Ralf Langer
Mitglied
Grenzuebergang
Sie hatte die Augen einer altaegyptischen Pharaonentochter und die Brueste von einem Chirurgen.
Ihre Stimme war rauh, und wenn sie sprach klang ihr franzoesisch nach fleischgewordenen Maennerfantasien.
In den wenigen Momenten in denen es sittsam zwischen uns war, hielten wir uns kurz an den Haenden.
Wir sassen in einem kleinen Cafe in Cerbere einen Steinwurf vom Mittelmeer entfernt, den kleinen Bahnhof und die Pyrenaen
im Ruecken und konnten nicht voneinander lassen.
Mein franzoesich war wirklich miserabel und ich wuenschte mir nichts sehnlicher, als das ich in den letzten vier Jahren in der Schule besser aufgepasst haette.
Andererseits hatte ich genug mitbekommen. Ihre Einladung, einfach mit ihr zu kommen, hatte ich verstanden.
Ich musste nur wollen.
Fuer einen Tag? Fuer eine Woche? Fuer den Rest meines Lebens?
All das war mir unverstaendlich geblieben.
Aber allein Gedanke an eine Nacht mit ihr lies mich versteifen.
Heftig schuettelte ich mit dem Kopf und alle Bilder purzelten
heraus. Nur meine Fantasien blieben hartnaeckig wo sie waren.
Jetzt strich sie mir mit der Hand ueber den Bauch, naeherte sich dabei gefaehrlich meiner Guertellinie und fluesterte mir
erneut etwas ins Ohr, das ich nicht verstand.
Sie sah mein Gesicht, lachte nur und drueckte mir einen Kuss auf den Mund um ihre Zunge sanft hinterher zu schieben.
Das verstand ich.
Wir hatten eine Stunde Aufenthalt. Hier, das war die franzoesisch-spanische Grenze: Cerbere - Port Bou.
Ein Ort, eigentlich nur zum durchreisen. Man schaut beilaeufig aus dem Zugfenster ,sagt etwas wie " schoen" und schon ist man wieder weiter.
Aber da franzoesische Zuege nicht auf spanische Gleise passen, haelt jeder Reisende hier an und hat eine Stunde Zeit sein Leben zu veraendern.
Walther Benjamin, der deutsche Kulturkritiker war hier zum Ende des zweiten Weltkrieges ausgestiegen, und als einziger nicht wieder eingestiegen. Hatte hier den Freitod gewaehlt.
Eine Warnung?
" Du bist aber ein huebscher Junge", das waren ihre ersten Worte an mich gewesen. Kaum zwoelf Stunden her. An der Cote . Sie hatte meine Abteiltuer aufgerissen umd mich Interrail-reisenden aus dem Schlaf gerissen. Schnell hatte ich einen Kuss auf der Stirn und ihre prallen, falschen Brueste verdunkelten meinen Blick, als sie ihre Reisetasche in die Ablage legte.
Auch jetzt einen halben Tag spaeter wusste ich nichts. Nicht ihren Namen. Ihren Beruf. Nichts.
Sie mochte Ende dreissig sein. Also gut doppelt so alt wie ich selbst. Und sie kam schnell zur Sache. Hielt das Heft fest in der Hand.
" Was machst du beruflich", fragte ich und schluerfte an meinem Cafe au lait.
Sie lachte, holte eine Kladde mit einem Stapel Fotos aus der Handtasche und gurrte,
" Ich bin Saengerin."
Diese Fotos.
Ein Bild, sie auf der Buehne in einer Bar. Alles in rot, sehr plueschig. Sie singt.
Dann. Vor der Bar. Es ist Tag. Blick auf das Mittelmeer. Weit draussen vor dem Hafen liegt ein Flugzeugtraeger vor Anker.
Dann, sie auf einer Barkasse, lachend. Neben ihr ein Marinesoldat. Den Abzeichen nach ein Offizier.
Das letzte Bild. Derselbe Offizier auf einem Bett. Nur hat er diesmal keine Uniform mehr an.
Sie lacht. Ich auch. Womoeglich etwas gequaelt.
Was tun, fragte ich mich. Achtzehn Lenze alt. Das Abitur frisch in der Tasche. Vier Wochen Ferien. Und dann ab zur Bundeswehr.
Was tun?
Da waren sie wieder: Ihre Haende. Ganz langsam knabberten sie sich meine Lende hinunter und frassen meine Gedanken, wie Spinnenweibchen manchmal ihre maennlichen Artgenossen.
Der Schaffner trillerte auf seiner Pfeife, und aus einem Tunnnel rollte langsam der Zug in den Bahnhof.
Die Stunde war um.
Meine namenlose aegyptische Prinzessin erhob sich aus ihrem Stuhl und schlenderte zum Bahnsteig.
Ich warf ihr einen langen Blick hinterher und erkannte ploetzlich auf ihrer schwingenden Huefte ein Bild von meiner Zukunft.
Ich sah einen in die Jahre gekommenen Kerl auf den Knieen, hineingezwaengt in ein schwarzes Lederoutfit, vor den Augen eine Maske, und einen roten Golfball vor den Mund befaestigt.
Es war nur eine Sekunde. Schnell griff ich meinen Rucksack und rannte los.
Sie hatte die Augen einer altaegyptischen Pharaonentochter und die Brueste von einem Chirurgen.
Ihre Stimme war rauh, und wenn sie sprach klang ihr franzoesisch nach fleischgewordenen Maennerfantasien.
In den wenigen Momenten in denen es sittsam zwischen uns war, hielten wir uns kurz an den Haenden.
Wir sassen in einem kleinen Cafe in Cerbere einen Steinwurf vom Mittelmeer entfernt, den kleinen Bahnhof und die Pyrenaen
im Ruecken und konnten nicht voneinander lassen.
Mein franzoesich war wirklich miserabel und ich wuenschte mir nichts sehnlicher, als das ich in den letzten vier Jahren in der Schule besser aufgepasst haette.
Andererseits hatte ich genug mitbekommen. Ihre Einladung, einfach mit ihr zu kommen, hatte ich verstanden.
Ich musste nur wollen.
Fuer einen Tag? Fuer eine Woche? Fuer den Rest meines Lebens?
All das war mir unverstaendlich geblieben.
Aber allein Gedanke an eine Nacht mit ihr lies mich versteifen.
Heftig schuettelte ich mit dem Kopf und alle Bilder purzelten
heraus. Nur meine Fantasien blieben hartnaeckig wo sie waren.
Jetzt strich sie mir mit der Hand ueber den Bauch, naeherte sich dabei gefaehrlich meiner Guertellinie und fluesterte mir
erneut etwas ins Ohr, das ich nicht verstand.
Sie sah mein Gesicht, lachte nur und drueckte mir einen Kuss auf den Mund um ihre Zunge sanft hinterher zu schieben.
Das verstand ich.
Wir hatten eine Stunde Aufenthalt. Hier, das war die franzoesisch-spanische Grenze: Cerbere - Port Bou.
Ein Ort, eigentlich nur zum durchreisen. Man schaut beilaeufig aus dem Zugfenster ,sagt etwas wie " schoen" und schon ist man wieder weiter.
Aber da franzoesische Zuege nicht auf spanische Gleise passen, haelt jeder Reisende hier an und hat eine Stunde Zeit sein Leben zu veraendern.
Walther Benjamin, der deutsche Kulturkritiker war hier zum Ende des zweiten Weltkrieges ausgestiegen, und als einziger nicht wieder eingestiegen. Hatte hier den Freitod gewaehlt.
Eine Warnung?
" Du bist aber ein huebscher Junge", das waren ihre ersten Worte an mich gewesen. Kaum zwoelf Stunden her. An der Cote . Sie hatte meine Abteiltuer aufgerissen umd mich Interrail-reisenden aus dem Schlaf gerissen. Schnell hatte ich einen Kuss auf der Stirn und ihre prallen, falschen Brueste verdunkelten meinen Blick, als sie ihre Reisetasche in die Ablage legte.
Auch jetzt einen halben Tag spaeter wusste ich nichts. Nicht ihren Namen. Ihren Beruf. Nichts.
Sie mochte Ende dreissig sein. Also gut doppelt so alt wie ich selbst. Und sie kam schnell zur Sache. Hielt das Heft fest in der Hand.
" Was machst du beruflich", fragte ich und schluerfte an meinem Cafe au lait.
Sie lachte, holte eine Kladde mit einem Stapel Fotos aus der Handtasche und gurrte,
" Ich bin Saengerin."
Diese Fotos.
Ein Bild, sie auf der Buehne in einer Bar. Alles in rot, sehr plueschig. Sie singt.
Dann. Vor der Bar. Es ist Tag. Blick auf das Mittelmeer. Weit draussen vor dem Hafen liegt ein Flugzeugtraeger vor Anker.
Dann, sie auf einer Barkasse, lachend. Neben ihr ein Marinesoldat. Den Abzeichen nach ein Offizier.
Das letzte Bild. Derselbe Offizier auf einem Bett. Nur hat er diesmal keine Uniform mehr an.
Sie lacht. Ich auch. Womoeglich etwas gequaelt.
Was tun, fragte ich mich. Achtzehn Lenze alt. Das Abitur frisch in der Tasche. Vier Wochen Ferien. Und dann ab zur Bundeswehr.
Was tun?
Da waren sie wieder: Ihre Haende. Ganz langsam knabberten sie sich meine Lende hinunter und frassen meine Gedanken, wie Spinnenweibchen manchmal ihre maennlichen Artgenossen.
Der Schaffner trillerte auf seiner Pfeife, und aus einem Tunnnel rollte langsam der Zug in den Bahnhof.
Die Stunde war um.
Meine namenlose aegyptische Prinzessin erhob sich aus ihrem Stuhl und schlenderte zum Bahnsteig.
Ich warf ihr einen langen Blick hinterher und erkannte ploetzlich auf ihrer schwingenden Huefte ein Bild von meiner Zukunft.
Ich sah einen in die Jahre gekommenen Kerl auf den Knieen, hineingezwaengt in ein schwarzes Lederoutfit, vor den Augen eine Maske, und einen roten Golfball vor den Mund befaestigt.
Es war nur eine Sekunde. Schnell griff ich meinen Rucksack und rannte los.