Gruppe mit Fuchs

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Wipfel

Mitglied
An einem Wochenende 1984. Wir saßen in einer Boofe am Conradturm. Sächsische Schweiz. Das Lagerfeuer prasselte, Stierblut wurde herumgereicht, jemand hatte eine Mundharmonika dabei. Max hatte als erster genug und verzog sich in seinen Baumwollschlafsack. Wollte es. Doch kurz darauf hörten wir einen Schrei. Mit deutlicher Schnappatmung und verzerrtem Gesicht fand er in unsere Runde zurück.
„Was ist denn passiert?“
„In meinem Schlafsack saß ein Fuchs!“
„Ach Quatsch.“
„Und das hier?“ Triumphierend hielt er uns Ungläubigen seine Hand entgegen. Zerkratzt. Blut troff herab.
„Vielleicht ein Bilch?“
„Und der da?“ Jemand zeigte in die Dunkelheit. Ein rotes Augenpaar leuchtete uns entgegen.
„Scheiße. Du hast recht…“
Jetzt saß niemand mehr. Außer Jo.
„Wird `ne lange Nacht“, sagte Jo.
„Wieso?“
„Wenn ein Fuchs hier draußen zum Feuer kommt, dann hat er Tollwut. So wie Max jetzt.“
„Was hab ich?“
„Tollwut. Du kannst morgen nicht mit uns Klettern gehen. Musst zurück, zum Doc.“
Ich empfahl ihm, er solle auf die Wunde pinkeln. Eigenurinbehandlung und so. Ein anderer räumte den Schlafplatz neben ihm.
„Ich will mich nicht anstecken. Verstehst du doch?“

Schlafwachen wurden eingeteilt. Ab und zu hörte ich, wie sie mit lautem Gebrüll Stöcke in Richtung der Rotaugen warfen. Ich schlief - mit genügend Stierblut abgefüllt - vortrefflich. Meinen Dolch neben mir. Als ich gegen 4:00 Uhr zur Wache geweckt wurde, raunzte ich: „Der pennt jetzt genauso gut wie ich“, zog meine Oma über und schlief wieder ein.
Irgendetwas Feuchtes träumte ich. Wachte auf und spürte eine Zunge im Gesicht. Als ich meine Augen aufschlug, sah ich Rot. Griff den Dolch und stach - mit dem Urschrei in meiner Kehle - irgendwohin. Und noch einmal. Und noch einmal.

Die Aussicht auf vierzehn Tollwutspritzen in den Bauch machten mir nicht so viel Angst, wie dass, was mit Max und mir geschah: auch neben mir wurden die Schlafplätze geräumt. Am nächsten Morgen gab es zum Abschied keinen Handschlag. Der Conradturm blieb von mir unbestiegen, keiner klickte uns in die Seilschaft ein. Seither habe ich eine Ahnung, was Diskriminierung ist.
 
Liest sich spannend, Wipfel. Die Reaktionen als Diskriminierung aufzufassen, überzeugt mich allerdings nicht so ganz. Das war einfach nur vorsichtig, evtl. auch übervorsichtig. Die Räumung der Schlafplätze scheint mir im Übrigen eher wegen der Füchse als wegen evtl. infizierter Kumpels naheliegend gewesen zu sein.

Und: Ein Gebissener gehört in jedem Fall bald in eine Arztpraxis, auch heute noch, z.B. zur Überprüfung des Tetanus-Impfstatus.

Freundlichen Gruß
Arno Abendschön
 

Wipfel

Mitglied
das ist es ja, @Arno, ich suche nach einem Abschluss für das Stück. Leselupe hilf!

Die Sache mit der Diskriminierung hat zu viel Dominanz. Und ich frage mich auch, ob die Ich-Perspektive gut für das kurze Stück ist.

Grüße von wipfel
 
E

eisblume

Gast
Hallo Wipfel,

die Ich-Perspektive finde ich nicht störend.

Als Vorschlag für den Schlusssatz vielleicht etwas wie:
Scheißgefühl, nicht dazu zu gehören.
oder
Scheißgefühl, sich so ausgeschlossen/ausgegrenzt zu fühlen.

... schlief wieder ein.
Irgendetwas Feuchtes träumte ich.
Diese Stelle holpert (für mein Gefühl).
Vielleicht:
... schlief wieder ein. Träumte etwas Feuchtes. Wachte auf und ...


Mit dem Begriff "Boofe" konnte ich ohne zu googlen jetzt gar nichts anfangen, also wieder etwas gelernt :) ebenso habe ich mir noch nie - zumindest nicht bewusst - eine Oma übergezogen :))

herzlichst
eisblume
 

Wipfel

Mitglied
Danke liebe Eisblume für deine Mühe. Den Begriff Boofe lass ich mal - Findest du es schlimm, wenn man beim Lesen dazulernt?
Die anderen Ratschläge nehme ich gern an. Omamütze? Ist schon eine spezielle Mütze, die eben nicht von der Oma gestrickt wurde...

Der Schlusssatz. Ja, das geht so in die Richtung. Jedenfalls besser, als meine Diskriminierung...
Was würden wir ohne dich hier machen? Danke!

Grüße von wipfel
 
E

eisblume

Gast
Hi Wipfel,

also von mir aus sollte die Boofe unbedingt drin bleiben. Mal ein einzelnen Begriff nachzuschauen, ist doch kein Problem.
Und für den letzten Satz fällt dir schon noch das Passende ein :)

LG
eisblume
 
Wipfel, mein Vorschlag für den letzten Satz: Für sie waren wir jetzt Unberührbare (oder Gezeichnete?) und wir fühlten uns beschissen.

Die speziellen Slangausdrücke (Boofe, Oma überziehen) würde ich ersetzen. Sie sind nur Wenigen auf Anhieb verständlich und das Grübeln darüber stört den sonst leichten Lesefluss.

Freundlichen Gruß
Arno Abendschön
 

Wipfel

Mitglied
An einem Wochenende 1984. Wir saßen in einer Boofe am Conradturm. Sächsische Schweiz. Das Lagerfeuer prasselte, Stierblut wurde herumgereicht, jemand hatte eine Mundharmonika dabei. Max hatte als erster genug und verzog sich in seinen Baumwollschlafsack. Wollte es. Doch kurz darauf hörten wir einen Schrei. Mit deutlicher Schnappatmung und verzerrtem Gesicht fand er in unsere Runde zurück.
„Was ist denn passiert?“
„In meinem Schlafsack saß ein Fuchs!“
„Ach Quatsch.“
„Und das hier?“ Triumphierend hielt er uns Ungläubigen seine Hand entgegen. Zerkratzt. Blut troff herab.
„Vielleicht ein Bilch?“
„Und der da?“ Jemand zeigte in die Dunkelheit. Ein rotes Augenpaar leuchtete uns entgegen.
„Scheiße. Du hast recht…“
Jetzt saß niemand mehr. Außer Jo.
„Wird `ne lange Nacht“, sagte Jo.
„Wieso?“
„Wenn ein Fuchs hier draußen zum Feuer kommt, dann hat er Tollwut. So wie Max jetzt.“
„Was hab ich?“
„Tollwut. Du kannst morgen nicht mit uns Klettern gehen. Musst zurück, zum Doc.“
Ich empfahl ihm, er solle auf die Wunde pinkeln. Eigenurinbehandlung und so. Ein anderer räumte den Schlafplatz neben ihm.
„Ich will mich nicht anstecken. Verstehst du doch?“

Schlafwachen wurden eingeteilt. Ab und zu hörte ich, wie sie mit lautem Gebrüll Stöcke in Richtung der Rotaugen warfen. Ich schlief - mit genügend Stierblut abgefüllt - vortrefflich. Meinen Dolch neben mir. Als ich gegen 4:00 Uhr zur Wache geweckt wurde, raunzte ich: „Der pennt jetzt genauso gut wie ich“, zog meine Mütze auf und schlief wieder ein.
Irgendetwas träumte ich. Von meinem Mädchen. Wachte auf und spürte eine Zunge im Gesicht. Als ich meine Augen aufschlug, sah ich Rot. Griff den Dolch und stach zu. Mit dem Urschrei in meiner Kehle - noch einmal. Und noch einmal.

Die Aussicht auf vierzehn Tollwutspritzen in den Bauch machten mir nicht so viel Angst, wie dass, was mit Max und mir geschah: auch neben mir wurden die Schlafplätze geräumt. Am nächsten Morgen gab es zum Abschied keinen Handschlag. Der Conradturm blieb von mir unbestiegen, keiner klickte uns in die Seilschaft ein. An diesem Tag fühlten wir uns wie Aussätzige. Aber irgendwie auch cool. Denn wer wird schon vom Fuchs geküsst?
 

Wipfel

Mitglied
An einem Wochenende 1984. Wir saßen in einer Boofe am Conradturm. Sächsische Schweiz. Das Lagerfeuer prasselte, Stierblut wurde herumgereicht, jemand hatte eine Mundharmonika dabei. Max hatte als erster genug und verzog sich in seinen Baumwollschlafsack. Wollte es. Doch kurz darauf hörten wir einen Schrei. Mit deutlicher Schnappatmung und verzerrtem Gesicht fand er in unsere Runde zurück.
„Was ist denn passiert?“
„In meinem Schlafsack saß ein Fuchs!“
„Ach Quatsch.“
„Und das hier?“ Triumphierend hielt er uns Ungläubigen seine Hand entgegen. Zerkratzt. Blut troff herab.
„Vielleicht ein Bilch?“
„Und der da?“ Jemand zeigte in die Dunkelheit. Ein rotes Augenpaar leuchtete uns entgegen.
„Scheiße. Du hast recht…“
Jetzt saß niemand mehr. Außer Jo.
„Wird `ne lange Nacht“, sagte Jo.
„Wieso?“
„Wenn ein Fuchs hier draußen zum Feuer kommt, dann hat er Tollwut. So wie Max jetzt.“
„Was hab ich?“
„Tollwut. Du kannst morgen nicht mit uns Klettern gehen. Musst zurück, zum Doc.“
Ich empfahl ihm, er solle auf die Wunde pinkeln. Eigenurinbehandlung und so. Ein anderer räumte den Schlafplatz neben ihm.
„Ich will mich nicht anstecken. Verstehst du doch?“

Schlafwachen wurden eingeteilt. Ab und zu hörte ich, wie sie mit lautem Gebrüll Stöcke in Richtung der Rotaugen warfen. Ich schlief - mit genügend Stierblut abgefüllt - vortrefflich. Meinen Dolch neben mir. Als ich gegen 4:00 Uhr zur Wache geweckt wurde, raunzte ich: „Der pennt jetzt genauso gut wie ich“, zog meine Mütze auf und schlief wieder ein.
Irgendetwas träumte ich. Von meinem Mädchen. Wachte auf und spürte eine Zunge im Gesicht. Ich schlug die Augeen auf und sah Rot. Griff den Dolch und stach zu. Mit dem Urschrei in meiner Kehle - noch einmal. Und noch einmal.

Die Aussicht auf vierzehn Tollwutspritzen in den Bauch machten mir nicht so viel Angst, wie dass, was mit Max und mir geschah: auch neben mir wurden die Schlafplätze geräumt. Am nächsten Morgen gab es zum Abschied keinen Handschlag. Der Conradturm blieb von mir unbestiegen, keiner klickte uns in die Seilschaft ein. An diesem Tag fühlten wir uns wie Aussätzige. Aber irgendwie auch cool. Denn wer wird schon vom Fuchs geküsst?
 

Wipfel

Mitglied
An einem Wochenende 1984. Wir saßen in einer Boofe am Conradturm. Sächsische Schweiz. Das Lagerfeuer prasselte, Stierblut wurde herumgereicht, jemand hatte eine Mundharmonika dabei. Max hatte als erster genug und verzog sich in seinen Baumwollschlafsack. Wollte es. Doch kurz darauf hörten wir einen Schrei. Mit deutlicher Schnappatmung und verzerrtem Gesicht fand er in unsere Runde zurück.
„Was ist denn passiert?“
„In meinem Schlafsack saß ein Fuchs!“
„Ach Quatsch.“
„Und das hier?“ Triumphierend hielt er uns Ungläubigen seine Hand entgegen. Zerkratzt. Blut troff herab.
„Vielleicht ein Bilch?“
„Und der da?“ Jemand zeigte in die Dunkelheit. Ein rotes Augenpaar leuchtete uns entgegen.
„Scheiße. Du hast recht…“
Jetzt saß niemand mehr. Außer Jo.
„Wird `ne lange Nacht“, sagte Jo.
„Wieso?“
„Wenn ein Fuchs hier draußen zum Feuer kommt, dann hat er Tollwut. So wie Max jetzt.“
„Was hab ich?“
„Tollwut. Du kannst morgen nicht mit uns Klettern gehen. Musst zurück, zum Doc.“
Ich empfahl ihm, er solle auf die Wunde pinkeln. Eigenurinbehandlung und so. Ein anderer räumte den Schlafplatz neben ihm.
„Ich will mich nicht anstecken. Verstehst du doch?“

Schlafwachen wurden eingeteilt. Ab und zu hörte ich, wie sie mit lautem Gebrüll Stöcke in Richtung der Rotaugen warfen. Ich schlief - mit genügend Stierblut abgefüllt - vortrefflich. Meinen Dolch neben mir. Als ich gegen 4:00 Uhr zur Wache geweckt wurde, raunzte ich: „Der pennt jetzt genauso gut wie ich“, zog meine Mütze auf und schlief wieder ein.
Irgendetwas träumte ich. Von meinem Mädchen. Wachte auf und spürte eine Zunge im Gesicht. Schlug die Augeen auf und sah Rot. Griff den Dolch und stach zu. Mit dem Urschrei in meiner Kehle - noch einmal. Und noch einmal.

Die Aussicht auf vierzehn Tollwutspritzen in den Bauch machten mir nicht so viel Angst, wie dass, was mit Max und mir geschah: auch neben mir wurden die Schlafplätze geräumt. Am nächsten Morgen gab es zum Abschied keinen Handschlag. Der Conradturm blieb von mir unbestiegen, keiner klickte uns in die Seilschaft ein. An diesem Tag fühlten wir uns wie Aussätzige. Aber irgendwie auch cool. Denn wer wird schon vom Fuchs geküsst?
 
Ja, Wipfel, so ist es besser. Und den neuen Schluss finde ich sehr überzeugend. Habe dementsprechend jetzt insgesamt mit "8" gewertet.

Freundlichen Gruß
Arno Abendschön
 

Wipfel

Mitglied
Arno, merci für die Bewertung - eigentlich bräuchte es das nicht - ich denke wir kennen hier unsere Stärken und Schwächen. Dennoch empfinde ich es als Wertschätzung und Aufmerksamkeit.

Grüße von wipfel
 
E

eisblume

Gast
Hallo Wipfel,

sorry, ich hab deinen neuen Schluss übersehen.
So gefällt mir das auch viel besser. Geht doch :)

herzlichst
eisblume
 



 
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