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merzmind

Mitglied
ich finde dich überall

an jedem wegesaum um den baum
gewunden, an jedem runden,
grazil ziselierten gräserraum.
ich finde dich suchelos. ein floß,

aus dem schaum des wunden
über kämme geflutet, mein bloß,
mein wenig, mein machmal, mein kaum.
ich finde dich unerhört, zwischen weilen

alter lieder, die keiner mehr singt,
nur der hüpfer, wenn er grünes bespringt,
ist mit dem zirpen verbunden,
mit seinem kleinen in seinem groß,

seinem raunen im samtenen moos.

ich finde dich ungefragt.
wir haben uns vertagt
und wurden traum-
hinter den zeilen,

den flaumhalmen, seilen,
surren wir unsern weg, unser los.



(c) merzmind 21.2.14
 

ENachtigall

Mitglied
Sehr melodisch, in unaufdringlicher Intensität gebildet, vermittelt sich mir dieses "finden".

Finde ich gut gemacht!

LG

Elke
 

Perry

Mitglied
hallo merzmind,

ja da steckt viel "Gutes" drin, vor allem die scheinbare Leichtigkeit dieses Suchens.
Konstruktiv hapert es für mich aber doch an einigen Stellen:

Bildsprache:
Inhaltlich geht es für mich um das Suchen eines geliebten LD.
Da erscheinen Bilder wie

"an jedem wegesaum um den baum / gewunden,"

doch etwas bemüht bis schmerzhaft.

Stilmittel:

"ich finde dich suchelos. ein floß,"

Die Alliteration wird hier durch eine fragwürdige Wortschöpfung (suchelos) erzwungen, die nicht zur Leichtigkeit der Aussage passt. Außerdem wo kommt das "floß" her?

Ausdruck:

"ich finde dich unerhört, zwischen weilen //
alter lieder, die keiner mehr singt,"

Gern würde ich das (ver)weilen" gedanklich miteinbinden, ich denke aber, dass die "zeilen" alter Lieder gemeint sind.

Das sind ein paar beispielhafte Kleinigkeiten, an denen Du noch arbeiten könntest.

LG
Manfred
 
O

orlando

Gast
Hallo merzmind,
sprachlich ein genuss.
Formal stört es mich, dass du urplötzlich in den Paarreim fällst - das bringt irgendwie eine gewöhnliche Note ins Kunstvolle.
Könntest du dich evtl. mit Folgendem anfreunden?
Oder bist du mit deiner eigenen Fassung voll & ganz zufrieden?
ich finde dich überall

an jedem wegesaum um den baum
gewunden, an jedem runden,
grazil ziselierten gräserraum.
ich finde dich suchelos. ein floß,

aus dem schaum des wunden
über kämme geflutet, mein bloß,
mein wenig, mein machmal, mein kaum.
ich finde dich unerhört, zwischen weilen

alter lieder, die keiner mehr singt.
nur der hüpfer, dem zirpen verbunden,
mit seinem kleinen in seinem groß,

seinem raunen im samtenen moos.

ich finde dich ungefragt.
wir werden traum -
hinter den zeilen,

den flaumhalmen, seilen,
surren wir unsern weg, unser los.
Ich sehe natürlich, dass du auch Binnenreime nutzt; aber gerade deshalb sind mir die zusätzlich verehehlichten Endreime zu viel des Guten.
Ansonsten: ein echtes Schmankerl, das mich auf Weiteres hoffen lässt.
Meine Lieblingsverse:
aus dem schaum des wunden
über kämme geflutet, mein bloß,
mein wenig, mein machmal, mein kaum
.

Traumhaft schön! :) Ebenso all die eleganten Enjambements.

orlando
 

merzmind

Mitglied
Sonntagsgruß mit Dank für Lob und Kritik.

Ich sehe schon, hier werde ich Vieles lernen und erinnern. Bisher habe ich einfach drauflos geschrieben, ohne mir Gedanken über die Form zu machen, nur nach inneren klanglichen oder sprachfarblichen Vorgaben. Ich werde mir also alles ansehen, was es an Vorschlägen gibt, wobei ich tatsächlich nur deshalb poste, weil ich (zum Zeitpunkt X)mit der jeweiligen Fassung zufrieden bin.

An Perry: nein, nicht eine geliebte Person wird ungesucht, weshalb diese auch nicht "um den baum gewunden" sich vorfindet und das Ich auch nicht einer heimtückischen paranoiden Verfassung aufsitzt. Gemeint ist sowas wie "Gott", " die Natur" oder "das Leben", aber am ehesten Gott, im Sinne einer mystischen Auffassung. Keine Sorge also, es ist für niemanden schmerzhaft.
Die "weilen" sollen Zeitabstände suggerieren; o.k., scheint nicht zu klappen.

an Orlando:
Aus demselben Grund möchte ich das "bespringt" des Grashüpfers behalten, wenn auch vielleicht abgeändert. Der Gott, den ich meine, bewohnt nämlich auch diesen und dergestalt, dass er gerne sehr lebendig ist.

Mit fröhlichen Gedanken,

Sim
 
O

orlando

Gast
Verstehe. Dann könntest du doch einfach umgruppieren:
alter lieder, die keiner mehr singt,
nur der hüpfer
ist mit dem zirpen verbunden,
wenn er grünes bespringt,
mit seinem kleinen in seinem groß

oder ähnlich. Das ließe sich vermutlich auch an den anderen "kritischen" Stellen bewerkstelligen ...

LG
orlando
 

Perry

Mitglied
Hallo merzmind,

Gott in der Natur zu suchen hat eine große und vor allem lange Tradition. Mit dem wachsenden Intellekt, blickte der Mensch aber bald über das ihn Umgebende hinaus und hinterfragte sein Sein nach der irdischen Existenz.
Konstruktiv könnte ich mir eine Öffnung in diese Richtung am Schluss des Textes vorstellen, natürlich nur, wenn dies deiner Intention entspräche.
LG
Manfred
 

ENachtigall

Mitglied
Hallo merzmind/Sim,

wobei ich tatsächlich nur deshalb poste, weil ich (zum Zeitpunkt X)mit der jeweiligen Fassung zufrieden bin.
damit erfüllst Du genau das eigentliche Grundanliegen der leselupianischen Unterforen vortrefflich! Eben solche Werke sollen hier eingestellt werden. Dass sich dennoch Änderungen ergeben - sei es nach Anregung von Kritikern/Kommentatoren oder aus eigenem Nachempfinden - steht Dir dabei offen.

Darüber hinaus befürworte ich persönlich hier in der Gereimten Lyrik ausdrücklich Mischformen des reimenden Gestaltens in der Dichtung; eben um sich in freieren Formen (im Gegensatz zum Unterforum "Feste Formen") mit diesem vielfältigen und elementaren Stilmittel vertraut zu machen und zu lernen, sich seiner (taktvoll) zu bedienen.

Bitte verstehe meine Anmerkung als Stellungnahme, aber nicht als Kritik an der Kritik der anderen Kommentatoren. Ich bin um jede ernsthafte Auseinandersetzung mit den Werken dankbar, weil davon dieses Miteinander lebt!

In diesem Sinne: auf Wiederlesen mit viel Vergnügen.

Herzliche Grüße,

Elke
 
O

orlando

Gast
Hallo merzmind,
ich hoffe doch sehr, dass du dich durch meine höflichen kritischen Anmerkungen nicht zu einer Änderung "genötigt" fühltest. Ausdrücklich wertete ich ja mit 8, um dir mein deutliches Wohlgefallen kundzutun. ---
Aus meiner Sicht sollten rhythmische, ebenso wie metrische Änderungen "Sinn machen", also eben nicht zufällig wirken; das entspricht auch genau dem, was ich bislang über Lyrik gelernt habe.
Eine freie Handhabung tradierter Formen wird dadurch keineswegs ausgeschlossen.

Dir einen freundlichen Gruß
und weiterhin viel Spaß im Forum
 

ENachtigall

Mitglied
Entschuldigt bitte, dass ich in meinen Anmerkungen irrtümlich dachte, dieses Werk sei in der Gereimten Lyrik eingestellt worden (ich hatte gestern fast zeitgleich beide Gedichte kommentiert).
Ich finde, auch diese Gedicht wäre unter Gereimte Lyrik gut aufgehoben.

LG

Elke
 

merzmind

Mitglied
Vielen Dank Euch Dreien für die Gedanken, bin lernbegierig und bereit Änderungen vorzunehmen, nach etwas Überlegung und sofern sie Sinn und Stil unterstützen und sie mir unerlässlich erscheinen.
Liebe Grüße,
Sim
 



 
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