Hohenwutzen, Weihnachtsgans und Trouble
Anfang Oktober fragte Karin, die Verbindungsperson zwischen dem Vereinsvorstand und seinen Mitgliedern: „Wollt ihr nicht wieder nach Polen fahren, so wie in jedem Jahr kurz vor Weihnachten?“
„Jaaaaa!“, freute sich Gabi, „Weihnachtsjänse koofen!“
„Und ich spendiere dem Verein eine Martinsgans“, fügte Martin hinzu.
„Nee, die Jans spendiere ick doch schon, eh!“, rief Gabi unter Stirnrunzeln.
„Ja, ja“, begütigte Martin, „du spendierst die Weihnachtsgans und ich die Martinsgans. Der Martinstag ist sechs Wochen vor Weihnachten, also keine Sorge, Mausi“.
Gabi war beruhigt.
„Also wann wollt ihr fahren? Möglichst nicht im Dezember, da ist es auf dem Polenmarkt zu voll“, gab Karin zu bedenken.
Es dauerte keine halbe Stunde und man hatte sich auf den 4. 11. geeinigt. Das war ein Mittwoch. Vereinsausflüge finden bei uns immer mittwochs statt.
Charlotte, die meistens die Ausflüge organisiert, schrieb alle Interessenten auf und stellte fest, dass noch zwei Personen mitfahren könnten, dann wäre der Bus voll ausgelastet. Sie telefonierte mit allen möglichen Vereinsmitgliedern, denn es könnte ja jemand abspringen und mit weniger als sechs Leuten fährt unser Kleinbus gar nicht erst los.
Und siehe da – plötzlich waren es16 Interessenten! Es musste an zwei Tagen gefahren werden. Für den zweiten Termin war rasch der 11. 11. ausgesucht.
Zuerst aber mussten die Menschen sortiert werden, denn Martin vertrug sich nicht mit Marianne, Wolfgang kannte außer Martin, Peter und Gabi niemanden und Ute kannte nur Charlotte. Also bekamen Martin, Wolfgang, Gabi nebst Lebensgefährten, Peter nebst Frau, die hübsche Inge (um Wolfgang fester in den Verein zu ziehen) und Andreas den Bus am 4. 11. und am 11. 11. sollten Charlotte, Ute, Heidi nebst Ehemann, Marianne, Hans, Gerda und Karin, die auch endlich mal eine Polenfahrt mitmachen wollte, fahren.
Sehr stolz und nahezu glücklich überreichte Charlotte am nächsten Tag die Liste mit den Teilnehmern der Vereinsvorsitzenden. Aus gesundheitlichen Gründen hatte schon wochenlang keine Fahrt mehr stattfinden können, und nun gleich zwei! Frau E. warf einen flüchtigen Blick auf den Zettel und polterte: „Ja, wer hat sich denn das nun wieder ausgedacht? Am 4. könnt ihr nicht fahren, da kommt der Bus in die Werkstatt! Sonst bekommen wir die neue Plakette nicht“.
Charlotte zog mit ihrer Liste ab und ließ die Mundwinkel hängen. Karin tröstete: „Na, da verschieben wir die Leute vom 4. auf den 11. und die vom 11. auf den 18., ist doch ganz einfach!“
„Aber noch einfacher is, wenn wa die vom 4. auf n 18. verschieben, die vom 11. haben nämlich teilweise schon Arzttermine und anderes verlegt, um fahren zu können! Und außerdem weeßt du doch, wie Gabi hochjeht, wenn irjendwat nich so jeht, wie sie s jerne hätte“.
„Na, mach, wie du willst, du wirst das Kind schon schaukeln“.
Also telefonierte Charlotte erneut herum. „Gabi, wir können nicht am 4. fahren, passt es dir am 18.?“ – „Jut, det du anrufst, mein Mann is krank, wir komm nich mit“.
Uffdala, gleich zwei Leute weniger!
„Heidi, die Fahrt nach Hohenwutzen is auf den 18. verlegt worden. Ick hoffe, det dir det recht is“. – „Hohenwutzen? Ich denke, wir fahren nach Küstrin, die Altstadt und die Zitadelle besichtigen?“ – „Nee, es jeht nach Hohenwutzen. Und wenn wir nach Küstrin jefahren wären, wär t da ooch nur uff n Polenmarcht jejang“. – „Ach, dafür haben mein Mann und ich gar kein Interesse, tut mir leid“.
Uffuffdala, noch zwei weniger!
Am nächsten Tag fand sich wenigsten für zwei Ersatz, Elisabeth und Bärbel bekundeten Interesse für die Fahrt.
Wieder ging Charlotte stolz zur Vereinsvorsitzenden und präsentierte die neue Liste. Wieder warf Frau E. nur einen flüchtigen Blick darauf und sagte: „Am 18. könnt ihr auch nicht fahren, da habe ich einen Vortrag organisiert mit hoch angebundenen Leuten, das dürft ihr nicht verpassen. Das sind Leute, die ihr sonst euer Lebtag nicht zu Gesicht bekommen würdet“.
Na bravo! Alles umsonst. Noch mal alle anrufen mit der Frage, ob es denn wohl am 25. 11. genehm wäre!
Da kamen dann Antworten wie: Am 25. hat mein Sohn Geburtstag, haben wir Hochzeitstag, habe ich einen Arzttermin, der sich nicht verschieben lässt, verreise ich oder bekomme ich Besuch.
Am nächsten Tag wurde Charlotte von Ute angesprochen: „Du, ich muss dir leider sagen, dass mir mein Arzt jeden Mittwoch Massagen verordnet hat, ich kann leider nicht nach Polen fahren“.
Und Hans sagte: „Es tut mir leid, aber mir ham se jestern in de Schdraßnbahn det Pottmonneh jeklaut, ick kann nich mitfahn nach n Polenmarcht“.
Schwupps waren es nur noch acht Leute, und denen passte der 11. 11.
Der Kraftfahrer hatte sich bei Frau E. erkundigt, wann die Fahrt losgeht. Er war schon vor Monaten darauf hingewiesen worden, dass er sich nicht nach dem richten soll, was Charlotte sagt, sondern nach dem, was der Vorstand sagt. „Um neun Uhr beginnen unsere Ganztagesfahrten immer“, ordnete sie an, aber nur dem Kraftfahrer gegenüber, den Fahrtteilnehmern sagte sie kein Wort.
Charlotte aber wusste von früheren Fahrten, dass so früh noch nicht alle Stände aufgebaut sind und dass wir außerdem verspätet zum Mittagstisch kommen, was namentlich für die Zuckerkranken nicht so gut ist. Also orientierte sie den Kraftfahrer auf zehn Uhr.
Am 10. 11. fauchte Martin: „Was, ihr wollt um zehn schon los? Dann kann ich nicht mitkommen. Um zehn bin ich noch beim Arzt“.
„Kein Problem, dann fahn wa eben um elf Uhr, det is sowieso die beste Zeit. Dann sind wir um zwölf bei Tisch, können danach in Ruhe den Marcht abmarschieren und fahren bei Tageslicht heem“.
Am Nachmittag telefonierte sie noch einmal alle durch, um sie auf die neue Stunde umzuorientieren. Alle nickten ihn ab. Nur Marianne tönte: „Mein Bus fährt neuerdings nich mehr so pünktlich. Kann sein, det ick schpeeta komme. Aba waatet ja uff mir, nich wie neulich bei n Friedrichstadtpalast, wo ihr mir vor de Neese wechjefahn seid!“
Am 11. 11. war sie aber schon um zehn Uhr im Vereinshaus, weil sie den Fotoapparat mitnehmen wollte. So ein Erinnerungsfoto macht sich immer hübsch an der Pinnwand. Und wen sah sie da? Den Martin! Er hatte den Arttermin einfach vorgezogen, um pünktlich zu sein. Nun war er sauer, weil er eine Stunde warten musste, der Kraftfahrer war sauer, weil er schon seit einer Stunde auf uns gewartet hatte und nun eine weitere Leerstunde vor ihm lag. Das hätte er nicht nötig gehabt, denn Charlotte hatte auch ihm Bescheid gegeben, dass die Fahrt erst um elf Uhr beginnt.
Bei schönem Wetter rollten unsere dicken Räder durch Berlin und über die Autobahn Richtung Polen. Pünktlich um elf Uhr elf zog Marianne eine Flasche selbst gemachten Likör aus der Tasche und wir stießen auf den Beginn der „närrischen Zeit“ an.
Charlotte hatte auch ein paar Stimmungs – CDs mitgenommen, aber der vornehme CD – Player im Bus wollte die selbst gebrannten Scheiben nicht abspielen. Da hieß es: „Mann, du orjanisierst doch schon so lange unsere Fahrten. Da müssteste doch langsam wissen, det deine Raubkopien nich jerne jesehn sind!“
In Altglietzen setzten wir uns in die überfüllte „Satteltasche“, wo wir Punkt zwölf zu Mittag aßen. Das Essen war preiswert und reichlich, aber die Kartoffeln waren nicht richtig gar, das Cordon bleu nicht richtig durch, das Eisbein zu fett, die Leberwurst von der Schlachteplatte kalt, die Rippchen bestanden zu 90% aus Knochen und die Panade vom Schnitzel war doppelt so dick wie das Fleisch.
All das hätten wir in Jahnsfelde, wo wir auf der Fahrt nach Küstrin immer essen, nicht erlebt.
Nachdem wir den Bus sauber eingeparkt hatten und ausgestiegen waren, sprach Charlotte: „Ihr wisst, ick kann nich so schnell loofen und mein Kreislauf is heute ooch nich der beste, wir werden mal hübsch zusammenbleiben, ja?“
Und ehe es sich die anderen versahen, war sie schon durch das Tor geeilt. Nun spritzten alle in alle Richtungen auseinander und hatten sich bald aus den Augen verloren. Zum Glück hatten wir vorher eine Zeit ausgemacht, wann wir uns wieder am Bus einfinden.
Weit vor dieser Zeit hatten wir den Markt abgelaufen, trafen uns an einer Bank und zeigten einander unsere Schätze. Marianne hatte eine traumschöne Gardine gekauft, Irmgard einen tollen Rucksack, Andreas gute DVDs und Charlotte präsentierte ihr tausendteiliges Puzzle mit einer Schneelandschaft. Dummerweise irrte sie sich in der Schachtel und die Freunde starrten verblüfft auf eine Keksschachtel.
Inge hatte leider die Schuhe nicht bekommen, die sie voriges Jahr in Küstrin nicht gekauft hatte, Martin war das begehrte Schaffell zu teuer und Ingrid bekam hier die Kuscheldecke nicht, die sie sich im vorigen Jahr nicht leisten konnte.
Fast jeder kaufte irgendwelche Lebensmittel. Eigentlich war es uns ja Ernst mit der Weihnachtsgans, aber der 11. 11. war schließlich auch Martinstag. Und was isst der katholische Pole am Martinstag? Martinsgans! Da kann man sich vorstellen, was wir für Krepierl vorfanden!
Wie sich herausstellte, hatten wir uns mit dem Räucherfisch angeschmiert, er war total versalzen. Schade ums Geld.
Charlotte hatte auf dem Markt ganz gegen ihre Gewohnheit den Reißverschluss ihrer Handtasche immer fest zugezogen, damit ihr nicht etwa der gute Fotoapparat geklaut wird. Aber erst am anderen Tag stieß ihr auf, dass sie gar kein Foto gemacht hatte . . .
Anfang Oktober fragte Karin, die Verbindungsperson zwischen dem Vereinsvorstand und seinen Mitgliedern: „Wollt ihr nicht wieder nach Polen fahren, so wie in jedem Jahr kurz vor Weihnachten?“
„Jaaaaa!“, freute sich Gabi, „Weihnachtsjänse koofen!“
„Und ich spendiere dem Verein eine Martinsgans“, fügte Martin hinzu.
„Nee, die Jans spendiere ick doch schon, eh!“, rief Gabi unter Stirnrunzeln.
„Ja, ja“, begütigte Martin, „du spendierst die Weihnachtsgans und ich die Martinsgans. Der Martinstag ist sechs Wochen vor Weihnachten, also keine Sorge, Mausi“.
Gabi war beruhigt.
„Also wann wollt ihr fahren? Möglichst nicht im Dezember, da ist es auf dem Polenmarkt zu voll“, gab Karin zu bedenken.
Es dauerte keine halbe Stunde und man hatte sich auf den 4. 11. geeinigt. Das war ein Mittwoch. Vereinsausflüge finden bei uns immer mittwochs statt.
Charlotte, die meistens die Ausflüge organisiert, schrieb alle Interessenten auf und stellte fest, dass noch zwei Personen mitfahren könnten, dann wäre der Bus voll ausgelastet. Sie telefonierte mit allen möglichen Vereinsmitgliedern, denn es könnte ja jemand abspringen und mit weniger als sechs Leuten fährt unser Kleinbus gar nicht erst los.
Und siehe da – plötzlich waren es16 Interessenten! Es musste an zwei Tagen gefahren werden. Für den zweiten Termin war rasch der 11. 11. ausgesucht.
Zuerst aber mussten die Menschen sortiert werden, denn Martin vertrug sich nicht mit Marianne, Wolfgang kannte außer Martin, Peter und Gabi niemanden und Ute kannte nur Charlotte. Also bekamen Martin, Wolfgang, Gabi nebst Lebensgefährten, Peter nebst Frau, die hübsche Inge (um Wolfgang fester in den Verein zu ziehen) und Andreas den Bus am 4. 11. und am 11. 11. sollten Charlotte, Ute, Heidi nebst Ehemann, Marianne, Hans, Gerda und Karin, die auch endlich mal eine Polenfahrt mitmachen wollte, fahren.
Sehr stolz und nahezu glücklich überreichte Charlotte am nächsten Tag die Liste mit den Teilnehmern der Vereinsvorsitzenden. Aus gesundheitlichen Gründen hatte schon wochenlang keine Fahrt mehr stattfinden können, und nun gleich zwei! Frau E. warf einen flüchtigen Blick auf den Zettel und polterte: „Ja, wer hat sich denn das nun wieder ausgedacht? Am 4. könnt ihr nicht fahren, da kommt der Bus in die Werkstatt! Sonst bekommen wir die neue Plakette nicht“.
Charlotte zog mit ihrer Liste ab und ließ die Mundwinkel hängen. Karin tröstete: „Na, da verschieben wir die Leute vom 4. auf den 11. und die vom 11. auf den 18., ist doch ganz einfach!“
„Aber noch einfacher is, wenn wa die vom 4. auf n 18. verschieben, die vom 11. haben nämlich teilweise schon Arzttermine und anderes verlegt, um fahren zu können! Und außerdem weeßt du doch, wie Gabi hochjeht, wenn irjendwat nich so jeht, wie sie s jerne hätte“.
„Na, mach, wie du willst, du wirst das Kind schon schaukeln“.
Also telefonierte Charlotte erneut herum. „Gabi, wir können nicht am 4. fahren, passt es dir am 18.?“ – „Jut, det du anrufst, mein Mann is krank, wir komm nich mit“.
Uffdala, gleich zwei Leute weniger!
„Heidi, die Fahrt nach Hohenwutzen is auf den 18. verlegt worden. Ick hoffe, det dir det recht is“. – „Hohenwutzen? Ich denke, wir fahren nach Küstrin, die Altstadt und die Zitadelle besichtigen?“ – „Nee, es jeht nach Hohenwutzen. Und wenn wir nach Küstrin jefahren wären, wär t da ooch nur uff n Polenmarcht jejang“. – „Ach, dafür haben mein Mann und ich gar kein Interesse, tut mir leid“.
Uffuffdala, noch zwei weniger!
Am nächsten Tag fand sich wenigsten für zwei Ersatz, Elisabeth und Bärbel bekundeten Interesse für die Fahrt.
Wieder ging Charlotte stolz zur Vereinsvorsitzenden und präsentierte die neue Liste. Wieder warf Frau E. nur einen flüchtigen Blick darauf und sagte: „Am 18. könnt ihr auch nicht fahren, da habe ich einen Vortrag organisiert mit hoch angebundenen Leuten, das dürft ihr nicht verpassen. Das sind Leute, die ihr sonst euer Lebtag nicht zu Gesicht bekommen würdet“.
Na bravo! Alles umsonst. Noch mal alle anrufen mit der Frage, ob es denn wohl am 25. 11. genehm wäre!
Da kamen dann Antworten wie: Am 25. hat mein Sohn Geburtstag, haben wir Hochzeitstag, habe ich einen Arzttermin, der sich nicht verschieben lässt, verreise ich oder bekomme ich Besuch.
Am nächsten Tag wurde Charlotte von Ute angesprochen: „Du, ich muss dir leider sagen, dass mir mein Arzt jeden Mittwoch Massagen verordnet hat, ich kann leider nicht nach Polen fahren“.
Und Hans sagte: „Es tut mir leid, aber mir ham se jestern in de Schdraßnbahn det Pottmonneh jeklaut, ick kann nich mitfahn nach n Polenmarcht“.
Schwupps waren es nur noch acht Leute, und denen passte der 11. 11.
Der Kraftfahrer hatte sich bei Frau E. erkundigt, wann die Fahrt losgeht. Er war schon vor Monaten darauf hingewiesen worden, dass er sich nicht nach dem richten soll, was Charlotte sagt, sondern nach dem, was der Vorstand sagt. „Um neun Uhr beginnen unsere Ganztagesfahrten immer“, ordnete sie an, aber nur dem Kraftfahrer gegenüber, den Fahrtteilnehmern sagte sie kein Wort.
Charlotte aber wusste von früheren Fahrten, dass so früh noch nicht alle Stände aufgebaut sind und dass wir außerdem verspätet zum Mittagstisch kommen, was namentlich für die Zuckerkranken nicht so gut ist. Also orientierte sie den Kraftfahrer auf zehn Uhr.
Am 10. 11. fauchte Martin: „Was, ihr wollt um zehn schon los? Dann kann ich nicht mitkommen. Um zehn bin ich noch beim Arzt“.
„Kein Problem, dann fahn wa eben um elf Uhr, det is sowieso die beste Zeit. Dann sind wir um zwölf bei Tisch, können danach in Ruhe den Marcht abmarschieren und fahren bei Tageslicht heem“.
Am Nachmittag telefonierte sie noch einmal alle durch, um sie auf die neue Stunde umzuorientieren. Alle nickten ihn ab. Nur Marianne tönte: „Mein Bus fährt neuerdings nich mehr so pünktlich. Kann sein, det ick schpeeta komme. Aba waatet ja uff mir, nich wie neulich bei n Friedrichstadtpalast, wo ihr mir vor de Neese wechjefahn seid!“
Am 11. 11. war sie aber schon um zehn Uhr im Vereinshaus, weil sie den Fotoapparat mitnehmen wollte. So ein Erinnerungsfoto macht sich immer hübsch an der Pinnwand. Und wen sah sie da? Den Martin! Er hatte den Arttermin einfach vorgezogen, um pünktlich zu sein. Nun war er sauer, weil er eine Stunde warten musste, der Kraftfahrer war sauer, weil er schon seit einer Stunde auf uns gewartet hatte und nun eine weitere Leerstunde vor ihm lag. Das hätte er nicht nötig gehabt, denn Charlotte hatte auch ihm Bescheid gegeben, dass die Fahrt erst um elf Uhr beginnt.
Bei schönem Wetter rollten unsere dicken Räder durch Berlin und über die Autobahn Richtung Polen. Pünktlich um elf Uhr elf zog Marianne eine Flasche selbst gemachten Likör aus der Tasche und wir stießen auf den Beginn der „närrischen Zeit“ an.
Charlotte hatte auch ein paar Stimmungs – CDs mitgenommen, aber der vornehme CD – Player im Bus wollte die selbst gebrannten Scheiben nicht abspielen. Da hieß es: „Mann, du orjanisierst doch schon so lange unsere Fahrten. Da müssteste doch langsam wissen, det deine Raubkopien nich jerne jesehn sind!“
In Altglietzen setzten wir uns in die überfüllte „Satteltasche“, wo wir Punkt zwölf zu Mittag aßen. Das Essen war preiswert und reichlich, aber die Kartoffeln waren nicht richtig gar, das Cordon bleu nicht richtig durch, das Eisbein zu fett, die Leberwurst von der Schlachteplatte kalt, die Rippchen bestanden zu 90% aus Knochen und die Panade vom Schnitzel war doppelt so dick wie das Fleisch.
All das hätten wir in Jahnsfelde, wo wir auf der Fahrt nach Küstrin immer essen, nicht erlebt.
Nachdem wir den Bus sauber eingeparkt hatten und ausgestiegen waren, sprach Charlotte: „Ihr wisst, ick kann nich so schnell loofen und mein Kreislauf is heute ooch nich der beste, wir werden mal hübsch zusammenbleiben, ja?“
Und ehe es sich die anderen versahen, war sie schon durch das Tor geeilt. Nun spritzten alle in alle Richtungen auseinander und hatten sich bald aus den Augen verloren. Zum Glück hatten wir vorher eine Zeit ausgemacht, wann wir uns wieder am Bus einfinden.
Weit vor dieser Zeit hatten wir den Markt abgelaufen, trafen uns an einer Bank und zeigten einander unsere Schätze. Marianne hatte eine traumschöne Gardine gekauft, Irmgard einen tollen Rucksack, Andreas gute DVDs und Charlotte präsentierte ihr tausendteiliges Puzzle mit einer Schneelandschaft. Dummerweise irrte sie sich in der Schachtel und die Freunde starrten verblüfft auf eine Keksschachtel.
Inge hatte leider die Schuhe nicht bekommen, die sie voriges Jahr in Küstrin nicht gekauft hatte, Martin war das begehrte Schaffell zu teuer und Ingrid bekam hier die Kuscheldecke nicht, die sie sich im vorigen Jahr nicht leisten konnte.
Fast jeder kaufte irgendwelche Lebensmittel. Eigentlich war es uns ja Ernst mit der Weihnachtsgans, aber der 11. 11. war schließlich auch Martinstag. Und was isst der katholische Pole am Martinstag? Martinsgans! Da kann man sich vorstellen, was wir für Krepierl vorfanden!
Wie sich herausstellte, hatten wir uns mit dem Räucherfisch angeschmiert, er war total versalzen. Schade ums Geld.
Charlotte hatte auf dem Markt ganz gegen ihre Gewohnheit den Reißverschluss ihrer Handtasche immer fest zugezogen, damit ihr nicht etwa der gute Fotoapparat geklaut wird. Aber erst am anderen Tag stieß ihr auf, dass sie gar kein Foto gemacht hatte . . .