den Fernseher. Stumpfsinnig sass sie davor während die Sonne über den Himmel wanderte. Irgendwann ödete die Flimmerkiste sie an, und sie ging ein wenig auf die Terrasse hinaus, tapste dort ein wenig hin und her, lief in den Garten, kletterte auf einen Baum. Die Vertrautheit des Gartens, die seltsam angenehme Einsamkeit und die romantische Stimmung, die die anbrechende Dämmerung über dem Land verbreitete, taten ihr wohl und sie fühlte sich erfrischend befreit von den Sorgen und Qualen des Alltags, die sie in der ersten Klasse bereits plagten.
Der Wind fuhr durch ihr Haar, die Geräusche des Abends drangen an ihr Ohr, das Rauschen des Windes im Blattwerk der Bäume und Büsche, das Lied der Grillen, und...Kinderstimmen. Sie drangen über einige Gärten von der selten befahrenen Strasse entgegen, wo die Kinder aus den Häuserblocks spielten. Schwermut legte sich über Sandras Gemüt. Sie beneidete die fernen Kinderspiele, sie sehnte sich nach dem Kontakt zu anderen Menschen ihrer Altersgruppe. Doch sie traute sich nicht. Sie kannte dort nur ein paar der Kinder flüchtig, und ginge sie hin, so würde sie doch nur wieder um die spielende Gruppe herumschleichen und ihnen eifersüchtige Blicke zuwerfen. Das wußte sie. Schon oft hatte ein kleiner Ausflug die Strasse hinunter so geendet. Sandra war oft genug von ihrer eigenen Unfähigkeit zum Zusammensein mit anderen Menschen enttäuscht worden. Trotzdem hatte sie weiter Sehnsucht nach dem fröhlichen Treiben.
Die menschliche Seele kann ohne Kontakt zu anderen Menschen nicht funktionieren, oder tut sich zumindest schwer dabei. Denn Einsamkeit macht traurig, Traurigkeit lenkt ab, dank der Ablenkung verschlechtern sich eventuell die Leistungen, und schlußendlich ist alles ein Teufelskreis, aus dem man nur schwer wieder ausbrechen kann.
Hach, seufzte Sandra noch einmal in Gedanken. Könnte ich nur dort bei ihnen sein. Doch möglich war es nicht...noch nicht...
Sie bemerkte erst, wie schnell die Zeit vergangen war, als sie die rotglühende Sonne erblickte, die sich schon anschickte, hinter dem Horizont zu verschwinden. Und morgen wieder zu kommen.