Hallo JaneFond,
wenn ich meine Meinung unter dein Gedicht schreiben darf, möchte ich gern sagen, dass es ihm an allerlei fehlt, aber dass es auch Möglichkeiten zeigt, die du beim nächsten Mal vielleicht mehr ins Blickfeld nehmen könntest, so du es denn willst.
In meinen Augen ist das grundlegende Problem deines Textes die viel zu offene und unverdichtete Sprache. Ich fühle mich als Leser vom Gedicht angesprochen wie von einem Menschen, der erbitterte Worte über die Lage der Welt an mich richtet. Das ist durchaus ein verständlicher und für den Sprechenden sicherlich auch befreiender Akt, lyrisch wird eine solche Rede damit aber nicht. Beispiele?:
Alles labert vom Weltfrieden,
doch im Donbass ist Krieg
Alle Worte heizen sich auf,
Wortgefechte eskalieren zu offener Gewalt.
Dennoch hat dein Text aber eine Idee, nämlich die, das unsere Spezies bei den Tieren lernen sollte, wie es mit dem Frieden geht. Diese Idee mag manchen naiv vorkommen, mir sogar ein wenig falsch angesichts der offensichtlichen Brutalität im Tierreich, aber es ist immerhin eine Idee. Ich poche so sehr auf diesem Wort herum, weil ich es für nicht unwichtig halte, denn wäre die Umsetzung der Idee in diesem Text besser geglückt, würde sie mich zweifelsohne ansprechen. Ein Text z.B., der weniger offensichtlich das Thema an den Mann bringt und der am Ende wie beiläufig diese Idee in ein lyrisches Gewand kleidet, würde mir sicherlich Freude bereiten.
Und hier liegt in meinen Augen die entscheidende Schwäche deines Textes, nämlich in der Art und Weise, wie du die Idee präsentierst. Im Großen und Ganzen fehlt es mir schlicht und ergreifend an der lyrischen Umsetzung, aber ich finde auch, dass es in diesem Text Passagen gibt, auf denen sich aufbauen lässt. Ich möchte deshalb kurz drei Verse vergleichen, nämlich Vers 3 und 4 und Vers 9:
genauso wie im Irak und Afghanistan,
Syrien und Jemen, Türkei und Palästina.
Die Sprache des Friedens ist Vogelgezwitscher
Zwischen diesen Versen gibt es meiner Meinung nach einen entscheidenden Unterschied. Die ersten beiden nämlich plätschern dahin wie das Nachrichtenband auf NTV oder N24, es handelt sich um eine bloße Aufzählung von Fakten die überhaupt keinen Raum für irgendwelche Interpretationsansätze, Gefühle, Sinneseindrücke oder irgendetwas anderes bieten - kurz, man überliest sie einfach. Der poetische Gehalt dieser Zeilen ist dementsprechend niedrig.
Aber bei der anderen zitierten Stelle sieht es doch ganz anders aus! Hier gelingt es dir, etwas in meinen Augen durchaus Poetisches zu gestalten - du verbindest nämlich zwei mit Bedeutung aufladbare Begriffe bzw. Wörter in verdichteter Form. Und damit erreichst du, zumindest bei mir, einen viel stärkeren Affekt als mit der langweiligen Aufzählung der Kriegsorte. Hier habe ich auf einmal etwas zum Nachdenken. Wie kann ich das Vogelgezwitscher mit dem Frieden verbinden? Bei diesem Satz beginnt mein ganzer Sinnesapparat zu arbeiten: Frieden, dieses sehnsüchtige Gefühl; Vögel, durch ihre unnachahmliche Eigenschaften in der Luft ebenfalls Tiere der Sehnsucht und der Sehnsucht des Menschen, Dinge zu schaffen, die über seine Natur hinausgehen (wie auch der Frieden?); und Gezwitscher, etwas, dass fröhlich und erweckend in meinen Ohren klingt und damit meine Sinne anspricht. Ich habe auf einmal Bilder vor Augen, Bilder, die du mit einem derart verwobenen Satz wie den zitierten bei mir ausgelöst hast.
Wenn es dir irgendwie gelingt, wäre es bestimmt eine Idee, daran anzusetzen.
Wenn du mir erlaubst, das in meinen Augen Reduntante in deinem Gedicht wegzuschaben und die Essenz stehen zu lassen, käme ich dann bei diesem Ergebnis raus:
Weltfrieden ist
Vogelgezwitscher,
wir beherrschen
unsere Sprache nicht.
Vielleicht mag dir diese Kürzung als Affront gegen deine Arbeit mit dem Text vorkommen, aber das ist tatsächlich der konzentrierte Inhalt deines Gedichtes, wie ich es lese. Und da wären wir wieder bei der Idee. Diese finde ich nämlich doch ganz schön, aber eben erst, wenn sie wie in obiger Form von allem Überflüssigen befreit ist.
Ich hoffe, ich habe dir nicht vor den Kopf gestoßen.
Viele Grüße
Frodomir