STAHLKATZ
Stahlkatz zog die Krallen ein und sprang gegen die spiegelglatte Fassade. Seine mit Millionen feinster Härchen besetzten Hand- und Knieballen verschafften ihm sofort sicheren Halt. Meter für Meter zog er sich beinahe mühelos nach oben. Er war so stark wie ein Bulle. Seine Konstrukteure hatten ganze Arbeit geleistet. Die Muskelfasern, die ihn so rasant nach oben bewegten, bestanden aus neuen, hochstabilen Eiweißmolekülen, die Temperaturen von mehreren tausend Grad tolerierten. Diese Kraftpakete wurden durch einen titanhaltigen Schuppenpanzer geschützt, der auch Hochgeschwindigkeitsgeschossen widerstand und das Licht nahezu vollständig absorbierte. Das kam ihm an der Hochhauswand zugute, denn er war auf Beute aus und wollte nicht gesehen werden.
Stahlkatz, ja so hatten ihn diese behaarten Affen getauft. Als ob er einer ihrer degenerierten Haustiere wäre. Er konnte seine zentimeterlangenlangen Krallen blitzschnell ein- und ausfahren. Das war aber auch schon alles, was er mit einer Mietzekatze gemeinsam hatte. Er war gut zwei Meter groß und ging auf zwei Beinen, mit denen er innerhalb von fünf Sekunden die Hundertmeterstrecke schaffte. Trotz seiner sechs Zentner. Mit den riesigen, in den Biolabos herangezüchteten inneren Organen war er leistungsfähiger als jedes andere Lebewesen, das jemals den Planeten bewohnt hatte.
Gezüchtet und genietet, um zu kämpfen und zu töten. Das hatten sie ihm immer wieder gepredigt. Und um zu überleben...sie zu überleben, denn die Populationen dieser Paviane waren durch die Alphagrippe praktisch ausgelöscht worden. Jedenfalls in seinem Revier, das einige hundert Quadratkilometer umfasste. Bislang, denn er musste expandieren. Die wenigen Hundemeuten und Rehrudel machten sich immer rarer.
Vom Flussufer stieg Rauch auf. Wahrscheinlich einer der Wegelagerertrupps, die sich von Aas und ihresgleichen ernährten. Das war er, der Rest der Krone der Schöpfung. Er würde sie ins Wasser treiben, nachdem er sich gestärkt hatte.
Stahlkatz schwang sich auf das Dach des Wolkenkratzers und hielt Ausschau. Bald fand er, was er suchte. Fünf verwilderte Schäferhunde streunten durch die Straßen. Als ob sie noch immer nicht begriffen hatten, dass die Stadt endgültig gestorben war. Sogar die Ratten hatten sich zurückgezogen, ebenso wie die Militärs und einige wenige Industrielle, die genug Geld besaßen, um sich einen Platz in den hermetisch abgeschirmten Bunkern zu sichern.
Dort saßen sie nun, seine Ingenieure und Finanziers, und warteten auf ihr unvermeidliches Ende. Die Grippe, die ihren Brutschränken entflohen war noch bevor man ein Gegenmittel entwickelt hatte, war ein voller Erfolg. Die Feinde starben wie die Fliegen, genauso allerdings wie die eigenen Leute, aber da gab es schon keine Rettung mehr. Innerhalb von zwei Jahren war Mitteleuropa entvölkert worden. In Asien und Afrika hielten sich noch wenige Städte, aber auch das war nur noch eine Frage der Zeit.
Stahlkatz grinste schadenfroh. So ganz nebenbei war ihm die fast absolute Immunität in die Wiege gelegt worden. Viren und Bakterien hatten bei ihm keine Chance.
Am Horizont tauchte ein Messerschmitthubschrauber auf. Ab und zu schickten die Militärs eine Patrouille los, um die wenigen Überlebenden auszumerzen; potentielle Bazillenträger, die vernichtet werden mussten. Wahrscheinlich suchten sie auch ihn. Schließlich stellte er den Gegenwert eines Raketenzerstörers dar. Er dachte jedoch nicht daran, sein freies Leben aufzugeben. Ein Leben, das noch gut fünfzig Jahre währen würde. Er musste nur dieses Ungeziefer in Zaum halten, bevor es wieder Schaden anrichten konnte.
copyright by thomas saalfeld
all rights reserved
weitere werke auf http://www.xinxii.com/wintertarn-p-318736.html
Stahlkatz zog die Krallen ein und sprang gegen die spiegelglatte Fassade. Seine mit Millionen feinster Härchen besetzten Hand- und Knieballen verschafften ihm sofort sicheren Halt. Meter für Meter zog er sich beinahe mühelos nach oben. Er war so stark wie ein Bulle. Seine Konstrukteure hatten ganze Arbeit geleistet. Die Muskelfasern, die ihn so rasant nach oben bewegten, bestanden aus neuen, hochstabilen Eiweißmolekülen, die Temperaturen von mehreren tausend Grad tolerierten. Diese Kraftpakete wurden durch einen titanhaltigen Schuppenpanzer geschützt, der auch Hochgeschwindigkeitsgeschossen widerstand und das Licht nahezu vollständig absorbierte. Das kam ihm an der Hochhauswand zugute, denn er war auf Beute aus und wollte nicht gesehen werden.
Stahlkatz, ja so hatten ihn diese behaarten Affen getauft. Als ob er einer ihrer degenerierten Haustiere wäre. Er konnte seine zentimeterlangenlangen Krallen blitzschnell ein- und ausfahren. Das war aber auch schon alles, was er mit einer Mietzekatze gemeinsam hatte. Er war gut zwei Meter groß und ging auf zwei Beinen, mit denen er innerhalb von fünf Sekunden die Hundertmeterstrecke schaffte. Trotz seiner sechs Zentner. Mit den riesigen, in den Biolabos herangezüchteten inneren Organen war er leistungsfähiger als jedes andere Lebewesen, das jemals den Planeten bewohnt hatte.
Gezüchtet und genietet, um zu kämpfen und zu töten. Das hatten sie ihm immer wieder gepredigt. Und um zu überleben...sie zu überleben, denn die Populationen dieser Paviane waren durch die Alphagrippe praktisch ausgelöscht worden. Jedenfalls in seinem Revier, das einige hundert Quadratkilometer umfasste. Bislang, denn er musste expandieren. Die wenigen Hundemeuten und Rehrudel machten sich immer rarer.
Vom Flussufer stieg Rauch auf. Wahrscheinlich einer der Wegelagerertrupps, die sich von Aas und ihresgleichen ernährten. Das war er, der Rest der Krone der Schöpfung. Er würde sie ins Wasser treiben, nachdem er sich gestärkt hatte.
Stahlkatz schwang sich auf das Dach des Wolkenkratzers und hielt Ausschau. Bald fand er, was er suchte. Fünf verwilderte Schäferhunde streunten durch die Straßen. Als ob sie noch immer nicht begriffen hatten, dass die Stadt endgültig gestorben war. Sogar die Ratten hatten sich zurückgezogen, ebenso wie die Militärs und einige wenige Industrielle, die genug Geld besaßen, um sich einen Platz in den hermetisch abgeschirmten Bunkern zu sichern.
Dort saßen sie nun, seine Ingenieure und Finanziers, und warteten auf ihr unvermeidliches Ende. Die Grippe, die ihren Brutschränken entflohen war noch bevor man ein Gegenmittel entwickelt hatte, war ein voller Erfolg. Die Feinde starben wie die Fliegen, genauso allerdings wie die eigenen Leute, aber da gab es schon keine Rettung mehr. Innerhalb von zwei Jahren war Mitteleuropa entvölkert worden. In Asien und Afrika hielten sich noch wenige Städte, aber auch das war nur noch eine Frage der Zeit.
Stahlkatz grinste schadenfroh. So ganz nebenbei war ihm die fast absolute Immunität in die Wiege gelegt worden. Viren und Bakterien hatten bei ihm keine Chance.
Am Horizont tauchte ein Messerschmitthubschrauber auf. Ab und zu schickten die Militärs eine Patrouille los, um die wenigen Überlebenden auszumerzen; potentielle Bazillenträger, die vernichtet werden mussten. Wahrscheinlich suchten sie auch ihn. Schließlich stellte er den Gegenwert eines Raketenzerstörers dar. Er dachte jedoch nicht daran, sein freies Leben aufzugeben. Ein Leben, das noch gut fünfzig Jahre währen würde. Er musste nur dieses Ungeziefer in Zaum halten, bevor es wieder Schaden anrichten konnte.
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