Ralf Langer
Mitglied
Heimwärts
Der alte Mann schaute auf die Uhr.
Es war kurz nach Neun am Morgen. Noch war ein wenig Zeit.
Aber dann kämen sie doch um ihn zu holen.
Dies war er also der letzte Morgen an dem alles so war wie immer:
Der Kaffee tröpfelte durch den Filter und verbreitete sein Aroma in der Küche.
Das Käseschnittchen mit Löwensenf bestrichen, lag auf dem alten Schneidebrett,
daneben die Tageszeitung.
Sein erster Blick galt schon seit langem den Todesanzeigen.
Hier fand er vertraute Namen. Und wenn er sie fand, wurde seine Welt kleiner.
Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte ihn dies erschreckt.
Jetzt nicht mehr.
Er las die Namen halblaut; studierte die kleinen Erinnerungstexte, fragte sich, ob diese wenigen Worte wohl das waren, was man die Essenz des Lebens der Verstorbenen nennen könnte, und hoffte das für ihn, diejenigen die Blieben, auch einen passenden Satz finden würden.
So wie jenen neulich, den er sich auf einen Zettel notiert hatte, nur um doch zu vergessen wo er ihn hingelegt hatte.
Die Erinnerung an die wenigen Worte und der Verbleib des Zettels waren beinahe greifbar und doch in ihm gänzlich versunken.
Er leerte den Kaffee, schüttete nach.
„ Nie mehr selber Kaffee kochen“; dachte er, „ und auch die Käseschnitte werden mir nun Andere schmieren.“
Er öffnete das Küchenfenster, legte ein Kopfkissen auf das Fensterbrett, lehnte sich mit gekreuzten Armen heraus, und schenkte seiner Welt einen letzten langen Blick.
Die Pappel auf dem Rasen vor seinem Haus hatte sich der Sturm geholt.
Der Stamm war in der Nacht geborsten und so hatte sein Schwiegersohn das Grünflächenamt gerufen.
Ein paar Männer waren gekommen, die fällten den Baum oberhalb der Grasnarbe, zersägten den Stamm und die Äste in handliche Stücke und fragten ihn schließlich, ob er das Holz gebrauchen könnte.
„Nehmt`s mit und gebt es einem der Särge macht. Das ist gutes Holz. Hält lang die Würmer ab“, hatte er geantwortet.
Die Männer lachten, luden alles auf den Wagen und waren davon gefahren.
Er hatte die Pappel selbst gepflanzt. Das war eine Ewigkeit her.
Jetzt sah er auf den Stumpf, sah wie Licht und Schatten über die freigelegten Jahresringe wanderten, und versuchte vergeblich vom Fenster aus die Ringe zu zählen.
Dann kam das Auto.
Er ging hinaus. Sein Schwiegersohn lächelte.
„ ...und alles erledigt?“; fragte er ihn.
„Ich habe das Fenster offen gelassen.“
Sein Schwiegersohn nickte verständnisvoll.
„Ist nicht schlimm. Ich mach´s zu wenn wir das Bett holen!“
Sie schwiegen.
Nach einer Weile seufzte der alte Mann.
„Weißt du was die Männer vom Amt mit dem Holz machen?“
Der Schwiegersohn zuckte mit den Achseln:
„Wen interessiert´s? Ich denke, es wird brennen. Ja, sie werden es verbrennen.“
Dann stiegen sie ein und fuhren heimwärts.
Der alte Mann schaute auf die Uhr.
Es war kurz nach Neun am Morgen. Noch war ein wenig Zeit.
Aber dann kämen sie doch um ihn zu holen.
Dies war er also der letzte Morgen an dem alles so war wie immer:
Der Kaffee tröpfelte durch den Filter und verbreitete sein Aroma in der Küche.
Das Käseschnittchen mit Löwensenf bestrichen, lag auf dem alten Schneidebrett,
daneben die Tageszeitung.
Sein erster Blick galt schon seit langem den Todesanzeigen.
Hier fand er vertraute Namen. Und wenn er sie fand, wurde seine Welt kleiner.
Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte ihn dies erschreckt.
Jetzt nicht mehr.
Er las die Namen halblaut; studierte die kleinen Erinnerungstexte, fragte sich, ob diese wenigen Worte wohl das waren, was man die Essenz des Lebens der Verstorbenen nennen könnte, und hoffte das für ihn, diejenigen die Blieben, auch einen passenden Satz finden würden.
So wie jenen neulich, den er sich auf einen Zettel notiert hatte, nur um doch zu vergessen wo er ihn hingelegt hatte.
Die Erinnerung an die wenigen Worte und der Verbleib des Zettels waren beinahe greifbar und doch in ihm gänzlich versunken.
Er leerte den Kaffee, schüttete nach.
„ Nie mehr selber Kaffee kochen“; dachte er, „ und auch die Käseschnitte werden mir nun Andere schmieren.“
Er öffnete das Küchenfenster, legte ein Kopfkissen auf das Fensterbrett, lehnte sich mit gekreuzten Armen heraus, und schenkte seiner Welt einen letzten langen Blick.
Die Pappel auf dem Rasen vor seinem Haus hatte sich der Sturm geholt.
Der Stamm war in der Nacht geborsten und so hatte sein Schwiegersohn das Grünflächenamt gerufen.
Ein paar Männer waren gekommen, die fällten den Baum oberhalb der Grasnarbe, zersägten den Stamm und die Äste in handliche Stücke und fragten ihn schließlich, ob er das Holz gebrauchen könnte.
„Nehmt`s mit und gebt es einem der Särge macht. Das ist gutes Holz. Hält lang die Würmer ab“, hatte er geantwortet.
Die Männer lachten, luden alles auf den Wagen und waren davon gefahren.
Er hatte die Pappel selbst gepflanzt. Das war eine Ewigkeit her.
Jetzt sah er auf den Stumpf, sah wie Licht und Schatten über die freigelegten Jahresringe wanderten, und versuchte vergeblich vom Fenster aus die Ringe zu zählen.
Dann kam das Auto.
Er ging hinaus. Sein Schwiegersohn lächelte.
„ ...und alles erledigt?“; fragte er ihn.
„Ich habe das Fenster offen gelassen.“
Sein Schwiegersohn nickte verständnisvoll.
„Ist nicht schlimm. Ich mach´s zu wenn wir das Bett holen!“
Sie schwiegen.
Nach einer Weile seufzte der alte Mann.
„Weißt du was die Männer vom Amt mit dem Holz machen?“
Der Schwiegersohn zuckte mit den Achseln:
„Wen interessiert´s? Ich denke, es wird brennen. Ja, sie werden es verbrennen.“
Dann stiegen sie ein und fuhren heimwärts.