Hinterland

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Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Durch Alleebäume fallen Lichtblitze auf die Straße. Unsere Fahrt geht vorbei an verlassenen Bauernhöfen und eingefallenen Scheunen. Vergessene Strohrollen auf den Feldern schimmeln grau geworden vor sich hin, wie das verwaiste „Konsum“-Geschäft im Dorf.

Wir betrachten hungrig den Aushang eines kleinen Gasthofes.
„Da ist schon seit letztem Jahr geschlossen. Im Nachbarort gibt es ein Café. Aber heute ist Montag, da haben die Ruhetag“, verkündet eine Stimme von der anderen Straßenseite.

Das Wasser im See ist kalt und klar, am Grund schwimmen Fische. Es prickelt auf der Haut, genau wie früher.

Uns fröstelt.
 
Zuletzt bearbeitet:

Mistralgitter

Mitglied
Ein Text, der lichtblitzartig die ganze Trostlosigkeit und Verlassenheit einer Gegend aufleuchten lässt. Und trotzdem gibt es verhaltene Hinweise auf ein Leben, das sich über die Jahre erhalten hat: die Alleebäume, der See mit den Fischen. Er erfrischt, während das meiste jedoch,was früher Leben bedeutete, erloschen ist: die eingefallenen Scheunen, schimmelnde Strohrollen, das verwaiste Konsumgeschäft. Und was noch Dorfleben bedeuten könnte, hat ausgerechnet jetzt geschlossen - der Gasthof. Traurig, nicht nur hungrig suchen die Besucher nach Anhaltspunkten für ihre Erinnerung. Und finden das Wasser, das prickelnd ist, aber auch kalt. Nicht so richtig einladend. Sie frösteln, äußerlich sicher, vermutlich auch innerlich. Ein Zwiespalt tut sich auf zwischen der Lebendigkeit , die einmal war, und der Armseligkeit des Jetzt.
Ich mag solche Texte sehr.
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Mistralgitter,

du hast die Intention des Textes, das Frösteln, genau erkannt.

Danke und liebe Grüße
Manfred
 

Kaetzchen

Mitglied
Hallo Bernd
Mir gefällt der Text, besonders seine Stimmung. Vielleicht könnte man noch eine kurze Beziehung zur Vergangenheit herstellen. Es war ja dort nicht immer so trostlos. Das ist nur so eine Überlegung.
LG Kaetzchen
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Kaetzchen,

das wäre eine Möglichkeit, aber ich habe mich ganz bewusst dafür entschieden, den Jetztzustand darzustellen.

Liebe Grüße
Manfred
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo Franke,

auch hier gäbe es aus meiner Sicht einiges zu verbessern / klarzustellen.

Alleebäume werfen Lichtblitze auf die Straße. Unsere Fahrt geht vorbei an verlassenen Bauernhöfen und eingefallenen Scheunen. Vergessene Strohrollen auf den Feldern schimmeln grau geworden vor sich hin, wie das verwaiste „Konsum“-Geschäft im Dorf. Der Konsum schimmelt auch? Du meinst sicher, dass er auch grau geworden ist.
Vergessene Strohballen auf den Feldern sind genauso grau geworden wie das verwaiste „Konsum“-Geschäft im Dorf.

Wir betrachten hungrig die Speisekarte eines kleinen Gasthofes.
Hört sich an, als säßet ihr schon im Gasthof. Hier ist sicher der Aushang draußen gemeint.


„Da ist schon seit letztem Jahr geschlossen. Im Nachbarort gibt es ein Café. Aber heute ist Montag, da haben die Ruhetag“,
Aber montags ist Ruhetag – Damit hast Du ein „die“ schon wieder vermieden verkündet eine Stimme von der anderen Straßenseite.

Das Wasser im See ist kalt und klar, am Grund schwimmen die (welche? – Auf den Artikel könntest Du hier verzichten) Fische. Es prickelt auf der Haut, genau wie früher.

Uns fröstelt.
Gruß, Ciconia

P.S. Den Vorschlag von Mistralgitter finde ich gar nicht schlecht. Mit dem "genau wie früher" hast Du ja schon einen Bezug zur Vergangenheit hergestellt, dem aber nicht weiter nachgegangen wird.
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Ciconia,

Der Konsum schimmelt auch?
Ja, auch Häusern können schimmeln.


Hört sich an, als säßet ihr schon im Gasthof. Hier ist sicher der Aushang draußen gemeint.
Finde ich jetzt nicht dramatisch, werde ich aber ausbessern.

Aber montags ist Ruhetag – Damit hast Du ein „die“ schon wieder vermieden
Da bin ich noch am Überlegen, denn so gestelzt wird in Dörfern üblicherweise nicht geredet.

(welche? – Auf den Artikel könntest Du hier verzichten)
Welche Fische es waren ist zweitrangig, mit dem Artikel hast du allerdings recht. der ist entbehrlich.


Ich denke, dass der Bezug zu früher nicht noch extra ausgeführt werden muss. Sollte eigentlich logisch sein, dass der Bauernhof nicht verlassen und das Geschäft nicht verwaist war.

Danke und liebe Grüße
Manfred
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo Franke,

so gestelzt wird in Dörfern üblicherweise nicht geredet
"Aber montags ist Ruhetag" finde ich nun nicht gerade gestelzt.
Welche Fische es waren ist zweitrangig
Natürlich, das meinte ich auch nicht. Ich meinte nur, wenn Du "die Fische" schreibst, müsste sich dies auch auf bestimmte Fische beziehen.
Sollte eigentlich logisch sein, dass der Bauernhof nicht verlassen und das Geschäft nicht verwaist war.
Natürlich ist dies logisch. Allerdings wird Dein Bezug zu dieser Gegend nicht klar, obwohl Du schreibst "wie früher".

Gruß, Ciconia
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Ciconia,

Allerdings wird Dein Bezug zu dieser Gegend nicht klar, obwohl Du schreibst "wie früher".
Damit soll ausgedrückt werden, dass lediglich der See unbeschadet über die Zeit gekommen ist.
Ob die Protagonisten dort geboren sind, dort gewohnt oder schon öfter Urlaub gemacht haben, ist für diesen Text vollkommen irrelevant.

Liebe Grüße
Manfred
 
G

Gelöschtes Mitglied 21589

Gast
Lieber Franke,

dein Text hat mich erreicht. Mit wenigen Worten konntest du ein melancholisches Gefühl in mir erzeugen. Ich bin deshalb froh, dass du das Kurzprosaschreiben nicht aufgegeben hast.

Zum Inhalt und zu der ein oder anderen Stelle, an denen Verbesserungspotenzial gesehen wurde, haben die anderen sich ja bereits geäußert. Ich möchte nur noch einige kleine Ergänzungen anbringen:

Der erste Satz müsste meiner Ansicht nach umformuliert werden, da er in seiner jetzigen Form unlogisch erscheint. Denn es können ja nicht die Bäume sein, von denen das Licht ausgeht, sondern dies vermag allein die Sonne am Himmel. Ich würde deshalb schreiben: Durch Alleebäumen fallen Lichtblitze auf die Straße.

Bezüglich der Strohrollen würde ich des Weiteren das Attribut vergessene überdenken. Es erscheint mir unwahrscheinlich, dass ein Bauer eine Strohrolle vergessen, also übersehen kann. Es ist deshalb denkbarer, dass sie aus anderen Gründen noch auf den Feldern liegen, deshalb würde ich das Adjektiv liegengeblieben empfehlen.

Außerdem würde ich die Anführungszeichen bei "Konsum"-Geschäft weglassen und tatsächlich einfach nur Konsum schreiben. Die Anführungszeichen haben etwas Erklärendes an sich und stören meiner Meinung nach die Immersionskraft deines Textes.

Die wörtliche Rede bezüglich des Cafés finde ich überdies sehr gelungen, ich würde das nicht ändern, da es ja, wie du auch sagst, ein wenig umgangssprachlich sein muss.

Für meinen persönlichen Geschmack wäre dein Text übrigens noch gelungener, wenn er auf das uns fröstelt am Ende verzichten würde. Ich brauche diesen Zusatz nicht, um die Stimmung deiner Zeilen zu fühlen, auf eine gewisse Art wirkt er auf mich beinahe erklärend, so als würdest du deinem Text nicht zutrauen, genug Gefühle vermittelt zu haben. Meiner Meinung nach hat er dies aber!

Gern gelesen.

Herzliche Grüße
Frodomir
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Frodomir,


Der erste Satz müsste meiner Ansicht nach umformuliert werden, da er in seiner jetzigen Form unlogisch erscheint. Denn es können ja nicht die Bäume sein, von denen das Licht ausgeht, sondern dies vermag allein die Sonne am Himmel. Ich würde deshalb schreiben: Durch Alleebäumen fallen Lichtblitze auf die Straße.
Da hast du durchaus recht. Hier ist der Lyriker in mir etwas durchgegangen.
Deinen Vorschlag übernehme ich gerne.

Bezüglich der Strohrollen würde ich des Weiteren das Attribut vergessene überdenken. Es erscheint mir unwahrscheinlich, dass ein Bauer eine Strohrolle vergessen, also übersehen kann. Es ist deshalb denkbarer, dass sie aus anderen Gründen noch auf den Feldern liegen, deshalb würde ich das Adjektiv liegengeblieben empfehlen.
Die Strohballen korrespondieren mit den verlassenen Bauernhöfen. Ich denke, von daher passt dies.

Außerdem würde ich die Anführungszeichen bei "Konsum"-Geschäft weglassen und tatsächlich einfach nur Konsum schreiben. Die Anführungszeichen haben etwas Erklärendes an sich und stören meiner Meinung nach die Immersionskraft deines Textes.
Damit wollte ich gar nicht erklären, sondern "Konsum" war ein Eigennamen. Deshalb die Anführungszeichen.

Für meinen persönlichen Geschmack wäre dein Text übrigens noch gelungener, wenn er auf das uns fröstelt am Ende verzichten würde. Ich brauche diesen Zusatz nicht, um die Stimmung deiner Zeilen zu fühlen, auf eine gewisse Art wirkt er auf mich beinahe erklärend, so als würdest du deinem Text nicht zutrauen, genug Gefühle vermittelt zu haben. Meiner Meinung nach hat er dies aber!
Hm...
Darauf verzichte ich ungerne.
Es soll damit sowohl das Frösteln durch das kalte Wasser, als auch durch die Verlassenheit der Gegend zum Ausdruck gebracht werden.
Das Erspüren der Protagonisten soll damit zum Ausdruck gebracht werden..

Danke und liebe Grüße
Manfred
 



 
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