Gehört

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Frau Merey-Kastner,
ich habe Sie leider missverstanden. Das tut mir leid.
Dieses, Ihr "Schweigen" ist mir durchaus verständlich.
Ich würde es weder anzweifeln wollen, noch hinterfragen.
Jede Generation muss sich hier aufs neue mit diesem Thema auseinander setzen und ich bin mir sicher, dass jede dieser Generationen nur zu einer bestimmten Kraft fähig ist, das Vergangene zu bewältigen.
Wir stehen dabei an einer beängstigenden Schwelle, der des "letzten Zeugen" - wenn auch dieser nicht mehr sein sollte, stehen wir nicht nur mit unseren Wahrheiten, sondern auch mit unserer Moral alleine.
Seien Sie sicher, dass mir diese zeitgenössische Fragwürdigkeit sehr am Herzen liegt - dass bisweilen irgendetwas in mir überkocht.

Mit freundl. Grüssen,
Marcus Richter
 

Tharsis

Mitglied
Öffentlich verlesen könnten solche Zeilen durchaus Empörung auslösen. Zudem sehe ich den Bezug nicht zwischen der Ermordung von Millionen Einzelschicksalen und einer Lichtinstallation. Man könnte auch sagen:
"Der Tod deiner Frau ist furchtbar. Aber das Bild über der Couch, wo man sie gefunden hat, ist wirklich schön!"
Dein Text ist ein Zitat. Seine Aussage will abschwächen, was nicht abgeschwächt werden darf.
:(
 
E

Elisabeth Merey-Kastner

Gast
Hallo,

etwas habe ich noch vergessen: auch Schwule wurden vergast.
Ich habe schwule Freunde, die wesentlich jünger sind als ich, werde sie fragen, was sie bei diesem "Gedicht" empfinden.
Und ich bleibe dabei: So sarkastisch sollte man an dieses Thema nicht herangehen.
Gerade deswegen, weil junge Menschen - die nicht aufgeklärt sind - meinen könnten, no ja, Events haben sie veranstaltet, Autobahnen haben sie gebaut.

In erster Linie haben sie gemordet. Bitte das nicht vergessen.
Schönen Fasching
Elisabeth
 
M

Melusine

Gast
Jetzt muss ich mich doch noch mal zu Wort melden.

@Marcus: Tut mir leid, ich hatte wohl was "in die falsche Kehle bekommen", ist im Prinzip schon klar was du meintest (tut mir leid, ich neige dazu Dinge allzu rasch persönlich zu nehmen.)

@Elisabeth: Ich wollte dir keinesfalls etwas unterstellen oder vorwerfen.

Aber – und das gilt auch für Tharsis: Ihr habt das Gedicht offensichtlich nicht verstanden! Es geht um das, was man immer noch und immer noch viel zu oft irgendwo hören kann. Diejenigen, die so reden, waren damals nicht unbedingt "Täter" im engeren Sinn, aber jedenfalls Mitläufer. Sie sind heute Täter. Weil sie unreflektiert derartiges von sich geben. Weil sie damit das Andenken der Ermordeten beleidigen. Weil sie nichts dazugelernt haben.

Und wir alle machen uns zu Mittätern, wenn wir dem nichts entgegen!!!!

Totschweigen ist keine Lösung.

Das Gedicht ist provokant, gewiss. Aber das ist die einzige Möglichkeit, mit einem solchen Thema umzugehen.

Mel
 
P

Prosaiker

Gast
viele scheinen den titel zu überlesen: gehört. da hat jemand was gehört, was andere gesagt haben.
ich bin mir nicht sicher ob es noch viele von diesen anderen gibt, die sagen: "aber die autobahnen!" oder "der lichterdom!". wohl aber gibt es andere wege der verharmlosung. die darf bei solchem thema natürlich nicht sein. und sie findet in diesem gedicht nicht statt, ganz im gegenteil (was nicht bedeutet, dass mir der text gefällt).
vg,
Prosa.
 
E

Elisabeth Merey-Kastner

Gast
Melusine,

ich habe nicht gesagt, dass man über dieses Thema nicht reden soll. Ganz im Gegenteil. Ich rede hierüber jeden Tag.
Ich wollte nur sagen, dass in der so genannten "Kunst" nur Könner hierüber was schreiben, Filme machen, malen oder musizieren sollen.
"Heldenplatz" Bernhard. "Schicksallosigkeit" Kertész. "Schindlers Liste". Z.B.

Prosaiker, ich habe den Titel weder übersehen noch missverstanden. Es ging mir lediglich um den Zynismus.

Elisabeth
 

Tharsis

Mitglied
Etwas kritisieren bedeutet nicht, es nicht zu verstehen.
Man liest einen Text und empfindet. Das Empfinden ist beim Lesen eines der wichtigsten Faktoren.
Die gerade in diesen Wochen vielfach diskutierte Sensibilität ist für dieses Thema ganz gewiss angebracht.
Wenn du etwas derartiges ins Forum stellst, musst du mit diesen Reaktionen rechnen.
Zumal die Art des Textes wenig mit einem Gedicht gemein hat, vielmehr mit einer Aussage.
Mir fehlt die Technik und eine persönliche Note, die vor allem ein Gedicht ausmachen.
Was diesen Beitrag angeht.
 
H

HFleiss

Gast
Dass du etwas "gehört" hast und das aufschreibst - akzeptiert. Aber ein Gedicht ist das Ganze deshalb doch noch nicht. Mich als Leserin würde interessieren, wie du zu diesem Gehörten stehst, das heißt, du hättest das Gehörte als Anlaß zu einem wirklichen Gedicht nehmen müssen, was du aus Gründen, die nur dir bekannt sind, unterlässt. Was ich hier lese, hat mit Meinungsäußerung zu tun, aber leider nicht mit Kunst. Mir geht es mit deinem "Gehörten" so wie mit dem Film "Der Untergang": Man stellt eine These in den Raum, seht, wie frei wir damit umgehen können, aber enthält sich jeden Kommentars. Das empfinde ich nicht als Kunst. Sogar die Alten haben immer ihre oft recht staatsfeindlichen Thesen auch kommentiert, und das waren nicht die Schlechtesten, sie haben Stellung bezogen. Du willst mit deinem "Gedicht" belehren, aber wen und in welchem Sinne? Darüber schweigst du. Insofern ist für mich das ganze Unternehmen nicht nur pädagogisch missglückt, sondern sogar schädlich. Denn solche unkommentierten Äußerungen weitergetragen, aktivieren einen gewissen Gewöhnungseffekt, bis man es eines Tages als normal empfindet, genauso zu denken "wie alle" - es ist ja "Kunst".

Hanna
 



 
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