In Tyrannis

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Herr H.

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Seit Wochen saß er nun schon in der Zelle,
verhaftet wegen einer Bagatelle,
und wartete im grauen Häftlingsdress
auf die Entlassung oder den Prozess.

Er hatte doch bloß einen Witz gemacht!
Der Nachbar hatte sogar mitgelacht,
um heimlich seinen Namen zu notieren
und ihn als Feind des Volks zu denunzieren.

Bald traf ihn das Verhängnis wie ein Fluch.
Bereits am nächsten Morgen stand Besuch
vor seiner Tür. Zwei Herren in Zivil.
Und ihn beschlich ein mulmiges Gefühl.

Sie forderten ihn auf, gleich mitzukommen.
Dann wurde er ins Kreuzverhör genommen.
Und immer enger zogen sie den Kreis.
Er spürte Kopfweh und ihm wurde heiß.

Sie fuhren fort damit, ihn auszufragen
und blätterten in ihren Unterlagen,
die Wächter über Sitte und Gesetz.
Er kam sich vor wie ein Insekt im Netz.

Dann meinten sie, dass für die Polizei
sein Tun und Reden recht verdächtig sei.
Zu scherzen über Führung und Regime,
sei eine Straftat und nicht legitim.

Man müsse ihn vorerst in Schutzhaft nehmen.
Kein Grund zur Sorge oder sich zu grämen!
Es sei ja nur für eine kurze Zeit
und diene seiner eig’nen Sicherheit.

Nun saß er schon seit Wochen in der Zelle,
dem Ort für Mörder, Diebe, Kriminelle,
und wartete im grauen Häftlingsdress
auf die Entlassung oder den Prozess.

Die Zellenwand war feucht und voller Schimmel.
Durchs Gitterfenster sah er dunklen Himmel.
Zum Schlafen diente ihm ein Lattenrost.
Besuch war untersagt, auch jede Post.

Er fühlte sich vollkommen isoliert
und dementsprechend schrecklich deprimiert.
Die Ängste und die Panik nahmen zu.
Nicht einmal nachts fand seine Seele Ruh.

Er war nichts weiter als ein Nervenbündel,
geplagt von Krämpfen, Übelkeit und Schwindel.
Ein Tier im Käfig, lief er hin und her
und wünschte bloß, dass es zu Ende wär.

Dann nahte ihm ein hoher Offizier,
bewaffnet nur mit einem Stück Papier.
Er müsse nicht mehr im Gefängnis bleiben,
wenn er bereit sei, hier zu unterschreiben.

Kaum nahm er wahr, was auf dem Blatte stand.
Er unterschrieb. Ihm zitterte die Hand.
Dann führten sie ihn, ohne was zu sagen,
in den Gefängnishof zu einem Wagen.

Er freute sich. Nun ginge ohne Pause
es auf direktem Weg zu ihm nach Hause!
Wie würden nach der ganzen Not und Pein
auch Frau und Tochter höchst erleichtert sein!

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Seit Wochen warteten die beiden schon
auf die erlösende Information,
was denn mit ihrem Mann und Vater sei.
Wann ließe man ihn endlich wieder frei?

Was wurde ihm denn nur zur Last gelegt?
Wie hatte er bloß Ärgernis erregt?
Es konnte niemand was Genaues sagen
auf ihre bangen, angsterfüllten Fragen.

Die Antwort blieb auch in der Zukunft aus.
Der Mann und Vater kam nicht mehr nach Haus.
Ihm ging’s wie manchem, der die Ordnung stört.
Man hat nie mehr noch was von ihm gehört.
 



 
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