ihr wollt es nur noch nicht sehen

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wiesner

Mitglied
und spüre den ausgemergelten träumen nach
wohl davon auszugehen, dass die ich-person träumen nachspürt, deren ausgemergeltheit sie noch nicht kennt
sonst machte man das nicht

'keine' kann ich beim besten willen nicht zuordnen

die einmündung in die natur besänftigt, löst die behauptung im titel jedoch nicht - weil sie unausgesprochen bleibt

mir gefällt das gedicht

gruß
wiesner
 

revilo

Mitglied
am rand einer kleinstadt
_______aus der auch das licht
___________zu fliehen versucht
lehne ich und spüre
den ausgemergelten träumen nach
hinterm bahnhof
______-von dem schon lange keine mehr
_______________________________________abreist
vergräbt ein hund
_-die letzte hoffnung
das käuzchen ruft
_-die schatten zum tanz

und der wald ist geduldig

Hallo,„ ausgemergelten“ finde ich zu fett und auch unnötig, weil Du dem Leser zu wenig Spielraum lässt … Stark ist „vergräbt ein Hund die letzte Hoffnung“ … Das ist wirklich für mich das Highlight des Gedichts … Herzliche Grüße von Oliver
 

sufnus

Mitglied
Hey Charlotte! :)
Ja... wie kommt es eigentlich, dass wir Verzagtheit, Melancholie, Trauer, Schmerz oder Verzweiflung (um einmal eine seelendunkle Grundreihe zu formulieren, die sich so nicht 1:1 auf Dein Gedicht bezieht) in der Kunst als "schön" empfinden?
Irgend etwas passiert, wenn die schwarzen Affekte aus dem realen Leben in die Kunst transponiert werden: Ein realer Gegenüber, dessen zerfallende Mimik sich von tiefer Depression gezeichnet zeigt, bietet einen Anblick, dem nur schwer standzuhalten ist, während eine Marmorplastik seiner Züge von Betrachtern mit zugewandter Kennermiene studiert würde.
Wollen wir beklagen, keine Kunstwerke zu sein?
Aber ich schweife ab...
... Deine Zeilen habe ich gerne gelesen (schweifte ich wirklich ab?).
LG!
S.
 
G

Gelöschtes Mitglied 24962

Gast
Ja... wie kommt es eigentlich, dass wir Verzagtheit, Melancholie, Trauer, Schmerz oder Verzweiflung (um einmal eine seelendunkle Grundreihe zu formulieren, die sich so nicht 1:1 auf Dein Gedicht bezieht) in der Kunst als "schön" empfinden?
Vielleicht findet man die Antwort auf diese faszinierende Frage bei Schopenhauer (Welt als Wille und Vorstellung), bei Adorno (Ästhetische Theorie, vielleicht bei Dewey (Kunst als Erfahrung) und auch Nietzsche.

In der Tat, die Frage, warum wir in der Kunst gerade jene seelendunklen Töne – Verzagtheit, Melancholie, Trauer, Schmerz, Verzweiflung – als ästhetisch ansprechend und “schön” empfinden, ist... Interessant… In der ästhetischen Philosophie wird oft argumentiert, dass Kunst in ihrer Vielschichtigkeit und Tiefe ein Spiegel der menschlichen Erfahrung sei. Die dunklen Aspekte des Seins sind integraler Bestandteil unserer Existenz und unserer emotionalen Landschaft. Indem die Kunst diese Elemente aufgreift, ermöglicht sie eine Form der Katharsis, ein Ausleben und Verstehen dieser Emotionen in einem sicheren, kontrollierten Rahmen.

Darüber hinaus vermag es die Kunst, Schönheit in der Komplexität und Nuanciertheit menschlicher Emotionen zu finden. Sie erkennt die Schönheit im Authentischen, im Wahrhaftigen, selbst wenn dieses Wahrhaftige schmerzhaft oder melancholisch ist. Es gibt eine gewisse Eleganz in der Darstellung des Leidens, eine Art poetische Gerechtigkeit, die aus dem tiefen Verständnis und der Akzeptanz der menschlichen Natur erwächst.

In diesem Sinne wird die “Schönheit der Traurigkeit” in der Kunst nicht nur durch traditionelle Ästhetik bestimmt, sondern auch durch die Fähigkeit, komplexe, oft widersprüchliche Emotionen in einer Weise zu vermitteln, die Resonanz und tiefe Reflexion beim Betrachter hervorruft. Interessant ist ebenfalls: Warum existieren ebenso viele Stimmen, die diese schöne „Dunkelheit“ ablehnen, ja, sogar fast verspotten? Ein kühner Vorwurf wäre, zu behaupten, Literatur/Kunst sei reine Depression. Man müsste sich einigen, was dieser Term, unter Gesichtspunkten ästhetischer Philosophie, meinen könnte.
Lg ev
 
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Hera Klit

Mitglied
Poesie ist dazu da, Gefühle mit dem Medium der Sprache zu vermitteln.
Gelingt dies, wird sie als schön empfunden.

Liebe Grüße
Hera
 



 
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