Hieronymus
Mitglied
Als ich am Abend von der Arbeit nach Hause kam, freute ich mich schon auf das neue Sofa. Ich hatte es in der vorangehenden Woche bei einem obskuren Internetauktionshaus namens „IBEA“ ersteigert und am Wochenende mit einem Freund in seinem Bully abgeholt. Zu meinem Erstaunen war es noch originalverpackt, auf dem Karton klebte ein Etikett mit dem Namen „Schlafsofa Hypno“. Zu zweit hatten wir es schnell zusammengebaut, jetzt prangte es mit seinem weißen Bezug und seinen prallen Kissen im Wohnzimmer. Man konnte einen auf Rollen befestigten Kasten herausziehen und es dadurch in ein Doppelbett verwandeln; mit seiner imposanten Breite lud es aber schon im unveränderten Zustand dazu ein, sich daraufzulegen. Genau das tat ich und fiel fast augenblicklich in tiefen Schlaf, der mir Träume von fairen Chefs und geregelter Arbeitszeit bescherte. Nach einer Stunde wachte ich erfrischt auf und verließ unternehmungslustig das Haus.
Ein paar Tage später kamen zwei Freunde zum Fernsehabend zu Besuch; wir wollten uns das Endspiel der Champions League ansehen. Kurz vor Ende der Verlängerung, es stand noch unentschieden, ging ich in die Küche, um eine kleine Stärkung zuzubereiten. Als ich zurückkam, sah ich die beiden, die kurz zuvor das Spiel noch kontrovers diskutiert hatten, harmonisch vereint auf dem Sofa schlummern, während auf dem Bildschirm gerade das Elfmeterschießen flimmerte. Es gelang mir mit Mühe, die beiden wachzurütteln. Sie fühlten sich wohl und konnten keinerlei Erklärung für ihre plötzliche Schlafsucht finden.
Die Sache wurde mir doch etwas unheimlich. Ich überlegte hin und her und verfiel dann auf die Idee, im Internet nach Informationen zu suchen. Ich fütterte die Suchmaschine mit den Stichwörtern „Sofa“ und „Hypno“. In einem Diskussionsforum stieß ich dann auf den Erfahrungsbericht einer Patientin, die sich bei einem Nervenarzt namens Dr. Freud hatte behandeln lassen. In dessen Heilmethode spielten, so der Bericht, ein Sofa und Hypnose eine große Rolle. Das war mein Mann! Ich rief ihn sofort an und schilderte ihm den Fall. Er zeigte sich interessiert, und wir machten einen Termin aus. Da ich den Gegenstand seiner wissenschaftlichen Neugier schlecht mitbringen konnte, erklärte er sich zu einem Hausbesuch bereit.
Er klingelte zur verabredeten Stunde, Notizblock und Stift bereits zur Hand.
„Ich werde das Sofa zunächst analysieren und dann hypnotisieren“, verkündete er. „Lassen Sie mich bitte mit dem Patienten allein.“
Eine Viertelstunde später klopfte ich leise an die Tür. Da keine Antwort kam, öffnete ich die Tür einen Spalt weit und spähte ins Zimmer. Dr. Freud lag friedlich schnorchelnd auf dem Sofa, der Stift war ihm aus der Hand geglitten und auf den Boden gerollt. Auf dem obersten Blatt seines Notizblocks fand ich eine Skizze des Sofas, allerdings mit einem Paar Flügeln versehen. Ich weckte den Doktor, dem die ganze Sache etwas peinlich war. Hastig verabschiedete er sich, stieg in seinen betagten Ford und brauste davon.
Ich rief ihn am nächsten Tag an, um mich nach seinem Ergehen zu erkundigen. Er war wieder ganz der Alte und machte mir einen Vorschlag:
„Die Kollegen vom Institut für Schlafforschung der psychiatrischen Klinik möchten Ihr Sofa untersuchen. Sind Sie damit einverstanden?“ War ich. Ein paar Tage später holten zwei weißbekittelte muskulöse Pfleger das Möbel ab. „In drei Wochen bekommen Sie das gute Stück zurück“, riefen sie mir gutgelaunt zu. „Sie können es aber auch jederzeit in der Klinik besuchen kommen.“ Ich spürte sofort, dass ich auf ihren Vorschlag nicht eingehen würde.
Sechs Wochen später erhielt ich einen Brief vom Institut:
„Sehr geehrter Herr, unsere Versuchsreihen haben ein geringes hypnagogisches Potenzial für ihr Sofa ergeben. Für weitere Untersuchungen behalten wir es einstweilen hier. Im Übrigen mussten wir für unsere Messungen Veränderungen daran vornehmen, so dass es für den normalen Gebrauch nicht mehr geeignet ist. Ein Gutschein für ein neues Sofa liegt bei.“
Der Gutschein war auf ein beliebiges Schlafsofa aus dem Sortiment des Bettenhauses Ronfleur ausgestellt. Die Auswahl dort war wirklich groß, und ich bestellte eines, das dem vorigen möglichst ähnlich war und dreimal soviel kostete.
Durch die Sofaaffäre hatte ich Freud etwas näher kennengelernt, und er lud mich auf eine Wasserpfeife zu sich ein.
„Auch ich besitze ein Sofa mit besonderen Eigenschaften“, verriet er mir. „Es bringt die Menschen dazu, mir ihre Träume zu erzählen. Ich verwende allerdings lieber die Bezeichnung Couch. Sie sitzen übrigens darauf.“
Ich verschluckte mich heftig am Rauch. Nachdem sich der schlimmste Hustenreiz gelegt hatte, beäugte ich verstohlen das therapeutische Zubehör. Es sah wirklich bequem aus, ich traute mich aber nicht, mich darauf auszustrecken. „Schade, dass das Institut mein altes Sofa einkassiert hat“, meinte ich, „auf dem neuen kann ich kein Auge zutun.“
Freud räusperte sich. „Wissenschaft“, raunte er und machte ein Sphinxgesicht dazu, „ist die Kunst, Dinge zum Verschwinden zu bringen.“
Ein paar Tage später kamen zwei Freunde zum Fernsehabend zu Besuch; wir wollten uns das Endspiel der Champions League ansehen. Kurz vor Ende der Verlängerung, es stand noch unentschieden, ging ich in die Küche, um eine kleine Stärkung zuzubereiten. Als ich zurückkam, sah ich die beiden, die kurz zuvor das Spiel noch kontrovers diskutiert hatten, harmonisch vereint auf dem Sofa schlummern, während auf dem Bildschirm gerade das Elfmeterschießen flimmerte. Es gelang mir mit Mühe, die beiden wachzurütteln. Sie fühlten sich wohl und konnten keinerlei Erklärung für ihre plötzliche Schlafsucht finden.
Die Sache wurde mir doch etwas unheimlich. Ich überlegte hin und her und verfiel dann auf die Idee, im Internet nach Informationen zu suchen. Ich fütterte die Suchmaschine mit den Stichwörtern „Sofa“ und „Hypno“. In einem Diskussionsforum stieß ich dann auf den Erfahrungsbericht einer Patientin, die sich bei einem Nervenarzt namens Dr. Freud hatte behandeln lassen. In dessen Heilmethode spielten, so der Bericht, ein Sofa und Hypnose eine große Rolle. Das war mein Mann! Ich rief ihn sofort an und schilderte ihm den Fall. Er zeigte sich interessiert, und wir machten einen Termin aus. Da ich den Gegenstand seiner wissenschaftlichen Neugier schlecht mitbringen konnte, erklärte er sich zu einem Hausbesuch bereit.
Er klingelte zur verabredeten Stunde, Notizblock und Stift bereits zur Hand.
„Ich werde das Sofa zunächst analysieren und dann hypnotisieren“, verkündete er. „Lassen Sie mich bitte mit dem Patienten allein.“
Eine Viertelstunde später klopfte ich leise an die Tür. Da keine Antwort kam, öffnete ich die Tür einen Spalt weit und spähte ins Zimmer. Dr. Freud lag friedlich schnorchelnd auf dem Sofa, der Stift war ihm aus der Hand geglitten und auf den Boden gerollt. Auf dem obersten Blatt seines Notizblocks fand ich eine Skizze des Sofas, allerdings mit einem Paar Flügeln versehen. Ich weckte den Doktor, dem die ganze Sache etwas peinlich war. Hastig verabschiedete er sich, stieg in seinen betagten Ford und brauste davon.
Ich rief ihn am nächsten Tag an, um mich nach seinem Ergehen zu erkundigen. Er war wieder ganz der Alte und machte mir einen Vorschlag:
„Die Kollegen vom Institut für Schlafforschung der psychiatrischen Klinik möchten Ihr Sofa untersuchen. Sind Sie damit einverstanden?“ War ich. Ein paar Tage später holten zwei weißbekittelte muskulöse Pfleger das Möbel ab. „In drei Wochen bekommen Sie das gute Stück zurück“, riefen sie mir gutgelaunt zu. „Sie können es aber auch jederzeit in der Klinik besuchen kommen.“ Ich spürte sofort, dass ich auf ihren Vorschlag nicht eingehen würde.
Sechs Wochen später erhielt ich einen Brief vom Institut:
„Sehr geehrter Herr, unsere Versuchsreihen haben ein geringes hypnagogisches Potenzial für ihr Sofa ergeben. Für weitere Untersuchungen behalten wir es einstweilen hier. Im Übrigen mussten wir für unsere Messungen Veränderungen daran vornehmen, so dass es für den normalen Gebrauch nicht mehr geeignet ist. Ein Gutschein für ein neues Sofa liegt bei.“
Der Gutschein war auf ein beliebiges Schlafsofa aus dem Sortiment des Bettenhauses Ronfleur ausgestellt. Die Auswahl dort war wirklich groß, und ich bestellte eines, das dem vorigen möglichst ähnlich war und dreimal soviel kostete.
Durch die Sofaaffäre hatte ich Freud etwas näher kennengelernt, und er lud mich auf eine Wasserpfeife zu sich ein.
„Auch ich besitze ein Sofa mit besonderen Eigenschaften“, verriet er mir. „Es bringt die Menschen dazu, mir ihre Träume zu erzählen. Ich verwende allerdings lieber die Bezeichnung Couch. Sie sitzen übrigens darauf.“
Ich verschluckte mich heftig am Rauch. Nachdem sich der schlimmste Hustenreiz gelegt hatte, beäugte ich verstohlen das therapeutische Zubehör. Es sah wirklich bequem aus, ich traute mich aber nicht, mich darauf auszustrecken. „Schade, dass das Institut mein altes Sofa einkassiert hat“, meinte ich, „auf dem neuen kann ich kein Auge zutun.“
Freud räusperte sich. „Wissenschaft“, raunte er und machte ein Sphinxgesicht dazu, „ist die Kunst, Dinge zum Verschwinden zu bringen.“