Wic
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Fo Rensiker - sofort!
Teil 1
"Wir brauchen sie! Hier und sofort!"
Obwohl es in meinem Beruf gängige Praxis ist, dass Kunden meine Dienste immer unverzüglich benötigen, irritierte mich der Ton. Nein, er brachte mich in Rage. Ich konnte befehlende und derart resolute Äußerungen genauso wenig leiden, wie den immer häufigeren Einsatz von Robotern mit menschlichen Zügen.
"Sofort", wiederholte ich trotzig.
Eigentlich wollte ich nicht bei einem Arbeitgeber tätig sein, der ungehörig seine Macht demonstriert, offensichtlich Mitarbeiter wie Leibeigene behandelt und dann womöglich ausspeit, wenn diese nicht einen erhofften Umsatz erwirtschaften. Genau aus diesem Grund gab ich vor gut einem halben Jahr meinen Job auf und versuchte mein Glück in der Selbstständigkeit.
Ich schwankte zwischen meinem entfachten Trotz und dem benötigten Geld.
"Was ist ihnen dieses `sofort´ wert?", fragte ich entsprechend aufgebracht. Bereits in dem Moment, in dem ich es aussprach, ärgerte ich mich. Schließlich wollte ich einen Kundenstamm aufbauen! Ärger hin oder her! Mein zweites Standbein der PC-Nothilfe bei Virenbefall mit Linuxmitteln griff nicht.
"Linux verschreckt die Kunden,", hatte mir jemand gesteckt, "weil damit kein Windows-Normalo etwas anfangen kann." Außerdem hatte ich festgestellt, dass sich fast jeder, der sich einen Virus einfing, einen Bekannten rief. Kam der nicht weiter, holte er sich Informationen im Internet. All dies waren keine guten Voraussetzungen für mich als frischgebackenen Forensiker. Als Ziel hatte ich mir gesetzt, für die Polizei oder für die Staatsanwaltschaft tätig zu sein. Doch um dort Aufträge zu ergattern, musste ich Erfolge und einen untadeligen Ruf nachweisen. An Firmen kam ich ohne Beziehungen auch schlecht heran, schon gar nicht, da ich so unbekannt war wie ein Krümel in einem Sandkuchen.
"Es wird ihr Schade nicht sein!", bellte er und legte auf.
Mit klopfendem Herzen zerrte ich am Mikrofon meines Headsets herum. Er nannte weder Namen noch Adresse! Zum Glück hatte ich kürzlich meine Fritzbox gepatcht, um VoIP-Gespräche automatisch in der Anrufbeantworterfunktion mitzuschneiden. Ich hörte den Anruf erneut ab. Nebenbei öffnete ich das Log meiner Fritzbox und suchte nach der zuletzt notierten Telefonnummer.
Gegen meine natürliche Neugier kam ich nicht an. Sobald diese geweckt war, gab es kein Halten mehr für mich. Über den Dienst Klicktel führte ich eine Rückwärtssuche zur Telefonnummer durch und erfuhr Namen und Adresse meines Auftraggebers.
"Ein Headhunter", jubelte ich. Eilig wählte ich die Nummer. Wenn ich schnell zurückrief und ihn auf sein Versäumnis mir keine Adresse genannt zu haben aufmerksam machte, konnte ich vielleicht punkten! Meine Güte, ein Headhunter, ein Jobvermittler! Der hatte natürlich Verbindungen!
"KI einschalten", rief ich in das Mikro meines Headsets. Diese wunderbare Verquickung von künstlicher Intelligenz und Hardware konnte mir helfen, schneller an Informationen zu kommen.
"Headhuntingbüro Peters und Partner", meldete er sich.
Mein Headsetmikrofon reagierte prompt auf die Nachricht, sendete die Audionachricht über das Spracherkennungsprogramm Palaver an meinen KDE-Browser. Der wiederum übernahm mittels Sprachsteuerung die Adresse im Suchfenster. Dies ermöglichte mir, mich vollständig auf meinen Gesprächspartner zu konzentrieren und gleichzeitig die Webseite zu studieren. Headhunting PP stand dort. PP wie Pinkelpause? Statt zu lächeln, hätte ich mich darüber wundern sollen oder besser noch: Ich hätte besser aufgelegt. Dies konnte ja nicht seriös sein. Er war selbst am Telefon, also leitete er nur ein kleines Büro. Auch dies als Warnung zu interpretieren wäre hilfreich gewesen. Doch bevor ein Hauch von Vorsichtigkeit oder Enttäuschung meine Euphorie dämpfen konnte, sprach er schon weiter:
"Herr Rensiker, sie haben eine Minute und 13 Sekunden gebraucht. Das ist gar nicht schlecht! Wenn Sie jetzt nicht auflegen, sind sie automatisch einverstanden, dass das Gespräch aufgezeichnet wird."
Mir blieb meine eiligst überlegte Ansprache im Halse stecken. Für einen kleinen Moment fühlte ich mich wie bei einem dieser Werbetelefonanrufe, doch mir blieb keine Zeit zum Nachdenken.
"Verzeihen sie", hörte ich seine Stimme. "Normalerweise gehen wir die Auswahl möglicher Arbeitnehmer anders an, aber unser Kunde legte das Vorgehen so fest, um einen Arbeitnehmer zu ermitteln, dem das Wasser bis zum Hals steht."
Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Nur mühsam gelang es mir, ihn wegzuschlucken. Ungeschickt, dachte ich noch, aber die Erklärung fand ich bald. Herr Peters sprach weiter, ohne eine Reaktion von mir abzuwarten.
"Der Kunde möchte unerkannt bleiben und den ersten Forensiker einstellen, der es nötig hat und in der Lage ist innerhalb von zwei Minuten zurückzurufen. Also, herzlichen Glückwunsch, sie führen mit Abstand."
Seine Stimme kam mir etwas gelangweilt vor, trotzdem umkrampfte ich die Kopfhörer meines Headsets, als hätte ich den Jackpot geknackt.
"Wenn sie einen Kurzjob mit absoluter Verschwiegenheitsklausel und doppeltem Verdienst annehmen möchten, dann sagen sie jetzt ja."
Ein Telefonroboter, schoss mir durch den Kopf. Die kleinen Geräte hatten längst die althergebrachten Anrufbeantworter abgelöst und waren für die tollsten Dinge zu gebrauchen. Manchmal setzen sie Aufgaben etwas tölpelhaft um, doch im großen und ganzen ...
"drei, zwei, ...", zählte er herunter.
"Ja", schrie ich.
"Melden Sie sich unter der Adresse 52 57 766 00 und 13 30 072 00."
Die Verbindung brach ab und ich fühlte mich total überrannt. "Komische IP-Adresse", dachte ich noch. Über den Dienst whois versuchte ich etwas über meinen Auftraggeber zu erfahren. Nichts. Ich rief Suchmaschinen auf, suchte in aktuellen sozialen Netzwerken wie neuroLingua und in alten wie Facebook, Google+ und Second Life. Nichts. Mein Portscanner NMap meldete keinen offenen Port auf der IP-Adresse und Zugänge über rLogin, ssh oder die Direkteinwahl per VoIP führten ins Nirwana. Ich vertrödelte meine Zeit mit einem geheimnisvollen Arbeitgeber und hatte nicht einmal einen Arbeitsvertrag in der Hand! Entmutigt ließ ich meine Hände auf die Tastatur sinken. Vielleicht war die Adresse ja noch gar nicht freigeschaltet! Über den Ping-Befehl in der Console erhielt ich eine Bestätigung, dass die Adresse weder verfügbar noch erreichbar war. Enttäuscht ging ich zum Kühlschrank, nahm mir ein Bier und trank es im Stehen halbleer. Irgendjemand hatte mir einen blöden Streich gespielt. Nur wer? Ein Aprilscherz im Oktober? In Gedanken ging ich alle meine Bekannten durch.
"Moment mal!" Ich stellte das Bier auf dem Tisch ab. Erneut rief ich die Telefonnummer an. Vielleicht hatte ich mich ja verhört oder die Adresse falsch mitgeschrieben!
"Die Nummer ist nicht vergeben", tönte es aus dem Hörer. Erneut rief ich die Rückwärtssuche zu der Telefonnummer auf. Der Eintrag stand noch in der Datenbank. Über Googlemaps schaute ich mir ein Satellitenfoto der Adresse an. Nichts, das heißt, an der Adresse lag ein Park. Zögernd tippte ich die mir genannte Adresse in einen Internetdienst zur GPS-Lokalisierung ein.
"Bingo", flüstere ich, nahm meine Jacke vom Garderobenhaken und machte mich auf den Weg. Die Adressangabe 52 57 766 00 und 13 30 072 00 stimmten von den Koordinaten her mit der Ortangabe zur Telefonnummer überein!
Mein Sunstepper stand wie immer direkt neben der Tür. Tagsüber speiste die Solarzellenoberfläche des Rollers die Elektronik und den Motor. Da bereits die Nacht hereinbrach, übernahm automatisch der Akku die Stromversorgung. Der Einfachheit halber tippte ich die GPS Koordinaten ein. Während der Fahrt grübelte ich, warum ich weitere Zeit mit diesem "Auftrag" vergeudete. Ein Forensiker sichert Spuren. Er hackt sich nicht in Systeme ein, sondern erkennt ein unsicheres System und bereitet getätigte Angriffsversuche für die Staatsanwaltschaft auf. Er ist auch kein Detektiv, also was sollte das hier alles? Ein Summton riss mich aus meinen Gedanken. Ich erreichte mein Ziel und stand direkt vor einem Baum. Bewaffnet mit meinem linuxbasierten iCom-Phone umrundete ich diesen, dann rief ich die Taschenlampen-App auf und leuchtete den Stamm ab. An einer Stelle ragte ein USB-Anschluss heraus. Ohne zu zögern, steckte ich meinen iCom an den Anschluss. Auch dies war ein leichtsinniger Fehler. Zu dieser Zeit vertraute ich noch darauf, dass es für ein Linuxbetriebssystem kaum Viren und Malware gab. Das Display schaltete sich aus. Verwundert tippte ich auf darauf herum. Vielleicht war ja nur der Bildschirmschoner angegangen, hoffte ich. Automatisch hielt ich die Luft an, stöpselte mein Gerät ab und schaltete es aus. Versuchte es auszuschalten. Die grüne LED blinkte. Die LED für Funkverkehr. Hektisch öffnete ich die Rückseite meines iCom.
"Mist!", schrie ich unbeherrscht. Alte Handys hatten noch eine Mikro-Simkarte, dies hier war ein iCom. Ein lebenslang an eine feste IP-Adresse gebundenes Gerät mit tausend Funktionen, jedoch ohne Ausschalter. In meinem Hirn purzelten die Werbeslogans durcheinander: Handy, Mail, Social Network, Fernsehen, Notizblock, sämtlicher Schriftverkehr, Scanner, Drucker, ...
Das Ding sendete wahrscheinlich mein ganzes Leben sprich meine Kontodaten an einen Hacker und womöglich meinen Lebenslauf an einen Personalausweisfälscher! Mein Magen rebellierte. Weder konnte ich die Datenübertragung beenden, noch das Gerät ausschalten. Wie konnte ich den Funkverkehr am ehesten unterbinden? Die Antenne abbrechen, indes die war im Gerät fest integriert, genauso wie der Akku. Außerdem wollte ich das 2000 Credits teure Gerät nicht kaputtmachen. Meine Augen suchten hektisch das Gelände ab. Hier gab es aber auch nichts, was einen Funkverkehr lahmlegen würde. Ein Farradayscher Käfig konnte das Übertragungssignal abschirmen! Ich rannte von Grab zu Grab und suchte nach Metallkreuzen, doch selbst wenn ich eines fände, wäre es zu fest verankert, um es herauszureißen. Wahrscheinlich hätte ich so ein Kreuz eh nicht um mein Gerät biegen können. Völlig außer Atem kam ich am Müllcontainer vorbei. Er war aus Metall und ich warf mein Gerät hinein, klappte den Containerdeckel drüber und hoffte so den Funkverkehr zu unterbinden. Doch was nun? Der Container war viel zu groß, um ihn mit nach Hause zu nehmen. Ich beschloss meinen iCom hierzulassen und nach Hause zu fahren. Dort würde ich per Fernwartung kontrollieren, was hier geschehen war. Der Sunstepper brummte so laut er konnte, während ich mit voller Energie nach Hause düste. Mir blieb fast das Herz stehen, als ich ankam. Meine Wohnungstür stand sperrangelweit offen!
[red]Fortsetzung folgt ...[/red]
Teil 1
"Wir brauchen sie! Hier und sofort!"
Obwohl es in meinem Beruf gängige Praxis ist, dass Kunden meine Dienste immer unverzüglich benötigen, irritierte mich der Ton. Nein, er brachte mich in Rage. Ich konnte befehlende und derart resolute Äußerungen genauso wenig leiden, wie den immer häufigeren Einsatz von Robotern mit menschlichen Zügen.
"Sofort", wiederholte ich trotzig.
Eigentlich wollte ich nicht bei einem Arbeitgeber tätig sein, der ungehörig seine Macht demonstriert, offensichtlich Mitarbeiter wie Leibeigene behandelt und dann womöglich ausspeit, wenn diese nicht einen erhofften Umsatz erwirtschaften. Genau aus diesem Grund gab ich vor gut einem halben Jahr meinen Job auf und versuchte mein Glück in der Selbstständigkeit.
Ich schwankte zwischen meinem entfachten Trotz und dem benötigten Geld.
"Was ist ihnen dieses `sofort´ wert?", fragte ich entsprechend aufgebracht. Bereits in dem Moment, in dem ich es aussprach, ärgerte ich mich. Schließlich wollte ich einen Kundenstamm aufbauen! Ärger hin oder her! Mein zweites Standbein der PC-Nothilfe bei Virenbefall mit Linuxmitteln griff nicht.
"Linux verschreckt die Kunden,", hatte mir jemand gesteckt, "weil damit kein Windows-Normalo etwas anfangen kann." Außerdem hatte ich festgestellt, dass sich fast jeder, der sich einen Virus einfing, einen Bekannten rief. Kam der nicht weiter, holte er sich Informationen im Internet. All dies waren keine guten Voraussetzungen für mich als frischgebackenen Forensiker. Als Ziel hatte ich mir gesetzt, für die Polizei oder für die Staatsanwaltschaft tätig zu sein. Doch um dort Aufträge zu ergattern, musste ich Erfolge und einen untadeligen Ruf nachweisen. An Firmen kam ich ohne Beziehungen auch schlecht heran, schon gar nicht, da ich so unbekannt war wie ein Krümel in einem Sandkuchen.
"Es wird ihr Schade nicht sein!", bellte er und legte auf.
Mit klopfendem Herzen zerrte ich am Mikrofon meines Headsets herum. Er nannte weder Namen noch Adresse! Zum Glück hatte ich kürzlich meine Fritzbox gepatcht, um VoIP-Gespräche automatisch in der Anrufbeantworterfunktion mitzuschneiden. Ich hörte den Anruf erneut ab. Nebenbei öffnete ich das Log meiner Fritzbox und suchte nach der zuletzt notierten Telefonnummer.
Gegen meine natürliche Neugier kam ich nicht an. Sobald diese geweckt war, gab es kein Halten mehr für mich. Über den Dienst Klicktel führte ich eine Rückwärtssuche zur Telefonnummer durch und erfuhr Namen und Adresse meines Auftraggebers.
"Ein Headhunter", jubelte ich. Eilig wählte ich die Nummer. Wenn ich schnell zurückrief und ihn auf sein Versäumnis mir keine Adresse genannt zu haben aufmerksam machte, konnte ich vielleicht punkten! Meine Güte, ein Headhunter, ein Jobvermittler! Der hatte natürlich Verbindungen!
"KI einschalten", rief ich in das Mikro meines Headsets. Diese wunderbare Verquickung von künstlicher Intelligenz und Hardware konnte mir helfen, schneller an Informationen zu kommen.
"Headhuntingbüro Peters und Partner", meldete er sich.
Mein Headsetmikrofon reagierte prompt auf die Nachricht, sendete die Audionachricht über das Spracherkennungsprogramm Palaver an meinen KDE-Browser. Der wiederum übernahm mittels Sprachsteuerung die Adresse im Suchfenster. Dies ermöglichte mir, mich vollständig auf meinen Gesprächspartner zu konzentrieren und gleichzeitig die Webseite zu studieren. Headhunting PP stand dort. PP wie Pinkelpause? Statt zu lächeln, hätte ich mich darüber wundern sollen oder besser noch: Ich hätte besser aufgelegt. Dies konnte ja nicht seriös sein. Er war selbst am Telefon, also leitete er nur ein kleines Büro. Auch dies als Warnung zu interpretieren wäre hilfreich gewesen. Doch bevor ein Hauch von Vorsichtigkeit oder Enttäuschung meine Euphorie dämpfen konnte, sprach er schon weiter:
"Herr Rensiker, sie haben eine Minute und 13 Sekunden gebraucht. Das ist gar nicht schlecht! Wenn Sie jetzt nicht auflegen, sind sie automatisch einverstanden, dass das Gespräch aufgezeichnet wird."
Mir blieb meine eiligst überlegte Ansprache im Halse stecken. Für einen kleinen Moment fühlte ich mich wie bei einem dieser Werbetelefonanrufe, doch mir blieb keine Zeit zum Nachdenken.
"Verzeihen sie", hörte ich seine Stimme. "Normalerweise gehen wir die Auswahl möglicher Arbeitnehmer anders an, aber unser Kunde legte das Vorgehen so fest, um einen Arbeitnehmer zu ermitteln, dem das Wasser bis zum Hals steht."
Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Nur mühsam gelang es mir, ihn wegzuschlucken. Ungeschickt, dachte ich noch, aber die Erklärung fand ich bald. Herr Peters sprach weiter, ohne eine Reaktion von mir abzuwarten.
"Der Kunde möchte unerkannt bleiben und den ersten Forensiker einstellen, der es nötig hat und in der Lage ist innerhalb von zwei Minuten zurückzurufen. Also, herzlichen Glückwunsch, sie führen mit Abstand."
Seine Stimme kam mir etwas gelangweilt vor, trotzdem umkrampfte ich die Kopfhörer meines Headsets, als hätte ich den Jackpot geknackt.
"Wenn sie einen Kurzjob mit absoluter Verschwiegenheitsklausel und doppeltem Verdienst annehmen möchten, dann sagen sie jetzt ja."
Ein Telefonroboter, schoss mir durch den Kopf. Die kleinen Geräte hatten längst die althergebrachten Anrufbeantworter abgelöst und waren für die tollsten Dinge zu gebrauchen. Manchmal setzen sie Aufgaben etwas tölpelhaft um, doch im großen und ganzen ...
"drei, zwei, ...", zählte er herunter.
"Ja", schrie ich.
"Melden Sie sich unter der Adresse 52 57 766 00 und 13 30 072 00."
Die Verbindung brach ab und ich fühlte mich total überrannt. "Komische IP-Adresse", dachte ich noch. Über den Dienst whois versuchte ich etwas über meinen Auftraggeber zu erfahren. Nichts. Ich rief Suchmaschinen auf, suchte in aktuellen sozialen Netzwerken wie neuroLingua und in alten wie Facebook, Google+ und Second Life. Nichts. Mein Portscanner NMap meldete keinen offenen Port auf der IP-Adresse und Zugänge über rLogin, ssh oder die Direkteinwahl per VoIP führten ins Nirwana. Ich vertrödelte meine Zeit mit einem geheimnisvollen Arbeitgeber und hatte nicht einmal einen Arbeitsvertrag in der Hand! Entmutigt ließ ich meine Hände auf die Tastatur sinken. Vielleicht war die Adresse ja noch gar nicht freigeschaltet! Über den Ping-Befehl in der Console erhielt ich eine Bestätigung, dass die Adresse weder verfügbar noch erreichbar war. Enttäuscht ging ich zum Kühlschrank, nahm mir ein Bier und trank es im Stehen halbleer. Irgendjemand hatte mir einen blöden Streich gespielt. Nur wer? Ein Aprilscherz im Oktober? In Gedanken ging ich alle meine Bekannten durch.
"Moment mal!" Ich stellte das Bier auf dem Tisch ab. Erneut rief ich die Telefonnummer an. Vielleicht hatte ich mich ja verhört oder die Adresse falsch mitgeschrieben!
"Die Nummer ist nicht vergeben", tönte es aus dem Hörer. Erneut rief ich die Rückwärtssuche zu der Telefonnummer auf. Der Eintrag stand noch in der Datenbank. Über Googlemaps schaute ich mir ein Satellitenfoto der Adresse an. Nichts, das heißt, an der Adresse lag ein Park. Zögernd tippte ich die mir genannte Adresse in einen Internetdienst zur GPS-Lokalisierung ein.
"Bingo", flüstere ich, nahm meine Jacke vom Garderobenhaken und machte mich auf den Weg. Die Adressangabe 52 57 766 00 und 13 30 072 00 stimmten von den Koordinaten her mit der Ortangabe zur Telefonnummer überein!
Mein Sunstepper stand wie immer direkt neben der Tür. Tagsüber speiste die Solarzellenoberfläche des Rollers die Elektronik und den Motor. Da bereits die Nacht hereinbrach, übernahm automatisch der Akku die Stromversorgung. Der Einfachheit halber tippte ich die GPS Koordinaten ein. Während der Fahrt grübelte ich, warum ich weitere Zeit mit diesem "Auftrag" vergeudete. Ein Forensiker sichert Spuren. Er hackt sich nicht in Systeme ein, sondern erkennt ein unsicheres System und bereitet getätigte Angriffsversuche für die Staatsanwaltschaft auf. Er ist auch kein Detektiv, also was sollte das hier alles? Ein Summton riss mich aus meinen Gedanken. Ich erreichte mein Ziel und stand direkt vor einem Baum. Bewaffnet mit meinem linuxbasierten iCom-Phone umrundete ich diesen, dann rief ich die Taschenlampen-App auf und leuchtete den Stamm ab. An einer Stelle ragte ein USB-Anschluss heraus. Ohne zu zögern, steckte ich meinen iCom an den Anschluss. Auch dies war ein leichtsinniger Fehler. Zu dieser Zeit vertraute ich noch darauf, dass es für ein Linuxbetriebssystem kaum Viren und Malware gab. Das Display schaltete sich aus. Verwundert tippte ich auf darauf herum. Vielleicht war ja nur der Bildschirmschoner angegangen, hoffte ich. Automatisch hielt ich die Luft an, stöpselte mein Gerät ab und schaltete es aus. Versuchte es auszuschalten. Die grüne LED blinkte. Die LED für Funkverkehr. Hektisch öffnete ich die Rückseite meines iCom.
"Mist!", schrie ich unbeherrscht. Alte Handys hatten noch eine Mikro-Simkarte, dies hier war ein iCom. Ein lebenslang an eine feste IP-Adresse gebundenes Gerät mit tausend Funktionen, jedoch ohne Ausschalter. In meinem Hirn purzelten die Werbeslogans durcheinander: Handy, Mail, Social Network, Fernsehen, Notizblock, sämtlicher Schriftverkehr, Scanner, Drucker, ...
Das Ding sendete wahrscheinlich mein ganzes Leben sprich meine Kontodaten an einen Hacker und womöglich meinen Lebenslauf an einen Personalausweisfälscher! Mein Magen rebellierte. Weder konnte ich die Datenübertragung beenden, noch das Gerät ausschalten. Wie konnte ich den Funkverkehr am ehesten unterbinden? Die Antenne abbrechen, indes die war im Gerät fest integriert, genauso wie der Akku. Außerdem wollte ich das 2000 Credits teure Gerät nicht kaputtmachen. Meine Augen suchten hektisch das Gelände ab. Hier gab es aber auch nichts, was einen Funkverkehr lahmlegen würde. Ein Farradayscher Käfig konnte das Übertragungssignal abschirmen! Ich rannte von Grab zu Grab und suchte nach Metallkreuzen, doch selbst wenn ich eines fände, wäre es zu fest verankert, um es herauszureißen. Wahrscheinlich hätte ich so ein Kreuz eh nicht um mein Gerät biegen können. Völlig außer Atem kam ich am Müllcontainer vorbei. Er war aus Metall und ich warf mein Gerät hinein, klappte den Containerdeckel drüber und hoffte so den Funkverkehr zu unterbinden. Doch was nun? Der Container war viel zu groß, um ihn mit nach Hause zu nehmen. Ich beschloss meinen iCom hierzulassen und nach Hause zu fahren. Dort würde ich per Fernwartung kontrollieren, was hier geschehen war. Der Sunstepper brummte so laut er konnte, während ich mit voller Energie nach Hause düste. Mir blieb fast das Herz stehen, als ich ankam. Meine Wohnungstür stand sperrangelweit offen!
[red]Fortsetzung folgt ...[/red]