Ich

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E

eisblume

Gast
Hallo Doc,

ein wichtiges Thema, unbestritten.
Im Gegensatz zu den anderen finde ich die Umsetzung nur leider gar nicht gelungen.

Irgendwo in den Kommentaren habe ich etwas davon gelesen, dass hier vom Leser aktive Gedankenarbeit vorausgesetzt werden muss. Ehrlich gesagt komm ich jetzt nur nicht drauf, wie das gemeint sein soll. Gedankenarbeit, um diesen Text verstehen zu können?? Kann aber eher nicht sein, da der Leser ständig mit der Nase darauf gestoßen, dass das Ich dieses und jenes nicht mehr weiß und auf Hilfe angewiesen ist. Also recht eindeutig, für mich als Kurzprosa zu eindeutig. Vielleicht habe ich es aber missverstanden und es ist etwas anderes damit gemeint.

Vielleicht sehe ich auch Folgendes falsch:
Würde ein/e an Demenz Erkrankte/r wirklich so denken?
Auch wenn ich immer alles vergesse, was sie gesagt hat.
Von einer/m Ich-Prota erwarte ich Nähe. Hier kommt davon nichts bei mir an. Das rührt dann auch von einer Formulierung wie:
... denn eine Erledigung wartet.
Insgesamt ist mir die Schwiegertochter deutlich näher als das Ich. (Außer natürlich, DAS ist des Pudels Kern.) Wenn überhaupt, dann gehört ihr mein Mitgefühl, weil mir der Bezug zu dem Ich deutlich zu distanziert und wenig authentisch ist. Wobei ich sehr hoffe, du bist nicht persönlich in so einen Fall involviert, denn das ist kein leichtes Los.

Was die vorgeschlagenen Kürzungen betrifft halte ich es mit Zeder und stimme ihr völlig zu, würde sogar noch weitergehen und nach Walter! Schluss machen.

Ich bewerte nicht, mehr als eine 4 würde ich aber nicht vergeben.

Lieben Gruß
eisblume
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Liebe Eisblume, wenn Du den Text so empfindest, ist das für mich als Autor interessant, weil Deine Reaktion anders ist als die vorhergehenden. Ich wollte nur dem eine Stimme geben, der sich nicht mehr äußern kann - das bleibt natürlich im Rahmen der Fiktion.

Mitleid mit der Schwiegertochter wollte ich nicht erzeugen, ist aber eine mögliche Leserreaktion. Über sie wird im Text nicht viel bekannt, da ihre Gefühle nicht im Mittelpunkt stehen. Vielleicht macht sie ihre Aufgabe gerne und mit Liebe, vielleicht ist sie ihr eine Last. Man weiß es nicht. Da das Ich sie als freundlich empfindet, ist es evt. das Erste.

Ansonsten gilt mein Kommentar vom 15.6.

Vielen Dank fürs Lesen und lg,

Doc
 
E

eisblume

Gast
Hallo Doc,
ja, tut mir leid, aber was das Ich betrifft, finde ich in dem Text leider nichts, das mich berührt oder bewegt.

Vielleicht liegt es mit daran, dass ich von dem Ich im Grunde nichts erfahre, außer, dass er (für mich war es im Übrigen sofort eine "sie") eben nichts weiß bzw. sich an das meiste nicht erinnert.
Inhaltlich erfahre ich deutlich mehr über die Schwiegertochter, eben, in welchem Ausmaß sie ihren Schwiegervater pflegt und sich um ihn kümmert: sie kocht für ihn (zumindest kümmert sie sich darum, dass er zu essen bekommt), sie spricht mit ihm, wäscht ihn, hilft ihm wohl beim Anziehen, bannt die Weglauftendenzen und bezieht sogar ihre Kinder in die Pflege und das Kümmern um den Opa mit ein (und das ist nicht selbstverständlich). Insofern vermittelt mir die Geschichte eben mehr darüber, wie sich die Angehörigen in so einem Fall verhalten (könnten), als über das Schicksal eines Demenzkranken an sich. Auch wenn also die Gefühle der Schwiegertochter nicht im Mittelpunkt stehen, sprechen mich ihre Handlungen deutlich mehr an, als es z. B. die Aussage
Ich weiß es nicht, fühle mich aber schrecklich.
des Ich vermag.

Mag sein, dass ich keinen Zugang zu deiner Geschichte finde, weil ich tagtäglich mit dem Schicksal an Demenz erkrankter Patienten zu tun habe, und es daher (für mich) mehr als das Gebotene braucht, das mich berühren würde.

schönen Nachmittag wünscht
eisblume
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Wieso wird meine Antwort an Eisblume ausgeblendet? Und wieso ist sie eine Antwort auf einen ausgeblendeten Beitrag - nämlich welchen?

Meine Antwort war ernsthaft.

Eisblumes letzter Kommentar erscheint gleich zwei Mal.

Was bedeutet das?!

Verärgert,

Doc
 
E

eisblume

Gast
Sorry, Doc, das mit dem doppelten Kommentar ist mein Fehler, da hab ich mich scheinbar verklickt und konnte das nicht mehr löschen - vielleicht kann die Mod. einen davon löschen? Doppelt ist jetzt nicht nötig :)

eisblume
 

Der Andere

Mitglied
ganz ehrlich? ich schließe mich eisblume an, und bin fast froh, nicht der erste kritiker sein zu müssen. der text wirkt übrigens auf mich eher komisch als tragisch. allein der ausruf: walter! hätte ich nicht überall sonst das ungute gefühl, der text wolle mir etwas, nämlich mitleid, erschütterung wasweißich, aufzwängen (auf die nase stoßen, ist hier übrigens eine wahrlich treffende wendung), ich hätte laut aufgelacht beim walter. naja. ich möchte abschließend auf eine wirklich gute geschichte über demenz verweisen: ein konzept, das uns zusagt. von katharina bendixen, aus ihrem erzählunsgband "der whiskeyflaschenbaum".
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Lieber anderer, der Text muss Dich ja nicht ansprechen, aber dass Du über alles sogar lachen könntest, trifft mich jetzt wirklich, und nur da, wo es wehtut: Ins Herz.

LG Doc
 

Der Andere

Mitglied
ich hoffe, dich nicht allzu sehr erschüttert zu haben. aber diese textstelle:

Ich frage sie. Sie sagt, er ist nicht tot. Er lebt. Er ist der Vater ihrer Kinder. Sie behauptet sogar, dass dieser Mann mein Sohn ist.

Das setzt sich bei mir fest. Ich habe einen Sohn. Plötzlich fährt eine Erinnerung wie ein Blitz durch meinen Kopf. Ja, ich habe einen Sohn, weiß sogar seinen Namen. Walter!
ist allein durch ihre hölzener art der hinleitung angefüllt mit komik. hier zeigt sich das problem des textes auch in seiner reinform: wie (und das WIE ist nunmal entscheidend) ist es möglich, einen demenzkranken aus einer innensicht heraus darzustellen? müsste nicht auch die sprache aufbrechen? sich vergessen? welcher sprachliche unter-, vorder- und hintergrund vermag diese erschütternede krankheit adäquat darzustellen. ich persönlich habe dafür keine lösung. nicht umsonst sind wahrscheinlich die stärksten texte, die ich zumindest kenne und die sich mit demenz beschäftigen, aus einer sicht von außen geschrieben. nunja. sollte jemand gegenbeispiele kennen, wäre ich sehr dankbar für eine meldung. das fände ich äußerst spannend. ich will auch noch kurz betonen, wie wichtig es ist, mit texten zu scheitern, da dies immer auch neue fragen aufwirft und folglich ebenso neue antworten ermöglicht. ich glaube, auch wenn die mehrheit diese meine meinung nicht zu teilen bereit ist, so ein fall des scheiterns liegt hier vor.

beckett sagt:
ever tried. ever failed. no matter. try again. fail again. fail better.

in diesem sinne,
d.a.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Lieber anderer,

Du schreibst:
ich hoffe, dich nicht allzu sehr erschüttert zu haben
Diese Hoffnung zu äußern ist Quatsch, da mein Kommentar von gestern eindeutig ist.

Weiter sagst Du:

welcher sprachliche unter-, vorder- und hintergrund vermag diese erschütternede krankheit adäquat darzustellen. ich persönlich habe dafür keine lösung.
Ich habe nur die vorliegende.


ich will auch noch kurz betonen, wie wichtig es ist, mit texten zu scheitern, da dies immer auch neue fragen aufwirft und folglich ebenso neue antworten ermöglicht.

In diesem Falle ist es für mich besonders interessant, dass der Text bei Dir scheitert, eisblumes Kritik ist noch moderater, bei anderen kommt er sehr gut an und ich weiß, dass er in einem Heim ausliegt.

Und nun?

Nix mehr von mir dazu. Das ist eben das Leben.

LG Doc
 

Tonmaler

Mitglied
Hallo -- nachdem du zu meinem Text mit ähnlicher Thematik etwas gesagt hast, hab ich mit Interesse deine 'Version' gelesen. finde sie insgesamt stark, und auch den Titel passend mit nur 'Ich'.
Der Punkt ist natürlich, dass wir letztlich auch nur aufgrund von Kommunikation mit der dementen Person selbst und/oder den Pflegenden, also 'von außen' zu den Vermutungen kommen können, wie das von innen gedanklich und in Gefühlen echt ist.
Daher ist das, was ich inhaltlich zu deinem Text sage, nur aus meiner Sicht -- also gebe ich etwas von mir an dich -- und sage damit nicht, du oder ich läge falsch. Insgesamt ist jeder Text ein wichtiger Anlass, für sich selbst zu versuchen, herauszufinden, wie das sein könnte, und das kann das Potenzial des Verstehens vergrößern. Das konnte ich nämlich feststellen: Manche Angehörige tappen, selbst wenn sie liebevoll pflegen, im Dunkeln, wie die Welt denn für die demente Person sein könnte.


Ich habe diese Frau schon einmal gesehen. Nein, mehrmals. Aber wie heißt sie? Wer ist sie? Ich weiß es nicht. Kann mich nicht erinnern.
Sie ist freundlich zu mir. Sie stellt mir das Essen hin.
Lächelt mich an. Spricht mit mir. Auch wenn ich immer alles vergesse, was sie gesagt hat.
Ähnlich wie Eisblume das sagt, erlebe ich das auch. Die demente Person kann nicht feststellen, woran/dass sie sich nicht erinnert. Aber so ist eben meine Erfahrung. Ich werde gefragt, wie es mir geht und ich sage, ich habe mir das Bein gebrochen, und 5 Minuten später werde ich gefragt, wie es mir geht, und ich sage: "Da ist etwas mit meinem Bein"; aber das Gegenüber weiß nicht, dass er es schon mal wusste, wusste, dass es gebrochen ist, denn er fragt zum ersten Mal.
Er sagt: "Was ist denn mit deinem Bein?"
Daher würde ich auf die rot markierten Stellen verzichten, das zumindest offen lassen. Es sind auch sehr viele Fragen hintereinander, auch den Eindruck habe ich nicht, dass die demente Person so viele Fragen hat, denn die meisten auftretenden Lücken werden so schnell unbewusst, dass tatsächlich die Irritationen weniger werden, in dem Stadium, in dem bereits nahe Angehörige nicht mehr erkannt werden.



Auch wenn ich immer alles vergesse, was sie gesagt hat.
Vielleicht sehe ich auch Folgendes falsch:
Würde ein/e an Demenz Erkrankte/r wirklich so denken?
Genau, das ist die Frage.


Aus demselben Grund, so erlebe ich das, ist diese Frage -- in diesem Stadium -- nicht mehr gestellt.


Vielleicht sehe ich auch Folgendes falsch:
Würde ein/e an Demenz Erkrankte/r wirklich so denken?

Von einer/m Ich-Prota erwarte ich Nähe. Hier kommt davon nichts bei mir an. Das rührt dann auch von einer Formulierung wie: Insgesamt ist mir die Schwiegertochter deutlich näher als das Ich. (Außer natürlich, DAS ist des Pudels Kern.) Wenn überhaupt, dann gehört ihr mein Mitgefühl, weil mir der Bezug zu dem Ich deutlich zu distanziert und wenig authentisch ist. Wobei ich sehr hoffe, du bist nicht persönlich in so einen Fall involviert, denn das ist kein leichtes Los.
[/QUOTE]
Nun, genau das ist aber stark, weil eben emotionale Nähe sehr erschwert ist. Denn, wenn ständig gelöscht wird, was gerade war, wird auch zwischenmenschliche Verbindung permanent 'durchlöchert'. Das fängt schon damit an, dass die Gespräche keine persönliche Tiefe mehr bekommen können.



Kann aber eher nicht sein, da der Leser ständig mit der Nase darauf gestoßen, dass das Ich dieses und jenes nicht mehr weiß und auf Hilfe angewiesen ist.
Ja, vielleicht kommt das ein wenig zu oft auf diese selbst-reflektierende Weise. Genau weiß ich es aber nicht.

Dennoch ein sehr berührender Text, der klarmacht, wie das sein könnte mit so einer eingeschränkten Sicht. Ganz stark auch die ersten beiden Sätze!


Gruß
T.
 



 
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