Omar Chajjam
Mitglied
Fliegengott
Die Fliege suchte mich in dem menschenleeren Raum. Sie mußte sich schon die ganze Zeit unbemerkt in der Bibliothek versteckt gehalten haben. Wahrscheinlich hatte sie mich beobachtet, war meinen ahnungslosen Bewegungen aufmerksam gefolgt, hatte mich taxiert, beurteilt, durchschaut. Jetzt, nach dieser Stunde, in dem draußen die Morgendämmerung durch das gotische Fenster des Saales blickte und Staubgirlanden über die Bücher tanzen ließ, jetzt war ihr Augenblick gekommen. Sie wußte, ich war wehrlos geworden.
Ich hatte mich in der Dunkelheit die Wendeltreppe hinunter getastet, hatte nicht schlafen können. Die Traumgedanken hatten mich immer wieder an mein Mikroskop geführt, um die histologischen Schnitte zu prüfen. War diese Schimäre denn Wirklichkeit oder Traum gewesen. Das Traumgebilde hatte mich schließlich hinabgezwungen, die Wendeltreppe hinab in den Bibliothekssaal, ich mußte, mußte die Theorie in den Forschungen der anderen überprüfen.
Jetzt saß ich gebeugt über den Folianten und der Traum kehrte aus meiner Müdigkeit wieder zurück und spielte mit meinen Gedanken, machte sie zu seinen Sklaven. Das war der Augenblick, als die Fliege kam.
Dieses Wesen mit dem süßen Fleisch. Ist es mein Eigentum? Bist du mein Eigentum? Hörst du mich? Hörst du mein Summen? Schläfst du? Schläfst du schon? Schlafe. Schlaf. Sei ruhig, werde ruhig. Irgendwann stirbst du. Wirst du sterben. Dann gehörst du mir. Mir, dem Fliegengott.
Ich schreckte hoch. Das war ein Alptraum, ein Traum, nur ein Traum. Nichts war wirklich. Die Schatten der hohen Regalwände, die alten Bücher und Folianten hatten die Illusion in den Traum gepflanzt. Die Fliege saß ohne Regung mir gegenüber auf dem Pult und blickte mich an.
Sie hatte keine Chance. Ich war ein geübter Fliegenfänger, denn ich haßte diese Tiere aus meiner tiefsten Seele. Sie waren für mich der Inbegriff der Feindlichkeit. Denn sie gehörten zu den aufdringlichsten dieser Spezies, demonstrierten die Überlegenheit durch ihre offensichtliche Intelligenz, durch ihren Willen zur Provokation. Sie zeigten den Schaben , wie lächerlich langsam wir doch waren und den Schnaken unsere verwundbarsten Stellen. Sie waren die Pioniere, die Saboteure, die die Invasion vorbereiteten. Darum vernichtete ich sie, wo ich sie traf.
Ich habe ihr Gehirn untersucht wieder und wieder. Diese Nacht habe ich eine große Entdeckung gemacht. Ihr Gehirn liegt in den Augen konzentriert. Die Fliege ist eigentlich ein fliegendes Auge. Und ich habe noch eine andere Entdeckung gemacht.
Schrecklich, schrecklich Mensch. Du bist mein Geschöpf. Hast du in meine Augen geblickt. Hast du durch meine Augen geblickt. Du bist meine Augen. Meine Augen sind in dir. Ich bin in dir. Ich bin du. Ich bin die Fliege, dein Gott. Mein Gott.
War es das, was ich im Mikroskop gesehen hatte? Es mußte ausgelöscht werden. Ich mußte mich befreien von dem Alptraum. Ein Schlag mit der flachen Hand, schnell aus einem unerwarteten Winkel, tausend Mal geübt und meist erfolgreich. Die Fliege war nicht mehr, nur noch Teil des Staubes. Schon zerfallen und zerquetscht. Die Flügel eingedrückt. Nichts mehr, das die Aggression dieses Wesens ausmachte. Nur die Augen waren noch brauchbar für meine Untersuchungen.
Die Augen, das war es. Man mußte die Augen zerstören. Doch vorher war noch die Untersuchung notwendig. Hinauf in die Mansarde. Mit dem Seziermesser und der Pinzette legte ich die Nervenenden frei, die zu dem Facettenauge führte. Tausendfach schienen sich in den Prismen die Strahlen der Mikroskoplampe zu sammeln. Alle Farben des Regenbogens drangen in mich ein.
Das ich jetzt auf der Brüstung des Mansardenfensters stehe, hat einen bestimmten Grund, meine Freunde. Ich weiß, das ich fliegen kann. Ich, ihr Insekten, ich bin es, der euch die Erlösung bringt, ich, der Fliegengott.
Die Fliege suchte mich in dem menschenleeren Raum. Sie mußte sich schon die ganze Zeit unbemerkt in der Bibliothek versteckt gehalten haben. Wahrscheinlich hatte sie mich beobachtet, war meinen ahnungslosen Bewegungen aufmerksam gefolgt, hatte mich taxiert, beurteilt, durchschaut. Jetzt, nach dieser Stunde, in dem draußen die Morgendämmerung durch das gotische Fenster des Saales blickte und Staubgirlanden über die Bücher tanzen ließ, jetzt war ihr Augenblick gekommen. Sie wußte, ich war wehrlos geworden.
Ich hatte mich in der Dunkelheit die Wendeltreppe hinunter getastet, hatte nicht schlafen können. Die Traumgedanken hatten mich immer wieder an mein Mikroskop geführt, um die histologischen Schnitte zu prüfen. War diese Schimäre denn Wirklichkeit oder Traum gewesen. Das Traumgebilde hatte mich schließlich hinabgezwungen, die Wendeltreppe hinab in den Bibliothekssaal, ich mußte, mußte die Theorie in den Forschungen der anderen überprüfen.
Jetzt saß ich gebeugt über den Folianten und der Traum kehrte aus meiner Müdigkeit wieder zurück und spielte mit meinen Gedanken, machte sie zu seinen Sklaven. Das war der Augenblick, als die Fliege kam.
Dieses Wesen mit dem süßen Fleisch. Ist es mein Eigentum? Bist du mein Eigentum? Hörst du mich? Hörst du mein Summen? Schläfst du? Schläfst du schon? Schlafe. Schlaf. Sei ruhig, werde ruhig. Irgendwann stirbst du. Wirst du sterben. Dann gehörst du mir. Mir, dem Fliegengott.
Ich schreckte hoch. Das war ein Alptraum, ein Traum, nur ein Traum. Nichts war wirklich. Die Schatten der hohen Regalwände, die alten Bücher und Folianten hatten die Illusion in den Traum gepflanzt. Die Fliege saß ohne Regung mir gegenüber auf dem Pult und blickte mich an.
Sie hatte keine Chance. Ich war ein geübter Fliegenfänger, denn ich haßte diese Tiere aus meiner tiefsten Seele. Sie waren für mich der Inbegriff der Feindlichkeit. Denn sie gehörten zu den aufdringlichsten dieser Spezies, demonstrierten die Überlegenheit durch ihre offensichtliche Intelligenz, durch ihren Willen zur Provokation. Sie zeigten den Schaben , wie lächerlich langsam wir doch waren und den Schnaken unsere verwundbarsten Stellen. Sie waren die Pioniere, die Saboteure, die die Invasion vorbereiteten. Darum vernichtete ich sie, wo ich sie traf.
Ich habe ihr Gehirn untersucht wieder und wieder. Diese Nacht habe ich eine große Entdeckung gemacht. Ihr Gehirn liegt in den Augen konzentriert. Die Fliege ist eigentlich ein fliegendes Auge. Und ich habe noch eine andere Entdeckung gemacht.
Schrecklich, schrecklich Mensch. Du bist mein Geschöpf. Hast du in meine Augen geblickt. Hast du durch meine Augen geblickt. Du bist meine Augen. Meine Augen sind in dir. Ich bin in dir. Ich bin du. Ich bin die Fliege, dein Gott. Mein Gott.
War es das, was ich im Mikroskop gesehen hatte? Es mußte ausgelöscht werden. Ich mußte mich befreien von dem Alptraum. Ein Schlag mit der flachen Hand, schnell aus einem unerwarteten Winkel, tausend Mal geübt und meist erfolgreich. Die Fliege war nicht mehr, nur noch Teil des Staubes. Schon zerfallen und zerquetscht. Die Flügel eingedrückt. Nichts mehr, das die Aggression dieses Wesens ausmachte. Nur die Augen waren noch brauchbar für meine Untersuchungen.
Die Augen, das war es. Man mußte die Augen zerstören. Doch vorher war noch die Untersuchung notwendig. Hinauf in die Mansarde. Mit dem Seziermesser und der Pinzette legte ich die Nervenenden frei, die zu dem Facettenauge führte. Tausendfach schienen sich in den Prismen die Strahlen der Mikroskoplampe zu sammeln. Alle Farben des Regenbogens drangen in mich ein.
Das ich jetzt auf der Brüstung des Mansardenfensters stehe, hat einen bestimmten Grund, meine Freunde. Ich weiß, das ich fliegen kann. Ich, ihr Insekten, ich bin es, der euch die Erlösung bringt, ich, der Fliegengott.