In der Nachbarschaft

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In der Nachbarschaft (Weckruf -> Weg-Ruf)

Bei uns, also bei meinen Nachbarn, um es genauer zu sagen, ist ein neues Nationalgefühl erwacht.
Davon bin ich aufgewacht um sechs und nicht um halb acht an jenem Sonntagmorgen im Frühjahr. Zu den Klängen des Deutschlandlieds wurde die Fahne gehisst.
Ich sah sie dann, flatternd im Wind, bestrahlt von der aufgehenden Morgensonne.
Zuerst wollte ich mich schon beschweren, aber dann hätte man ja meinen fehlenden Nationalstolz sofort erkannt.
Es war natürlich jener Nachbar mit den typischen germanischen Charakteristika, der seitdem jeden Morgen mit diesem Ritual die Fahne hisst und sie abends wieder leise einholt.
Das ist ein richtiger Deutscher, während ich nur so ein falscher mit Emigrationshintergrund bin.
Wäre ich doch bereits ausgewandert, wünschte ich mir jeden Tag erneut bei den doch sehr lauten Klängen der Hymne, die nun aus mehreren Lautsprechern erschallt, da auch andere Nachbarn dieses besondere Gefühl zu ihrem Land erkannt haben und diesem positiven Beispiel folgen.

Bis eines Tages um viertel vor sechs andere Töne zu vernehmen waren.
Später sahen dann alle die rot-weiße Flagge und konnten sie einordnen.
Auch andere Nationen zeigen Flagge. Mir war gar nicht bewusst, dass hier so viele verschiedene Vertreter ihrer Länder wohnen. Es gibt sogar welche, die Europa huldigen. Den Text der spanischen Hymne konnte ich nicht richtig verstehen. Vielleicht wegen des Lärms. Ich sah aber die entsprechende Fahne.

Bisher leben sie alle noch friedlich nebeneinander in ihrem Fahnenmeer zu den Klängen ihrer jeweiligen Hymne, die sie jeden Tag etwas lauter singen.
Ich habe mir Ohrstöpsel gekauft.
 



 
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