Crimson Conjuror
Mitglied
Der Greif und die Rittersmannen
Es trug sich unterhalb vom Hohen-Neuffen
einst zu im grünen Walde eines Greifen,
dass stolz zu Pferde eine Ritterschar
zur Mittagszeit im Holz zugegen war.
Gar lustvoll sangen Vögel Lenzenlieder,
bald hier, bald dort erblühte froh der Flieder,
das Wild stand äsend auf der freien Lichtung.
Ein Bild für manch poetisch schöne Dichtung.
Die Ritter drangen, ohne es zu wissen,
in das Revier des starken, stolzen Gryffen.
So blinkend hell, so hoch auf weißen Pferden.
Sechsbein’ges Tiervolk muss vertrieben werden!
Der Greif schlich, keine zwanzig Schritt daneben,
den Streitern nach, die zu der Feste streben,
zu sehen durch manch Loch im Blätterdache,
der Greif, zum Sprung geduckt, in eig’ner Sache.
Da hielten auf ein Mal alle Rosse und Reiter,
denn die Laute des Waldes ertönten nicht weiter.
„Merkt auf! Da ist uns wohl wer auf den Hacken.
Doch soll nicht er uns, sondern wir ihn packen.”
So bildeten die Weißen einen Kreis
und lauschten und verhielten sich ganz leis.
Die Klingen außen, ihre Rücken innen.
So konnte nicht ein Schlag gescheh’n von hinnen.
Da schoss mit markerschütterndem Kampfgetöse
von oben auf den Kreis, dass er ihn löse,
des Greifen Schatten, riss entzwei den Band.
Die tapf’ren Streiter stoben auseinand’.
Links, rechts von ihm, hint’, vorn und an den Ecken
entsetzt schrien auf die kreidebleichen Recken.
Wo sollt’ zuerst er führen seinen Streich?
Den nächsten besten fuhr er durch die Bäuch.
Doch was war das? Vier Beine rannten weiter!
Die Leiber auch. - Vielleicht war es gescheiter,
sechsbein’ge Tiere doch nicht zu durchtrennen,
sonst würden noch doppelt so viel durch die Gegend rennen!
Mit ungeheu’rem Wutgebrüll erboste
sich nun der Greif, gar fürchterlich er toste,
dass ringsumher erzitterte das Laub,
’s war jedes Ohr für Augenblicke taub.
Er hieb nach rechts, er schlug nach links, nach vorn,
um die Weißen zu entreißen dem Lebensborn.
So schlug er diese Streiter in die Flucht,
geradewegs hinein in eine Schlucht.
Zu beiden Seiten ragte auf der Fels.
Und immer noch rückte der Greif ihnen auf den Pelz.
So blieb ihnen nur die eine Richtung: nach vorn.
Das Untier war jetzt rasend in seinem Zorn.
Die Ritter stolperten eisenbewehrt voran,
denn keiner von ihnen war freiwillig der letzte Mann.
Doch zu ihrer aller größtem Schrecken
blieben sie in einer sackenen Gasse stecken.
Doch dann bemerkten sie: Da war ja noch -
so dunkel, kaum erkennbar - ein schwarzes Loch.
Und immer noch nahte, von hinten wütend, der Greif
und stelzte durch den engen Spalt, fast steif.
Hinein ins Dunkel tasteten sich die Reiter.
Die vorderen zauderten. „Zagt nicht! Weiter, weiter!”
Doch just in dem Moment trat aus der Schwärze -
welch Graus! - ein Drache, dass er sie ausmerze!
Was nun? Links, rechts, hint’, vorn und an den Ecken
kein Weg zur Flucht, kein Hohlraum zum Verstecken.
Von zwei der stärksten Wesen in der Zange -
da ward den armen Rittern richtig bange.
Doch als ihre Augen sich an das Licht gewöhnten,
sie sich - Glück auf! - mit Fortuna wieder versöhnten.
In einem von ihnen bisher unentdeckten Winkel
erkannten sie eine Tür mit hölzernem Klinkel.
Sie fassten darnach, und die winzige Tür sprang auf,
dahinter führten sich windende Stufen hinauf.
So konnten sie doch noch der misslichen Lage entkommen
und waren gar zweien der tödlichsten Bestien entronnen.
Aus der Tiefe kam grausiges Wutgeschnaube.
Wären sie jetzt noch dort unten, so wären sie Taube.
Bald zahllos waren die Stufen, sie nahmen kein Ende.
Der Schwindel nahm zu, denn sie stiegen gar behende.
Doch glücklich langten sie endlich oben an.
Verloren hatten sie keinen einzigen Mann.
Sie waren nun in den Kellern vom Hohen-Neuffen.
Hier lag der Wein, um zum „Württemberger” zu reifen.
Sie hörten tief unten den Drachen dem Greifen zürnen
und schepperten durch die Halle bis hin zu den Türmen.
Und abermals stiegen sie schwindelnd im Kreislauf hinan
und verloren - Potzblitz! - schon wieder nicht einen Mann!
So erreichten sie die von Winden ergriffene Zinne
und warfen ein Aug’ hinab, zu sehen, wer gewinne.
Den Greifen hatte der Drache hinausgetrieben.
Nur weichen konnte der solch gar mächtigen Hieben.
Da waren sie auch schon aus dem Spalt hinaus,
und schon brach die rasende Kampfgier des Greifen aus.
Er fetzte durchs Gras und peitschte hinaus seine Schwingen,
um sich in die Luft in kräftige Winde zu bringen.
Der Lindwurm ihm nach auf ledernen, schwarzen Flügeln,
um dem Greifen eins über seinen Schädel zu bügeln.
Doch dieser, nicht mehr eingeengt, bewies,
dass er sich, von einem Wurm, nichts sagen ließ!
Was dieser an Beweglichkeit dem Greifen hatte voraus -
in der Schlucht - das reichte hier oben nicht mehr aus.
Der Drache besaß seine Schnauze nebst sechs Klauen,
der Greif vier löwene Pranken, zum Drachen-Hauen.
Zudem den Schnabel des Königs der Lüfte, des Aars.
Da flog der Wurm in die Luft und kreischte: „Das war’s!”
Doch so leicht machte der Greif es dem Flüchtenden nicht.
Im Flug war ein Drache für Greifen ein kleiner Wicht.
Er packte das Ende der Schlange und flog zwei Schlaufen
und zog es, ohne noch einmal zu verschnaufen,
zu einem sonderbar anzusehenden Knoten.
Nun glich es mehr einem seltenen Exoten.
Drauf trug in der Gestalt er ihn zum Horst,
hoch auf dem Steine thronend, über’m Forst.
Sechs winz’ge Greiflein krähten draus herfür
mit schon beachtlichem Souper-Gespür.
„Aah-Tschip!” schrien sie und sperrten die Schnäblein auf.
Der Greif riss ihnen sechs Beine für sie aus.
Den Leib verschlang er selbst. Und am Horizonte
er seine entzückende Greifin ausmachen konnte!
Die Ritter verfolgten bewegt diese Familien-Idylle
und zogen sich respektvoll zurück in die Abendstille.
Die rotgold’ne Sonne versank in glühenden Strahlen,
und dieser Tag ging ein in die Annalen.
Bis heut’ steht unterhalb vom Hohen-Neuffen
der Wald von unserem württemberg’schen Greifen,
doch seitdem niemals mehr die Ritterschar
zur Mittagszeit im Holz zugegen war.
Ende
Es trug sich unterhalb vom Hohen-Neuffen
einst zu im grünen Walde eines Greifen,
dass stolz zu Pferde eine Ritterschar
zur Mittagszeit im Holz zugegen war.
Gar lustvoll sangen Vögel Lenzenlieder,
bald hier, bald dort erblühte froh der Flieder,
das Wild stand äsend auf der freien Lichtung.
Ein Bild für manch poetisch schöne Dichtung.
Die Ritter drangen, ohne es zu wissen,
in das Revier des starken, stolzen Gryffen.
So blinkend hell, so hoch auf weißen Pferden.
Sechsbein’ges Tiervolk muss vertrieben werden!
Der Greif schlich, keine zwanzig Schritt daneben,
den Streitern nach, die zu der Feste streben,
zu sehen durch manch Loch im Blätterdache,
der Greif, zum Sprung geduckt, in eig’ner Sache.
Da hielten auf ein Mal alle Rosse und Reiter,
denn die Laute des Waldes ertönten nicht weiter.
„Merkt auf! Da ist uns wohl wer auf den Hacken.
Doch soll nicht er uns, sondern wir ihn packen.”
So bildeten die Weißen einen Kreis
und lauschten und verhielten sich ganz leis.
Die Klingen außen, ihre Rücken innen.
So konnte nicht ein Schlag gescheh’n von hinnen.
Da schoss mit markerschütterndem Kampfgetöse
von oben auf den Kreis, dass er ihn löse,
des Greifen Schatten, riss entzwei den Band.
Die tapf’ren Streiter stoben auseinand’.
Links, rechts von ihm, hint’, vorn und an den Ecken
entsetzt schrien auf die kreidebleichen Recken.
Wo sollt’ zuerst er führen seinen Streich?
Den nächsten besten fuhr er durch die Bäuch.
Doch was war das? Vier Beine rannten weiter!
Die Leiber auch. - Vielleicht war es gescheiter,
sechsbein’ge Tiere doch nicht zu durchtrennen,
sonst würden noch doppelt so viel durch die Gegend rennen!
Mit ungeheu’rem Wutgebrüll erboste
sich nun der Greif, gar fürchterlich er toste,
dass ringsumher erzitterte das Laub,
’s war jedes Ohr für Augenblicke taub.
Er hieb nach rechts, er schlug nach links, nach vorn,
um die Weißen zu entreißen dem Lebensborn.
So schlug er diese Streiter in die Flucht,
geradewegs hinein in eine Schlucht.
Zu beiden Seiten ragte auf der Fels.
Und immer noch rückte der Greif ihnen auf den Pelz.
So blieb ihnen nur die eine Richtung: nach vorn.
Das Untier war jetzt rasend in seinem Zorn.
Die Ritter stolperten eisenbewehrt voran,
denn keiner von ihnen war freiwillig der letzte Mann.
Doch zu ihrer aller größtem Schrecken
blieben sie in einer sackenen Gasse stecken.
Doch dann bemerkten sie: Da war ja noch -
so dunkel, kaum erkennbar - ein schwarzes Loch.
Und immer noch nahte, von hinten wütend, der Greif
und stelzte durch den engen Spalt, fast steif.
Hinein ins Dunkel tasteten sich die Reiter.
Die vorderen zauderten. „Zagt nicht! Weiter, weiter!”
Doch just in dem Moment trat aus der Schwärze -
welch Graus! - ein Drache, dass er sie ausmerze!
Was nun? Links, rechts, hint’, vorn und an den Ecken
kein Weg zur Flucht, kein Hohlraum zum Verstecken.
Von zwei der stärksten Wesen in der Zange -
da ward den armen Rittern richtig bange.
Doch als ihre Augen sich an das Licht gewöhnten,
sie sich - Glück auf! - mit Fortuna wieder versöhnten.
In einem von ihnen bisher unentdeckten Winkel
erkannten sie eine Tür mit hölzernem Klinkel.
Sie fassten darnach, und die winzige Tür sprang auf,
dahinter führten sich windende Stufen hinauf.
So konnten sie doch noch der misslichen Lage entkommen
und waren gar zweien der tödlichsten Bestien entronnen.
Aus der Tiefe kam grausiges Wutgeschnaube.
Wären sie jetzt noch dort unten, so wären sie Taube.
Bald zahllos waren die Stufen, sie nahmen kein Ende.
Der Schwindel nahm zu, denn sie stiegen gar behende.
Doch glücklich langten sie endlich oben an.
Verloren hatten sie keinen einzigen Mann.
Sie waren nun in den Kellern vom Hohen-Neuffen.
Hier lag der Wein, um zum „Württemberger” zu reifen.
Sie hörten tief unten den Drachen dem Greifen zürnen
und schepperten durch die Halle bis hin zu den Türmen.
Und abermals stiegen sie schwindelnd im Kreislauf hinan
und verloren - Potzblitz! - schon wieder nicht einen Mann!
So erreichten sie die von Winden ergriffene Zinne
und warfen ein Aug’ hinab, zu sehen, wer gewinne.
Den Greifen hatte der Drache hinausgetrieben.
Nur weichen konnte der solch gar mächtigen Hieben.
Da waren sie auch schon aus dem Spalt hinaus,
und schon brach die rasende Kampfgier des Greifen aus.
Er fetzte durchs Gras und peitschte hinaus seine Schwingen,
um sich in die Luft in kräftige Winde zu bringen.
Der Lindwurm ihm nach auf ledernen, schwarzen Flügeln,
um dem Greifen eins über seinen Schädel zu bügeln.
Doch dieser, nicht mehr eingeengt, bewies,
dass er sich, von einem Wurm, nichts sagen ließ!
Was dieser an Beweglichkeit dem Greifen hatte voraus -
in der Schlucht - das reichte hier oben nicht mehr aus.
Der Drache besaß seine Schnauze nebst sechs Klauen,
der Greif vier löwene Pranken, zum Drachen-Hauen.
Zudem den Schnabel des Königs der Lüfte, des Aars.
Da flog der Wurm in die Luft und kreischte: „Das war’s!”
Doch so leicht machte der Greif es dem Flüchtenden nicht.
Im Flug war ein Drache für Greifen ein kleiner Wicht.
Er packte das Ende der Schlange und flog zwei Schlaufen
und zog es, ohne noch einmal zu verschnaufen,
zu einem sonderbar anzusehenden Knoten.
Nun glich es mehr einem seltenen Exoten.
Drauf trug in der Gestalt er ihn zum Horst,
hoch auf dem Steine thronend, über’m Forst.
Sechs winz’ge Greiflein krähten draus herfür
mit schon beachtlichem Souper-Gespür.
„Aah-Tschip!” schrien sie und sperrten die Schnäblein auf.
Der Greif riss ihnen sechs Beine für sie aus.
Den Leib verschlang er selbst. Und am Horizonte
er seine entzückende Greifin ausmachen konnte!
Die Ritter verfolgten bewegt diese Familien-Idylle
und zogen sich respektvoll zurück in die Abendstille.
Die rotgold’ne Sonne versank in glühenden Strahlen,
und dieser Tag ging ein in die Annalen.
Bis heut’ steht unterhalb vom Hohen-Neuffen
der Wald von unserem württemberg’schen Greifen,
doch seitdem niemals mehr die Ritterschar
zur Mittagszeit im Holz zugegen war.
Ende