Ich bin heute geflohen. Aus der Stadt weg zum Waldrand, weg von den Häusern, den Autos und vom Lärm. Ist nicht, ich hör den Lärm immer noch. Aber ich höre auch im Abstand von 20 Sekunden einen Specht. Auf dem Reitplatz unten trabt ein Pferd, mit sehr kurzen Tritten, sieht sehr unbequem aus und die Reiterin sitzt und lässt sich schütteln. Zwei Ponies stürmen aus dem Stall und auf die Weide. Eines klein und gescheckt, das andere grösser und von undefinierbarer Farbe. Weiss ist drin, und auch hellbraun.
Ein Auto im Siebziger-Jahre-Stil rollt die Strasse hinter dem Stall hinab. Orange und hellblau, aber es passt in die Gegend, die Weiden sind matschig vom verregneten Winter, auch das passt.
Ab und zu wieder ein Zug, hör ich auch, obwohl ich doch gar nichts hören will.
Dann geh ich zum Bahnhof und ab in einen Zug. In Richtung Berge fahr ich, weg von der Stadt, immer weiter weg, weils mich ankackt hier, so laut und stinkig. Vorher hab ich noch Essen eingepackt, aber nur weil man essen muss um zu leben und leben ist doch, was ich will. Der Zug rattert durch die Landschaft, wieder nix mit Ruhe und so.Aber bald. Und dann werd ich schreien, die Ruhe durchbrechen, mit meiner Stimme, und singen und tanzen und überhaupt, hey, das Leben ist schön! Aber jetzt noch nicht, jetzt ist es noch laut und die Autos fahren auf der Autobahn. So, knapp noch das Postauto erwischt und jetzt reichts dann aber mit dem ewigen Lärm! Nach einer halben Stunde Fahrt bin ich schon nur noch in einem Dorf, nix Stadt, nur Dorf und gehe aus dem Dorf weg, weiter in die Berge.
Die Ebene durchquere ich mit langen Schritten. Ich spüre, wie sich meine Wirbelsäule, vom ewigen auf-den-Stadtboden-schauen gekrümmt , sich langsam aufrichtet und sich mein Blick der schönen Umgebung zuwendet, der matschigen Wiese, den nackten Bäumen, und ein kleines Eckchen meines Blickfelds verschwende ich für den Blick auf den Weg, man muss ja wissen, wohin man geht. Wieso eigentlich, ist doch schön, Überraschung, wohin gehe ich? Kommt jetzt da ein Loch im Boden, ein Stein über den ich fallen könnte? Das würde schon mal ein kleines Bisschen mehr Kurzweil ins Leben bringen...
Ich hätte vielleicht doch besser die Hausschlüssel mitgenommen. So komm ich nicht ins Haus, ist aber egal, denn ich bin ja der Natur wegen hierher gekommen und wegen ihr werd ich auch bleiben.
So. Ich steige noch höher, so weit ich komme, und setze mich dann einfach auf die Wiese. Die ist nass, natürlich, geht ja nicht anders. Egal, meine Hose ist es jetzt auch. Da sitz ich und warte. Warte auf die Ruhe, und die kommt auch. Und ich fange an, zu bereuen. Denn die Ruhe ist unheimlich. Unheimlich unheimlich. Wie wenn alles tot wäre, und genau davor bin ich ja geflohen. Vor dem toten Zeugs in der Stadt und so.
Nach einer Weile steh ich auf und kriech den Hügel hinab zum Stall, der natürlich verlassen ist. Ich geh also in den oberen Teil, da lagert Heu, und dort lege ich mich hin und schlafe ein.
Als ich wieder erwache, habe ich keine Ahnung, wie spät es ist, denn meine Armbanduhr, die einen fesselt, an die Zeit fesselt, habe ich gestern (oder einfach, bevor ich einschlief), in die Rheinschlucht geworfen. Und mich tierisch darüber gefreut. Ade, du Fessel der Menschheit, tschüss, die Zeit existiert auch ohne dich! Leck mich! Ich brauch dich nicht! Bäh! Ich habe also keine Ahnung, wie lange ich geschlafen habe. So was schönes!!
Das Heu piekst und sticht mich, aber das ist ein wunderbares Gefühl, ein Gefühl des Lebens, denn wenn ich nicht leben würde, könnte ich das Gepieks ja nicht spüren.
Ich lebe also. Ich geh raus aus dem Stall, in die Natur hinaus und sehe, dass es wirklich Morgen ist. Die Sonne schleicht sich gerade über den Berg auf der anderen Talseite und hofft dass ich sie nicht entdecke. Ätsch Sonne, ich hab dich schon gesehen! Schon lange nicht mehr, zwar, weil ich in der grauen Stadt war, aber jetzt seh ich Dich! Was bin ich froh, hab schon gedacht dich gäb‘s nicht mehr...
Gestern war da noch Ruhe. Stimmt gar nicht, der Fluss unten im Tal hat auch gestern schon gerauscht aber gestern hab ich’s nicht gehört, weil ich immer noch das Gebrumm und Getös der Stadt oder des Stadtverkehrs in den Ohren hatte, und wenn das nicht mehr ist, sagt man dem dann Ruhe. Obwohl da immer noch Geräusche sind.
Aber heute hör‘ ich den Fluss. Und auch noch viel anderes. Das Gezwitscher der Vögel, die frühzeitig aus dem Süden zurückgekehrt sind – es ist Anfangs Februar, aber auch hier auf 800 MüM mehr als zehn Grad warm und Schnee hatte es den ganzen Winter noch keinen, nur immer Regen – und oben am Waldrand höre ich ein Tier durch das Gehölz rascheln.
Ich renne ein Stück den Weg hoch, bis zum alten Familienbrunnen, der das ganze Jahr über läuft und wasch mir das Gesicht. Das Wasser ist kalt und kommt direkt von der Quelle, ungereinigt und frisch.
Ich betrink mich mit diesem reinen Wasser und folge dem Weg weiter und immer weiter, gehe tiefer in die Berge Graubündens hinein und weiss schon lange nicht mehr so genau wo ich bin.
Irgendwann setze ich mich irgendwo auf irgendeine Bank und bemerke, dass ich mich über der Rheinschlucht befinde, an einem Ort wo der Abstieg in die Schlucht leicht fällt. Ich lass mir die Sonne – mittlerweile muss schon Mittag sein – ins Gesicht scheinen und erinnere mich daran, früher schon mal hier gewesen zu sein, als ganz kleines Kind, als die Welt für mich noch in Ordnung gewesen war...
Dann folge ich dem inneren Drang und steige in die Schlucht. Gehe über die Eisenbahnbrücke und erinnere mich nicht, hier je mal einen Zug gesehen oder gehört zu haben. Bin überwältigt von der Lautstärke, der Kraft des fliessenden Wassers.
Dann kämpfe ich mich durch Gebüsch und umgestürzte Bäume bis ich endlich am Wasser ankomme und mich in den feuchten Sand setze.
Ich bin wohl immer noch betrunken vom Quellwasser, denn ich gehe jetzt langsam ins Wasser hinein, spüre nicht die Kälte, nicht die Gefahr, die das Wasser birgt. Ich leg mich dem Wasser in den Schoss und lasse mich mitziehen, talwärts, und weiss dass ich unten, am Rande der nächsten grossen Stadt, wieder den Lärm hören werde. Und tot, das werd‘ ich ganz bestimmt nicht sein!
Wisst Ihr was? Ich hab vergessen zu schreien und zu singen, und getanzt hab ich auch nicht; ich muss nochmals rauf!
Ein Auto im Siebziger-Jahre-Stil rollt die Strasse hinter dem Stall hinab. Orange und hellblau, aber es passt in die Gegend, die Weiden sind matschig vom verregneten Winter, auch das passt.
Ab und zu wieder ein Zug, hör ich auch, obwohl ich doch gar nichts hören will.
Dann geh ich zum Bahnhof und ab in einen Zug. In Richtung Berge fahr ich, weg von der Stadt, immer weiter weg, weils mich ankackt hier, so laut und stinkig. Vorher hab ich noch Essen eingepackt, aber nur weil man essen muss um zu leben und leben ist doch, was ich will. Der Zug rattert durch die Landschaft, wieder nix mit Ruhe und so.Aber bald. Und dann werd ich schreien, die Ruhe durchbrechen, mit meiner Stimme, und singen und tanzen und überhaupt, hey, das Leben ist schön! Aber jetzt noch nicht, jetzt ist es noch laut und die Autos fahren auf der Autobahn. So, knapp noch das Postauto erwischt und jetzt reichts dann aber mit dem ewigen Lärm! Nach einer halben Stunde Fahrt bin ich schon nur noch in einem Dorf, nix Stadt, nur Dorf und gehe aus dem Dorf weg, weiter in die Berge.
Die Ebene durchquere ich mit langen Schritten. Ich spüre, wie sich meine Wirbelsäule, vom ewigen auf-den-Stadtboden-schauen gekrümmt , sich langsam aufrichtet und sich mein Blick der schönen Umgebung zuwendet, der matschigen Wiese, den nackten Bäumen, und ein kleines Eckchen meines Blickfelds verschwende ich für den Blick auf den Weg, man muss ja wissen, wohin man geht. Wieso eigentlich, ist doch schön, Überraschung, wohin gehe ich? Kommt jetzt da ein Loch im Boden, ein Stein über den ich fallen könnte? Das würde schon mal ein kleines Bisschen mehr Kurzweil ins Leben bringen...
Ich hätte vielleicht doch besser die Hausschlüssel mitgenommen. So komm ich nicht ins Haus, ist aber egal, denn ich bin ja der Natur wegen hierher gekommen und wegen ihr werd ich auch bleiben.
So. Ich steige noch höher, so weit ich komme, und setze mich dann einfach auf die Wiese. Die ist nass, natürlich, geht ja nicht anders. Egal, meine Hose ist es jetzt auch. Da sitz ich und warte. Warte auf die Ruhe, und die kommt auch. Und ich fange an, zu bereuen. Denn die Ruhe ist unheimlich. Unheimlich unheimlich. Wie wenn alles tot wäre, und genau davor bin ich ja geflohen. Vor dem toten Zeugs in der Stadt und so.
Nach einer Weile steh ich auf und kriech den Hügel hinab zum Stall, der natürlich verlassen ist. Ich geh also in den oberen Teil, da lagert Heu, und dort lege ich mich hin und schlafe ein.
Als ich wieder erwache, habe ich keine Ahnung, wie spät es ist, denn meine Armbanduhr, die einen fesselt, an die Zeit fesselt, habe ich gestern (oder einfach, bevor ich einschlief), in die Rheinschlucht geworfen. Und mich tierisch darüber gefreut. Ade, du Fessel der Menschheit, tschüss, die Zeit existiert auch ohne dich! Leck mich! Ich brauch dich nicht! Bäh! Ich habe also keine Ahnung, wie lange ich geschlafen habe. So was schönes!!
Das Heu piekst und sticht mich, aber das ist ein wunderbares Gefühl, ein Gefühl des Lebens, denn wenn ich nicht leben würde, könnte ich das Gepieks ja nicht spüren.
Ich lebe also. Ich geh raus aus dem Stall, in die Natur hinaus und sehe, dass es wirklich Morgen ist. Die Sonne schleicht sich gerade über den Berg auf der anderen Talseite und hofft dass ich sie nicht entdecke. Ätsch Sonne, ich hab dich schon gesehen! Schon lange nicht mehr, zwar, weil ich in der grauen Stadt war, aber jetzt seh ich Dich! Was bin ich froh, hab schon gedacht dich gäb‘s nicht mehr...
Gestern war da noch Ruhe. Stimmt gar nicht, der Fluss unten im Tal hat auch gestern schon gerauscht aber gestern hab ich’s nicht gehört, weil ich immer noch das Gebrumm und Getös der Stadt oder des Stadtverkehrs in den Ohren hatte, und wenn das nicht mehr ist, sagt man dem dann Ruhe. Obwohl da immer noch Geräusche sind.
Aber heute hör‘ ich den Fluss. Und auch noch viel anderes. Das Gezwitscher der Vögel, die frühzeitig aus dem Süden zurückgekehrt sind – es ist Anfangs Februar, aber auch hier auf 800 MüM mehr als zehn Grad warm und Schnee hatte es den ganzen Winter noch keinen, nur immer Regen – und oben am Waldrand höre ich ein Tier durch das Gehölz rascheln.
Ich renne ein Stück den Weg hoch, bis zum alten Familienbrunnen, der das ganze Jahr über läuft und wasch mir das Gesicht. Das Wasser ist kalt und kommt direkt von der Quelle, ungereinigt und frisch.
Ich betrink mich mit diesem reinen Wasser und folge dem Weg weiter und immer weiter, gehe tiefer in die Berge Graubündens hinein und weiss schon lange nicht mehr so genau wo ich bin.
Irgendwann setze ich mich irgendwo auf irgendeine Bank und bemerke, dass ich mich über der Rheinschlucht befinde, an einem Ort wo der Abstieg in die Schlucht leicht fällt. Ich lass mir die Sonne – mittlerweile muss schon Mittag sein – ins Gesicht scheinen und erinnere mich daran, früher schon mal hier gewesen zu sein, als ganz kleines Kind, als die Welt für mich noch in Ordnung gewesen war...
Dann folge ich dem inneren Drang und steige in die Schlucht. Gehe über die Eisenbahnbrücke und erinnere mich nicht, hier je mal einen Zug gesehen oder gehört zu haben. Bin überwältigt von der Lautstärke, der Kraft des fliessenden Wassers.
Dann kämpfe ich mich durch Gebüsch und umgestürzte Bäume bis ich endlich am Wasser ankomme und mich in den feuchten Sand setze.
Ich bin wohl immer noch betrunken vom Quellwasser, denn ich gehe jetzt langsam ins Wasser hinein, spüre nicht die Kälte, nicht die Gefahr, die das Wasser birgt. Ich leg mich dem Wasser in den Schoss und lasse mich mitziehen, talwärts, und weiss dass ich unten, am Rande der nächsten grossen Stadt, wieder den Lärm hören werde. Und tot, das werd‘ ich ganz bestimmt nicht sein!
Wisst Ihr was? Ich hab vergessen zu schreien und zu singen, und getanzt hab ich auch nicht; ich muss nochmals rauf!