Ji Rina
Mitglied
Ich wollte noch schnell zum Supermarkt. Griff nach meiner Geldbörse, meinen Schlüsseln und verließ das Haus. Um meinen Weg abzukürzen, lief ich durch den Bahnhof. Ich ging gerade vorbei an herumstehenden Menschen mit ihrem Gepäck, als jemand mich plötzlich am Arm festhielt:
„Heee! Was machst duuu denn hier?“
Ich wandte den Kopf und blickte in das völlig überraschte Gesicht einer Frau, so um die fünfzig. Sie trug ein knöchellanges, geblümtes Kleid und auf dem Kopf einen Strohhut. In der Hand hielt sie einen riesen Koffer.
„Ich werd verrückt!“, rief sie, in einer Lautstärke, dass sich einige Passanten nach uns umdrehten. „Wie lange haben wir uns nicht gesehen?“
Ich wollte gerade etwas antworten, als sie den Koffer fallen ließ und mir um den Hals fiel. Ein herumstehendes Pärchen, drei Meter entfernt, hörte jedes Wort mit und grinste.
„Mensch! Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich jemals wiedersehen würde“ Sie küsste mich links und rechts, und trat einen Schritt zurück, um mich von Kopf bis Fuß zu mustern. „Ist das nicht irre? Wieviel Jahre sind vergangen? Fünf? Sechs?“
„Weiß nicht … sechs?“, murmelte ich völlig verdattert, starrte in ihr übergeschminktes Gesicht und versuchte es irgendwo einzuordnen.
„Na, sechs werden es wohl sein!“, sagte sie, „Wahnsinn! Du hast dich überhaupt nicht verändert! Sag mal, bist du denn noch mit diesem Brasilianer zusammen?“
Das Pärchen flüsterte sich jetzt etwas zu und lachte.
„Nee“, sagte ich, wie hypnotisiert.
Sie grinste breit und zeigte eine Reihe großer, schiefer Zähne.
„Das war aber auch ´n ulkiger Kauz! Und jetzt? Bist allein? Bist wieder allein, was? Haha! Oder sag bloß, du hast inzwischen geheiratet … Alle sind sie ja jetzt verheiratet, haben Kinder, sogar Enkelkinder!“
„Ich bin allein“, sagte ich und fragte mich, warum sie so laut sprechen musste, dass der halbe Bahnhof es mitbekam. „Und du?“, sagte ich, auf den Koffer zeigend, „wo geht´s hin?“
„Ich war in der Toskana, beim Malkurs. Bin ja immer noch mit Malerei beschäftigt. Hab im Frühjahr ´ne Ausstellung! Nehme aber gleich den Zug nach Köln. Ich leb noch immer in Köln, daran hat sich nichts geändert“
„Ach!“, sagte ich und stellte mich so hin, dass das Pärchen mich nicht mehr im Blickfeld hatte.
„Aber was machst du denn hier? Lebst du hier?“
„Äh, ja.“, sagte ich, „im Augenblick schon …“
Sie musterte mich und kicherte. Plötzlich wurde sie ernst. „Sag mal, weißt du eigentlich, was aus Gerlinde geworden ist? Damals ist ja ihr Vater verstorben … ´ne lange, komplizierte Geschichte. Danach ist sie dann für ein halbes Jahr nach Indien. Ich hab aber nie wieder was von ihr gehört. Weißt du irgendwas?“
„Nein“, sagte ich. „Ich wusste nicht mal, dass ihr Vater verstorben ist. Aber eigentlich habe ich auch mit niemandem etwas zu tun. Ich lebe seit einigen Jahren sehr, äh … zurückgezogen.“
Sie lachte, musterte mich erneut und warf ein Blick auf ihre Uhr. „Shit! Ich muss zum Zug! Fährt in drei Minuten ab! Hast du noch meine Nummer?“
„Die müsst ich noch haben“, sagte ich schnell und signalisierte, dass auch ich nun weitermüsste. „Ich ruf dich an!“
„Mensch, machst du das wirklich?“
„Versprochen.“
Sie küsste mich noch einmal links und rechts auf die Wange und strich mir über den Kopf. „Ich hab mich so gefreut!“
„Ich auch!“, sagte ich, etwas trocken.
Rasch begab ich mich in den Fluss der Menschenmenge. Versteckt hinter Zeitungsständern drehte ich mich noch einmal nach ihr um. Aber die Frau mit dem großen Koffer war nirgends mehr zu sehen.
Irgendwie schade. Wär bestimmt interessant gewesen, sie näher kennenzulernen.
„Heee! Was machst duuu denn hier?“
Ich wandte den Kopf und blickte in das völlig überraschte Gesicht einer Frau, so um die fünfzig. Sie trug ein knöchellanges, geblümtes Kleid und auf dem Kopf einen Strohhut. In der Hand hielt sie einen riesen Koffer.
„Ich werd verrückt!“, rief sie, in einer Lautstärke, dass sich einige Passanten nach uns umdrehten. „Wie lange haben wir uns nicht gesehen?“
Ich wollte gerade etwas antworten, als sie den Koffer fallen ließ und mir um den Hals fiel. Ein herumstehendes Pärchen, drei Meter entfernt, hörte jedes Wort mit und grinste.
„Mensch! Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich jemals wiedersehen würde“ Sie küsste mich links und rechts, und trat einen Schritt zurück, um mich von Kopf bis Fuß zu mustern. „Ist das nicht irre? Wieviel Jahre sind vergangen? Fünf? Sechs?“
„Weiß nicht … sechs?“, murmelte ich völlig verdattert, starrte in ihr übergeschminktes Gesicht und versuchte es irgendwo einzuordnen.
„Na, sechs werden es wohl sein!“, sagte sie, „Wahnsinn! Du hast dich überhaupt nicht verändert! Sag mal, bist du denn noch mit diesem Brasilianer zusammen?“
Das Pärchen flüsterte sich jetzt etwas zu und lachte.
„Nee“, sagte ich, wie hypnotisiert.
Sie grinste breit und zeigte eine Reihe großer, schiefer Zähne.
„Das war aber auch ´n ulkiger Kauz! Und jetzt? Bist allein? Bist wieder allein, was? Haha! Oder sag bloß, du hast inzwischen geheiratet … Alle sind sie ja jetzt verheiratet, haben Kinder, sogar Enkelkinder!“
„Ich bin allein“, sagte ich und fragte mich, warum sie so laut sprechen musste, dass der halbe Bahnhof es mitbekam. „Und du?“, sagte ich, auf den Koffer zeigend, „wo geht´s hin?“
„Ich war in der Toskana, beim Malkurs. Bin ja immer noch mit Malerei beschäftigt. Hab im Frühjahr ´ne Ausstellung! Nehme aber gleich den Zug nach Köln. Ich leb noch immer in Köln, daran hat sich nichts geändert“
„Ach!“, sagte ich und stellte mich so hin, dass das Pärchen mich nicht mehr im Blickfeld hatte.
„Aber was machst du denn hier? Lebst du hier?“
„Äh, ja.“, sagte ich, „im Augenblick schon …“
Sie musterte mich und kicherte. Plötzlich wurde sie ernst. „Sag mal, weißt du eigentlich, was aus Gerlinde geworden ist? Damals ist ja ihr Vater verstorben … ´ne lange, komplizierte Geschichte. Danach ist sie dann für ein halbes Jahr nach Indien. Ich hab aber nie wieder was von ihr gehört. Weißt du irgendwas?“
„Nein“, sagte ich. „Ich wusste nicht mal, dass ihr Vater verstorben ist. Aber eigentlich habe ich auch mit niemandem etwas zu tun. Ich lebe seit einigen Jahren sehr, äh … zurückgezogen.“
Sie lachte, musterte mich erneut und warf ein Blick auf ihre Uhr. „Shit! Ich muss zum Zug! Fährt in drei Minuten ab! Hast du noch meine Nummer?“
„Die müsst ich noch haben“, sagte ich schnell und signalisierte, dass auch ich nun weitermüsste. „Ich ruf dich an!“
„Mensch, machst du das wirklich?“
„Versprochen.“
Sie küsste mich noch einmal links und rechts auf die Wange und strich mir über den Kopf. „Ich hab mich so gefreut!“
„Ich auch!“, sagte ich, etwas trocken.
Rasch begab ich mich in den Fluss der Menschenmenge. Versteckt hinter Zeitungsständern drehte ich mich noch einmal nach ihr um. Aber die Frau mit dem großen Koffer war nirgends mehr zu sehen.
Irgendwie schade. Wär bestimmt interessant gewesen, sie näher kennenzulernen.