Nagel und so
(1) Problemfeld
1.1 Basis - eine diskutable Version (?)
Ferdinand holt Nägel für die Dielen,
denn ihn stört das ständige bizarre
seine Nerven tötende Geknarre --
und die sollten so nicht weiter spielen.
Und die sollten lieber leise liegen
ohne aneinander sich zu reiben,
die Geräusche sollten unterbleiben,
Ferdinand wär's lieber, dass sie schwiegen.
Und er spricht: "Ich werde Euch bezwingen
und mit allen mir vertrauten Kräften
fest an eure Trägerbalken heften,
Ruhe brauche ich vor allen Dingen!"
Ferdinand schlägt heftig mit dem Hammer
auf den Daumen, kauernd in der Kammer.
Das Bedeutungsspektrum des Konjunktivs – es sei erstmal beiseite gelassen – ist sehr komplex und akademisch nervend.
1.2 Zielvorstellungen
Worauf es (mir) hier auch ankommt, ist das linguistische Konzept des „Scripts“. Eng verwandt mit dem „frame“ (Restaurant, Ober, Speisekarte, Menü, Gabel; „Wortfeld“) ist das „Script“ ein in unserem Weltwissen und Kopf gespeichertes Sequenzmuster, ein meist lineares Ablaufschema („Restaurantbesuch“: Auswahl des Restaurants, Garderobe, Tisch, Menükarte….).
Hier bei folgender Sonettversion gab es den Versuch, das entsprechende „Script“ zu installieren und damit den Text für den Leser (noch) zugänglicher zu machen. Die Pointe, also die Durchbrechung des erwarteten Geschehensablaufs wird dadurch keinesweg geschwächt, scheint mir.
(2) Scriptorientierte Sonettversion - Vierersequenz mit Kollaps
2.1 Vorbereitung für eine Arbeit „Nägelholen“, erste Skizze für die Motivation der erzählten Figur, der spezielle Zweck deutet sich bereits an, bleibt aber in der ersten Zeile noch unerwähnt (siehe aber: Ferdinand schlägt Nägel in die Dielen,.)
Ferdinand holt Nägel für die Dielen,
denn ihn stört das ständige, bizarre,
seine Nerven tötende Geknarre --
und die sollten so nicht weiter spielen.
2.2 Aktivierung und Vertiefung der in V3 und V4 bereits anskizzierten Innensicht („Nerven“, „sie sollten nicht“), dabei viele interessante Konjunktive. Indirektheitssignale, keinesfalls Irrealissignale. Ein Irrealis, Label hat darauf hingewiesen, wäre/ist: "Wenn die Dielen nicht gequietscht hätten ..."Besonders deutlich die Irrealisferne in „Ferdinand wär´s lieber“, da durchaus ersetzbar durch den Indikativ: „Ferdinand war/ist es lieber, dass sie schwiegen/ schweigen.
Und die sollten lieber leise liegen
ohne aneinander sich zu reiben,
die Geräusche sollten unterbleiben,
Ferdinand wär's lieber, dass sie schwiegen.
2.3 Die Gedankenrede des zweiten Quartetts wird nun zur lauten
monologischen Rede, ein eher komisches Pathos im Frame eines Kampfes mit dem Objekt, das nicht hören kann, aber jetzt gleich fühlen muss. Und der Sieger wird Ferdinand sein.
Und er spricht: "Ich werde Euch bezwingen
und mit allen mir vertrauten Kräften
fest an eure Trägerbalken heften.
Ruhe brauche ich vor allen Dingen!"
2.4 Im
Couplet der „Einschlagversuch“ und das Ausbleiben des Erfolges, somit ein (nicht unbedingt unvorhersehbares, aber doch zur Erwartung kontrastives) „Ereignis“: entweder beim ersten Mal oder später der Daumentreffer. Komischer Kollaps des Sieger(selbst)bildes aus dem dritten Quartett. Zusätzlich noch komisch, weil es statt der angestrebten Stille nun auch noch - vermutlich - laute Flüche und ähnliches gibt.
Ferdinand schlägt heftig mit dem Hammer
auf den Daumen, kauernd in der Kammer.
In der Primärversion liegt als Geschehen bereits im Einstieg ein“ korrektes“ Nägelschlagen vor, dann folgt die Motivation samt kriegerischer Heldenrede, dann der Kollaps.
(3) Aside
p.s.
Ähnliche Fragen nach Skript, Geschehensablauf und Tempus finden sich in Bernds Gohrisch-Limerick mit dem Schlüsselwort „Anliegen“ (und "illusorisch"), scheint mir
Anregung:
https://de.wikipedia.org/wiki/Frame-Semantik
http://www.sebastian-kirsch.org/moebius/docs/framesscripts-ho.pdf (grässlich akademisch)