Und nichts geschieht wirklich
Hallo Astrid aus Berlin, ein paar Sätze von einem (wie du) Junior Mitglied der Leselupe aus dem Werraland.
Das ist ein schöner Text, insgesamt. Klar gegliedert, gedanklich und optisch - und obwohl nichts wirklich Neues oder Originelles entfaltet wird, wirkt er glaubhaft. Einfache Gefühle geraten nicht zum Klischee - und zwar (lieber Lapismont) gerade durch die traurig ironische Brechung am Schluß. Wenn es die nicht gäbe, gäbe es den Kern des Gedichts nicht.
Ein scheinbares Paradoxon ist der Drehundangelpunkt, von dem aus die Wirklichkeit bestimmt werden muß, die in dem Text abgebildet ist: Gedichte können eine Flaschenpost sein, sagt Celan, sie halten auf etwas zu. Das lyrische Ich mit seiner Sehnsucht hält auf etwas zu - in dem sicheren Bewußtsein, daß es nicht da ist. Also, lieber Lapismont, diese ganz andere Bedeutung des letzten Verses im Vergleich zum ersten (obwohl es doch fast die gleichen Worte sind, aber da steht in der vorletzten Zeile ein UND ganz allein, die Spannung wird gesteigert - und dann fällt “alles” in sich zusammen, resignativ, durch eben die nur noch zwei entscheidenen Worte: das ist Realität, der Modus des Auftakts war ein ganz anderer) macht den Reiz des Gedichts aus. Am Ende schwingt die Bedeutung “alles geschieht - alles andere - alles, an dem ich keinen Teil habe” nicht nur mit, sondern hinein in das wache Bewußtsein des Lesers. Eines Lesers, der dadurch sogar zum Du des Textes wird - und der vielleicht weiß, daß es so und nicht anders ist, daß dieses Ins-Leere-Gehen einer Hoffnung eine grundsätzliche Koordinate menschlichen Daseins ist: und dennoch bleibt da ein Rest. Ein Rest an nicht zu tötender Hoffnung.
In der Hoffnung, öfter solch qualitativ gute Lyrik auf den Bildschirm zu kriegen, verbleibe ich
als Harry W.
P.S.
Dieses Werk ist flüssig und mit Freude zu lesen - wäre eine 7 auf der Skala.
Dieses Werk ist gut und durchaus ein Gewinn für die LL - wäre eine 8 auf der Skala.
Wie muß ich mich entscheiden?