Jaaaaa! Er lebt noch! Er lebt noch! Er lebt noch!
Beim zweiten „Er lebt noch!“ klatschen etwa fünfunddreißig kompakte Hintern zurück auf die Stühle, um bei „Jaaaaa!“ wieder in die Höhe gewuchtet zu werden. Immer und immer wieder. So muss das Fegefeuer sein. Holzmichel bis zum Jüngsten Gericht und kein Entrinnen.
Raus hier. Ein kleiner Dicker schneidet mir den Fluchtweg ab, versucht einen verführerischen Augenaufschlag und fragt im breitesten Sächsisch, ob er mich verwöhnen dürfe. Selber Schuld. Wer einen kurzen Rock trägt, muss mit aufdringlichen Sachsen rechnen. Ich lehne dankend aber bestimmt ab und entkomme. Draußen regnet es. Keine Kneipe weit und breit, nicht mal eine Imbissbude. Dafür ein Wald, ein See, aus. Das hat sich der Veranstalter fein ausgedacht.
Also wieder rein. Kein Holzmichel mehr. Es gibt wohl doch einen Gott. Dafür setzt jetzt ein ohrenbetäubendes Getrommel ein, und ich werde Zeuge eines mir bisher unbekannten Rituals. Die Damen, an denen im übrigen ein beträchtlicher Überschuss herrscht, dreschen mit „Kleiner Feigling“ auf die Tische ein. Immer schneller, immer lauter. Dazu kreischen sie. Auf dem Höhepunkt des Geschehens legen sie den Kopf in den Nacken, klemmen die Schnapsfläschchen zwischen die Zähne und leeren sie in einem Zug, um sie alsdann zu formschönen Türmchen aufzuhäufen. Mein Vorsatz, etwas gesellschaftlichen Elan zu zeigen, schmilzt wie Schnee in der Sonne.
Mit meiner Freundin, bis vor wenigen Minuten die einzige Verbündete in diesem Vorhof zur Hölle, ist auch nichts mehr anzufangen. Sie hat einen Polizisten in Frührente aufgetan, dem sie pausenlos bestätigt, wie unglaublich süß er sei. Ich hadere mit meinem Schicksal, meinen Eltern, meinen Genen: Warum ist es MIR nie vergönnt, mich zu betrinken, gerade wenn es so bitter nötig wäre!
Jemand tippt mir auf die rechte Schulter. Ich drehe mich um, aber natürlich steht er links von mir. Ha ha. Der Veranstalter erweist mir die Ehre, mich um den nächsten Tanz zu bitten. Er ist zwei Meter groß, und seine Freunde nennen ihn Handtuch. Eben wegen jenes Handtuchs, das er, aufgrund einer Überfunktion der Schweißdrüsen, Tag und Nacht um die Schultern gelegt hat. Wir quälen uns im Discofox-Schritt durch „Hölle Hölle Hölle“, und ich will mich schon artig bedanken, als er mir noch mal auf die (linke) Schulter tippt. Ich schaue zu ihm hoch, und da passiert es. Er drückt mir einen klatschnassen Kuss mitten auf den Mund. Jetzt wäre es dann auch bei mir an der Zeit für einen „Kleinen Feigling“.
Zutiefst deprimiert lehne ich am Tresen und sehe dem makabren Treiben zu. Mein Kopf dröhnt vom Wummern der Lautsprecher, mein Magen rebelliert, ich will nach hause. Die Leute werfen mir misstrauische Blicke zu. Ja, Ihr habt ja Recht. Ich bin ein Spielverderber, ein Griesgram, ein Partyschreck ohne einen Funken Humor. Und sollte einer von Euch jetzt versuchen, mich in die Polonaise Blankenese zu integrieren, nehme ich den Discjockey als Geisel und laufe Amok. Also Vorsicht, Leute.
Morgen werde ich dem Freund, der genau wusste, was auf mich zukommen würde, und mich trotzdem nicht vorgewarnt hat, nach Strich und Faden die Leviten lesen. Aber zuerst spreche ich mal den Menschen dort ganz hinten in der Ecke an, dessen Augen genau so entsetzt flackern wie meine.
Beim zweiten „Er lebt noch!“ klatschen etwa fünfunddreißig kompakte Hintern zurück auf die Stühle, um bei „Jaaaaa!“ wieder in die Höhe gewuchtet zu werden. Immer und immer wieder. So muss das Fegefeuer sein. Holzmichel bis zum Jüngsten Gericht und kein Entrinnen.
Raus hier. Ein kleiner Dicker schneidet mir den Fluchtweg ab, versucht einen verführerischen Augenaufschlag und fragt im breitesten Sächsisch, ob er mich verwöhnen dürfe. Selber Schuld. Wer einen kurzen Rock trägt, muss mit aufdringlichen Sachsen rechnen. Ich lehne dankend aber bestimmt ab und entkomme. Draußen regnet es. Keine Kneipe weit und breit, nicht mal eine Imbissbude. Dafür ein Wald, ein See, aus. Das hat sich der Veranstalter fein ausgedacht.
Also wieder rein. Kein Holzmichel mehr. Es gibt wohl doch einen Gott. Dafür setzt jetzt ein ohrenbetäubendes Getrommel ein, und ich werde Zeuge eines mir bisher unbekannten Rituals. Die Damen, an denen im übrigen ein beträchtlicher Überschuss herrscht, dreschen mit „Kleiner Feigling“ auf die Tische ein. Immer schneller, immer lauter. Dazu kreischen sie. Auf dem Höhepunkt des Geschehens legen sie den Kopf in den Nacken, klemmen die Schnapsfläschchen zwischen die Zähne und leeren sie in einem Zug, um sie alsdann zu formschönen Türmchen aufzuhäufen. Mein Vorsatz, etwas gesellschaftlichen Elan zu zeigen, schmilzt wie Schnee in der Sonne.
Mit meiner Freundin, bis vor wenigen Minuten die einzige Verbündete in diesem Vorhof zur Hölle, ist auch nichts mehr anzufangen. Sie hat einen Polizisten in Frührente aufgetan, dem sie pausenlos bestätigt, wie unglaublich süß er sei. Ich hadere mit meinem Schicksal, meinen Eltern, meinen Genen: Warum ist es MIR nie vergönnt, mich zu betrinken, gerade wenn es so bitter nötig wäre!
Jemand tippt mir auf die rechte Schulter. Ich drehe mich um, aber natürlich steht er links von mir. Ha ha. Der Veranstalter erweist mir die Ehre, mich um den nächsten Tanz zu bitten. Er ist zwei Meter groß, und seine Freunde nennen ihn Handtuch. Eben wegen jenes Handtuchs, das er, aufgrund einer Überfunktion der Schweißdrüsen, Tag und Nacht um die Schultern gelegt hat. Wir quälen uns im Discofox-Schritt durch „Hölle Hölle Hölle“, und ich will mich schon artig bedanken, als er mir noch mal auf die (linke) Schulter tippt. Ich schaue zu ihm hoch, und da passiert es. Er drückt mir einen klatschnassen Kuss mitten auf den Mund. Jetzt wäre es dann auch bei mir an der Zeit für einen „Kleinen Feigling“.
Zutiefst deprimiert lehne ich am Tresen und sehe dem makabren Treiben zu. Mein Kopf dröhnt vom Wummern der Lautsprecher, mein Magen rebelliert, ich will nach hause. Die Leute werfen mir misstrauische Blicke zu. Ja, Ihr habt ja Recht. Ich bin ein Spielverderber, ein Griesgram, ein Partyschreck ohne einen Funken Humor. Und sollte einer von Euch jetzt versuchen, mich in die Polonaise Blankenese zu integrieren, nehme ich den Discjockey als Geisel und laufe Amok. Also Vorsicht, Leute.
Morgen werde ich dem Freund, der genau wusste, was auf mich zukommen würde, und mich trotzdem nicht vorgewarnt hat, nach Strich und Faden die Leviten lesen. Aber zuerst spreche ich mal den Menschen dort ganz hinten in der Ecke an, dessen Augen genau so entsetzt flackern wie meine.