Fo Rensiker - sofort! - Teil 2

Wic

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Fo Rensiker - sofort! - Teil 2

Die Diebe hatten alle PCs inklusive meiner nagelneuen Forensikerausrüstung gestohlen! Selbst das halbvolle Bier hatten sie ausgetrunken! Sie mussten also auch die Position meines iComs ausgelesen haben und räumten meine Bude aus, solange ich nicht da war. Wütend klingelte ich bei meinem Nachbarn Sturm.

"Was soll denn das?", schnappte dieser aufgebracht.

"Rufen sie die Polizei!"

"Wer sind sie denn überhaupt?"

Argwöhnisch starrten wir uns an. Wie kannten einander nicht. Keiner kannte mehr seine Nachbarn. Wir alle waren weltweit vernetzt und kannten niemanden mehr persönlich. Offensichtlich schossen ihm die gleichen Gedanken durch den Kopf. Er wählte auf seinem Smartphone und reichte mir das Gerät, während er sich gleichzeitig zwischen mich und die Haustür schob. Er war misstrauisch, wie ich selbst im realen Leben und bei Onlineaktivitäten auch. Nur beim Anschließen von Geräten an irgendwelche Stecker ging ich offensichtlich äußerst unvorsichtig vor! Im Geiste trampelte ich vor Wut auf der Stelle.

"Kommen Sie in die Direktion 13, Abteilung Schwerverbrechen, sie sind nicht der Erste, der ausgenommen wurde", antwortete mir eine Frauenstimme.

"Danke", rief ich meinem Nachbarn zu, der ohne Regung gewartet hatte. Jetzt galt es, schnell dorthin zu kommen. Ich drängte mich an ihm vorbei, obwohl der wie angewurzelt im Wege stand und rannte, so schnell ich konnte zum Sunstepper. Gerade wollte ich losbrausen, als seine Faust mich traf.

"So einfach klaust du mir mein Smartphone nicht", schnarrte er.

Während mein Auge zuschwoll, suchte ich den Weg zur Direktion 13. Dort angekommen lotste mich ein iRobot in die Abteilung für Körperverletzung.

"Ich wurde ausgeraubt", rief ich. "Man hat mich in die Abteilung Schwerverbrechen bestellt!"

Einer dieser iRobots gluckste verhalten: "Schwerverbrechen, die kleine Beule, hahaha."

Eigentlich habe ich sonst Sinn für Roboter mit menschlichen Zügen, heute stand mir der Sinn überhaupt nicht danach. Ich suchte krampfhaft Blickkontakt zu dem Blechkameraden und sprach wie mit einem störrischen Kind: "Hör zu!"

Er erstarrte und gehorchte. Endlich wies er mir den Weg in die Direktion 13, Abteilung Schwerverbrechen. Sie schraubten das Schild gerade ab und ersetzten es gegen ein Neues.

"Wir heißen jetzt Rookie Vitro Pish!", lachte ein Mitarbeiter verhalten. Er verstummte, als ein stämmiger Mann ihn missbilligend ansah. Wahrscheinlich sein Chef.

Ich blieb stirnrunzelnd stehen und überlegte: "Rooki, ja, wie ein Anfänger fühlte ich mich. Vitro könnte bedeuten `im Glas sitzen´ und Pish ist der, der wie ein Vogel zwitschert.
"Wollen Sie die Opfer auch noch beleidigen?", fragte ich scharf.

Eine Frau stand vom Schreibtisch auf und zeigte auf ein bereits angebrachtes Schild: "Rootkit, Virus, Trojaner und Pishing, kurz RoKiViTroPish. Hier beleidigt niemand jemanden. Wir sind innerhalb der Behörde eine externe und private Sonderermittlung mit Spezialbefugnissen. Das letzte Wort zog sie in die Länge. "Sie sind Herr Rensiker?"

Ich nickte.

"Kommen Sie, es können ja nicht alle Forensiker sein und derlei Betrügereien im Vorfeld erkennen!"

Nervös bohrte ich mit der Zunge in meinem Mund herum.

"Kann ich ihre Daten haben?"

Erneut nickte ich. Bei der Frage nach meinem Beruf murmelte ich: "Forensische Analysen."

Sie hielt beim Tippen inne. "Ach eine dieser Buden, die versuchen, unbedarften Lamern den Weg zu weisen?" Mühsam unterdrückte sie ein Lachen, hob eine Augenbraue und schaute ab sofort durch mich hindurch.

"Lamer?", fragte ich verstört.

"Na wie dieser Lamer Exterminator Virus, der auf dem seligen AMIGA im letzten Jahrhundert sein Unwesen trieb. Der hat doch nur unvorsichtige Benutzer heimgesucht, und die haben dann den PC einfach `neu aufgesetzt´, egal wie viel Arbeit und Datenverluste dies verursachte."
Sie sah kurz in meine Richtung, fixierte jedoch erneut irgendeinen Ort hinter meiner Nasenwurzel. "Lamer halt."

Ich riss mich zusammen, in der Hoffnung Informationen und Hilfe zu erhalten. Gleichzeitig wusste ich, dass sie nachher ebenso über mich herziehen würde, wie jetzt über die 'Lamer'.

"Kommen Sie mal zu mir herum", sagte sie fast mütterlich.

Ich nahm es als Entschuldigung.

Beide starrten wir auf den Bildschirm.

"Es ist mir so peinlich auf den Betrug hereingefallen zu sein", stammelte ich.

Sie ignorierte meine Bemerkung. Als sie endlich sprach, hörte ich einen besserwisserischen Ton heraus. Es ärgerte mich.
"Sie wissen, was eine KI ist?"

Ich nickte. Künstliche Intelligenz, na und. Die gibt es in abgespeckter Form sogar in Kühlschränken.

"Die Betrüger setzen KI-Roboter ein, die all Ihre Daten aus dem Internet zusammentragen. Diese sammeln sie in Big Data Containern. Anhand der Analyseprogramme werden alle passenden Daten miteinander verknüpft." Kurz hielt sie inne, um die Wirkung ihres Wissens auf mich zu prüfen. Jetzt erhob sie auch noch ihre Stimme: "Immer wenn sie über ihre E-Mail-Adresse im Internet Nachrichten versenden,", belehrte sie mich, "unterschreiben Sie ihren Text üblicherweise zumindest mit ihrem Vornamen. Irgendwann senden sie irgendjemandem z.B. ihr Geburtsdatum oder ihren Beruf."

Ich räusperte mich in meinem Ärger. Am liebsten hätte ich sie zur Rede gestellt, warum sie mich so niedermachte mit ihrer Stimme, ihrem arroganten Gehabe, mit ihrer ganzen Art. Offensichtlich merkte sie meinen Unmut. Sie zögerte kurz, trällerte dann jedoch doch etwas keck: "Forensiker, ja? Ich finde ja, das sollte eine geschützte Berufsbezeichnung sein."

Ich zuckte innerlich zusammen, während sie es genoss, ihr augenscheinlich kleines Selbstbewusstsein auf meine Kosten aufzuwerten. Ein Kollege schaute zu uns herüber und sie fuhr in ihren Ausführungen fort, als hätte sie mich eben nicht gedisst. "Dann trägt der KI-Roboter alle Daten im Internet zusammen und analysiert alles, bis er ein Profil des neuen Opfers erstellt hat. Jede neue Information ermöglicht es den Robotern und deren Analyseprogrammen weitere UND-Verknüpfungen und neuerdings auch eine unbegrenzte Anzahl von ODER-Verknüpfungen in Suchanweisungen zu verbinden."
Sie sprach immer schneller, tippte einfach meinen Vornamen, Nachnamen und meinen Beruf in der kostenlosen Personensuche pipl.com ein und warf sich, überlegen, wie sie war, in ihrem gepolsterten Bürostuhl zurück. Ich staunte nicht schlecht über die seitenweisen Ausgaben auf dem Bildschirm.

"Und warum haben die Diebe es bei mir so kompliziert gemacht?", fragte ich. "Sie hätten doch einfach in meine Wohnung einbrechen können!"

Ihre Augen klimperten überheblich. "Dies ist die neue Variante der Diebe. Heute trägt jeder normalerweise ein Smartphone oder Tablet immer bei sich. Hätten Sie ihr Smartphone unbedarft an einen USB-Stick zweifelhaften Ursprungs gesteckt? Nein. Ihre Neugier hat sie getrieben und ihr Streben endlich einen Auftrag zu ergattern. Die Diebe nutzen mittlerweile alle Kanäle, die sie auswerten können. Ich nenne sie SoTa. Social-Taktiker. Sie überlegen sich eine Taktik, um mit ihren Opfern zu spielen und dann optimal auszulöschen. Neben allen Daten, die sie Herr Rensiker (sie trieb es langsam auf die Spitze, aber ich brauchte ihre Informationen) im Internet selbst preisgeben, hinterlegen sie in ihrem Handy oder wo auch immer."

"Ja und?", fragte ich matt.

"Ja, was haben Sie denn in ihrem ..."

"iCom", half ich ihr aus.

"... ihrem Icom gespeichert, was nicht im Internet verfügbar ist?"

Ich überlegte. Online sicherte ich meine Fotos, Mails, Adressen, meinen Aufenthaltsort, meine Urlaubsplanungen und Angaben über meine Hobbys. Was zusätzlich auf dem Icom sein sollte, konnte ich mir nicht erklären.

"Ich helfe ihnen. Sie hinterlegen in ihrem Gerät alle ihre Passworte für ihre Mailaccounts, SMS, MMS und vielleicht sogar ihre Verbindungsdaten für das Onlinebanking!"

"Sie rauben mich aus", stöhnte ich, "und das komplett."

Sie schüttelte den Kopf. "Kompletter als komplett. Sie haben zeitgleich ihre Wohnung durchstöbert und ihr Leben vom Scheitel bis zur Sohle gestohlen."

Ich runzelte die Stirn.

"Angenommen sie wollen sich jetzt Bewerben, egal um was; Wohnung, Arbeitsplatz oder eine Ehe eingehen. Sie haben keine Papiere, keine Verträge, ja nicht einmal einen Ausbildungsnachweis. Beantragen Sie mal eine Versicherungsnummer ohne Papiere."
Sie sah mich herausfordernd an.

Zögernd schüttelte ich den Kopf: "Quatsch. Wenn jemandem sein Haus abbrennt, sind seine Daten auch weg."

Sie nickte. "Während wir so nett plaudern,", sagte sie, "wählen sich die Diebe mit den gestohlenen Passworten in ihr Leben ein und verkaufen einem Mafiosi dann nicht nur einen nachgemachten Personalausweis, sondern ein komplettes Leben!" Sie sah mich mitleidig an. "Sie sterben gerade digital. Sie werden gelöscht, ihr Bild ausgetauscht, sie sind tot, mausetot."

"Dann tun sie doch etwas", rief ich aufgebracht.

"Ich weiß ja nicht einmal, wer sie wirklich sind", griente sie.

"Was lachen sie denn jetzt so blöd?", schrie ich.

"Wenn Sie mir eine Anzeige unterschreiben, wird diese im EDV-System abgelegt und von den KI-Robots der Gauner automatisch gelöscht", japste sie. "Oh, das ist genial!"

Wütend stürmte ich aus dem Gebäude. So wie sie wollte ich nicht werden. Am Schreibtisch gefesselt und die einzige Freude darin sehen, sich am Leid anderer zu ergötzen. Wahrscheinlich war sie unglücklich mit sich selbst, aber sie gab mir wertvolle Informationen. Sie hatte mich angestachelt. Allein, um es ihr zu zeigen, würde ich eine Lösung finden, zu der sie nicht fähig war.

"Überlege, überlege, überlege", trieb ich mich an. Meine Gedanken kreisen. "Ich bin Forensiker, das wäre doch gelacht, wenn ich aus dieser Nummer nicht herauskäme!" Etwas ratlos stand ich vor meinem SunStepper. Dann kam mir die Idee. Solange eine Datenübertragung stattfindet, kann ich die übertragenen Daten abfangen und sichern! Mit Schwung warf ich mich auf meinen SunStepper, fuhr zu meiner Freundin und bat um ihren alten Tablet-PC.

"Der Akku ist bestimmt leer", rief sie. Besorgt strich sie mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und besah mich. "Was ist mit Deinem Auge?"

Ich hob abwehrend die Hand. "Ich erzähle es dir nachher, versprochen. Im Moment arbeite ich an einem wichtigen Auftrag."
Jeder Mensch lügt am Tag 200 mal, dies war heute meine erste Lüge, jedenfalls soweit ich mich erinnerte.

[red]Fortsetzung folgt ...[/red]
 

Wic

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Fo Rensiker - sofort! - Teil 2

Die Diebe hatten alle PCs inklusive meiner nagelneuen Forensikerausrüstung gestohlen! Selbst das halbvolle Bier hatten sie ausgetrunken! Sie mussten also auch die Position meines iComs ausgelesen haben und räumten meine Bude aus, solange ich nicht da war. Wütend klingelte ich bei meinem Nachbarn Sturm.

"Was soll denn das?", schnappte dieser aufgebracht.

"Rufen sie die Polizei!"

"Wer sind sie denn überhaupt?"

Argwöhnisch starrten wir uns an. Wie kannten einander nicht. Keiner kannte mehr seine Nachbarn. Wir alle waren weltweit vernetzt und kannten niemanden mehr persönlich. Offensichtlich schossen ihm die gleichen Gedanken durch den Kopf. Er wählte auf seinem Smartphone und reichte mir das Gerät, während er sich gleichzeitig zwischen mich und die Haustür schob. Er war misstrauisch, wie ich selbst im realen Leben und bei Onlineaktivitäten auch. Nur beim Anschließen von Geräten an irgendwelche Stecker ging ich offensichtlich äußerst unvorsichtig vor! Im Geiste trampelte ich vor Wut auf der Stelle.

"Kommen Sie in die Direktion 13, Abteilung Schwerverbrechen, sie sind nicht der Erste, der ausgenommen wurde", antwortete mir eine Frauenstimme.

"Danke", rief ich meinem Nachbarn zu, der ohne Regung gewartet hatte. Jetzt galt es, schnell dorthin zu kommen. Ich drängte mich an ihm vorbei, obwohl der wie angewurzelt im Wege stand und rannte, so schnell ich konnte zum Sunstepper. Gerade wollte ich losbrausen, als seine Faust mich traf.

"So einfach klaust du mir mein Smartphone nicht", schnarrte er.

Während mein Auge zuschwoll, suchte ich den Weg zur Direktion 13. Dort angekommen lotste mich ein iRobot in die Abteilung für Körperverletzung.

"Ich wurde ausgeraubt", rief ich. "Man hat mich in die Abteilung Schwerverbrechen bestellt!"

Einer dieser iRobots gluckste verhalten: "Schwerverbrechen, die kleine Beule, hahaha."

Wie schon gesagt kann ich Roboter mit menschlichen Zügen nicht leiden. Heute stand mir der Sinn überhaupt nicht nach einer weiteren Erfahrung mit so einem Blechkopf. Ich suchte krampfhaft Blickkontakt zu dem Blechkameraden und sprach wie mit einem störrischen Kind: "Hör zu!"

Er erstarrte und gehorchte. Endlich wies er mir den Weg in die Direktion 13, Abteilung Schwerverbrechen. Sie schraubten das Schild gerade ab und ersetzten es gegen ein Neues.

"Wir heißen jetzt Rookie Vitro Pish!", lachte ein Mitarbeiter verhalten. Er verstummte, als ein stämmiger Mann ihn missbilligend ansah. Wahrscheinlich sein Chef.

Ich blieb stirnrunzelnd stehen und überlegte: "Rooki, ja, wie ein Anfänger fühlte ich mich. Vitro könnte bedeuten `im Glas sitzen´ und Pish ist der, der wie ein Vogel zwitschert.
"Wollen Sie die Opfer auch noch beleidigen?", fragte ich scharf.

Eine Frau stand vom Schreibtisch auf und zeigte auf ein bereits angebrachtes Schild: "Rootkit, Virus, Trojaner und Pishing, kurz RoKiViTroPish. Hier beleidigt niemand jemanden. Wir sind innerhalb der Behörde eine externe und private Sonderermittlung mit Spezialbefugnissen. Das letzte Wort zog sie in die Länge. "Sie sind Herr Rensiker?"

Ich nickte.

"Kommen Sie, es können ja nicht alle Forensiker sein und derlei Betrügereien im Vorfeld erkennen!"

Nervös bohrte ich mit der Zunge in meinem Mund herum.

"Kann ich ihre Daten haben?"

Erneut nickte ich. Bei der Frage nach meinem Beruf murmelte ich: "Forensische Analysen."

Sie hielt beim Tippen inne. "Ach eine dieser Buden, die versuchen, unbedarften Lamern den Weg zu weisen?" Mühsam unterdrückte sie ein Lachen, hob eine Augenbraue und schaute ab sofort durch mich hindurch.

"Lamer?", fragte ich verstört.

"Na äh ...", sie suchte nach Worten, "... na - PC-Anwender mit wenig Kenntnissen."

Sie sah kurz in meine Richtung, fixierte jedoch erneut irgendeinen Ort hinter meiner Nasenwurzel. "Lamer halt."

Ich riss mich zusammen in der Hoffnung Informationen und Hilfe zu erhalten. Gleichzeitig wusste ich, dass sie nachher ebenso über mich herziehen würde, wie jetzt über die 'Lamer'.

"Kommen Sie mal zu mir herum", sagte sie fast mütterlich.

Ich nahm es als Entschuldigung.

Beide starrten wir auf den Bildschirm.

"Es ist mir so peinlich auf den Betrug hereingefallen zu sein", stammelte ich.

Sie ignorierte meine Bemerkung. Als sie endlich sprach, hörte ich einen besserwisserischen Ton heraus. Es ärgerte mich.

"Sie wissen, was eine KI ist?"

Ich nickte: "Künstliche Intelligenz. Na und? Die gibt es in abgespeckter Form sogar in Kühlschränken!"

"Die Betrüger setzen KI-Roboter ein, die all Ihre Daten aus dem Internet zusammentragen oder sogar verändern. Analyseprogramme verknüpfen alle passenden Daten miteinander." Kurz hielt sie inne, um die Wirkung ihres Wissens auf mich zu prüfen. Jetzt erhob sie auch noch ihre Stimme: "Immer wenn sie über ihre E-Mail-Adresse im Internet Nachrichten versenden,", belehrte sie mich, "unterschreiben Sie ihren Text üblicherweise zumindest mit ihrem Vornamen. Irgendwann senden sie irgendjemandem z.B. ihr Geburtsdatum oder ihren Beruf."

Ich räusperte mich in meinem Ärger. Am liebsten hätte ich sie zur Rede gestellt, warum sie mich so niedermachte mit ihrer Stimme, ihrem arroganten Gehabe, mit ihrer ganzen Art. Offensichtlich merkte sie meinen Unmut. Sie zögerte kurz, trällerte dann jedoch doch etwas keck: "Forensiker, ja? Ich finde ja, das sollte eine geschützte Berufsbezeichnung sein."

Ich zuckte innerlich zusammen, während sie es genoss, ihr augenscheinlich kleines Selbstbewusstsein auf meine Kosten aufzuwerten. Ein Kollege schaute zu uns herüber und sie fuhr in ihren Ausführungen fort, als hätte sie mich eben nicht gedisst. "Die Betrüger erstellen anhand der Daten ein Profil des neuen Opfers. Jede neue Information verfeinert das Profil!"

Sie sprach immer schneller, tippte einfach meinen Vornamen, Nachnamen und meinen Beruf in der kostenlosen Personensuche pipl.com ein und warf sich, überlegen, wie sie war, in ihrem gepolsterten Bürostuhl zurück. Ich staunte nicht schlecht über die seitenweisen Ausgaben auf dem Bildschirm.

"Und warum haben die Diebe es bei mir so kompliziert gemacht?", fragte ich. "Sie hätten doch einfach in meine Wohnung einbrechen können!"

Ihre Augen klimperten überheblich. "Dies ist die neue Variante der Diebe. Heute trägt jeder normalerweise ein Smartphone oder Tablet immer bei sich. Hätten Sie ihr Smartphone unbedarft an einen USB-Stick zweifelhaften Ursprungs gesteckt? Nein. Ihre Neugier hat sie getrieben und ihr Streben endlich einen Auftrag zu ergattern. Die Diebe nutzen mittlerweile alle Kanäle, die sie auswerten können. Die Betrüger überlegen sich eine Taktik, um mit ihren Opfern zu spielen und dann optimal auszulöschen. Neben allen Daten, die sie Herr Rensiker (sie trieb es langsam auf die Spitze, aber ich brauchte ihre Informationen) im Internet selbst preisgeben, hinterlegen sie in ihrem Handy oder wo auch immer."

"Ja und?", fragte ich matt.

"Ja, was haben Sie denn in ihrem ..."

"iCom", half ich ihr aus.

"... ihrem iCom gespeichert, was nicht im Internet verfügbar ist?"

Ich überlegte. Online sicherte ich meine Fotos, Mails, Adressen, meinen Aufenthaltsort, meine Urlaubsplanungen und Angaben über meine Hobbys. Was zusätzlich auf dem iCom sein sollte, konnte ich mir nicht erklären.

"Ich helfe ihnen. Sie hinterlegen in ihrem Gerät alle ihre Passworte für ihre Mailaccounts und vielleicht sogar ihre Verbindungsdaten für das Onlinebanking!"

"Sie rauben mich aus!", stöhnte ich, "Und das komplett."

Sie schüttelte den Kopf. "Kompletter als komplett. Sie haben zeitgleich ihre Wohnung durchstöbert und ihr Leben vom Scheitel bis zur Sohle gestohlen."

Ich runzelte die Stirn.

"Angenommen sie wollen sich jetzt bewerben, egal um was; Wohnung, Arbeitsplatz oder eine Ehe eingehen. Sie haben keine Papiere, keine Verträge, ja nicht einmal einen Ausbildungsnachweis. Beantragen Sie mal eine Versicherungsnummer ohne Papiere."
Sie sah mich herausfordernd an.

Zögernd schüttelte ich den Kopf: "Quatsch. Wenn jemandem sein Haus abbrennt, sind seine Daten auch weg."

Sie nickte. "Während wir so nett plaudern,", sagte sie, "wählen sich die Diebe mit den gestohlenen Passworten in ihr Leben ein und verkaufen einem Mafiosi dann nicht nur einen nachgemachten Personalausweis, sondern ein komplettes Leben!" Sie sah mich mitleidig an. "Sie sterben gerade digital. Sie werden gelöscht, ihr Bild ausgetauscht, sie sind tot, mausetot."

"Dann tun sie doch etwas", rief ich aufgebracht.

"Ich weiß ja nicht einmal, wer sie wirklich sind", griente sie.

"Was lachen sie denn jetzt so blöd?", schrie ich.

"Wenn Sie mir eine Anzeige unterschreiben, wird diese im EDV-System abgelegt und vielleicht von den Gaunern automatisch gelöscht", japste sie. "Oh, das ist genial!"

Wütend stürmte ich aus dem Gebäude. So wie sie wollte ich nicht werden. Am Schreibtisch gefesselt und die einzige Freude darin sehen, sich am Leid anderer zu ergötzen. Wahrscheinlich war sie unglücklich mit sich selbst, aber sie gab mir wertvolle Informationen. Sie hatte mich angestachelt. Allein, um es ihr zu zeigen, würde ich eine Lösung finden, zu der sie nicht fähig war.

"Überlege, überlege, überlege", trieb ich mich an. Meine Gedanken kreisen. "Ich bin Forensiker, das wäre doch gelacht, wenn ich aus dieser Nummer nicht herauskäme!" Etwas ratlos stand ich vor meinem SunStepper. Dann kam mir die Idee. Solange eine Datenübertragung stattfindet, kann ich die übertragenen Daten abfangen und sichern! Mit Schwung warf ich mich auf meinen SunStepper, fuhr zu meiner Freundin und bat um ihren alten Tablet-PC.

"Der Akku ist bestimmt leer", rief sie. Besorgt strich sie mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und besah mich. "Was ist mit Deinem Auge?"

Ich hob abwehrend die Hand. "Ich erzähle es dir nachher, versprochen. Im Moment arbeite ich an einem wichtigen Auftrag."
Jeder Mensch lügt am Tag 200 mal, dies war heute meine erste Lüge, jedenfalls soweit ich mich erinnerte.

[red]Fortsetzung folgt ...[/red]

[blue]Hintergrundinfo:[/blue]
Lamer:
Der Lamer Exterminator Virus trieb auf dem Heimcomputer 'AMIGA' im letzten Jahrhundert sein Unwesen.

Bei Virenbefall haben viele das Betriebssystem des PC kurzerhand neu installiert egal wie viel Arbeit und Datenverluste dies verursachte."
 



 
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