Im wilden Westen, Kapitel 10

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pol shebbel

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Der Parkplatz der Kolonie, der Raum für gut zwei Dutzend Fahrzeuge bot, war fast völlig verwaist. Vor acht Sonnenaufgängen, als sie gestartet waren, hatte hier ein stattlicher Maschinenpark von rund fünfzehn Stück gestanden - jetzt standen dort nur noch zwei Raupen. Nun, jetzt waren zumindest zwei weitere zurück, wenn auch leicht ramponiert.
Sie parkierten ihre Raupen kunstgerecht, dann stiegen sie aus. Dupond hatte inzwischen auch darin einige Fertigkeit, und Bender hätte dies auch gehabt, wenn sein schmerzendes Knie nicht gewesen wäre. Den Inhalt der Laderäume liessen sie, wo er war; nur die Karten und Erkundungsberichte nahmen sie mit, als sie anschliessend langsam hüpfend dem Höhleneingang zustrebten.
Nirgends war ein Mensch zu sehen, auch in der Höhle nicht. Allerdings waren die Lichter in der Höhle eingeschaltet - mal zur Abwechslung ein gutes Zeichen. Da standen sie im Halbdunkel, gross, halbkugelförmig und schweigend - die beiden fertigen Wohneinheiten, und die dritte, halbfertig, im Hintergrund. Auch hier: kein Mensch zu sehen. Die beiden Heimkehrer standen vor der Eingangsschleuse von Einheit 1, die die Zentrale beherbergte. Hinter den Glasscheiben der Helme hervor trafen sich zwei Augenpaare, ein helles und ein dunkles: vor rund zwei Erdentagen waren sie genau so hier gestanden... Schliesslich machte Dupond wortlos einen Schritt nach vorne und drückte auf den Türknopf.
Was machen wir, schoss es Bernie plötzlich durch den Kopf, wenn die Tür verschlossen ist? Oder kaputt? Dann ist es aus... Aber nach kurzer Zeit leuchtete eine grüne Lampe über der Tür auf, ein Zeichen, dass sie die Schleuse betreten konnten. Dupond drehte an einer Kurbel und schob den massiven Riegel zurück (es ging nichts automatisch hier). Als die schwere Schleusentür langsam aufging, waren sie bis zum Zerreissen gespannt - aber die kleine Druckkammer, die hinter der Tür zum Vorschein kam, sah aus wie immer. Langsam stiegen sie hinein, Dupond schloss die Tür wieder, und dann drückten sie auf den Knopf der inneren Tür.
Zuerst leuchtete das rote Licht - klar, denn der Luftdruck in der Kammer war gleich null. Aber auch die Luftzufuhr schien zu funktionieren; der Zeiger am Druckmesser in der Kammer stieg langsam und stetig höher. Und schliesslich wechselte auch hier die Lampe von rot auf grün.
Bender und Dupond wechselten einen Blick, dann machte sich Dupond daran, die Tür zu öffnen. Wieder waren sie auf alles gefasst.
Hinter der zurückweichenden Tür wurde nach und nach ein Stück Korridor sichtbar, kahl und trübe beleuchtet; auch er sah aus wie immer. Die beiden Heimkehrer traten zögernd aus der Schleuse heraus. Bernie warf einen argwöhnischen Blick auf den Druckmesser an der Wand, aber der Zeiger war im weissen Bereich. Daraufhin begann Bernie, langsam und vorsichtig seine Helmschrauben zu lockern, und als nichts passierte, nahm er seinen Helm ab; Dupond tat es ihm nach. Seine schulterlangen schwarzen Haare waren wilder denn je, und dazu war jetzt noch ein bläulichschwarzer Schatten auf Kinn und Wangen erschienen - beides etwas eigenartig kontrastierend mit seiner sonst fast mädchenhaft blassen Haut. Benders leicht fliehendes Kinn bedeckte schon seit Beginn der Reise ein schmächtiger Ziegenbart.
"Hmm...", meinte Bender, während er sich umsah, "wenn hier alles in Ordnung ist, dann versteh ich nicht, warum sie alle weg s..." Jäh verstummte er, hob ruckartig den Kopf und lauschte. War da eben ein Geräusch gewesen? Ja, es war eindeutig, und jetzt hörte Charlot es auch: Schritte. Sie waren nicht allein!
Beide standen bewegungslos und horchten auf die Schritte. Sie kamen näher, und schliesslich erschien am Ende des Ganges eine Gestalt, im Raumanzug mit abgenommenem Helm wie sie selbst. Kaum bemerkte sie die beiden Ankömmlinge, stiess sie einen Schrei aus und kam ihnen eilig entgegen. Es war eine junge Frau, ein grossgewachsenes schwarzhaariges Mädchen; aufgeregt begann sie in einer fremden Sprache zu reden (es war Portugiesisch, aber das wussten die beiden nicht), was ihre Übersetzer vorerst mit Knacken quittierten.
Dupond trat einen Schritt vor. "Hallo Mädchen", hörte Bender ihn sagen, "nur mal langsam! Mein Taschendolmetscher ist kein Sprachgenie. Sprich doch bitte etwas ruhiger. Nur keine Panik."
Die junge Frau hielt inne und glotzte Dupond erstaunt an. Dann stiess sie hervor: "Ihr... ihr seid die von der Bodenerkundung?"
"He, he, nun mal langsam", wiegelte Dupond ab, "gestatte, das wir uns vorstellen: Also ich bin Charlie, und das hier ist Bernie." Dabei wies er galant auf den letzteren, welcher vor Schreck sprachlos war. So hatte er seit Monaten niemanden reden hören...
Das Mädchen lächelte jetzt etwas verwirrt. "Ich bin Melina", sagte sie. "Also ehrlich, das ist ja unglaublich, dass ihr zurückgekommen seid. Ich war in der Zentrale, und ich war dabei, als eine Funkverbindung nach der anderen abbrach..."
"Du warst in der Zentrale?" rief Dupond. "Dann kannst du uns vielleicht sagen, was hier los ist?"
"Was hier los ist?" wiederholte Melina. "Das wollte ich gerade euch fragen!"
Die beiden starrten sie entgeistert an. "Ehrlich, ich hab keine Ahnung!!" sagte Melina. "Aber kommt mal mit, ich zeig euch was." Sie drehte sich um und ging den Gang zurück. Dupond war sofort neben ihr, und Bernie hinkte hinterdrein. Wie Charlot plötzlich aufdrehte! Er lachte und schwatzte da vorne, als ob er ihre Lage völlig vergessen hätte. Bernie wurde sich plötzlich bewusst, dass er seit Melinas Erschinen noch kein Wort gesagt hatte. Na ja, er war nie ein ausgesprochener Frauenheld gewesen... Abgesehen davon war sie, hmm, nicht einmal besonders hübsch: ihre etwas indianischen Gesichtszüge waren ziemlich kantig... Na ja, vom, äh, Rest von ihr war in dem unförmigen Raumanzug natürlich nicht viel zu sehen... Hmpf! Ärgerlich kniff Bernie die Augen zusammen. Kein guter Moment jetzt, so Zeug zu denken...
Sie folgten dem Weg zur Zentrale, der mit roten Pfeilen markiert war. Wieder begegnete ihnen kein Mensch. Nach kurzer Zeit waren sie angelangt. Melina öffnete die Tür zur Zentrale, und sie sahen hinein.
Umgeworfene Stühle, verstreute Papierberge, herausgerissene, verwirrte Magnetbänder, Scherben von Lampen und Bildschirmen: die Zentrale bot ein einziges chaotisches Bild der Zerstörung. "Oh Mann!" entfuhr es Bernie "Was ist denn hier los?"
Melina winkte sie wortlos weiter, durch das Chaos hindurch, zu einer anderen Tür. "Zutritt verboten" stand dort. Melina öffnete sie und hiess sie eintreten.
Das Bild, dass sich hier bot, war ähnlich wie in der Zentrale. Aber hier lagen auf dem Boden, halb verdeckt von zertrümmerter Eintrichtung, fünf oder sechs Leichen.
Während die beiden Männer sich entsetzt umsahen, berichtete Melina in kurzen Worten, was sie wusste. Ihr Arbeitsplatz war, wie sie schon gesagt hatte, nebenan in der Zentrale gewesen. Vor rund einer Stunde nun hatte sie aus diesem Raum hier (Zutritt verboten) lauten Wortwechsel gehört. Es war immer lauter und heftiger geworden, und schliesslich hatte sie Handgemenge, dann Schüsse gehört. Kurz darauf waren vier der Chefs in die Zentrale gekommen, hatten in der Gegend herumgeballert und die ganze Einrichtung zu Bruch geschlagen. Melina hatte sich gerade noch rechtzeitig in den Nebenraum geflüchtet; dort hatte sie gekauert und auf das Poltern, Krachen und Gebrüll gelauscht, und auch als später wieder Stille eingezogen war, hatte sie nicht gewagt, sich zu bewegen. Bewegungslos hatte sie da gesessen - bis sie plötzlich aus dem Funkgerät in der Zentrale Stimmen gehört hatte. Das war Gruppe 15 gewesen.
Bender und Dupond erzählten nun ihren Teil der Geschichte. Die Sache war immer noch ziemlich verwirrend, aber zumindest eines schien klar: Belt Colony Enterprises hatte ihr wahres Gesicht gezeigt. Ein Gesicht, das direkt einem der haarsträubenden Berichte in den Nachrichten auf der Erde entsprungen zu sein schien: skrupellose Banditen, die nicht davor zurückschreckten, sich gegenseitig umzubringen. Wer weiss, worüber sie gestritten hatten - möglicherweise darüber, ob es sich lohnte, weiter nach Profitquellen in Form von Bodenschätzen zu suchen, oder ob man sich mit dem Rest der beträchtlichen Geldsumme, die die Kolonisten für die Aufnahme auf die Raumschiffe bezahlt hatten, zufrieden geben und damit verschwinden sollte. Nach dem Streit hatten die Sieger ihre Wut an der Einrichtung ausgelassen und waren dann offensichtlich in die Raumschiffe gestiegen und gestartet, wahrscheinlich auf Nimmerwiedersehen. So gesehen war es fast gut, dass man sie los war...
Aber verflixt - wo waren die anderen alle?! Waren die mitgeflogen? Dem Charakter der Chefs nach war es wenig wahrscheinlich. Hatten sie sich auch versteckt, wie Melina? "Verflixt, wie müssen sie finden!" rief Bernie. "Zu dritt können wir doch die... Station nicht betreiben..." Es stockte mitten im Satz, so sinnlos fand er diesen plötzlich. Die Station betreiben? Das konnten sie doch sowieso nicht. Keiner von ihnen war ausgebildet, sie brauchten die Anleitung der Chafs. Und die anderen Kolonisten... Selbst wenn sie sie fanden: Würde auch nur eines dieser asozialen Arschlöcher mit einem anderen zusammenarbeiten oder diesen gar als Vorgesetzten akzeptieren? Was sollten sie bloss tun?! Alle drei standen wortlos da, und die lähmende Hilflosigkeit stieg ihnen den Rücken hinauf...
"Vielleicht...", begann Melina nach einer Weile wieder, "vielleicht können wir sie zusammenrufen. Die Chefs haben doch manchmal Durchsagen an die ganze Station gemacht. Vielleicht finden wir die Vorrichtung in der Zentrale..."
Nun, einen Versuch war es wert. Sie gingen in die Zentrale zurück - und blieben abermals mutlos stehen. In diesem Durcheinander etwas zu finden, erschien absolut unmöglich...
Man müsste hier mal aufräumen", meinte Bernie hilflos, ohne es ernst zu meinen.
Charlot sah ihn entgeistert an - und dann brach er plötzlich in glucksendes Lachen aus. "Gute Idee!" rief er. Und bevor der verdutzte Bernie etwas kapiert hatte, sah er sie schon beide herumliegende Papierbogen auf einen Haufen stapeln. Ja, noch mehr: Plötzlich merkte er, dass er selber schon dabei war, Papier aufzuheben, Stühle aufzustellen und Scherben zusammenzukehren. War es zu fassen? Sie waren allein, sie waren in einer verzweifelten Lage, vielleicht waren sie morgen schon tot - und was taten sie? Aufräumen. Jetzt waren sie alle verrückt geworden.
 

pol shebbel

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Der Parkplatz der Kolonie, der Raum für gut zwei Dutzend Fahrzeuge bot, war fast völlig verwaist. Vor acht Sonnenaufgängen, als sie gestartet waren, hatte hier ein stattlicher Maschinenpark von rund fünfzehn Stück gestanden - jetzt standen dort nur noch zwei Raupen. Nun, jetzt waren zumindest zwei weitere zurück, wenn auch leicht ramponiert.
Sie parkierten ihre Raupen kunstgerecht, dann stiegen sie aus. Dupond hatte inzwischen auch darin einige Fertigkeit, und Bender hätte dies auch gehabt, wenn sein schmerzendes Knie nicht gewesen wäre. Den Inhalt der Laderäume liessen sie, wo er war; nur die Karten und Erkundungsberichte nahmen sie mit, als sie anschliessend langsam hüpfend dem Höhleneingang zustrebten.
Nirgends war ein Mensch zu sehen, auch in der Höhle nicht. Allerdings waren die Lichter in der Höhle eingeschaltet - mal zur Abwechslung ein gutes Zeichen. Da standen sie im Halbdunkel, gross, halbkugelförmig und schweigend - die beiden fertigen Wohneinheiten, und die dritte, halbfertig, im Hintergrund. Auch hier: kein Mensch zu sehen. Die beiden Heimkehrer standen vor der Eingangsschleuse von Einheit 1, die die Zentrale beherbergte. Hinter den Glasscheiben der Helme hervor trafen sich zwei Augenpaare, ein helles und ein dunkles: vor rund zwei Erdentagen waren sie genau so hier gestanden... Schliesslich machte Dupond wortlos einen Schritt nach vorne und drückte auf den Türknopf.
Was machen wir, schoss es Bernie plötzlich durch den Kopf, wenn die Tür verschlossen ist? Oder kaputt? Dann ist es aus... Aber nach kurzer Zeit leuchtete eine grüne Lampe über der Tür auf, ein Zeichen, dass sie die Schleuse betreten konnten. Dupond drehte an einer Kurbel und schob den massiven Riegel zurück (es ging nichts automatisch hier). Als die schwere Schleusentür langsam aufging, waren sie bis zum Zerreissen gespannt - aber die kleine Druckkammer, die hinter der Tür zum Vorschein kam, sah aus wie immer. Langsam stiegen sie hinein, Dupond schloss die Tür wieder, und dann drückten sie auf den Knopf der inneren Tür.
Zuerst leuchtete das rote Licht - klar, denn der Luftdruck in der Kammer war gleich null. Aber auch die Luftzufuhr schien zu funktionieren; der Zeiger am Druckmesser in der Kammer stieg langsam und stetig höher. Und schliesslich wechselte auch hier die Lampe von rot auf grün.
Bender und Dupond wechselten einen Blick, dann machte sich Dupond daran, die Tür zu öffnen. Wieder waren sie auf alles gefasst.
Hinter der zurückweichenden Tür wurde nach und nach ein Stück Korridor sichtbar, kahl und trübe beleuchtet; auch er sah aus wie immer. Die beiden Heimkehrer traten zögernd aus der Schleuse heraus. Bernie warf einen argwöhnischen Blick auf den Druckmesser an der Wand, aber der Zeiger war im weissen Bereich. Daraufhin begann Bernie, langsam und vorsichtig seine Helmschrauben zu lockern, und als nichts passierte, nahm er seinen Helm ab; Dupond tat es ihm nach. Seine schulterlangen schwarzen Haare waren wilder denn je, und dazu war jetzt noch ein bläulichschwarzer Schatten auf Kinn und Wangen erschienen - beides etwas eigenartig kontrastierend mit seiner sonst fast mädchenhaft blassen Haut. Benders leicht fliehendes Kinn bedeckte schon seit Beginn der Reise ein schmächtiger Ziegenbart.
"Hmm...", meinte Bender, während er sich umsah, "wenn hier alles in Ordnung ist, dann versteh ich nicht, warum sie alle weg s..." Jäh verstummte er, hob ruckartig den Kopf und lauschte. War da eben ein Geräusch gewesen? Ja, es war eindeutig, und jetzt hörte Charlot es auch: Schritte. Sie waren nicht allein!
Beide standen bewegungslos und horchten auf die Schritte. Sie kamen näher, und schliesslich erschien am Ende des Ganges eine Gestalt, im Raumanzug mit abgenommenem Helm wie sie selbst. Kaum bemerkte sie die beiden Ankömmlinge, stiess sie einen Schrei aus und kam ihnen eilig entgegen. Es war eine junge Frau, ein grossgewachsenes schwarzhaariges Mädchen; aufgeregt begann sie in einer fremden Sprache zu reden (es war Portugiesisch, aber das wussten die beiden nicht), was ihre Übersetzer vorerst mit Knacken quittierten.
Dupond trat einen Schritt vor. "Hallo Mädchen", hörte Bender ihn sagen, "nur mal langsam! Mein Taschendolmetscher ist kein Sprachgenie. Sprich doch bitte etwas ruhiger. Nur keine Panik."
Die junge Frau hielt inne und glotzte Dupond erstaunt an. Dann stiess sie hervor: "Ihr... ihr seid die von der Bodenerkundung?"
"He, he, nun mal langsam", wiegelte Dupond ab, "gestatte, das wir uns vorstellen: Also ich bin Charlie, und das hier ist Bernie." Dabei wies er galant auf den letzteren, welcher vor Schreck sprachlos war. So hatte er seit Monaten niemanden reden hören...
Das Mädchen lächelte jetzt etwas verwirrt. "Ich bin Melina", sagte sie. "Also ehrlich, das ist ja unglaublich, dass ihr zurückgekommen seid. Ich war in der Zentrale, und ich war dabei, als eine Funkverbindung nach der anderen abbrach..."
"Du warst in der Zentrale?" rief Dupond. "Dann kannst du uns vielleicht sagen, was hier los ist?"
"Was hier los ist?" wiederholte Melina. "Das wollte ich gerade euch fragen!"
Die beiden starrten sie entgeistert an. "Ehrlich, ich hab keine Ahnung!!" sagte Melina. "Aber kommt mal mit, ich zeig euch was." Sie drehte sich um und ging den Gang zurück. Dupond war sofort neben ihr, und Bernie hinkte hinterdrein. Wie Charlot plötzlich aufdrehte! Er lachte und schwatzte da vorne, als ob er ihre Lage völlig vergessen hätte. Bernie wurde sich plötzlich bewusst, dass er seit Melinas Erschinen noch kein Wort gesagt hatte. Na ja, er war nie ein ausgesprochener Frauenheld gewesen... Abgesehen davon war sie, hmm, nicht einmal besonders hübsch: ihre etwas indianischen Gesichtszüge waren ziemlich kantig... Na ja, vom, äh, Rest von ihr war in dem unförmigen Raumanzug natürlich nicht viel zu sehen... Hmpf! Ärgerlich kniff Bernie die Augen zusammen. Kein guter Moment jetzt, so Zeug zu denken...
Sie folgten dem Weg zur Zentrale, der mit roten Pfeilen markiert war. Wieder begegnete ihnen kein Mensch. Nach kurzer Zeit waren sie angelangt. Melina öffnete die Tür zur Zentrale, und sie sahen hinein.
Umgeworfene Stühle, verstreute Papierberge, herausgerissene, verwirrte Magnetbänder, Scherben von Lampen und Bildschirmen: die Zentrale bot ein einziges chaotisches Bild der Zerstörung. "Oh Mann!" entfuhr es Bernie "Was ist denn hier los?"
Melina winkte sie wortlos weiter, durch das Chaos hindurch, zu einer anderen Tür. "Zutritt verboten" stand dort. Melina öffnete sie und hiess sie eintreten.
Das Bild, dass sich hier bot, war ähnlich wie in der Zentrale. Aber hier lagen auf dem Boden, halb verdeckt von zertrümmerter Eintrichtung, fünf oder sechs Leichen.
Während die beiden Männer sich entsetzt umsahen, berichtete Melina in kurzen Worten, was sie wusste. Ihr Arbeitsplatz war, wie sie schon gesagt hatte, nebenan in der Zentrale gewesen. Vor rund einer Stunde nun hatte sie aus diesem Raum hier (Zutritt verboten) lauten Wortwechsel gehört. Es war immer lauter und heftiger geworden, und schliesslich hatte sie Handgemenge, dann Schüsse gehört. Kurz darauf waren vier der Chefs in die Zentrale gekommen, hatten in der Gegend herumgeballert und die ganze Einrichtung zu Bruch geschlagen. Melina hatte sich gerade noch rechtzeitig in den Nebenraum geflüchtet; dort hatte sie gekauert und auf das Poltern, Krachen und Gebrüll gelauscht, und auch als später wieder Stille eingezogen war, hatte sie nicht gewagt, sich zu bewegen. Bewegungslos hatte sie da gesessen - bis sie plötzlich aus dem Funkgerät in der Zentrale Stimmen gehört hatte. Das war Gruppe 15 gewesen.
Bender und Dupond erzählten nun ihren Teil der Geschichte. Die Sache war immer noch ziemlich verwirrend, aber zumindest eines schien klar: Belt Colony Enterprises hatte ihr wahres Gesicht gezeigt. Ein Gesicht, das direkt einem der haarsträubenden Berichte in den Nachrichten auf der Erde entsprungen zu sein schien: skrupellose Banditen, die nicht davor zurückschreckten, sich gegenseitig umzubringen. Wer weiss, worüber sie gestritten hatten - möglicherweise darüber, ob es sich lohnte, weiter nach Profitquellen in Form von Bodenschätzen zu suchen, oder ob man sich mit dem Rest der beträchtlichen Geldsumme, die die Kolonisten für die Aufnahme auf die Raumschiffe bezahlt hatten, zufrieden geben und damit verschwinden sollte. Nach dem Streit hatten die Sieger ihre Wut an der Einrichtung ausgelassen und waren dann offensichtlich in die Raumschiffe gestiegen und gestartet, wahrscheinlich auf Nimmerwiedersehen. So gesehen war es fast gut, dass man sie los war...
Aber verflixt - wo waren die anderen alle?! Waren die mitgeflogen? Dem Charakter der Chefs nach war es wenig wahrscheinlich. Hatten sie sich auch versteckt, wie Melina? "Verflixt, wie müssen sie finden!" rief Bernie. "Zu dritt können wir doch die... Station nicht betreiben..." Es stockte mitten im Satz, so sinnlos fand er diesen plötzlich. Die Station betreiben? Das konnten sie doch sowieso nicht. Keiner von ihnen war ausgebildet, sie brauchten die Anleitung der Chafs. Und die anderen Kolonisten... Selbst wenn sie sie fanden: Würde auch nur eines dieser asozialen Arschlöcher mit einem anderen zusammenarbeiten oder diesen gar als Vorgesetzten akzeptieren? Was sollten sie bloss tun?! Alle drei standen wortlos da, und die lähmende Hilflosigkeit stieg ihnen den Rücken hinauf...
"Vielleicht...", begann Melina nach einer Weile wieder, "vielleicht können wir sie zusammenrufen. Die Chefs haben doch manchmal Durchsagen an die ganze Station gemacht. Vielleicht finden wir die Vorrichtung in der Zentrale..."
Nun, einen Versuch war es wert. Sie gingen in die Zentrale zurück - und blieben abermals mutlos stehen. In diesem Durcheinander etwas zu finden, erschien absolut unmöglich...
Man müsste hier mal aufräumen", meinte Bernie hilflos, ohne es ernst zu meinen.
Charlot sah ihn entgeistert an - und dann brach er plötzlich in glucksendes Lachen aus. "Gute Idee!" rief er. Und bevor der verdutzte Bernie etwas kapiert hatte, sah er sie schon beide herumliegende Papierbogen auf einen Haufen stapeln. Ja, noch mehr: Plötzlich merkte er, dass er selber schon dabei war, Papier aufzuheben, Stühle aufzustellen und Scherben zusammenzukehren. War es zu fassen? Sie waren allein, sie waren in einer verzweifelten Lage, vielleicht waren sie morgen schon tot - und was taten sie? Aufräumen. Surreal. Sie waren alle verrückt geworden.
 



 
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