Mischformen
Meine Gedichte beginnen mit einer Naturbeobachtung. Alles, was wir wahrnehmen, verbinden wir mit unseren Gefühlen, auch wenn uns das manchmal nicht bewusst ist oder nicht explizit ausgedrückt wird.
Wenn ich also schreibe, "Donner brüllt wütend" hat das einerseits mit der Lautstärke des Donners aber auch mit der psychischen Verfasstheit des lyrischen Ichs zu tun. Jedes dieser Worte beinhaltet eine Heftigkeit, die durch das wiederkehrende "ü" noch gesteigert wird. Deshalb finde ich diese drei Worte sehr ausdrucksstark. "Regen prasselt hernieder" ist ebenfalls ein Naturphänomen. Die letzte Zeile bringt ist mit der vorangegangenen verbunden, bringt aber doch eine Wende. Die Metapher "nasses Herz" nimmt Bezug auf den Regen. Aber dieses Herz "zittert", was auf ein menschliches Gefühl hindeutet: ein Schaudern, ein Bewegtsein.
Manchen Kommentatoren scheint entgangen zu sein, dass ich den zweiten Dreizeiler durch einen anderen ersetzt habe. Das geschah, weil ich selbst den ersten nicht so schön fand. "Grauslich" finde ich aber ein zu hartes Wort im Rahmen der Textkritik. Ich muss gestehen, dass ich selbst auch schon Gedichte grauslich fand. Geschrieben habe ich das nie. Um die Gefühle des Autors bzw. der Autorin nicht zu verletzen, würde ich eher das Wort "unschön" wählen. Aber zum nun veröffentlichten Dreizeiler. Auch dieser hat in den ersten beiden Zeilen einen Naturbezug. Und wieder bezieht sich die letzte Zeile auf die menschlichen Gefühle des lyrischen Ichs.
Bei beiden Dreizeilern ist also die Form ähnlich. Zwei Zeilen nehmen Bezug auf die Natur, die letzte Zeile beschreibt menschliche Gefühle. Francine Porad aus Seattle im Staat Washington und frühere Präsidentin der Amerikanischen Haiku Society meint, dass Mischformen zulässig sind und es somit Gedichte gibt, die sowohl als Haikus wie auch als Senryus angesehen werden können. Ich wäre auch mit einer Zuordnung meiner Gedichte zu den Senryus einverstanden, nicht jedoch mit der schlechten Beurteilung. Aber über Geschmack lässt sich ja bekanntlich streiten ...
Gedichte sprechen in besonderer Weise die Gefühle der Menschen an. Das mag ein Grund für die Heftigkeit der hier geführten Diskussion sein. Diese Gefühlsbezogenheit sollte aber auch ein Grund sein, nicht nur bei der Gestaltung von Gedichten sondern auch bei der Diskussion die Worte sorgfältig zu wählen.