Marius Speermann
Mitglied
Er hätte es fast wieder einmal geschafft. Ich weiß nicht wie er das macht, aber sobald Mars, Saturn und mein Auto im Halteverbotaszendenten stehen, taucht er unverhofft um die Ecke und rennt mich gekonnt über den Haufen. Die Rede ist, wie kann es auch anders sein, von meinem alten Freund Michi. Diesmal war es ihm sogar unter besonders verschärften Bedingungen gelungen. Eine Meute von schnaubenden und knurrenden besten Freunden des Menschen, darunter Vertreter aller verfügbaren Gattungen von Kalb bis Kanalratte, zerrten ihn an unzähligen Leinen voran. Während Michi ihnen so gut es ging nachhechelte, galoppierten die vierbeinigen Flohkutschen, ohne deswegen an Tempo einzubüßen, über mich hinweg und bellten und kläfften sich die Lunge aus dem Leib, als ob es keine Telefone mehr gäbe.
Ich hatte mich rettungslos in den Hundeleinen verhadert und humpelte notgedrungen im Geknäuel mit. Michi schnaufte bereits atemlos, seine heraushängende Zunge zeigte ein besorgniserregendes Metallicblau. Er aber ließ sich nicht beirren. Er grinste mir zu, streckte den Daumen hoch und deutete mir in unserer geheimen und in vielen öden Schulstunden erfundenen Zeichensprache, daß sich gleich um die Ecke seine neue Agentur befände.
Tatsächlich tauchte dort ein Geschäftslokal mit einem großen Schild auf: »Flirtdogs«.
„Flirtdogs?“, starrte ich ihn ungläubig an. „Was soll denn das sein?“
Noch während er im Geschäft die Hunde in die einzelnen Zwinger bugsierte, was nicht immer ohne einen herzhaften, aber umso überzeugungsvolleren Tritt in den Hundeallerwertesten oder einem saftigen Biß ins Hundeohr vor sich ging, und – man braucht es nicht gesondert zu erwähnen - einige Empörung und Aufregung unter der versammelten Hundeschar nach sich zog, erläuterte er mir sein neuestes Geschäftsmodell.
„In Wien leben einige hunderttausend Menschen diversester Geschlechter, die alleinstehend sind und sich nichts sehnlicher als einen Partner wünschen. Ich helfe ihnen dabei, indem ich ein paar Hunde zum Verleih und ein bisserl Service drumherum anbiete.“
„Diverse Geschlechter? Partner? Verleihhunde?“ Nun war ich völlig verwirrt.
„In anderen Worten: hunderttausende Singles, die gerne mal wieder bumsen würden, können sich bei mir einen Hund mieten.“
„Die Leute bumsen die Hunde?“ stammelte ich ungläubig.
Michi wandte die Augen gen Himmel, stieß einen Seufzer aus und nahm mich bei der Hand. „Komm, ich zeige Dir, wie das geht.“ Er schnappte sich eine an der Wand angelehnte Promenadenmischung, befestigte daran eine Leine und schon marschierten wir schnurstracks mit dem Vierbeiner zum Burggarten.
Auf dem Weg dorthin erläuterte mir Michi sein Modell. „Hier haben wir einen Hund, in diesem Fall ein Weibchen. Bei Hunden heißt das bekanntermaßen »Stute«“, erklärte er fachmännisch. „Eine Stute vermiete ich normalerweise an alleinstehende Männer, an Frauen einen Eber. »Eber« sind die männlichen Hunde“, belehrte er mich. Ehrfurcht vor seinem Wissen ergriff mich. Eigentlich hatte er in Biologie nie aufgepaßt, weil wir uns da gegenseitig die Schulhefte vollgeschmiert hatten. Aber er hatte offenbar Versäumtes nachgeholt.
Er fuhr fort. „Mithilfe eines von mir verfaßten Flirtguides lasse ich die Damen und Herren anschließend für zwei Stunden in einem der angrenzenden Parks an bestimmten Stellen spazieren. Da Hundebesitzer eine immens unwiderstehliche Ausstrahlung auf das andere Geschlecht haben, ergeben sich damit zwangsläufig unzählige Möglichkeiten zum Kennenlernen. Abhängig vom sozialen Milieu meiner Kunden, oder den gewünschten Aufstiegsmöglichkeiten, empfehle ich ihnen dabei entweder einen einfachen Beserlpark oder gleich den Burggarten bei der ehemals kaiserlichen Hofburg. Es ist dabei schon vorgekommen, daß sich ein einfaches Mädel aus der Tätowierstube einen Herrn Doktor angelacht hat, oder ein auf Durchreise befindlicher Chippendale-Stripper mit einer Bankiersgattin in eine angeregte Diskussion geraten ist. Und das alles nur dank meiner Hunde.“
Wie ein abgezwickter Napoleon stand er vor mir und wartete auf mein anerkennendes Nicken. In diesem Moment besprang unsere Stute den Eber einer älteren Dame. Michi war verwirrt. „Komisch, sie ist doch eigentlich ein Weibchen.“
„Vielleicht ist sie lesbisch“, erwiderte ich hilfreich.
„Nicht frech werden“, zeterte die ältere Dame, „ich werde ihnen gleich was zeigen, von wegen lesbisch. Und nehmen sie ihren Köter weg! Meine arme Senta ist ja schon ganz aufgerieben.“
Michi und ich trennten gemeinsam unter bissiger Gegenwehr die Hunde aus ihrer offenherzigen Stellung und ignorierten fest, aber bestimmt das anschließend einsetzende Protestgekläffe.
„Wie heißt denn überhaupt ihr Rüde?“, fragte die ältere Dame neugierig, nachdem sich der Lärm etwas verringert hatte. Sie lächelte dabei Michi erwartungsvoll an.
„Ähm, puuhh...?“ stammelte Michi und sah mich verzweifelt an. „Maria Theresia“, warf ich schnell ein. Michi verdrehte die Augen. „Ein gescheiterer Name ist mir auf die Schnelle nicht eingefallen“, zischte ich ihm durch die Zähne zu.
„Maria Theresia? Das ist aber ein komischer Name für einen Rüden.“ Sie kniff die Augen zusammen und Michi in den Po. „Wohl ein ganz ein Perverser, mein Süsser, nicht wahr?“
In Michis Augen schimmerte Panik. Hurtig verabschiedeten wir uns von der älteren Dame, die uns noch folgen wollte, wäre ihr Eber Senta nicht gerade in diesem Moment von einer anderen Stute besprungen worden. Wir bewegten uns im Eilschritt zum Parkausgang. Dort saß ein gutaussehendes Fräulein auf einer Parkbank und war in ein Buch vertieft. Michi zwinkerte mir bedeutungsvoll zu und steuerte zielgerichtet auf die Parkbank hin.
Er ließ sich auf der Parkbank nieder und lehnte sich langsam zum Fräulein hin. Der Hund schnupperte interessiert an ihren Schuhen. Sie nieste.
„Schönes Fräulein, darf ich’s wagen...“, begann Michi, aber die solcherart Angesprochene sprang hastig von der Parkbank auf, nieste Michi mehrmals kräftig an und eilte fortwährend niesend und mit tränenden Augen aus dem Park.
„Hundehaarallergikerin“, murmelte Michi vor sich hin und zuckte dabei mit den Schultern. „Da hilft nur die Erweiterung des Verleihangebotes“, philosophierte er weiter. „Leguane, Krokodile oder Schlangen zum Gassi gehen. Da gibt’s keine Haare, nur die seltene Schuppenallergie und höchstens mal eine Klage wegen einem verspeisten Kleinkind.“
Als er den Kinderwagen einer jungen Mutter erblickte, kam ihm die ultimative Idee: „Was ist noch attraktiver an einem Single, als ein Hund? Babies!“ Und ohne meine Antwort abzuwarten, wieselte er von dannen, um auf der Geburtsstation des nahegelegenen Krankenhauses ein paar Neugeborene für den nächsten Vermietschlager auszuborgen: Flirtbabies!
Ich hatte mich rettungslos in den Hundeleinen verhadert und humpelte notgedrungen im Geknäuel mit. Michi schnaufte bereits atemlos, seine heraushängende Zunge zeigte ein besorgniserregendes Metallicblau. Er aber ließ sich nicht beirren. Er grinste mir zu, streckte den Daumen hoch und deutete mir in unserer geheimen und in vielen öden Schulstunden erfundenen Zeichensprache, daß sich gleich um die Ecke seine neue Agentur befände.
Tatsächlich tauchte dort ein Geschäftslokal mit einem großen Schild auf: »Flirtdogs«.
„Flirtdogs?“, starrte ich ihn ungläubig an. „Was soll denn das sein?“
Noch während er im Geschäft die Hunde in die einzelnen Zwinger bugsierte, was nicht immer ohne einen herzhaften, aber umso überzeugungsvolleren Tritt in den Hundeallerwertesten oder einem saftigen Biß ins Hundeohr vor sich ging, und – man braucht es nicht gesondert zu erwähnen - einige Empörung und Aufregung unter der versammelten Hundeschar nach sich zog, erläuterte er mir sein neuestes Geschäftsmodell.
„In Wien leben einige hunderttausend Menschen diversester Geschlechter, die alleinstehend sind und sich nichts sehnlicher als einen Partner wünschen. Ich helfe ihnen dabei, indem ich ein paar Hunde zum Verleih und ein bisserl Service drumherum anbiete.“
„Diverse Geschlechter? Partner? Verleihhunde?“ Nun war ich völlig verwirrt.
„In anderen Worten: hunderttausende Singles, die gerne mal wieder bumsen würden, können sich bei mir einen Hund mieten.“
„Die Leute bumsen die Hunde?“ stammelte ich ungläubig.
Michi wandte die Augen gen Himmel, stieß einen Seufzer aus und nahm mich bei der Hand. „Komm, ich zeige Dir, wie das geht.“ Er schnappte sich eine an der Wand angelehnte Promenadenmischung, befestigte daran eine Leine und schon marschierten wir schnurstracks mit dem Vierbeiner zum Burggarten.
Auf dem Weg dorthin erläuterte mir Michi sein Modell. „Hier haben wir einen Hund, in diesem Fall ein Weibchen. Bei Hunden heißt das bekanntermaßen »Stute«“, erklärte er fachmännisch. „Eine Stute vermiete ich normalerweise an alleinstehende Männer, an Frauen einen Eber. »Eber« sind die männlichen Hunde“, belehrte er mich. Ehrfurcht vor seinem Wissen ergriff mich. Eigentlich hatte er in Biologie nie aufgepaßt, weil wir uns da gegenseitig die Schulhefte vollgeschmiert hatten. Aber er hatte offenbar Versäumtes nachgeholt.
Er fuhr fort. „Mithilfe eines von mir verfaßten Flirtguides lasse ich die Damen und Herren anschließend für zwei Stunden in einem der angrenzenden Parks an bestimmten Stellen spazieren. Da Hundebesitzer eine immens unwiderstehliche Ausstrahlung auf das andere Geschlecht haben, ergeben sich damit zwangsläufig unzählige Möglichkeiten zum Kennenlernen. Abhängig vom sozialen Milieu meiner Kunden, oder den gewünschten Aufstiegsmöglichkeiten, empfehle ich ihnen dabei entweder einen einfachen Beserlpark oder gleich den Burggarten bei der ehemals kaiserlichen Hofburg. Es ist dabei schon vorgekommen, daß sich ein einfaches Mädel aus der Tätowierstube einen Herrn Doktor angelacht hat, oder ein auf Durchreise befindlicher Chippendale-Stripper mit einer Bankiersgattin in eine angeregte Diskussion geraten ist. Und das alles nur dank meiner Hunde.“
Wie ein abgezwickter Napoleon stand er vor mir und wartete auf mein anerkennendes Nicken. In diesem Moment besprang unsere Stute den Eber einer älteren Dame. Michi war verwirrt. „Komisch, sie ist doch eigentlich ein Weibchen.“
„Vielleicht ist sie lesbisch“, erwiderte ich hilfreich.
„Nicht frech werden“, zeterte die ältere Dame, „ich werde ihnen gleich was zeigen, von wegen lesbisch. Und nehmen sie ihren Köter weg! Meine arme Senta ist ja schon ganz aufgerieben.“
Michi und ich trennten gemeinsam unter bissiger Gegenwehr die Hunde aus ihrer offenherzigen Stellung und ignorierten fest, aber bestimmt das anschließend einsetzende Protestgekläffe.
„Wie heißt denn überhaupt ihr Rüde?“, fragte die ältere Dame neugierig, nachdem sich der Lärm etwas verringert hatte. Sie lächelte dabei Michi erwartungsvoll an.
„Ähm, puuhh...?“ stammelte Michi und sah mich verzweifelt an. „Maria Theresia“, warf ich schnell ein. Michi verdrehte die Augen. „Ein gescheiterer Name ist mir auf die Schnelle nicht eingefallen“, zischte ich ihm durch die Zähne zu.
„Maria Theresia? Das ist aber ein komischer Name für einen Rüden.“ Sie kniff die Augen zusammen und Michi in den Po. „Wohl ein ganz ein Perverser, mein Süsser, nicht wahr?“
In Michis Augen schimmerte Panik. Hurtig verabschiedeten wir uns von der älteren Dame, die uns noch folgen wollte, wäre ihr Eber Senta nicht gerade in diesem Moment von einer anderen Stute besprungen worden. Wir bewegten uns im Eilschritt zum Parkausgang. Dort saß ein gutaussehendes Fräulein auf einer Parkbank und war in ein Buch vertieft. Michi zwinkerte mir bedeutungsvoll zu und steuerte zielgerichtet auf die Parkbank hin.
Er ließ sich auf der Parkbank nieder und lehnte sich langsam zum Fräulein hin. Der Hund schnupperte interessiert an ihren Schuhen. Sie nieste.
„Schönes Fräulein, darf ich’s wagen...“, begann Michi, aber die solcherart Angesprochene sprang hastig von der Parkbank auf, nieste Michi mehrmals kräftig an und eilte fortwährend niesend und mit tränenden Augen aus dem Park.
„Hundehaarallergikerin“, murmelte Michi vor sich hin und zuckte dabei mit den Schultern. „Da hilft nur die Erweiterung des Verleihangebotes“, philosophierte er weiter. „Leguane, Krokodile oder Schlangen zum Gassi gehen. Da gibt’s keine Haare, nur die seltene Schuppenallergie und höchstens mal eine Klage wegen einem verspeisten Kleinkind.“
Als er den Kinderwagen einer jungen Mutter erblickte, kam ihm die ultimative Idee: „Was ist noch attraktiver an einem Single, als ein Hund? Babies!“ Und ohne meine Antwort abzuwarten, wieselte er von dannen, um auf der Geburtsstation des nahegelegenen Krankenhauses ein paar Neugeborene für den nächsten Vermietschlager auszuborgen: Flirtbabies!