Imagepflege

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knychen

Mitglied
Imagepflege

Machen wir uns nichts vor - das Image der Lkw-Fahrer in Deutschland ist ziemlich am Boden.
Nun ist es aber so, dass der Mensch sieht, was er sehen will und hört, was er nicht hören soll; manchmal sogar die Flöhe oder Schlimmeres husten.
Und vieles beruht einfach nur auf Missverständnissen.

Am Ortsausgang von Herdecke Richtung Wetter am östlichen Rand des Ruhrpotts befindet sich eine Firma, die unter anderem Vliesstoffe veredelt. Diese Bude fahren wir als Spedition seit Jahren mit manchmal zwei Zügen pro Tag an.
Eines frühen Abends im Hochsommer kam ich dort an und durfte mich bis zum nächsten Morgen auf die Stellfläche der dortigen Hausspedition einparken. Dusche konnte ich auch benutzen, Kühlschrank war gut gefüllt und da es kurz nach dem Urlaub war, hatte ich auch einen exzellenten Wein am Start. Ich bastelte mir ein paneuropäisches Abendmahl mit griechischem Schafskäse, Schwarzwälder Schinken, spanischen Oliven, deutschem Vollkornbrot mit Vogelfutter auf der Kruste und eben dem französischen Weinchen.
Die vorbeiführende Strasse ist nächtens total ruhig, denn gleich hinter der Firma kommt, glaub ich, nur noch ne Gartenanlage. Jedenfalls ist dort kaum Durchgangsverkehr. Vielleicht zog ich aus diesem Grund zur Bettruhe die Gardine nur halbherzig zu.
Mitten in der Nacht träumte mir von einem altertümlichen Brunnen mit Natursteinsockel bis in Hüfthöhe. Ich kam grad aus der Wüste - weiß der Geier, was ich dort zu tun hatte - und hatte Brand wie weiland der Dornbusch. Ich beugte mich über den Rand des Brunnens, sah unten, ganz tief unten das bleiern glänzende Nass und konnte die Kühle des Wassers spüren. Aber kein Eimer oder ähnliches Schöpfgerät war zur Hand.
Im Traum kommt man ja mitunter auf die dussligsten Ideen, also sprang ich kopfüber hinein. Ich fiel und fiel und fiel und dabei fiel mir auf, dass ich schon viel zu lange fiel. Das war der Moment, wo ich bemerkte, dass ich in einem Traum fest hing. Träume, in denen man gefährliche Situationen erlebt, sind ja oftmals nur Versuche des Unbewussten, den Schläfer auf eine körperliche Ausnahmesituation hinzuweisen. In meinem fall lag die Ursache in den kräftig gewürzten Oliven, dem gut abgehangenen Schinken und dem in Salzlake gereiften Käse meines Betthupfers.
Ich erwachte.
Wegen der auch nachts hohen Temperaturen schlief ich nackt und nur ein Laken bedeckte teilweise meinen Körper. Träge schob ich meine Beine über den Rand der Matratze, setzte mich auf, knipste das Licht an und fingerte mir einen O-Saft aus der sanft vor sich hin brummenden Kühlbox. Beim Trinken verblasste auch langsam die Vision des Brunnens.
Weil ich ja nun so ganz allein für mich dort saß, kratzte ich mir ungeniert den Sack und kam mir dabei mit den Fingern ins Gewölle. Plötzlich war da etwas, was da nicht hingehörte. Mit spitzen Fingern klaubte ich den Störenfried heraus, hielt ihn in Augenhöhe vors Gesicht und sah erstmal gar nichts.
Wer einen Volvo der FH-Reihe fährt wird mir zustimmen, dass die originale Innenbeleuchtung als grenzwertig einzustufen ist. Zumindest wenn man im Alter der ersten Brille ist, diese nicht aufhat und wenn man etwas erkennen will, was gefühlte zwei Millimeter klein ist. Näher ran an die Pupille bringt da auch nichts, weil die Fähigkeit zu fokussieren einfach nicht mehr handbreit- sondern nur noch armlängenkompatibel ist. Ich setzte mir die Brille auf.
Was ich dann zwischen meinen Fingerspitzen erkannte, ließ mich grinsen. Ich zerknackte es und schnipste die Reste in den Bodenraum vor dem Beifahrersitz. Dann schaute ich auf die Uhr. Herrliche fünf Stunden Schlaf standen mir noch bevor, bis um Sechs der Wecker klingeln würde. Ich löschte wieder das Licht.
Sanft umfingen Morpheus zärtliche Arme wieder meinen nun nicht mehr dürstenden Körper. Kurz fragte ich mich noch, was wohl den alten Mann um diese Zeit aus dem Bett getrieben haben mochte, der da auf der anderen Straßenseite unter der Bogenlampe stand und den ich erst gesehen hatte, als es im Lkw schon wieder dunkel war.

Es war gegen Mitternacht, als der Rentner Erwin Michalski in einem Anfall seniler Bettflucht vom Schlafzimmer in die Küche tappte. Seine Frau wälzte sich stöhnend und vor sich hin schnorchelnd im gemeinsamen Bett, aber das war es nicht gewesen, was in auf die Beine gebracht hatte. Was ihn in den letzten Tagen - genauer seit dem Laubenpieperfest am vergangenen Samstag - an seiner Frau störte, waren eher die seit langem nicht mehr gehörten kleinen, spitzen Untertöne in ihren alltäglichen Bemerkungen.
Was hatte er denn Böses getan?
Seit seine Herta so mit dem Wasser in den Beinen zu kämpfen hatte, grade bei dieser Hitze, und seit sich die Hüfte wieder gemeldet hatte vor zwei Jahren, hatte er nicht ein einziges Mal mehr mit ihr getanzt. Gelegenheiten gab es eigentlich oft - Gartenanlage, Kleintierzüchterverein, Seniorentreff, Frühlingsfest - die üblichen Sachen halt. Dabei hatten sie früher nie was anbrennen lassen. Aber sie konnte eben nicht mehr so. Das akzeptierte er und respektierte es und seiner Meinung nach war da überhaupt nichts bei, wenn er, Erwin Michalski - rüstig und mit einem göttlichen Taktgefühl ausgezeichnet (wie Ida beim Walzen gesagt hatte) - mit anderen Frauen tanzte.
Mein Gott, sie waren Beide achtundsiebzig, seine Herta und er, da ist doch Tanzen nur noch eine schwache Erinnerung an den Bewegungsdrang früherer Jahre.
Gut, die Ida - die "rassige Ida", wie sein alter Kumpel Willi sie beim Skat unter der Hand genannt hatte - ist noch recht jung.
Gerade mal dreiundsechzig - sagt Willi - und zweimalige Witwe. Der alte Schweinigel war dann immer gleich mit Bemerkungen dabei wie: kann mir schon vorstellen, wie sie ihren Männern die Gesundheit zerritten..äähh..zerrüttet hat.
Aber deswegen braucht doch seine Herta nicht gleich eifersüchtig werden.
Denn das war sie.
Ganz eindeutig.
Die Gedanken darüber hatten ihn also nicht schlafen lassen und so hatte er sich seine Sommerhose in Rentnerbeige angezogen, die hellbraune Windjacke übergeworfen und die taubenblaue Mütze auf den kahlen Schädel gesetzt. Dann wurde der Dackel Steiger an die Leine geklinkt und nun wackelte Erwin Michalski mit Hund und Mütze rüber zu seinem Garten. Vielleicht warf ja die braune Zibbe heute Nacht.
Die letzten paar hundert Meter zum Garten führte die Straße steil nach oben. Als er an der Vliesbude vorüber ging, wurde es in dem großen Lkw, der dort geparkt stand, hell.
Neugierig und etwas außer Atem blieb Erwin stehen.
Drinnen im Fahrerhaus, das konnte er gut durch die nur halbherzig zugezogene Gardine beobachten, saß ein Mann mit nacktem Oberkörper. Er trank aus einer Saftflasche und sah sehr verschlafen aus. Die haben es auch nicht leicht, die armen Kerls, in diesen Blechbüchsen bei der Hitze. dachte Erwin.
Plötzlich stand der Mann auf und man sah, dass er völlig nackt war. Obwohl Erwin Michalski gewiss kein prüder Mensch ist, fand er das doch schon ein wenig seltsam, so nackig am beleuchteten Fenster.
Jetzt griff sich dieses Ferkel auch noch an den Sack und kratzte sich ausgiebig.
Diese Angewohnheit war Erwin natürlich vertraut, aber in der Öffentlichkeit...?
Auf einmal nahm dieser Dreckskerl die Hand, mit der er sich gekratzt hatte, vors Gesicht. Dann schob er den Kopf nach hinten und streckte den Arm weit von sich wie Willi, wenn er beim Skat den Platz in der Ecke erwischt und seine Brille wieder mal vergessen hatte. Irgendwas Kleines hielt dieser Fahrer zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand. Jetzt setzte er eine Brille auf und fing sofort an zu grinsen. Die folgende Bewegung kannte Erwin nur zu gut aus der kurzen Zeit in dem belgischen Kriegsgefangenenlager, wo sie in verlausten und verwanzten Baracken mehr gehaust als gelebt hatten. Damals nach dem Krieg.
Und jetzt schnipste dieser verluderte Bursche - wo kam der eigentlich her?... PM… wer weiß, wo das ist… - seine Beute einfach so von sich, dass musste man sich mal vorstellen. Na das musste ja toll aussehen bei dem im Auto. Und zu Hause erst, wenn der überhaupt eins hat. wer weiß, was der noch alles mit sich rumschleppt mit seinen langen Haaren, der ist doch bestimmt voller Zecken und Gezücht.
Steiger zog an der Leine.
Hast recht, bloß weg hier, so was kann einem ja den Tag verderben, bevor er richtig angefangen hat, dachte Erwin. Er schüttelte den Kopf und verließ langsam den Lichtkegel der Laterne.

Dieses Bild, wie der alte Mann in der typischen Rentnerkleidung unter der Lampe steht, den Kopf schüttelt und sich dann irgendwie unzufrieden mit was auch immer wegdreht und losschlurft, dieses Bild begleitete mich in den zweiten Teil meines Nachtschlafes.
Ich hoffte noch so beim Wegduseln, dass nicht noch mehr Kümmelkörner vom Vollkornbrot auf dem Laken gelandet waren.
 

knychen

Mitglied
Imagepflege

Machen wir uns nichts vor - das Image der Lkw-Fahrer in Deutschland ist ziemlich am Boden.
Nun ist es aber so, dass der Mensch sieht, was er sehen will und hört, was er nicht hören soll; manchmal sogar die Flöhe oder Schlimmeres husten.
Und vieles beruht einfach nur auf Missverständnissen.

Am Ortsausgang von Herdecke Richtung Wetter am östlichen Rand des Ruhrpotts befindet sich eine Firma, die unter anderem Vliesstoffe veredelt. Diese Bude fahren wir als Spedition seit Jahren mit manchmal zwei Zügen pro Tag an.
Eines frühen Abends im Hochsommer kam ich dort an und durfte mich bis zum nächsten Morgen auf die Stellfläche der dortigen Hausspedition einparken. Dusche konnte ich auch benutzen, Kühlschrank war gut gefüllt und da es kurz nach dem Urlaub war, hatte ich auch einen exzellenten Wein am Start. Ich bastelte mir ein paneuropäisches Abendmahl mit griechischem Schafskäse, Schwarzwälder Schinken, spanischen Oliven, deutschem Vollkornbrot mit Vogelfutter auf der Kruste und eben dem französischen Weinchen.
Die vorbeiführende Strasse ist nächtens total ruhig, denn gleich hinter der Firma kommt, glaub ich, nur noch ne Gartenanlage. Jedenfalls ist dort kaum Durchgangsverkehr. Vielleicht zog ich aus diesem Grund zur Bettruhe die Gardine nur halbherzig zu.
Mitten in der Nacht träumte mir von einem altertümlichen Brunnen mit Natursteinsockel bis in Hüfthöhe. Ich kam grad aus der Wüste - weiß der Geier, was ich dort zu tun hatte - und hatte Brand wie weiland der Dornbusch. Ich beugte mich über den Rand des Brunnens, sah unten, ganz tief unten das bleiern glänzende Nass und konnte die Kühle des Wassers spüren. Aber kein Eimer oder ähnliches Schöpfgerät war zur Hand.
Im Traum kommt man ja mitunter auf die dussligsten Ideen, also sprang ich kopfüber hinein. Ich fiel und fiel und fiel und dabei fiel mir auf, dass ich schon viel zu lange fiel. Das war der Moment, wo ich bemerkte, dass ich in einem Traum fest hing. Träume, in denen man gefährliche Situationen erlebt, sind ja oftmals nur Versuche des Unbewussten, den Schläfer auf eine körperliche Ausnahmesituation hinzuweisen. In meinem Fall lag die Ursache in den kräftig gewürzten Oliven, dem gut abgehangenen Schinken und dem in Salzlake gereiften Käse meines Betthupfers.
Ich erwachte.
Wegen der auch nachts hohen Temperaturen schlief ich nackt und nur ein Laken bedeckte teilweise meinen Körper. Träge schob ich meine Beine über den Rand der Matratze, setzte mich auf, knipste das Licht an und fingerte mir einen O-Saft aus der sanft vor sich hin brummenden Kühlbox. Beim Trinken verblasste auch langsam die Vision des Brunnens.
Weil ich ja nun so ganz allein für mich dort saß, kratzte ich mir ungeniert den Sack und kam mir dabei mit den Fingern ins Gewölle. Plötzlich war da etwas, was da nicht hingehörte. Mit spitzen Fingern klaubte ich den Störenfried heraus, hielt ihn in Augenhöhe vors Gesicht und sah erstmal gar nichts.
Wer einen Volvo der FH-Reihe fährt wird mir zustimmen, dass die originale Innenbeleuchtung als grenzwertig einzustufen ist. Zumindest wenn man im Alter der ersten Brille ist, diese nicht aufhat und wenn man etwas erkennen will, was gefühlte zwei Millimeter klein ist. Näher ran an die Pupille bringt da auch nichts, weil die Fähigkeit zu fokussieren einfach nicht mehr handbreit- sondern nur noch armlängenkompatibel ist. Ich setzte mir die Brille auf.
Was ich dann zwischen meinen Fingerspitzen erkannte, ließ mich grinsen. Ich zerknackte es und schnipste die Reste in den Bodenraum vor dem Beifahrersitz. Dann schaute ich auf die Uhr. Herrliche fünf Stunden Schlaf standen mir noch bevor, bis um Sechs der Wecker klingeln würde. Ich löschte wieder das Licht.
Sanft umfingen Morpheus zärtliche Arme wieder meinen nun nicht mehr dürstenden Körper. Kurz fragte ich mich noch, was wohl den alten Mann um diese Zeit aus dem Bett getrieben haben mochte, der da auf der anderen Straßenseite unter der Bogenlampe stand und den ich erst gesehen hatte, als es im Lkw schon wieder dunkel war.

Es war gegen Mitternacht, als der Rentner Erwin Michalski in einem Anfall seniler Bettflucht vom Schlafzimmer in die Küche tappte. Seine Frau wälzte sich stöhnend und vor sich hin schnorchelnd im gemeinsamen Bett, aber das war es nicht gewesen, was in auf die Beine gebracht hatte. Was ihn in den letzten Tagen - genauer seit dem Laubenpieperfest am vergangenen Samstag - an seiner Frau störte, waren eher die seit langem nicht mehr gehörten kleinen, spitzen Untertöne in ihren alltäglichen Bemerkungen.
Was hatte er denn Böses getan?
Seit seine Herta so mit dem Wasser in den Beinen zu kämpfen hatte, grade bei dieser Hitze, und seit sich die Hüfte wieder gemeldet hatte vor zwei Jahren, hatte er nicht ein einziges Mal mehr mit ihr getanzt. Gelegenheiten gab es eigentlich oft - Gartenanlage, Kleintierzüchterverein, Seniorentreff, Frühlingsfest - die üblichen Sachen halt. Dabei hatten sie früher nie was anbrennen lassen. Aber sie konnte eben nicht mehr so. Das akzeptierte er und respektierte es und seiner Meinung nach war da überhaupt nichts bei, wenn er, Erwin Michalski - rüstig und mit einem göttlichen Taktgefühl ausgezeichnet (wie Ida beim Walzen gesagt hatte) - mit anderen Frauen tanzte.
Mein Gott, sie waren Beide achtundsiebzig, seine Herta und er, da ist doch Tanzen nur noch eine schwache Erinnerung an den Bewegungsdrang früherer Jahre.
Gut, die Ida - die "rassige Ida", wie sein alter Kumpel Willi sie beim Skat unter der Hand genannt hatte - ist noch recht jung.
Gerade mal dreiundsechzig - sagt Willi - und zweimalige Witwe. Der alte Schweinigel war dann immer gleich mit Bemerkungen dabei wie: kann mir schon vorstellen, wie sie ihren Männern die Gesundheit zerritten..äähh..zerrüttet hat.
Aber deswegen braucht doch seine Herta nicht gleich eifersüchtig werden.
Denn das war sie.
Ganz eindeutig.
Die Gedanken darüber hatten ihn also nicht schlafen lassen und so hatte er sich seine Sommerhose in Rentnerbeige angezogen, die hellbraune Windjacke übergeworfen und die taubenblaue Mütze auf den kahlen Schädel gesetzt. Dann wurde der Dackel Steiger an die Leine geklinkt und nun wackelte Erwin Michalski mit Hund und Mütze rüber zu seinem Garten. Vielleicht warf ja die braune Zibbe heute Nacht.
Die letzten paar hundert Meter zum Garten führte die Straße steil nach oben. Als er an der Vliesbude vorüber ging, wurde es in dem großen Lkw, der dort geparkt stand, hell.
Neugierig und etwas außer Atem blieb Erwin stehen.
Drinnen im Fahrerhaus, das konnte er gut durch die nur halbherzig zugezogene Gardine beobachten, saß ein Mann mit nacktem Oberkörper. Er trank aus einer Saftflasche und sah sehr verschlafen aus. Die haben es auch nicht leicht, die armen Kerls, in diesen Blechbüchsen bei der Hitze. dachte Erwin.
Plötzlich stand der Mann auf und man sah, dass er völlig nackt war. Obwohl Erwin Michalski gewiss kein prüder Mensch ist, fand er das doch schon ein wenig seltsam, so nackig am beleuchteten Fenster.
Jetzt griff sich dieses Ferkel auch noch an den Sack und kratzte sich ausgiebig.
Diese Angewohnheit war Erwin natürlich vertraut, aber in der Öffentlichkeit...?
Auf einmal nahm dieser Dreckskerl die Hand, mit der er sich gekratzt hatte, vors Gesicht. Dann schob er den Kopf nach hinten und streckte den Arm weit von sich wie Willi, wenn er beim Skat den Platz in der Ecke erwischt und seine Brille wieder mal vergessen hatte. Irgendwas Kleines hielt dieser Fahrer zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand. Jetzt setzte er eine Brille auf und fing sofort an zu grinsen. Die folgende Bewegung kannte Erwin nur zu gut aus der kurzen Zeit in dem belgischen Kriegsgefangenenlager, wo sie in verlausten und verwanzten Baracken mehr gehaust als gelebt hatten. Damals nach dem Krieg.
Und jetzt schnipste dieser verluderte Bursche - wo kam der eigentlich her?... PM… wer weiß, wo das ist… - seine Beute einfach so von sich, dass musste man sich mal vorstellen. Na das musste ja toll aussehen bei dem im Auto. Und zu Hause erst, wenn der überhaupt eins hat. Wer weiß, was der noch alles mit sich rumschleppt mit seinen langen Haaren, der ist doch bestimmt voller Zecken und Gezücht.
Steiger zog an der Leine.
Hast recht, bloß weg hier, so was kann einem ja den Tag verderben, bevor er richtig angefangen hat, dachte Erwin. Er schüttelte den Kopf und verließ langsam den Lichtkegel der Laterne.

Dieses Bild, wie der alte Mann in der typischen Rentnerkleidung unter der Lampe steht, den Kopf schüttelt und sich dann irgendwie unzufrieden mit was auch immer wegdreht und losschlurft, dieses Bild begleitete mich in den zweiten Teil meines Nachtschlafes.
Ich hoffte noch so beim Wegduseln, dass nicht noch mehr Kümmelkörner vom Vollkornbrot auf dem Laken gelandet waren.
 
B

bluefin

Gast
lyber @knychen,
Machen wir uns nichts vor - das Image der Lkw-Fahrer in Deutschland ist ziemlich am Boden.
nimmt den leser für im weiteren folgendes, plattes in anspruch.

vor solchen "wir"-einleitungen hüte man sich, denn sie erzeugen immer dann sofort widerstand, wenn grosse teile eines kollektivs anderer meinung sind. die einfacher gestrickten unter uns goutieren durchaus die "fernfahrer-szene" (buddy lässt es krachen oder so ähnlich), die etwas schlaueren wissen, dass es nur ein knochenjob ist. ressentiments bestehen, wenn überhaupt, wohl nur gegen die kolonnen.

es macht wenig sinn, erst an uns zu appellieren und danach doch nur davon zu berichten, wie ein rentner jemand anderen beim sackkratzen zuschaut. solcherelei "spannendes" mag unterschwellig irgendeine bedeutung haben - mir als walfisch bleibt diese verborgen.

gruß aus münchen

bluefin
 

knychen

Mitglied
einspruch, euer ehren!

@bluefin
die von mir in der einleitung der kurzgeschichte genannte alte weisheit greift nach meinem ermessen ganz wunderbar bei deiner kritik.
dass du keinen zugang zur thematik findest und mit der kurzeinschätzung "klischee" fertig damit bist, ist deine sache. aber du vergisst dabei, wie interessant perspektivwechsel sein können.
vor allem aber verstehe ich nicht deinen anspruch an die moralische mission einer kurzgeschichte.
ich will weder die welt verändern, noch habe ich mir das vermitteln hochdeutscher sprachlicher ausdrucksweise auf mein kariertes hemd geschrieben.
wenn mein protagonist lkw-fahrer ist, ist auch seine ausdrucksweise dementsprechend. in unserer branche sind relativ wenige germanisten unterwegs.
dass es dich ästhetisch abstösst, in einer geschichte zeuge eines vorgangs namens "sackkratzen" zu werden, spricht für deine sensibilität. aber die wenigsten streicheln sich bei dieser alltäglichen geste das skrotum mit rosenblütenblättern und wäre mein prot eine frau gewesen, hätte sie sich hemmungslos den hintern oder die brüste gekratzt.
nicht aus hygienischen gründen, sondern - genau wie mein prot - um zu kontrollieren, ob die schwerkraft noch wirkt. (diese "plattheit" sei mir verziehen)
ich finde sowas nicht platter oder uninteressanter wie die im leeren verlaufende antwort auf die frage ob kara ben nemsi alias old shatterhand nun schwul war oder sein blutsbruder winnetou. so, wie du bei meiner klärchen-geschichte aus der äusserlichen charakteristik "kellner italienischen typs" gleich einen italienische kellner machst und der einmaligen erwähnung des korbstuhls den wert einer unterhaltung über selbigen zuordnest, also im ganzen falsch interpretierst, so kann ich deiner wortmeldung nix weiter entnehmen, als dass dein bild über den beruf eines fernfahrers dem gängigen bild der boulevardmedien entspricht.
denn "nur ein knochenjob" ist es nicht.
ganz im gegenteil.
und weil mich dieses klischeedenken ankotzt, habe ich ein wenig imagepflege betrieben. in der hoffnung, dass der eine oder die andere bemerkt, dass man dinge so oder auch so sehen kann.
und jetzt ist meine gesetzliche pause rum und ich begebe mich wieder hinters lenkrad und auf die a2. steht noch ne menge an heute. fußnägel abknabbern bei tempo neunzig und schneeregen zum beispiel.
gruß von unterwegs und sieh nicht alles so verbissen.
knychen
 
B

bluefin

Gast
lieber @knychen,

das einleitende wörtchen "wir" bezieht in deinem fall den leser mit ein, weil der kritiserte satz ein auffordender ist. dieser stil ist kennzeichen von traktaten, sollte aber bei kurzgeschichten tunlichst vermieden werden, zumal die von dir in den raum gestellte floskel ("machen wir uns nichts vor!") gar keine zutreffende ist.

was solche kritik mit meinem winz-essay über karl may - oder dem an anderer stelle ergangenen vorhalt, ein dialog wie der dort angebotene passe keineswegs zu einem kellner italienischen zuschnitts - zu tun habe, begreife ich ebensowenig wie deinen hinweis, du seist selbst fernfahrer und wüsstest deshalb gut bescheid über deren gemächte.

mag ja sein, dass du besser lastwagen fahren kannst als unsereiner und der speditör, bei dem du schaffst, ein besonderer ist - heraushängen lassen würde ich das an deiner stelle besser nicht, denn der platte inhalt der nacktszene vor und hinter der truckerscheibe gewinnt dadurch keineswegs an kontur. ganz im gegenteil!

die allgemeinen ansichten der deutschen bevölkerung über sachverhalte entsprechen nicht immer den schlagzeilen der boulevardzeitungen, wie du irrig annimmst. ihr überwiegender anteil bildet sich, wenn (wie etwa bei den lkw-fahrern) persönlicher augenschein möglich ist, durchaus ein eigenes bild - und das ist keinswegs so beschaffen, dass ein autor berechtigt wäre, "uns" sein besonderes aufzuschwatzen.

doch das ist alles nur stilkritik, die du beherzigen kannst oder nicht.

nach wie vor erschließt sich mir die essenz deiner story aber nicht. warum konfrontierst du uns leser mit dem unterleib eines lastwagenfahrers und einem beobachtenden rentner? alle männer fassen sich doch mindesten einmal täglich an den schwanz, und manchmal schaut ihnen jemand zu dabei, aus irgendwelchen gründen. was macht den kraftfahrer zum besonderen? nichts gegen die gleichzeitige bescheibung eines "vorgangs" aus zweierlei perspektiven - ein gängiger kniff, um dramatik und besondere spannung zu erzeugen. hier aber kratzt sich doch nur irgendeiner zwischen den beinen. so what?

liebe grüße aus münchen

bluefin
 

knychen

Mitglied
nu werd mal nicht zickig...
den unterleib des lkw-fahrers habe ich überhaupt nicht präsentiert, geschweige denn seinen schwanz. denn sonst hätte ich ja - um bei deinem assoziativen gedankenschema zu bleiben - irgendwas von wegen "lang und fettig" schreiben müssen.
aber nun verrat mir doch mal eins.
welche berufsgruppe wäre es denn wert, im rahmen einer harmlosen szene beschrieben zu werden. und welche thematik muss auf jeden fall aussen vor bleiben?
kann das sein, dass du einfach nur gerne recht haben willst? auf biegen und brechen?
die irrfahrten des odysseus sind eben auch nix weiter wie der schweinkram, den ein seemann fern der heimat erlebt. oder wie? oder was?
und romeo und julia sind lediglich ein paar spät pubertierende kids, die ihren eltern die autorität verweigern, stimmts?
deswegen muss man doch so was unwichtiges nicht beschreiben.
und damit du nicht auf falsche gedanken kommst - mitnichten will ich mich mit homer oder herrn schüttelspeer vergleichen. ich wollte nur so plakativ wie möglich sein.
und bezugnehmend auf den zweiten satz deiner letzten wortmeldung an dieser stelle muss ich dir auch mal einen rat auf deinen weg geben.
das wort tunlichst sollte man nämlich tunlichst vermeiden. es kommt so gestelzt daher, dass man den abgespreizten kleinen finger fast sehen kann.
und erklär mir nicht, dass wäre ironisch gemeint gewesen. soviel humor trau ich dir nämlich nicht zu.
ich schau heute abend noch mal rein, aber schreiben werd ich dazu nix mehr.
versprochen!
gruß aus osnabrück.
knychen
 
Ein hervorragender Text aus dem Leben, knychen - großes Kompliment dafür. Dein Text hier wäre sogar verfilmbar.
Sowas lese ich immer sehr gerne ...

Der Text hat "Masse"/ Substanz, er ist ganz realistisch, nichts Herbeigesponnenes, und dennoch, aber auch gänzlich real bleibend, hat er einen wohltuenden "philosophischen touch".
Das ist etwas - mitten aus dem Arbeitsleben treffend verbal Aufbereitetes.
Schreibe mehr davon, es scheint Dir zu liegen ...

(Ein Buch von Dir, mit solchen Texten, (Werbespruch Mediamerkt:) "Das kauf(te) ich Dir gerne ab" !)
 
B

bluefin

Gast
ich erlaube mir, guter @knychen, auf meinen eigenen stelzen zu gehen. warum sollte ich die eines anderen benutzen?

vielleicht solltest du dir die odyssee ebenso wie romeoyjuliette mal wirklich reinziehen - es lohnte sich, denn da steht allerhand cooles drin (nur am sack kratzt sich keiner).

liebe grüße nach osnabrück

bluefin
 
K

Kasper Grimm

Gast
"dieser stil ist kennzeichen von traktaten, sollte aber bei kurzgeschichten tunlichst vermieden werden,"

Originalzitat von Bluefin - da kann ich nur sagen: er mit seinen Kritiken erinnert mich viel mehr an einen verbiesterten Traktatler.

Nun zum Text: ich finde ihn klasse ;-)
Ich mag diese lockere unverklemmte Atmosphäre. Sie ist ehrlich, weil dem realen Leben von der Schnauze abgeguckt. Wenn mamn sich unbeobachtet wähnt, pult man in der Nase, juckt sich an der Hämorrhoide und macht noch ganz andere Dinge. Wenn ein Moraliner darauf verschnupft reagiert, hat der Text genau das bewirkt: das Moraline entlarvt als moralin.
Der Witz an der Sache ist aber noch, daß der sich unbeobachtet Wähnende keinesfalls unbeobachtet ist, sondern beobachtet wird von einem - Moralinen: ausgerechnet der, dem nichts Menschliches fremd ist (Gefangenschaft, Ehesachen), ist pikiert über diese Szene - das entlarvt ihn als Spießerrentner.
Und der Autor hat das ganz nebenher so mal angedeutet - das ist die eigentliche Klasse: nicht der erhobene Finger, sondern mal eine kleine Szene fokussiert - wobei mir das erheiternde Grinsen kommt.
Ergo: ich bin kein Moraliner ;-))))
Kasper
 

knychen

Mitglied
@waldemar und kasper
auch bluefins kritik hat ihren sinn. man lernt positive kritik erst schätzen, wenn man auch negative kennt. danke an euch beide. ich dachte schon, ich werde langsam eigenbrötlerisch und keiner versteht mich mehr.
schönes wochenende und gruß aus berlin.
knychen
 
B

bluefin

Gast
hallo @knychen,

mir sind beschreibungen, wie sich einer am sack kratzt oder o-saft trinkt, gähnend langweilig, ganz egal, ob es sich dabei um rentner oder um lastwagenfahrer handelt.

nichts gegen lastwagenfahrer, rentner, filzläuse und tetra-packs in der literatour: wenn sie gegenstand einer interessanten rundreise oder tiefschürfenderer gedanken wären, hätten sie dort sicher ihren platz. so aber ist's, wie ganz zu anfang schon gesagt, nur plattestes.

die reklamation einer solchen nullnummer mit moralischer entrüstung verwechselt zu sehen, stimmt walfische heiter. sonderbare moralvorstellungen, euere...*wonder*...

liebe grüße aus münchen

bluefin
 

knychen

Mitglied
nun krieg dich mal langsam wieder ein, du walfisch.
ich hab's doch längst akzeptiert, dass dir diese geschichte nicht gefallen hat. andere sehen das anders und damit hat sich das.
"tiefschürfende gedanken"...warum nicht gleich ne floskelsammlung?
mich hat an deiner kritik einzig deine dogmatische haltung irritiert. und wenn du mir zum beispiel stilistische schwäche vorwirfst - zum beispiel mit dem einleitenden satz "machen wir uns nichts vor..." - und das damit begründest, das "wir" wäre fehl am platze, dann versteh ich nicht, wie du im weiteren eine nullnummer bringen kannst wie "warum konfrontierst du uns leser mit dem unterleib eines lastwagenfahrers und einem beobachtenden rentner?".
wer ist denn uns leser? kann das sein, dass du deine meinung für allgemeingültig hältst? im stile eines literaturpapstes?
zeig mir doch mal hier in der leselupe eine einzige geschichte, die von dir geschrieben deinen maßstäben entspricht. wo ist die von dir geforderte "interessante rundreise" oder der "tiefschürfende gedanke in deiner indian x-mas? die werden nicht mal im forentext gefordert, nur von dir. du beschreibst belanglose szenen mit gesichtslosen personen und ich mach das eben auch. manche finden deine geschichten gut und manche eben meine.
hastes jetzt?
 
B

bluefin

Gast
du solltest genauer lesen, @knychen, bevor du dich ereiferst. bluefin sagte nicht "tiefschürfend", sondern "tiefschürfender".

das ist ein komparativ und heißt auf lastwagenfahrerisch "etwas tiefer als nur oberflächlich herumkratzend".

wenn du mit mir über meine eigenen geschichten oder jene dritter debattieren möchtest: bitte dort. hier nicht - hier geht's nur um deinen text und die kritik dazu.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 
Danke jedenfalls vom zyn.Schaf schonmal für eure Realsatire hier:

Der groteske Streit zwischen einem Trucker und einem Walfisch darüber, ob Wortevögel fliegen können.

oder erweitert und auf Cervantisch:

Die ernste Unterhaltung zwischen dem fahrenden Ritter Don Francesco de Calleras und einem blauen Zauberfisch aus dem Reich der Syringen über den Flug der saharenischen Albatrosse

oder auf chemisch und deutschig:

Prof.Dr.rer.nat.M.Bürokatius:
Abhandlung über Nutzen und Gefahren von DMSO im Lastkraftwagenfahrerwesen und im Fischewesen im Hinblick auf und unter besonderer Beachtung seiner Bedeutung und Vorkommnung in der Flugvogelwesenung
 
H

Heidrun D.

Gast
10 Punkte für`s Geschichtchen und extra 10 gefühlte für deine verschmitzt-witzige Art des Eini-Semmelns!

Lebhaft-begeisterte Grüße
Heidrun
 

Chrisch

Mitglied
Der erste Teil dieses Textes, gefällt mir ausgesprochen gut, dafür bekämst du eine 10 von mir, wenn du:
Machen wir uns nichts vor - das Image der Lkw-Fahrer in Deutschland ist ziemlich am Boden.
Nun ist es aber so, dass der Mensch sieht, was er sehen will und hört, was er nicht hören soll; manchmal sogar die Flöhe oder Schlimmeres husten.
Und vieles beruht einfach nur auf Missverständnissen.
diese, mir völlig überflüssig erscheinende, Erläuterung weglassen würdest. Die macht aus dem Leser einen Trottel, obgleich das Flöhe-husten-hören, dich vielleicht veranlasst hat, das Ganze vorneweg zu schieben.
Auch das "Gewölle", in dem du zunächst undefinierbar Exotisches findest, ist mir zu vulgär. Was ist daran ausgewürgtes Haar- und Knochenrest? Das ist für mich wirklich unterste Schublade.

Der zweite Teil ist mir persönlich zu lang, der Alte zu alt, die Pointe irgendwie "zerritten". Was so schön lebhaft beschrieben wurde, zermatscht in einem Vollkorn zur Unbedeutung.
Trotzdem, die Art der sonstigen Wortwahl, die Lebendigkeit finde ich einfach toll. Dazu wünsche ich dir Ideen, die die Leute nicht nur bei deiner "Stange" halten.
 

zandalee

Mitglied
Hallo,
ich bin ganz neu hier, "wage" aber trotzdem mal einen ersten Text-Kommentar.. ;-)

Mir gefällt die Geschichte ausgesprochen gut, sowohl von der Idee, als auch vom Stil her.
Allerdings bin ich auch der Meinung, dass die Einleitung überflüssig ist, weil die Geschichte das ja ohnehin aussagt. Ohne die direkte Ansprache könnte sich jeder Leser, je nach Ehrlichkeit ;-) selbst aussuchen, ob er zu den "Vorurteilsbehafteten" gehört.

Ein bisschen irritierend finde ich auch den Perspektivenwechsel zu dem Rentner hin, das passte irgendwie nicht so richtig in eine Ich-Erzählung. Auf der anderen Seite wäre es natürlich ansonsten schwierig die Geschichte zu realisieren.

LG.. Ute
 

SIWA

Mitglied
Hallo knychen,

deine Geschichte hat meine Phantasie angeregt und ich habe ein wenig weitergeschrieben:

Schwül war es und dieser würzige Schweißgeruch brachte mich fast um den Verstand. Endlich war er ruhig geworden. Keine abrupten Bewegungen mehr und keine Versuche mich abzuschütteln. Dafür begann jetzt unter mir der Boden zu beben. Lautes Donnern und pfeifende Sturmböen wechselten sich ab. Vorsichtig erkundete ich das Gelände, aber nicht einmal ein kleiner Strauch bot Deckung. Unter diesen Bedingungen fühlte ich mich unsicher und Floh.
Endlich kam ich in bewachsene Regionen. Wie weich und warm sich der Boden doch anfühlte! Dazu kam noch dieser unvergleichliche süße Duft. Mein Magen spielte verrückt. Gierig biss ich zu und trank von der sprudelnden Quelle bis ein greller Lichtschein auf mich hereinbrach. Mein Blut stockte, als ich sah, was auf mich zukam. Vier Riesen bäumten sich vor mir auf und zerstörten alles, was sich ihnen in den Weg stellte. Ich hatte mit meinem Leben abgeschlossen und mich auf meinen Tod vorbereitet, aber dann geschah das Wunder. Millimeter vor mir stoppten die scheußlichen Ungeheuer. Sie packten ein Kümmelkorn, das mir sowieso nur den Appetit verdorben hätte, und schleuderten es davon.

LG
SIWA
 

ridding

Mitglied
Mir gefällt der Text gut, die Sprache ist sehr lebendig an das geschilderte Milieu angepasst, es wird anschaulich erzählt.
Was mir nicht so gut gefällt ist er der Titel, denn er verweist nicht darauf, was in der Geschichte passiert, sondern lediglich auf eine Intention des Autors, die dieser in im einleitenden Absatz einbringt, die aber eigentlich nicht zur Geschichte gehört.
Gruß, ridding
 

knychen

Mitglied
hallo,
ich bin ganz erstaunt, wie diese harmlose geschichte polarisiert und sich vor allem selbst im gespräch hält. da ich nur recht selten am rechner sitze, antworte ich mit einem rundumschlag.
@chrisch
also wenn ich das, was dir nicht so recht gefällt, weglasse, bleibt ja nicht mehr viel von der story. ich finde nicht, dass die einleitung den leser als trottel dastehen lässt. aber ich bin da mit sicherheit einem aufbau gefolgt, der mit meiner ersten kontakaufnahme in sachen literatur geschuldet ist. natürlich kann der leser das nicht wissen. mein erstes richtiges buch las ich nämlich im alter von knapp sechs jahren und es waren die märchen von wilhelm hauff. speziell der erste zyklus "die karawane" hatte es mir angetan und ich weiß noch genau, wie ich damals beschloß, karawanenführer zu werden. falls du diese kunstmärchensammlung nicht kennst - da reisen einige kaufleute durch die wüste und jedesmal wenn sie rasten, erzählt einer von ihnen eine geschichte. (vielleicht bin ich deshalb fernfahrer geworden) so haben sie es ausgemacht und es spielt keine rolle, ob die geschichte selbst erlebt oder gehört oder vielleicht auch erdacht ist. und wenn man in so einer runde zusammen sitzt, sagt man nicht einfach den titel einer geschichte und fängt dann an, nein, meist leitet man sie ein. wahrscheinlich hätte ich einige berufsbedingte storys zusammensuchen müssen, eine fiktive gruppe kollegen um einen noch fiktiveren tisch versammeln sollen und dann hätte es ohne missverständnisse so geklappt. andererseits erzählt ja der kutscher - sonst wären ja auch nicht solche bilder wie das "gewölle" oder "weiland der dornbusch" am start gewesen - und wenn jemand das recht hat, mit dem klischee einer berufsgruppe zu spielen, dann in erster linie einer aus dem inneren kreis.
das "gewölle ist im übrigen nicht wörtlich zu nehmen, genauso wenig, wie man verständnislos mit dem kopf schüttelt, wenn jemand sagt: das geht mir auf die ketten. das deutlichere und präzisere "ansatz der schambehaarung" war mir schlichtweg zu blöd. so redet man nicht, ausser vielleicht beim arzt.
deine kritik am zweiten teil der story ist von persönlichen befindlichkeiten getragen. dem nächsten leser hätte der rentner ruhig noch älter sein können, da nehm ich den herren eben so, wie er grad daher kommt.
danke für deinen kommentar!
@zandalee
auch dir ein danke!
zum ersten kritikpunkt - siehe oben.
zum weiteren: ohne den perspektivwechsel, also jede situation für sich, wäre ja nicht klar geworden, warum der eine über den anderen den kopf schüttelt - der kutscher über den rentner, der sich für ihn grundlos über irgendwas mokiert statt die wonnen eines nachtschlafes im heimischen bett zu geniessen und zum anderen der rentner, der das gesehene ebenso falsch deutet.
@SIWA
nette dritte perspektive.
unabhängig davon, dass sich flöhe bzw filzläuse meiner meinung nach (ich hab jetzt keine lust zu googeln) an körpertemperaturen orientieren, ist die variante mit dem "würzigen schweißgeruch" zwar nicht schmeichelhaft für den fahrer, aber doch menschlich. hättest du allerdings fünf riesen erwähnt, bestände die gefahr des abgleitens ins zotige. haste aber nicht und leider kann ich deine wortmeldung nicht bewerten. also auch hier nur ein danke!
@ridding
ebenso danke!
über die wahl eines titels bzw. was ein titel erreichen soll, brauchen wir nicht diskutieren. mich machen zum beispiel eher titel an, die überhaupt nicht aussagen, was in der geschichte passiert. "wie ich einmal ein kümmelkorn mit einer filzlaus verwechselte" wäre zwar deutlich, aber auch deutlich unpassender.
findest du nicht?

gruß an alle aus berlin.
knychen
 



 
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